Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 115



108 Ib 115

21. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1982 i.S.
Eidg. Steuerverwaltung gegen Zeller (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Militärpflichtersatz (Art. 4 Abs. 1 lit. c MPG).

    Von der Militärdienst-Ersatzpflicht befreit im Sinne von Art. 4 Abs. 1
lit. c MPG ist nur der diensttaugliche Wehrpflichtige.

Sachverhalt

    A.- Niklaus Zeller bestand im Jahre 1961 die Rekrutenschule.
Am 12. November 1964 erklärte ihn die sanitarische Untersuchungskommission
Winterthur wegen eines Magenleidens als dienstuntauglich. Gegen die
Veranlagung für den Militärpflichtersatz des Jahres 1979 erhob Zeller
Einsprache mit der Begründung, er sei aufgrund seiner Stellung als
Narkosepfleger im Spital Schwyz von der Dienstpflicht und daher gemäss
Art. 4 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz
in der am 22. Juni 1979 geänderten Fassung auch von der Ersatzpflicht
befreit. Die Einsprache blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz wies eine Beschwerde Zellers ab, soweit sie sich gegen
die Veranlagung für das Jahr 1979 richtete. Soweit sie sich gegen die
Aberkennung der Ersatzabgabe-Befreiung ab dem Jahre 1980 richtete, hiess
das Verwaltungsgericht die Beschwerde hingegen gut. Das Bundesgericht
schützt eine Beschwerde der Eidg. Steuerverwaltung gegen diesen Entscheid
und hebt ihn auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgesetz über den Militärpflichtersatz vom 12.  Juni 1959
(MPG in SR 661) wurde am 22. Juni 1979 teilweise geändert (AS 1979,
1733). Gemäss Ziff. III dieser Änderung bestimmt der Bundesrat das
Inkrafttreten dieses Gesetzes und das Ersatzjahr, auf das es erstmals
anwendbar ist. Gestützt auf diese Ermächtigung hat der Bundesrat die
Änderung mit Beschluss vom 7. November 1979 auf den 1. Januar 1980 in
Kraft gesetzt und gleichzeitig angeordnet, dass sie erstmals auf das Jahr
1979 anwendbar ist (AS 1979, 1739). Die Neuregelung ist daher erstmals
für das Ersatzjahr (Art. 2 MPG) 1979 massgebend. Angesichts dieser
ausdrücklichen Bestimmung über den zeitlichen Anwendungsbereich des am
22. Juni 1979 geänderten Militärpflichtersatzgesetzes (nMPG) bleibt für
die Anwendung der älteren, allgemeinen Übergangsbestimmung des Art. 46
MPG kein Raum. Sofern sich erweisen sollte, dass die Anwendung des nMPG
im vorliegenden Fall gegenüber dem MPG in der Fassung vom 12. Juni 1959
(aMPG) eine Änderung herbeigeführt hat, ist die Neuregelung schon für
das Ersatzjahr 1979 anzuwenden.

Erwägung 2

    2.- Schweizer Bürger, die ihre Wehrpflicht nicht oder nur
teilweise durch persönliche Dienstleistung (Militärdienst) erfüllen,
haben einen Ersatz in Geld zu leisten (Art. 1 MPG, vgl. auch Art. 2 der
Militärorganisation der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. April
1907, MO in SR 510.10). Ersatzpflichtig sind gemäss Art. 2 nMPG diejenigen
Wehrpflichtigen, die

    "in einem Kalenderjahr (dem Ersatzjahr)

    a) während mehr als sechs Monaten nicht in einer Formation der Armee
   eingeteilt sind;

    b) während mehr als sechs Monaten dem Hilfsdienst angehören;

    c) als Dienstpflichtige ihren Militärdienst versäumen.

    Nicht ersatzpflichtig ist, wer seine Dienstpflicht im Ersatzjahr
   tatsächlich erfüllt hat, obwohl er nicht während des ganzen Jahres als

    Dienstpflichtiger eingeteilt war".

