Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IA 178



108 Ia 178

33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
15. Juni 1982 i.S. Leuenberger, Rosenbusch und Gehrig gegen Regierungsrat
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Grundsatz der Gewaltentrennung, Art. 5 Ziff. 4 EMRK; zürcherische
Verordnung vom 29. Oktober 1980 über die Anpassung des kantonalen Rechtes
an die Änderung des ZGB vom 6. Oktober 1978 betreffend fürsorgerische
Freiheitsentziehung.

    Es bedeutet keine Verletzung des Gewaltentrennungsprinzips, wenn
sich der Zürcher Regierungsrat aufgrund von Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB
für berechtigt hielt, die notwendigen Ausführungsvorschriften zu den
Bestimmungen des ZGB über die fürsorgerische Freiheitsentziehung auf dem
Verordnungsweg in das zürcherische EG zum ZGB einzufügen (E. 2, 3).

    Die in § 117i der erwähnten Verordnung vorgesehene, vom Regierungsrat
gewählte Psychiatrische Gerichtskommission ist ein "Gericht" im Sinne
des Art. 5 Ziff. 4 EMRK (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich erliess am 29.  Oktober 1980
eine "Verordnung über die Anpassung des kantonalen Rechtes an die Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 6. Oktober 1978". Durch diese
Verordnung wurde das zürcherische Einführungsgesetz zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB) ergänzt, indem in den Abschnitt über das
Vormundschaftswesen ein VI. Titel "Fürsorgerische Freiheitsentziehung"
mit den §§ 117a-117l eingefügt wurde. § 117i Abs. 1 bestimmt, dass im Falle
einer Einweisung, Ablehnung des Entlassungsgesuches, Zurückbehaltung oder
Rückversetzung die betroffene oder eine ihr nahestehende Person innert
zehn Tagen nach Mitteilung des Entscheides bei der Psychiatrischen
Gerichtskommission gerichtliche Beurteilung verlangen kann. Die
Gerichtskommission besteht aus einem rechtskundigen Vorsitzenden und zwei
weitern Mitgliedern, von denen mindestens eines Facharzt für Psychiatrie
sein muss (§ 117i Abs. 2). Sie wird vom Regierungsrat auf eine feste
Amtsdauer gewählt (§ 117i letzter Satz). Nach § 117k entscheidet die
Psychiatrische Gerichtskommission als letzte kantonale Instanz. Die
Verordnung wurde vom Bundesrat am 5. Dezember 1980 genehmigt und trat
nach Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 12. Dezember
1980 am 1. Januar 1981 in Kraft.

    Die Rechtsanwälte Moritz Leuenberger, Ernst Rosenbusch und Bernhard
Gehrig erhoben am 12. Januar 1981 beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde mit dem Antrag, die Verordnung sei vollumfänglich aufzuheben,
eventuell sei § 117i letzter Satz aufzuheben. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer machen geltend, die Ausführungsvorschriften zu
den Bestimmungen des ZGB über die fürsorgerische Freiheitsentziehung hätten
vom Regierungsrat nicht durch eine Verordnung in das zürcherische EG zum
ZGB eingefügt werden dürfen, vielmehr hätten sie auf dem Gesetzgebungsweg
erlassen werden müssen. Der Regierungsrat habe mit seinem Vorgehen
den Grundsatz der Gewaltentrennung verletzt, weshalb die angefochtene
Verordnung vollumfänglich aufzuheben sei.

    Der Grundsatz der Gewaltentrennung wird nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts durch sämtliche Kantonsverfassungen als Individualrecht
der Bürger gewährleistet, selbst wenn er in einzelnen Verfassungen nicht
ausdrücklich erwähnt ist (BGE 105 Ia 359, 93 I 44 mit Hinweisen). In der
Verfassung des Kantons Zürich (KV) ist wie das Bundesgericht wiederholt
festgestellt hat das Gewaltentrennungsprinzip nicht ausdrücklich
ausgesprochen; es ergibt sich jedoch daraus, dass die Kantonsverfassung
eine klare Trennung zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege
vornimmt (Art. 28 ff., Art. 37 ff., Art. 56 ff.; BGE 102 Ia 392, 81 I
121 E. 2, 79 I 131 E. 4).

