Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 258



108 Ib 258

48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. August 1982 i.S. Z.
gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Strassenverkehr - Führerausweisentzug (Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG,
Art. 33 Abs. 2 VZV).

    Werden durch eine Handlung mehrere in Art. 16 Abs. 2 und 3
SVG enthaltene Entzugsgründe gesetzt, sind bei der Bestimmung der
Gesamtentzugsdauer die Konkurrenzbestimmungen des Strafrechts (Art. 68
StGB) analog anwendbar.

Sachverhalt

    A.- Z. fuhr am 22. November 1980 um 04.45 Uhr von Stadel
herkommend auf der Stadlerstrasse in Richtung Hochfelden/ZH. In der
langgezogenen Rechtskurve auf der Höhe des "Chalchofens" kollidierte
er mit einem Fussgänger. Dieser wurde vom Fahrzeug mitgeschleift und
so schwer verletzt, dass er auf der Unfallstelle verschied. Die in
der Folge bei Z. durchgeführte Blutentnahme ergab eine Mindesthöhe
der Blutalkoholkonzentration von 0,78 Gewichtspromillen im fraglichen
Zeitpunkt. Am 7. Januar 1981 entzog ihm die Direktion der Polizei des
Kantons Zürich den Führerausweis für die Dauer von acht Monaten. Als
Verkehrsregelverletzung wurde ihm Nichtanpassen der Geschwindigkeit
an die gegebenen Sichtverhältnisse (Art. 32 Abs. 1 SVG) und mangelnde
Aufmerksamkeit (Art. 3 Abs. 1 VRV) vorgeworfen. In der Entzugsverfügung
wurde noch festgehalten:

    "Die Direktion der Polizei behält sich eine angemessene Verlängerung
   des vorliegenden Entzuges oder einen erneuten Entzug des Führerausweises
   vor, falls Z. zusätzlich wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 91 Abs.

    1 SVG (Fahren in angetrunkenem Zustand) bestraft werden sollte."

    Mit Urteil vom 9. Juli 1981 erkannte der Einzelrichter in Strafsachen
des Bezirksgerichts Bülach Z. schuldig der fahrlässigen Tötung im Sinne
von Art. 117 StGB sowie des Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne
von Art. 91 Abs. 1 SVG. Am 5. Januar 1982 entzog die Direktion der
Polizei des Kantons Zürich Z. den Führerausweis für die Dauer von
zwei Monaten. Nachdem der Regierungsrat des Kantons Zürich einen
Rekurs von Z. gegen diesen Entscheid abgewiesen hat, gelangt Z. mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses heisst die
Beschwerde in dem Sinne gut, dass der Entscheid des Regierungsrates
aufgehoben und die Sache zu neuer Prüfung und gegebenenfalls zur
Neufestsetzung der Entzugsdauer im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG beträgt die Dauer des
Führerausweisentzuges mindestens zwei Monate, wenn der Führer in
angetrunkenem Zustand gefahren ist; im übrigen ist sie nach den Umständen
festzusetzen, wobei ihre Bestimmung Sache der kantonalen Behörde ist,
die in dieser Beziehung über einen Spielraum des Ermessens verfügt. Dabei
sind bei einem Warnungsentzug für die Bemessung der Dauer die Kriterien
gemäss Art. 33 Abs. 2 VZV zu berücksichtigen: Schwere des Verschuldens,
Leumund des Motorfahrzeugführers sowie berufliche Notwendigkeit, ein
Motorfahrzeug zu führen (BGE 105 Ib 207 E. 2a).

    a) Die Vorinstanz war der Auffassung, die verfügte Entzugsdauer von
zwei Monaten würde der gesetzlichen Mindestentzugsdauer wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand (Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG) entsprechen. Damit sei
allen Umständen des Falles angemessen Beachtung geschenkt worden, weshalb
die Entzugsdauer nicht herabgesetzt werden könne. Dieser Auffassung kann
nicht gefolgt werden.

    Für einen Warnungsentzug werden die Entzugsgründe in Art. 16 Abs. 2
und 3 SVG aufgezählt. Werden nun durch eine Handlung mehrere in Art. 16
Abs. 2 und 3 SVG enthaltene Entzugsgründe gesetzt, wäre es stossend,
wenn für jeden dieser Gründe die Entzugsdauer gesondert bestimmt und
dann die Summe dieser Einzelbeurteilungen die Gesamtentzugsdauer ergeben
würde. Dies vor allem deshalb, weil bei jeder Einzelbeurteilung von der
Mindestentzugsdauer ausgegangen und somit eine Prüfung der übrigen in
Art. 33 Abs. 2 VZV geforderten Voraussetzungen leicht umgangen werden
könnte. Mangels einer gesetzlichen Regelung drängt sich in einem solchen
Falle die analoge Anwendung der Konkurrenzbestimmungen des Strafrechts
(Art. 68 StGB) auf. Demnach ist bei der Bestimmung der Gesamtentzugsdauer
des Führerausweises von der schwersten Verfehlung unter Beachtung der
Mindestentzugsdauer gemäss Art. 17 Abs. 1 SVG auszugehen. Die weiteren
gesetzten Entzugsgründe sind - unter dem Aspekt des Verschuldens - bei
der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 VZV angemessen zu berücksichtigen.

    Die gleichen Überlegungen müssen auch dann gelten, wenn - wie
im vorliegenden Fall - für die Abklärung eines Teils der durch eine
Handlung gesetzten Entzugsgründe das Strafverfahren abgewartet und erst
ein Teilentzug ausgesprochen wird. Der Betroffene darf in diesem Falle
nicht schlechter gestellt werden, als wenn die mehreren Entzugsgründe
gleichzeitig beurteilt worden wären.

    Die kantonalen Instanzen haben eine derartige Gesamtwürdigung im
vorliegenden Fall offensichtlich unterlassen. Sie sind einfach davon
ausgegangen, dass bei Fahren in angetrunkenem Zustand der Führerausweis
nach Gesetz mindestens für zwei Monate entzogen werden müsse. Damit haben
sie Bundesrecht verletzt.

    b) Da die Festsetzung der Dauer eines Warnungsentzuges im Ermessen
der kantonalen Behörden liegt, ist die Sache zur Neufestsetzung der
Entzugsdauer an die Vorinstanz zurückzuweisen (BGE 104 Ib 99 E. 4). Dabei
muss (im Sinne von Erwägung 2a) geprüft werden, ob unter Würdigung aller
Umstände für die Gesamtheit des fehlerhaften Verhaltens vom 22. November
1980 (unter Einschluss des Fahrens in angetrunkenem Zustand) eine die
bereits vollzogene Entzugsdauer von acht Monaten überschreitende Massnahme
angemessen erscheint. Ein neuer zusätzlicher Entzug hat nur zu erfolgen,
sofern diese Frage unter Berücksichtigung von Art. 33 Abs. 2 VZV bejaht
werden muss. Die zusätzliche Entzugsdauer kann gegebenenfalls ein oder
zwei Monate betragen (Art. 114 Abs. 1 OG).