Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 286



108 Ib 286

53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai
1982 i.S. Schweizerische Treuhandgesellschaft und Coopers &
Lybrand AG gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen.

    1. Eine ausländische Versicherungsgesellschaft, die mit einem in der
Schweiz domizilierten Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag über
dessen berufliches Haftpflichtrisiko abschliesst, untersteht grundsätzlich
der schweizerischen Versicherungsaufsicht. Vereinbarkeit von Art. 1 Abs. 1
lit. a und d der VO über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht
vom 11. Februar 1976 mit dem BG betreffend die Aufsicht über die privaten
Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (E. 2).

    2. Befreiung von der Versicherungsaufsichtspflicht im konkreten Fall
wegen Fehlens eines Schutzbedürfnisses gemäss Art. 3 Abs. 1 der VO über
die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 12. Januar 1981 stellte die Schweizerische Treuhandgesellschaft
beim Bundesamt für Privatversicherungswesen zuhanden des Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) das Gesuch, es sei ihr selbst
und ihr nahestehenden Gesellschaften, insbesondere der Coopers & Lybrand
AG, Basel, zu gestatten, mit der C.T. Bowring Professional Indemnity
Ltd., London, bzw. den von ihr vertretenen mehr als 100 Versicherern
einen Vertrag über die Versicherung des beruflichen Haftpflichtrisikos
abzuschliessen unter Befreiung der Versicherer von der Aufsichtspflicht
im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die privaten
Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978. Zur Begründung des Gesuchs
machte sie im wesentlichen geltend, es bestehe kein Schutzbedürfnis
im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die Abgrenzung der
Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976; sodann stelle das
"International Firm Agreement" der Coopers & Lybrand (International),
an dem die Coopers & Lybrand AG, Basel, beteiligt sei, eine vertragliche
internationale Zusammenarbeit auf anderem als nur das Versicherungswesen
betreffenden Gebiet im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der erwähnten Verordnung
dar, so dass eine Aufsichtspflicht auch deswegen entfalle; schliesslich
biete der beabsichtigte Versicherungsvertrag mit der C.T. Bowring
wesentliche Vorteile, die auf dem schweizerischen Versicherungsmarkt gar
nicht erhältlich seien.

    Mit Schreiben vom 7. Mai 1981 schloss sich die Coopers & Lybrand AG
dem Gesuch der Schweizerischen Treuhandgesellschaft an.

    Mit Verfügung vom 1. Oktober 1981 wies das EJPD das Gesuch der
Schweizerischen Treuhandgesellschaft und der Coopers & Lybrand AG ab.

    Die Schweizerische Treuhandgesellschaft und die Coopers & Lybrand
AG haben Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben,
mit dem Antrag,

    "Es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und es sei
   festzustellen, dass der von den Beschwerdeführerinnen geplante Beitritt
   zu einem Versicherungsvertrag mit über 100 Versicherern, alle vertreten
   durch die C.T. Bowring Professional Indemnity Ltd., London, über
   die Deckung des beruflichen Haftpflichtrisikos der schweizerischen
   Versicherungsaufsicht nicht unterliegt und daher keiner Bewilligung
   nach Art. 7 VAG bedarf.

    Eventuell wird die Gewährung einer Befreiung nach Art. 4 Abs.

