Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IA 5



108 Ia 5

2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 31. März 1982 i.S. Model gegen A. Streuli Hoch- und Tiefbau AG,
Baukommission Kilchberg und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; rechtliches Gehör, Akteneinsicht; Rechtsgleichheit.

    1. Umfang des Rechts auf Akteneinsicht. Art. 4 BV gewährt
Privatpersonen weder einen Anspruch auf Herausgabe amtlicher Akten (E. 2b)
noch auf Herstellung und Herausgabe von Kopien grossformatiger Pläne
(E. 2c).

    2. Rechtsgleichheit. Die Praxis der Zürcher Behörden, die Akten
nur patentierten Rechtsanwälten, nicht aber privaten Beschwerdeführern
herauszugeben, stellt keine gegen Art. 4 BV verstossende Ungleichbehandlung
dar (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Walter Model beschwerte sich beim Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich darüber, dass ihm die amtlichen Akten in einem Baurekursverfahren
nicht herausgegeben worden waren und dass er auch keine Kopien der
Pläne erhalten hatte. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit
der Begründung ab, das Recht auf Akteneinsicht umfasse nicht auch den
Anspruch auf Herausgabe der Akten oder auf Herstellung und Herausgabe
von Plankopien. Die Praxis der Zürcher Behörden, Akten nur patentierten
Rechtsanwälten, nicht aber privaten Beschwerdeführern herauszugeben,
stelle keine rechtsungleiche Behandlung dar (Rechenschaftsbericht des
Verwaltungsgerichts, 1981 Nr. 3).

    Walter Model führt wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs und
Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit staatsrechtliche Beschwerde
beim Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des
Akteneinsichtsrechts und damit von Art. 4 BV. Das Recht auf
Akteneinsicht ist Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Umfang
dieses Anspruchs bestimmt sich in erster Linie nach den kantonalen
Verfahrensvorschriften. Wo sich jedoch der kantonale Rechtsschutz als
ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden
bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen
Gehörs Platz (BGE 106 Ia 74, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall
behauptet der Beschwerdeführer nicht, das Verwaltungsgericht habe § 8 des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes verletzt, wonach derjenige Einsicht in die
Akten nehmen kann, der durch eine Anordnung in seinen Rechten betroffen
ist. Es ist daher einzig, und zwar mit freier Kognition, zu prüfen,
ob die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Regeln missachtet wurden
(BGE 106 Ia 74, mit Hinweisen).

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, zur Wahrung seiner Interessen
sei er darauf angewiesen, die Akten nicht nur am Sitze der Behörde, sondern
bei sich zu Hause studieren zu können. Aus dem Akteneinsichtsrecht kann
indessen bundesrechtlich kein Anspruch abgeleitet werden, die Akten, in die
Einsicht gewährt wird, nach Hause mitzunehmen. Das Akteneinsichtsrecht als
Minimalgarantie nach Art. 4 BV soll es dem Rechtssuchenden ermöglichen,
von den einem Verfahren zugrundeliegenden Akten Kenntnis zu nehmen. Es
umfasst den Anspruch, die Akten am Sitze der Behörden einzusehen und davon
Notizen zu machen. Weiter geht der Anspruch nach Art. 4 BV nicht, auch
wenn sich dies in manchen Fällen zur Wahrung der Interessen als wünschbar
erwiese. Die Verwaltung, deren Tätigkeit grundsätzlich nicht öffentlich
ist, braucht Akteneinsicht lediglich an ihrem Sitze zu gewähren und die
Akten nicht herauszugeben oder zuzustellen. Die Wahrung der Interessen
des Beschwerdeführers wird dadurch nicht über Gebühr erschwert. Diese
Ordnung entspricht der bundesrechtlichen Regelung von Art. 26 des
Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (vgl. hierzu VPB 43/1979
Nr. 63 S. 310) und der Regelung von Art. 272 Abs. 6 des Bundesgesetzes
über die Bundesstrafrechtspflege (vgl. hierzu BGE 92 IV 18 E. 1). In
der Literatur wird ein aus dem Akteneinsichtsrecht folgender Anspruch
auf Herausgabe der Akten ebenfalls verneint (WILLY HUBER, Das Recht des
Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, Diss. St. Gallen 1980,
S. 120 ff.; KLAUS REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen,
Diss. Zürich 1967, S. 200; RAPHAEL VON WERRA, Handkommentar zum Walliser
Verwaltungsverfahren, N. 3 zu Art. 12). Aus diesen Gründen kann der
Beschwerdeführer aufgrund von Art. 4 BV nicht verlangen, dass ihm die
Akten ausgehändigt werden.