    Der Beschwerdegegner ist als Dienstuntauglicher nicht in einer
Formation der Armee eingeteilt. Er ist daher nach Art. 2 Abs. 1 lit. a nMPG
ersatzpflichtig. Es kann sich nur fragen, ob er gemäss ausdrücklicher
Bestimmung von der Ersatzpflicht befreit sei, wie die Vorinstanz in
Anwendung von Art. 4 Abs. 1 lit. c nMPG angenommen hat.

Erwägung 3

    3.- Von der Ersatzpflicht befreit ist nach Art. 4 Abs. 1 lit.  c nMPG
unter anderem, "wer im Ersatzjahr nach Art. 13 der Militärorganisation
der Schweizerischen Eidgenossenschaft von der persönlichen Dienstleistung
befreit ist".

    a) Nach Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 MO haben die ärztlichen Direktoren, die
ständigen Vorsteher und das unerlässliche Pflegepersonal der öffentlichen
Krankenanstalten während der Dauer ihres Amtes oder ihrer Anstellung keinen
Militärdienst zu leisten. Über die Unentbehrlichkeit von Pflegepersonal
entscheidet der Bundesrat. Nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung über die
Dienstbefreiung vom 7. Juli 1953 (Dienstbefreiungsverordnung in SR 511.31)
gehören unter anderem die Krankenpfleger der öffentlichen Spitäler, die
im Besitze eines vom Schweizerischen Roten Kreuz oder einer kantonalen
Sanitätsbehörde ausgestellten Berufsdiploms sind, zum unerlässlichen
Pflegepersonal. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner als
diplomierter Pfleger des Spitals Schwyz zum unerlässlichen Pflegepersonal
einer öffentlichen Krankenanstalt gehört und daher gemäss Art. 13 Abs. 1 MO
während der Dauer seiner Anstellung keinen Militärdienst zu leisten hätte.

    b) Nach Art. 13 Abs. 2 MO erfolgt die Befreiung vom Militärdienst
auf Gesuch hin durch das Eidg. Militärdepartement. Mit dieser
Vorschrift soll sichergestellt werden, dass die Militärbehörden und
die Truppenkommandanten von derartigen Befreiungen unterrichtet werden
und rechtzeitig die erforderlichen administrativen Massnahmen treffen
können. Das Eidg. Militärdepartement hat zwar allen Gesuchen stattzugeben,
bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen der Dienstbefreiung erfüllt
sind; die Dienstbefreiung wird indessen erst mit dem Erlass der in Art. 13
Abs. 2 MO vorgesehenen Verfügung wirksam (vgl. Botschaft des Bundesrates
über die Änderung der Militärorganisation vom 30. Juni 1960 in BBl 1960
II 392 f.; vgl. auch Art. 3 Dienstbefreiungsverordnung). Der Verfügung
im Sinne von Art. 13 Abs. 2 MO kommt insofern konstitutive Bedeutung zu.

    c) Wehrpflichtige, die aus einem in ihrer Person liegenden Grund
von der persönlichen Dienstpflicht befreit und daher nicht in die Armee
eingeteilt sind, müssen nicht nach Art. 13 MO aufgrund ihres Amtes oder
ihrer Anstellung von der Militärdienstpflicht befreit werden. Eine
ausdrückliche Befreiung nach Art. 13 Abs. 2 MO ist in diesen Fällen
weder möglich noch erforderlich. Einer allfälligen Feststellung,
dass solche Wehrpflichtige nicht nur aus persönlichen Gründen von
der Militärdienstpflicht befreit sind, sondern ausserdem wegen ihrer
beruflichen Stellung zu befreien wären, kommt für die Freistellung keine
Bedeutung zu. Es liegen somit in diesen Fällen nicht zwei verschiedene
Gründe der Dienstbefreiung vor, wovon der eine die Befreiung auch von der
finanziellen Ersatzpflicht begründen würde (wie dies in BGE 81 I 68 E. 3
zutraf). Die Eidg. Steuerverwaltung macht in ihrer Beschwerde zu Recht
geltend, dass Wehrpflichtige, die schon aus andern, persönlichen Gründen
nicht in der Armee eingeteilt sind, nicht gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c nMPG
"nach Art. 13 der Militärorganisation von der persönlichen Dienstleistung
befreit" sind.