    2 VAG beantragt."

    Das EJPD beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und ändert die angefochtene
Verfügung in dem Sinne ab, dass die von der C.T. Bowring Professional
Indemnity Ltd. vertretenen Versicherer hinsichtlich des geplanten
Abschlusses eines Versicherungsvertrages mit den Beschwerdeführerinnen
der schweizerischen Versicherungsaufsicht nicht unterstehen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 1 des Bundesgesetzes über die Aufsicht über
die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (VAG;
SR 961.01) übt der Bund, insbesondere zum Schutz der Versicherten,
die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen aus. Der
Aufsicht des Bundes unterstehen nach Art. 3 Abs. 1 VAG die privaten
Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz oder von der Schweiz
aus im direkten Geschäft oder im Rückversicherungsgeschäft tätig sind,
wobei der Bundesrat bestimmt, was zum direkten Geschäft in der Schweiz
gehört. Gemäss Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die Abgrenzung der
Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976 (SR 961.11), die
nach Art. 2 lit. f des Bundesratsbeschlusses über die Inkraftsetzung des
Versicherungsaufsichtsgesetzes und die Weitergeltung von Bundesrecht vom
22. November 1978 (SR 961.011) in Kraft geblieben ist, soweit sie dem VAG
nicht widerspricht, unterliegt die Vornahme von Versicherungsgeschäften
insbesondere dann der Aufsicht des Bundes, wenn eine in der Schweiz
domizilierte Person Versicherungsnehmerin ist (lit.

    a) oder wenn die Haftpflicht von in der Schweiz domizilierten Personen
gedeckt wird, sofern nicht eine staatsvertragliche oder gesetzliche
Regelung eine abweichende Ordnung vorsieht (lit. d).

    Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerinnen in der Schweiz
domiziliert sind und dass der Versicherungsvertrag, den sie abschliessen
wollen, ihr Haftpflichtrisiko decken soll. Die Voraussetzungen von Art. 1
Abs. 1 lit. a und d der Abgrenzungsverordnung sind daher erfüllt. Die
Beschwerdeführerinnen machen jedoch geltend, die Versicherungsaufsicht
erfasse nach Art. 3 Abs. 1 VAG nur Versicherungseinrichtungen, die in
der Schweiz oder von der Schweiz aus "tätig" seien. Das könne nur so
verstanden werden, dass in der Schweiz eine werbende oder mindestens
sich empfehlende organisierte Tätigkeit gegenüber einem Kundenkreis von
mehr oder weniger grosser Bedeutung mit dem Ziel des Abschlusses einer
unbegrenzten Zahl von Versicherungsverträgen entfaltet werden müsse. Wenn
nach Art. 1 Abs. 1 der Abgrenzungsverordnung schon der Abschluss eines
einzigen Versicherungsvertrags der Versicherungsaufsicht unterstehen solle,
sprenge dies den Rahmen des Gesetzes.

    a) Es ist richtig, dass die von der C.T. Bowring vertretenen
Versicherungsgesellschaften in der Schweiz nicht das Versicherungsgeschäft
im eigentlichen Sinne betreiben, wenn sie mit den Beschwerdeführerinnen
einen Versicherungsvertrag abschliessen. Das Versicherungsgeschäft setzt
einen planmässigen Geschäftsbetrieb voraus, der sich an eine Vielzahl
von Personen wendet, so dass die Risiken nach den Gesetzen der Statistik
kompensiert werden können (vgl. BGE 107 Ib 56). Art. 3 Abs. 1 VAG stellt
aber bei der Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht nicht darauf
ab, ob eine Gesellschaft in der Schweiz das Versicherungsgeschäft als
solches betreibt, sondern darauf, ob sie in der Schweiz oder von der
Schweiz aus im Versicherungsgeschäft "tätig" ist (qui exercent en Suisse
"une activité" en matière d'assurance...). Es ergibt sich demnach schon
aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass für die Unterstellung unter die
Versicherungsaufsicht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen
eine unter den vielfältigen Tätigkeiten, die zusammen den Betrieb des
Versicherungsgeschäfts ausmachen, genügt, sofern sie sich in der Schweiz
abspielt.