    c) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, Art. 4 BV sei dadurch
verletzt, dass ihm die Baurekurskommission keine Kopien der von der
Beschwerdegegnerin eingereichten Pläne ausgehändigt habe. Das durch Art. 4
BV garantierte Akteneinsichtsrecht gewährt, wie erwähnt, den Anspruch,
die Akten einzusehen und sich davon Notizen zu machen. Daraus lässt sich
indessen nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, der Rechtssuchende habe
auch einen Anspruch darauf, von den Akten Kopien herstellen zu lassen
(vgl. VPB 42/1978 Nr. 7 S. 47 E. 5). Dagegen spricht insbesondere,
dass Akteneinsicht grundsätzlich nur am Sitze der Behörde gewährt zu
werden braucht (oben E. 2b). Deshalb wird ein aus dem Akteneinsichtsrecht
folgender Anspruch auf Herstellung und Herausgabe von Fotokopien in Praxis
und Literatur teilweise verneint (VPB 42/1978 Nr. 7; HUBER, aaO, S. 124
f.). Das Bundesgericht hat immerhin entschieden, dass die Verweigerung,
Fotokopien eines Gutachtens herzustellen und sie den Rechtssuchenden
auszuhändigen, eine Verletzung von Art. 4 BV darstellen kann, insbesondere
wenn dies ohne weiteres möglich ist (nicht veröffentlichte E. 4e von BGE
105 Ia 285; vgl. auch ROLF TINNER, Das rechtliche Gehör, in: ZSR 83/1964
II S. 347). Es braucht hier nicht entschieden zu werden, inwieweit aus
Art. 4 BV ein Anspruch auf Herstellung und Herausgabe von Fotokopien
abgeleitet werden kann. Im vorliegenden Fall verlangte der Beschwerdeführer
von der Baurekurskommission nicht Kopien im Normalformat (A 4), sondern
grossformatige Plankopien. Die Behörde kann nicht verpflichtet werden,
solche Kopien herzustellen, wofür ihr die notwendigen speziellen Geräte
ohnehin oft fehlen werden. Es kann von ihr auch nicht verlangt werden,
solche durch spezialisierte Firmen herstellen zu lassen. Dies würde für
die Behörden einen unverhältnismässigen Aufwand mit sich bringen. Bei
dieser Sachlage hat die Baurekurskommission die aus Art. 4 BV fliessenden
Ansprüche des Beschwerdeführers nicht verletzt. Die Beschwerde erweist
sich demnach auch in diesem Punkte als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer erblickt sodann in der Praxis der Zürcher
Behörden, die Akten wohl den patentierten Rechtsanwälten, nicht
hingegen privaten Beschwerdeführern herauszugeben, eine gegen Art. 4
BV verstossende Ungleichbehandlung. Das Verwaltungsgericht führt im
angefochtenen Urteil aus, die bevorzugte Behandlung von Rechtsanwälten
lasse sich damit rechtfertigen, dass diese einer strengen disziplinarischen
Aufsicht unterworfen sind. Eine unterschiedliche Behandlung lässt sich
in der Tat damit begründen, dass bei Anwälten besondere tatsächliche
Verhältnisse bestehen. Sie bieten besser als andere Private Gewähr
dafür, dass ausgehändigte Akten vollständig und unverändert an die
Behörde zurückgelangen und nicht an Drittpersonen weitergegeben werden
(vgl. HUBER, aaO, S. 122). Sie verfügen hierfür in der Regel über geeignete
Büroräumlichkeiten. Entscheidend ist weiter die Disziplinaraufsicht über
die Rechtsanwälte. Aus diesen Gründen wird denn auch die bevorzugte
Behandlung von Rechtsanwälten in der Literatur nicht beanstandet
(vgl. ALFRED KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des
Kantons Zürich, N. 34 zu § 8; TINNER, aaO, S. 347 Anm. 60; HUBER, aaO,
S. 122). Das Bundesgericht hat die in andern Kantonen gleicherweise
geübte Praxis unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV nicht beanstandet
(unveröffentlichtes Urteil Rüttimann vom 31. Oktober 1978, E. 3). Die
Praxis der Zürcher Behörden lässt sich demnach mit sachlichen Gründen
halten. Die Rüge der Verletzung von Art. 4 BV erweist sich in diesem
Punkt ebenfalls als unbegründet.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.