    Der Regierungsrat behauptet nicht, er sei durch eine Vorschrift
der Kantonsverfassung ermächtigt gewesen, die fraglichen Bestimmungen
auf dem Verordnungsweg zu erlassen, sondern beruft sich für sein
Vorgehen ausschliesslich auf Art. 52 des Schlusstitels zum ZGB (SchlT
ZGB). Ob er mit dem Erlass der angefochtenen Verordnung seine Befugnisse
überschritten und in den Bereich der gesetzgebenden Gewalt eingegriffen
hat, hängt somit von der Auslegung einer eidgenössischen Gesetzesbestimmung
ab. Die Anwendung und Auslegung von Gesetzesrecht sei es eidgenössisches
oder kantonales kann das Bundesgericht, auch soweit der Grundsatz der
Gewaltentrennung in Frage steht, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür überprüfen (BGE 98 Ia 118 E. 6a, 95 I 100 E. 4).

Erwägung 3

    3.- a) Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB lautet wie folgt:

    "Soweit das neue Recht zu seiner Ausführung notwendig der Ergänzung
   durch kantonale Anordnungen bedarf, sind die Kantone verpflichtet,
   solche aufzustellen, und können sie auf dem Verordnungswege erlassen."

    Der Bundesgesetzgeber räumt mit dieser Vorschrift den Kantonen das
Recht ein, die zur Anwendung des ZGB notwendigen Ausführungsbestimmungen
auf dem Verordnungsweg zu erlassen, selbst wenn dazu, dem Gegenstand
nach, gemäss kantonalem Recht ein Gesetz erforderlich wäre. Gleichartige
Ermächtigungsklauseln finden sich auch in anderen Bundesgesetzen (z.B. in
Art. 46 des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom
12. Juni 1951, in Art. 75 des BG über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte
vom 22. Dezember 1916, in Art. 59 des Tierseuchengesetzes vom 1. Juli 1966
und in Art. 61 des BG über die Nationalstrassen vom 8. März 1960). Sie
sollen Gewähr dafür bieten, dass das eidgenössische Recht zu einem
bestimmten Zeitpunkt, d.h. vom Tage des durch den Bundesgesetzgeber
festgelegten Inkrafttretens an, in den Kantonen angewendet werden kann,
was oft unmöglich wäre, wenn die notwendigen Ausführungsvorschriften
auf dem Gesetzgebungsweg erlassen werden müssten. In der Rechtslehre
ist die Verfassungsmässigkeit des Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB, der als
Eingriff in die kantonale Gesetzgebungshoheit betrachtet wird, umstritten
(bejaht wird sie von den Kommentatoren BECK, N. 5 zu Art. 52 SchlT ZGB,
und REICHEL, N. 4 zu Art. 52 SchlT ZGB; Zweifel äussern dagegen CURTI,
Kommentar zum ZGB, N. 10 zu Art. 52 SchlT ZGB, und AUBERT, Traité de droit
constitutionnel suisse, Bd. I, N. 722, S. 275). Wie es sich damit verhält,
ist jedoch ohne Belang, denn die Vorschrift ist nach Art. 113 Abs. 3 BV
für das Bundesgericht massgebend und ihre Verfassungsmässigkeit kann von
ihm nicht nachgeprüft werden.

    b) Obschon die Beschwerdeführer die Frage nicht aufwerfen,
mag gleichwohl erörtert werden, ob Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB nur
für die Einführung des ZGB auf den 1. Januar 1912 galt oder ob er
auch bei jeder Teilrevision des Gesetzes zur Anwendung kommt. Mit
der Einräumung des Verordnungsrechts an die Kantone wollte der
Bundesgesetzgeber die Sicherheit dafür schaffen, dass die nötigen
kantonalen Ausführungsvorschriften rechtzeitig erlassen wurden und das
ZGB vom Tage des Inkrafttretens an in sämtlichen Kantonen angewendet
werden konnte. Das Bedürfnis, den rechtzeitigen Erlass der erforderlichen
kantonalen Ausführungsbestimmungen zu gewährleisten, besteht indessen
nicht nur bei der Einführung eines Bundesgesetzes, sondern in gleicher
Weise auch bei jeder Teilrevision, denn es kann auch da vorkommen, dass
es den Kantonen nicht möglich ist, auf dem Gesetzgebungsweg die nötigen
Vorschriften für die Anwendung der revidierten eidgenössischen Bestimmungen
fristgemäss zu erlassen. Es kann deshalb ohne Willkür angenommen werden,
Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB sei auch auf Teilrevisionen des ZGB anwendbar
(in diesem Sinne wohl auch BECK, aaO, N. 8 zu Art. 52 SchlT ZGB). Eine
solche Auslegung der Vorschrift liesse sich übrigens selbst bei freier
Prüfung rechtfertigen.