    b) Dass nicht nur das Versicherungsgeschäft als solches, sondern
bereits eine einzelne Tätigkeit auf diesem Gebiet, im Extremfall der
Abschluss eines einzigen Versicherungsvertrags, der schweizerischen
Versicherungsaufsicht unterliegt, sofern eine Berührung mit der Schweiz
besteht, folgt auch aus der Botschaft des Bundesrats zum VAG. Darin
wird ausgeführt, es komme bei der Frage, was zur Geschäftstätigkeit
in der Schweiz gehöre, nicht darauf an, ob der Vertragsabschluss
auf dem Korrespondenzweg oder im Ausland erfolge; massgebend für
die Aufsichtspflicht sei allein die Tatsache, dass ein Schutzbedürfnis
vorliege und dass die Wirkungen in der Schweiz einträten, gleichgültig wo
und auf welche Weise der Vertrag zustandegekommen sei; es könnten somit
in der Schweiz nur jene Versicherungseinrichtungen Versicherungsverträge
abschliessen, die die Bewilligung zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz
besässen (BBl 1976 II S. 893). Diese Auffassung wurde in den Verhandlungen
vor den eidgenössischen Räten nicht in Frage gestellt (vgl. Amtl.Bull. S
1977 S. 35, N 1978 S. 39). Sie wird in der Literatur zum VAG geteilt
(A.F. GANZ, Ausländische Versicherungsunternehmen und staatliche Aufsicht
in der Schweiz, Diss. Zürich 1979, S. 43; A. KRAMER, Die Kompetenzen des
Eidgenössischen Versicherungsamtes, Diss. Zürich 1977, S. 29 ff.).

    Ob aus Art. 1 Abs. 1 des früheren Versicherungsaufsichtsgesetzes
vom 25. Juni 1885 (BS 10 S. 289 ff.) und insbesondere aus der Botschaft
dazu (BBl 1885 I S. 124) etwas anderes abgeleitet werden kann, wie die
Beschwerdeführerinnen geltend machen, kann dahingestellt bleiben. Immerhin
sei bemerkt, dass die Praxis der Aufsichtsbehörden schon unter der
Herrschaft des alten Rechts dahin ging, dass ein aufsichtspflichtiges
Versicherungsgeschäft bereits dann vorliege, wenn eine Gesellschaft mit
Einwohnern der Schweiz einen Versicherungsvertrag abschliesse (VEB 28
Nr. 77). Das Bundesgericht hat, ohne sich abschliessend zu äussern, in BGE
91 I 379 ausgeführt, diese Auslegung des (früheren) Gesetzes sei zwar sehr
weit; sie lasse sich jedoch auf dessen Zweck stützen, das schweizerische
Publikum im Gebiet des privaten Versicherungswesens zu schützen.