Erwägung 4

    4.- Weder aus der Natur der Militärpflichtersatzabgabe noch aus
der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 1 lit. c nMPG ergibt sich,
dass dienstuntaugliche Wehrpflichtige, die ein Amt im Sinne von Art. 13
Abs. 1 MO versehen, von der Ersatzpflicht befreit werden müssten.

    a) Mit dem Militärpflichtersatz soll die allgemeine Wehrpflicht im
Sinne von Art. 18 BV verwirklicht, das Milizsystem gewährleistet und die
Rechtsgleichheit zwischen Dienstpflichtigen und Nicht-Dienstpflichtigen
hergestellt werden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 11. Juli 1958 über
die Änderung des Militärpflichtersatzes in BBl 1958 II 339, vgl. auch
WALTI, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Diss. Zürich 1979,
S. 46 N. 110 f., betr. eine Feuerwehrersatzabgabe vgl. BGE 102 Ia 15
E. 6a). Er bildet eine Ersatzabgabe desjenigen Wehrpflichtigen, der diese
Pflicht nicht oder nicht im vollen gesetzlichen Umfang durch persönliche
Dienstleistung erbringt (BGE 91 I 430 E. 2, vgl. auch BGE 97 I 804 E. 6c
am Ende). Die Militärpflichtersatzabgabe knüpft an die Nichterfüllung
der persönlichen Dienstpflicht (Art. 18 Abs. 4 BV, Art. 1 MPG, Art. 2
MO); für die Entstehung der Ersatzpflicht ist der Grund, weshalb die
persönliche Dienstpflicht nicht erfüllt wird, unerheblich (vgl. WALTI,
aaO, S. 83 N. 199). Die Befreiung von der Ersatzabgabe trotz Nichterfüllung
der persönlichen Dienstleistung bedarf indessen selbständiger Begründung.

    b) Die Befreiung von der Ersatzabgabe war nach Art. 4 Abs. 1
lit. c aMPG (AS 1959, 2036) für das Lehrpersonal der Armee,
das Festungswachtkorps, das Überwachungsgeschwader und die von der
persönlichen Dienstleistung befreiten Angehörigen des Grenzwachtkorps und
der organisierten Polizeikorps vorgesehen. Diese Wehrpflichtigen erfüllen
in ihrer beruflichen Stellung nicht nur militärische oder paramilitärische
Aufgaben, sondern ihre Tätigkeit erfolgt auch in militärischer oder
militärähnlicher Form. Sie sind daher ähnlichen Mühen, Lasten und
Risiken ausgesetzt, wie die Wehrpflichtigen bei der Erfüllung ihrer
Dienstpflicht. Dies war seinerzeit der Grund für die Befreiung nach Art.
4 Abs. 1 lit. c aMPG (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Neuordnung
des Militärpflichtigen vom 11. Juli 1958 in BBl 1958 II 340; vgl. auch
VEB 1958 Nr. 6, S. 32 f., 35; BGE 91 I 431 E. 2), wobei vorausgesetzt
werden konnte, dass es sich bei diesen Angehörigen militärischer oder
paramilitärischer Formationen um Militärdiensttaugliche handelte.

