Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IA 261



108 Ia 261

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17.
November 1982 i.S. D. gegen Polizeikommando und Erster Staatsanwalt des
Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Presse- und Informationsfreiheit; vorläufige Festnahme eines
Journalisten.

    Erweckt ein Journalist durch sein Verhalten anlässlich einer
unbewilligten, mit Ausschreitungen verbundenen Demonstration den Verdacht,
er gehöre zu den Demonstranten, so kann er ohne Verletzung der Presse-
und der Informationsfreiheit vorläufig festgenommen werden, sofern die
allgemeinen Voraussetzungen für die Festnahme erfüllt sind.

Sachverhalt

    A.- Am Abend des 18. Mai 1981 kam es in Basel zu einer
nicht bewilligten Demonstration, in deren Verlauf eine Reihe von
Sachbeschädigungen verübt wurden. Die Polizei nahm vier von sechs Personen
fest, die ihr nach ihrer Darstellung im Laufschritt entgegenkamen; die
beiden weiteren Personen ergriffen die Flucht. Unter den Festgenommenen
befand sich der Journalist D. Er wurde am folgenden Tag aus dem
Polizeigewahrsam entlassen.

    Der Erste Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt wies mit Entscheid
vom 22. Juni 1981 die Einsprache ab, die der Journalist gegen seine
vorläufige Festnahme erhoben hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt,
D. sei in einer flüchtenden Demonstrantengruppe erkannt worden. Da er
schon wiederholt bei Demonstrationen in vorderster Front beobachtet
worden sei, habe die Annahme nahegelegen, dass er an den gewalttätigen
Auseinandersetzungen beteiligt gewesen sei. Seine Aussage, wonach
er nur als Berichterstatter zugegen gewesen sei, habe ihn jedenfalls
vorerst nicht von diesem Verdacht entlasten können, um so weniger, als
er keine Reporterutensilien bei sich geführt und die Presse-Armbinde in
der Hosentasche getragen habe. Die Zuführung an das Kriminalkommissariat
zu näherer Abklärung sei daher gerechtfertigt gewesen.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde machte D. unter anderem geltend, seine
vorläufige Festnahme habe gegen die Presse- und die Informationsfreiheit
verstossen. Das Bundesgericht hält diese Rügen für unbegründet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- (Ausführungen darüber, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für
die vorläufige Festnahme gegeben waren aus den gleichen Gründen wie in
dem in BGE 107 Ia 138 ff. publizierten Fall.)

Erwägung 5

    5.- Es ist weiter die Frage zu prüfen, ob hier deshalb anders zu
entscheiden sei, weil der Beschwerdeführer Journalist ist und sich
unmittelbar nach seiner Festnahme auch als solcher ausgewiesen hat. In
der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Eingriff in die
persönliche Freiheit des Beschwerdeführers verletze aus diesem Grunde
zugleich die Presse- und die Informationsfreiheit.

    Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wohl folgt
aus der Pressefreiheit (unter Einschluss der Informationsfreiheit)
das Recht der Journalisten, sich an Ort und Stelle über politische
Ereignisse zu informieren und darüber Bericht zu erstatten. Dagegen kann
kein Journalist aus seiner beruflichen Stellung das Recht herleiten,
an verbotenen Handlungen teilnehmen zu dürfen, und er kann auch nicht
beanspruchen, anders als ein anderer Bürger behandelt zu werden, wenn
er in einer Verdachtssituation angetroffen wird, wie dies nach den
vorstehenden Darlegungen hier zutraf. Die Frage, ob der Journalist eine
Armbinde trägt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter
Bedeutung. Vielmehr kommt es darauf an, ob er zu den Demonstranten
eine gewisse Distanz hält, was sowohl räumlich als auch sachlich zu
verstehen ist. Der nur an der Berichterstattung, nicht aber aktiv an der
Demonstration interessierte Journalist wird in der Regel die Möglichkeit
finden, sich während eines öffentlichen Krawalles, in dessen Verlauf es zu
erheblichen rechtswidrigen Handlungen kommt, so zu verhalten, dass seine
Nichtzugehörigkeit zu den randalierenden Gruppen sofort erkennbar ist. Dem
lässt sich nicht mit dem Einwand begegnen, es sei einem Journalisten
nicht verboten, mit Demonstranten zu sympathisieren. Entweder er begibt
sich allein zur Erfüllung seiner journalistischen Aufgabe an den Ort
des Geschehens und wahrt die vorstehend umschriebene, selbstverständlich
nicht in Metern auszudrückende Distanz; oder aber er fühlt und lebt mit
den Demonstranten, in welchem Falle er keine Vorrechte als Journalist
in Anspruch nehmen kann. Eine dritte Möglichkeit besteht nicht. Wie
bereits früher dargelegt wurde, konnten die Umstände, unter denen der
Beschwerdeführer hier festgenommen wurde, ohne Willkür dahin ausgelegt
werden, er gehöre zu den Demonstranten; dies um so mehr, als er aus welchen
Gründen auch immer weder mit Block und Bleistift noch mit einer Kamera
ausgerüstet war. Dass er verschiedenen Polizeiorganen als Journalist
bekannt war, ändert hieran nichts. Die Rügen der Verletzung der Presse-
und der Informationsfreiheit gehen daher fehl.