    c) Dass ausländische Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz
eine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb erlangen wollen, der Aufsichtsbehörde
einen Geschäftsplan mit Angabe des örtlichen Tätigkeitsbereichs und
der in der Schweiz zu verwendenden Tarife einzureichen haben (Art. 8
VAG), dass sie in der Schweiz eine Geschäftsstelle für das gesamte
schweizerische Geschäft unter der Leitung eines Generalbevollmächtigten
unterhalten müssen (Art. 14 Abs. 2 VAG) und dass sie über den Stand der
Guthaben und Verpflichtungen in der Schweiz sowie über die Einnahmen
und Ausgaben des schweizerischen Geschäfts Bericht zu erstatten haben
(Art. 22 Abs. 2 VAG), ändert an diesem Ergebnis entgegen der Ansicht
der Beschwerdeführerinnen nichts. Die C.T. Bowring und die von ihr
vertretenen Versicherungsgesellschaften, die im Ausland tätig sind,
haben notwendigerweise einen Geschäftsplan, den sie der Aufsichtsbehörde
einreichen können. Dass auch die ausländische Geschäftstätigkeit Gegenstand
des einzureichenden Geschäftsplanes bildet, ergibt sich ausdrücklich
aus Art. 8 Abs. 3 VAG. Die abzuschliessenden Versicherungsverträge
unterliegen sodann notwendigerweise einem Tarif. Es ist nicht einzusehen,
weshalb dieser der Aufsichtsbehörde nicht zur Kenntnis gebracht werden
kann. Dass er auch auf das ausländische Geschäft Anwendung findet, ist ohne
Belang. Es besteht auch kein Grund, weshalb der ausländische Versicherer,
der in der Schweiz nur einen einzigen Versicherungsvertrag abschliessen
möchte, daran gehindert sein sollte, in der Schweiz eine Geschäftsstelle
zu unterhalten und einen Generalbevollmächtigten zu ernennen und dadurch
für die Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag einen Gerichtsstand und
einen Betreibungsort in der Schweiz zu schaffen (Art. 29 VAG). Dass die
Berichterstattung über den Stand der Guthaben und Verpflichtungen in
der Schweiz sowie über die Einnahmen und Ausgaben des schweizerischen
Geschäfts Schwierigkeiten bieten soll, wenn in der Schweiz nur ein
einziger Versicherungsvertrag abgeschlossen worden ist, ist ebenfalls
nicht ersichtlich. Im übrigen sagt Art. 22 Abs. 2 VAG ausdrücklich, dass
die ausländischen Versicherungseinrichtungen auch über das Gesamtgeschäft
Bericht zu erstatten haben. Ob sich ein ausländischer Versicherer, der
in der Schweiz ohne Bewilligung einen Versicherungsvertrag abschliesst,
im Sinne von Art. 50 Ziff. 1 VAG strafbar macht, ist hier nicht zu
prüfen. Diese Bestimmung stellt das Betreiben des Versicherungsgeschäfts
als solches unter Strafe, während nach Art. 3 Abs. 1 VAG für die
Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht wie dargetan bereits eine
"Tätigkeit" im Versicherungsgeschäft genügt. Im übrigen ist nach Art. 49
Abs. 1 VAG jeder Verstoss gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes wenigstens
als Ordnungswidrigkeit strafbar. Dass sich ausländische Versicherer
möglicherweise der Bestrafung entziehen können, ist für den materiellen
Gehalt dieser Vorschriften unerheblich.

    d) Es trifft auch nicht zu, dass Art. 1 der Abgrenzungsverordnung
mit Sinn und Zweck des VAG in Widerspruch stehen würde. Dieses
Gesetz bezweckt nach seinem Art. 1 insbesondere den Schutz der
Versicherten. Nach der bundesrätlichen Botschaft ist der Begriff
des Versicherten im weitesten Sinn zu verstehen. Er umfasst
nicht nur die Versicherungsnehmer, sondern auch die Versicherten im
versicherungsvertraglichen Sinn, die Anspruchsberechtigten und Geschädigten
(insbesondere in der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung) sowie die
Versicherungsinteressenten. Diese Personen sollen vor technischer und
finanzieller Insuffizienz und Insolvenz der Versicherungseinrichtungen,
vor Täuschung durch unklare Verhältnisse, unwahre Kundgebungen und falsche
Angaben, vor zu hoher Prämienbelastung, vor Versicherungsbedingungen,
die mit zwingenden Bestimmungen des VVG in Widerspruch stehen, sowie vor
sachwidriger Gestaltung der Versicherungsbedingungen, deren Tragweite
sie nicht zu überblicken vermögen, geschützt werden (BBl 1976 II S. 892;
vgl. auch BGE 99 Ib 58, 76 I 240 ff. für das frühere Gesetz). Es liegt
auf der Hand, dass dieser vom Gesetz angestrebte Schutz der Gesamtheit
der Versicherten nur verwirklicht werden kann, wenn jeder einzelne
Versicherungsvertrag mit Wirkungen in der Schweiz der behördlichen Aufsicht
untersteht. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerinnen, die der
Umgehung des VAG Tür und Tor öffnen würde, ist unhaltbar. Die Unterstellung
individueller Versicherungsverträge unter die Versicherungsaufsicht hat
so wenig eine Bevormundung des Bürgers zur Folge wie die Aufsicht über
die Geschäftstätigkeit der Versicherungseinrichtungen überhaupt. Ob
für den betreffenden Bereich ein Versicherungsobligatorium besteht,
ist ohne Bedeutung; auch wo dies nicht der Fall ist, setzt das Gesetz
ein Schutzbedürfnis der Versicherten voraus. Unerheblich ist auch, dass
der Schutzgedanke des Gesetzes nicht immer durchgesetzt werden kann,
weil die Aufsichtsbehörde nicht von jedem ohne Bewilligung mit einem
ausländischen Versicherer abgeschlossenen Versicherungsvertrag Kenntnis
erhält. Diese Unvollkommenheit, die das VAG mit vielen Gesetzen teilt,
ändert an dessen Geltungsbereich nichts.