    c) Mit der Revision von Art. 4 Abs. 1 lit. c MPG vom 22. Juni
1979 wurde die Ersatzbefreiung auf alle Wehrpflichtigen ausgedehnt,
welche aufgrund ihres Amtes oder ihrer Anstellung nach Art. 13 MO vom
Militärdienst befreit sind. Aus der Entstehungsgeschichte des geltenden
Art. 4 Abs. 1 lit. c MPG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Gesetzgeber eine grundsätzliche Änderung der Militärpflichtersatzordnung
etwa in dem Sinne hätte einführen wollen, dass alle Wehrpflichtigen,
die eine für den Staat wichtige berufliche Tätigkeit ausüben und deshalb
von der persönlichen Dienstleistung befreit werden können, bloss aus
diesem Grunde auch von der Ersatzpflicht befreit sein sollen. Mit
der Ausdehnung der Ersatzbefreiung auf die nach Art. 13 MO von der
persönlichen Dienstpflicht befreiten Wehrpflichtigen sollte vielmehr
dem unbefriedigenden Zustand abgeholfen werden, dass dienstfähige und
-willige Wehrpflichtige zu Ersatzleistungen herangezogen werden, weil
sie aufgrund ihrer für den Staat wesentlichen beruflichen Tätigkeit
an der persönlichen Dienstleistung in der Armee gehindert werden, die
sie an sich erfüllen könnten (vgl. Amtl. Bull. NR 1979, 54/59 f.). Aus
diesem Grunde erweiterte das Parlament aufgrund eines Antrages der
nationalrätlichen Kommission (Amtl. Bull. NR 1979, 53) entgegen dem
Vorschlag des Bundesrates (vgl. BBl 1978 II 927) die Ausnahmen von der
Ersatzpflicht. Die nationalrätliche Kommission stützte sich dabei auf ein
Gutachten des Bundesamtes für Justiz aus dem Jahre 1976 (Amtl. Bull. NR
1979, 54). In diesem Gutachten wird hervorgehoben, dass die Befreiung
von der persönlichen Dienstpflicht nach Art. 13 MO dem Amt und nicht
der Person des Amtsinhabers folge, und dass sich diese Befreiung vom
Militärdienst in fundamentaler Weise von der Dienstbefreiung als Folge
körperlicher oder geistiger Untauglichkeit sowie von der Unwürdigkeit
unterscheide. Das Bundesamt kommt im erwähnten Gutachten zum Schluss, es
sei die Ersatzbefreiung für die nach Art. 14 MO befreiten Wehrpflichtigen
in gleicher Weise einzuführen, wie für Wehrpflichtige, die aus einem
nicht in ihrer Person liegenden Grund den Dienst versäumen und gemäss
Art. 8 Abs. 2 MPG dafür keinen Militärpflichtersatz leisten müssen.

    Massgebend für die Ersatzbefreiung nach Art. 4 Abs. 1 lit. c nMPG
erscheint somit, dass der Wehrpflichtige wegen eines nicht in seiner Person
liegenden Grundes keinen Militärdienst leistet - dass er nämlich infolge
einer gesetzlichen Unvereinbarkeit keine persönliche Dienstleistung in
der Armee erbringen darf (vgl. Amtl. Bull. NR 1979, 59).

Erwägung 5

    5.- Gründe der Rechtsgleichheit gebieten nicht, dienstuntaugliche
Wehrpflichtige von der Ersatzabgabe zu befreien, wenn sie ein Amt versehen,
das ihnen nach Art. 13 Abs. 1 MO einen Anspruch auf Dienstbefreiung
verschaffen würde. Die Tauglichkeit oder Untauglichkeit zur Erbringung
der persönlichen Dienstleistung begründet auch im Hinblick auf die
Ersatzabgabepflicht einen relevanten Unterschied und rechtfertigt daher
eine unterschiedliche Behandlung von Wehrpflichtigen in derselben
beruflichen Stellung. Würden dienstuntaugliche Wehrpflichtige wegen
ihrer beruflichen Stellung von der Ersatzpflicht befreit, so ergäben sich
gewichtigere Rechtsungleichheiten gegenüber denjenigen Wehrpflichtigen,
die aus persönlichen Gründen keinen Militärdienst leisten und deshalb
Militärpflichtersatz entrichten müssen.

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdegegner ist seit dem Jahre 1964 mangels
Tauglichkeit nicht mehr in der Armee eingeteilt. Er ist aus Gründen,
die in seiner Person liegen, von der persönlichen Dienstpflicht
befreit. Eine Befreiung gemäss Art. 13 MO wegen seiner Zugehörigkeit
zum unentbehrlichen Personal einer öffentlichen Krankenanstalt ist daher
nicht erforderlich. Der Beschwerdegegner erfüllt deshalb die Voraussetzung
der Ersatzabgabefreiung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c nMPG nicht. Die
Beschwerde der Steuerverwaltung ist begründet. Der angefochtene Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz ist aufzuheben und die Sache
ist gemäss Art. 114 OG zur Festsetzung der Ersatzleistungen für die Jahre
1980 und 1981 an die erste Instanz zurückzuweisen.