    e) Ausländische Versicherungseinrichtungen der schweizerischen
Versicherungsaufsicht zu unterstellen, wenn sie mit in der Schweiz
domizilierten Personen Versicherungsverträge über die Deckung des
Haftpflichtrisikos abschliessen, verstösst schliesslich entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht gegen eine Regel
des Völkerrechts. Die Schweiz greift nicht in die Hoheitsrechte
fremder Staaten ein, wenn sie den schweizerischen Versicherungsbestand
ausländischer Versicherungseinrichtungen beaufsichtigt. Da die Solvenz
einer Versicherungseinrichtung nur aufgrund des gesamten Geschäftsbetriebs
beurteilt werden kann, hat die schweizerische Aufsichtsbehörde zum Schutz
der schweizerischen Versicherten freilich auch eine gewisse Kontrolle
über das Auslandgeschäft der in der Schweiz tätigen ausländischen
Versicherungseinrichtungen auszuüben. Diese haben daher nach Art. 22
Abs. 2 VAG auch über das Gesamtgeschäft Bericht zu erstatten. Darin liegt
jedoch kein Eingriff in die Hoheit ausländischer Staaten. Die Schweiz
kann das Gesamtgeschäft ausländischer Versicherungseinrichtungen nicht
reglementieren und sie kann auch nicht direkt auf diese einwirken. Ihre
Befugnisse erschöpfen sich darin, dass sie der ausländischen Gesellschaft
die Bewilligung für den Geschäftsbetrieb in der Schweiz entziehen kann,
wenn die Interessen der schweizerischen Versicherten gefährdet sind (BOSS,
Systeme der Staatsaufsicht über Versicherungsunternehmungen, Diss. Bern
1954, S. 29/30). Dass die ausländischen Versicherungseinrichtungen für ihre
Tätigkeit in der Schweiz wie übrigens auch die schweizerischen für die
ihre im Ausland in diesem Rahmen möglicherweise einer doppelten Aufsicht
unterstehen, macht die von der Schweiz beanspruchte Aufsichtskompetenz
keineswegs völkerrechtswidrig. Immerhin ist diesem Umstand bei der
Ausübung der Aufsicht gebührend Rechnung zu tragen (BBl 1976 II S. 904
zu Art. 17/18 VAG).

    Es bleibt somit dabei, dass die Regelung in Art. 1 der
Abgrenzungsverordnung nicht bundesrechtswidrig ist, so dass der geplante
Vertragsabschluss an sich der staatlichen Aufsicht untersteht.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerinnen berufen sich indessen auch auf Art. 3
Abs. 1 Satz 2 der Abgrenzungsverordnung. Nach dieser Bestimmung wird
die Befreiung von der Versicherungsaufsichtspflicht ausgesprochen,
wenn im Einzelfall nachgewiesen ist, dass kein Schutzbedürfnis
besteht. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, sie hätten als
Treuhand- und Buchprüferunternehmungen, die unter anderem auch mit der
Revision einer Vielzahl von Versicherungseinrichtungen betraut seien,
einen in jeder Beziehung hinreichenden Einblick in die Solididät der
fraglichen Versicherer sowie in die Prämiengestaltung auf dem Gebiet der
Berufshaftpflichtversicherung; wegen ihrer Sachkenntnis bestehe auch
kein Anlass zu einem behördlichen Schutz vor Täuschung durch unklare
Verhältnisse, unwahre Kundgebungen und falsche Angaben des Versicherers,
vor sachwidriger Gestaltung der Versicherungsbedingungen sowie vor
der Verletzung zwingender Bestimmungen des VVG; schliesslich seien sie
ebenso gut wie die Aufsichtsbehörde in der Lage, ihre Vertragspartner
zu kontrollieren. Demgegenüber stellt sich das EJPD auf den Standpunkt,
auf die Fachkenntnisse des Versicherungsnehmers komme es gar nicht
an; diese könnten die Schutzbestimmungen des Gesetzes nicht ersetzen;
der Schutzgedanke des Gesetzes zeige sich nicht nur bei der Erteilung
der Bewilligung, sondern auch bei der laufenden Aufsicht; sei eine
Versicherungseinrichtung der schweizerischen Aufsicht nicht unterstellt,
so kämen den schweizerischen Versicherten auch die Bestimmungen über
das Bundesgesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom
4. Februar 1919 (SR 961.02), durch die das Solvenz- und das Transferrisiko
ausgeschaltet werde, nicht zugute; ebensowenig sei die Einhaltung
der zwingenden Bestimmungen des VVG (vgl. Art. 101 Abs. 1 Ziff. 2)
gewährleistet.

    a) Es ist richtig, dass die Versicherungsaufsicht nicht schon dann
entfällt, wenn ein Versicherungsnehmer glaubt, seine Interessen gegenüber
den Versicherungsgesellschaften selbst wahrnehmen zu können. Das
VAG will das Publikum schlechthin schützen, ohne Rücksicht auf die
mehr oder weniger grossen Fachkenntnisse des Einzelnen. Wie bereits
dargetan worden ist, versucht es diesen Zweck dadurch zu erreichen,
dass es jede Tätigkeit im Versicherungsgeschäft mit Auswirkungen in der
Schweiz der staatlichen Aufsicht unterwirft, nicht nur das Betreiben
des Versicherungsgeschäfts im eigentlichen Sinne, so dass im Extremfall
bereits der Abschluss eines einzigen Versicherungsvertrags mit einem in der
Schweiz domizilierten Versicherungsnehmer einer Bewilligung bedarf. Diese
sehr weitgehende Ausdehnung der Aufsichtskompetenz (vgl. BGE 91 I 379)
ist angesichts der für den Laien nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahren
des Versicherungsgeschäfts im Normalfall durchaus gerechtfertigt. Verfügt
der betreffende Versicherungsnehmer aber ausnahmsweise über besondere
Fachkenntnisse im Versicherungswesen, die es ihm ermöglichen, sich
ein Urteil über den abzuschliessenden Versicherungsvertrag zu bilden
und die damit verbundenen Risiken zu überblicken, so entfällt die
Rechtfertigung dafür, auch einen individuellen Vertrag der staatlichen
Aufsicht zu unterstellen. In diesem Sinne sind die Fachkenntnisse des
Versicherungsnehmers bei der Prüfung der Frage, ob ein Schutzbedürfnis
im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Abgrenzungsverordnung vorliegt, entgegen
der Auffassung des EJPD von erheblicher Bedeutung. Würde man nicht darauf
abstellen, käme diese Bestimmung, die mit dem Sinn und Zweck des VAG als
eines Polizeigesetzes in Einklang steht (vgl. Art. 1 VAG), überhaupt nie
zur Anwendung. Auf das Kriterium der Fachkunde des Versicherungsnehmers
stellt übrigens auch das VAG selbst ab, wenn es in Art. 4 Abs. 1 lit. a
die ausländischen Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz nur das
Rückversicherungsgeschäft betreiben, generell von der Aufsicht ausnimmt;
die schweizerischen Versicherungsgesellschaften, die mit ausländischen
Gesellschaften Rückversicherungsverträge abschliessen, bedürfen eben
wegen ihrer besonderen Kenntnisse des Schutzes des Gesetzes nicht.

    b) Im vorliegenden Fall wollen die C.T. Bowring und die von ihr
vertretenen Versicherer in der Schweiz nicht das Versicherungsgeschäft
im eigentlichen Sinne betreiben. Sie wenden sich nicht an das
schweizerische Publikum, auch nicht an eine unbestimmte Zahl von
Treuhandgesellschaften. In Frage steht vielmehr einzig der Abschluss
eines individuellen Versicherungsvertrages mit zwei bestimmten
Versicherungsnehmern. Es geht daher nicht um den mit dem Gesetz
bezweckten Publikumsschutz, sondern einzig um den Schutz dieser
zwei Versicherungsnehmer. Nun ist unbestritten geblieben und im
übrigen notorisch, dass die Beschwerdeführerinnen als Kontrollstelle
verschiedener Versicherungseinrichtungen amten. Sie sind daher aufgrund
ihrer beruflichen Tätigkeit in ganz anderem Ausmass als ein Laie in
der Lage, die Solvenz und Solidität solcher Einrichtungen, und zwar
insbesondere auch in versicherungstechnischer Hinsicht, zu beurteilen. Ihre
besondere Fachkenntnis erlaubt ihnen auch ein fundiertes Urteil über die
Angemessenheit der Versicherungsbedingungen und die konkrete Ausgestaltung
des vorgesehenen Versicherungsvertrages. Freilich ist richtig, dass die
Beschwerdeführerinnen die laufende Aufsicht nicht in gleicher Weise ausüben
können wie die staatliche Aufsichtsbehörde, da ihnen die erforderlichen
Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten fehlen. Sie können sich jedoch
die entsprechenden Kontrollrechte vertraglich einräumen lassen und ein
Rücktrittsrecht vorsehen für den Fall, dass die verlangten Auskünfte
nicht erteilt oder ungenügend ausfallen sollten, gerade weil beim Fehlen
der staatlichen Aufsicht die Vorschriften des VVG nicht anwendbar sind
(Art. 101 Abs. 1 Ziff. 2 VVG). Ferner können sie den Vertragsabschluss
davon abhängig machen, dass die ausländischen Versicherer der Wahl
eines schweizerischen Gerichtsstandes zustimmen und dass sie für ihre
allfälligen Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag in geeigneter
Weise Sicherheit leisten. Es mag zutreffen, dass die Bestimmungen des
VAG und des Kautionsgesetzes ihnen insgesamt einen besseren Schutz
gewähren würden. Die Beschwerdeführerinnen sind jedoch in der Lage,
die Wirksamkeit der von ihnen getroffenen Massnahmen zu beurteilen und
die mit dem Vertragsabschluss mit ausländischen Versicherern verbundenen
Risiken abzuschätzen. Im übrigen werden durch die geplante Verteilung des
Versicherungsrisikos auf über 100 Versicherer die vom EJPD hervorgehobene
Insolvenzgefahr und die Gefahr von Transferschwierigkeiten erheblich
herabgesetzt. Unter diesen besonderen Umständen kann nicht gesagt werden,
die Beschwerdeführerinnen bedürften des Schutzes der schweizerischen
Versicherungsaufsichtsgesetzgebung.

    c) Für den geplanten Vertragsabschluss fehlt es somit an
einem Schutzbedürfnis im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der
Abgrenzungsverordnung, weshalb die von der C.T. Bowring vertretenen
ausländischen Versicherer diesbezüglich der schweizerischen
Versicherungsaufsicht nicht unterstehen. Die Beschwerde ist demzufolge
gutzuheissen. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob sich
die Beschwerdeführerinnen auch auf Art. 3 Abs. 2 der Abgrenzungsverordnung
(Versicherungsgeschäfte einer in der Schweiz domizilierten Person im Rahmen
einer vertraglichen internationalen Zusammenarbeit auf anderem als nur
das Versicherungswesen betreffenden Gebiet) berufen können. Offen bleiben
kann auch die Tragweite der von den Beschwerdeführerinnen angerufenen
Bestimmungen des "Code de la libération des opérations invisibles"
der OECD.