    c) Nach dem Wortlaut des Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB dürfen die Kantone
nur solche Vorschriften auf dem Verordnungsweg erlassen, die für die
Anwendung des Bundesrechts notwendig sind.

    aa) Die Beschwerdeführer bestreiten, dass diese Voraussetzung im
vorliegenden Fall erfüllt sei. Sie machen geltend, sobald die kantonalen
Ausführungsvorschriften wie das mit Bezug auf die fürsorgerische
Freiheitsentziehung zutreffe verschiedenartig ausgestaltet werden könnten,
also nicht jede einzelne Bestimmung durch das ZGB "notwendig" vorbestimmt
sei, müsse die nach kantonalem Verfassungsrecht zuständige Instanz zum
Erlass befugt sein.

    Eine solche Auslegung des Begriffs der "Notwendigkeit" ist
offensichtlich zu eng. Es kommt unter dem Gesichtspunkt des Art. 52
Abs. 2 SchlT ZGB darauf an, ob eine kantonale Regelung zur Anwendung des
eidgenössischen Rechts erforderlich ist, unabhängig davon, ob der vom
Bundesgesetzgeber den Kantonen belassene Gestaltungsspielraum grösser
oder kleiner ist. Besteht überhaupt kein solcher Spielraum, so dürfte
damit wohl auch die Notwendigkeit von Einführungsbestimmungen entfallen.

    Unter den "notwendigen" Bestimmungen im Sinne des Art. 52 Abs. 2
SchlT ZGB sind jene zu verstehen, ohne deren Erlass das Bundesrecht in den
Kantonen nicht angewendet werden kann. Es handelt sich namentlich um die
Vorschriften über die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren sowie um
die unerlässlichen Organisationsbestimmungen (Memorial des Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartementes an die Kantone vom 24. Juli 1908). Die
hier in Frage stehende Verordnung des Zürcher Regierungsrates enthält
ausschliesslich Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften, welche die
fürsorgerische Freiheitsentziehung betreffen und ohne die die neuen
Bestimmungen des ZGB nicht angewendet werden könnten. Der Regierungsrat
hat demnach, wie sich nicht nur ohne Willkür, sondern zu Recht annehmen
lässt, mit der angefochtenen Verordnung nur solche Bestimmungen erlassen,
die für die Anwendung des neuen Bundesrechts notwendig sind.

    bb) In der Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde führte der
Regierungsrat aus, der Erlass einer Verordnung habe sich auch aufgrund
der zeitlichen Dringlichkeit aufgedrängt, denn in der kurzen Zeitspanne
zwischen dem Ablauf der Referendumsfrist und dem Inkrafttreten der
neuen Bestimmungen des ZGB sei es nicht möglich gewesen, das kantonale
Einführungsgesetz zum ZGB auf dem Gesetzgebungsweg zu ändern.

    Die Beschwerdeführer machten in diesem Zusammenhang in der
Beschwerdeschrift vom 12. Januar 1981 geltend, unter "notwendig" im
Sinne des Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB sei "ganz eindeutig nicht etwa eine
zeitliche Dringlichkeit" zu verstehen, da sonst eine Verordnung höchstens
vorübergehend in Kraft gesetzt werden könnte, bis die Legislative tätig
geworden sei. In der Beschwerdeergänzung vom 27. April 1981 bringen
sie dagegen vor, der Begriff "notwendig" könne "nur zeitlich und nicht
materiell" verstanden werden. Wenn aber eine zeitliche Dringlichkeit
bestanden hätte, was bestritten werde, so hätte der Regierungsrat höchstens
eine Übergangsverordnung bis zum Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes
erlassen dürfen.

    Dem Wortlaut des Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB ist nicht zu entnehmen,
dass das Verordnungsrecht auf Fälle zeitlicher Dringlichkeit beschränkt
wäre und dass aufgrund dieser Bestimmung erlassene Verordnungen
von beschränkter zeitlicher Geltung sein müssten. Was den Zweck der
Vorschrift betrifft, so besteht dieser zwar darin, den rechtzeitigen
Erlass der erforderlichen kantonalen Ausführungsvorschriften für die
Anwendung des ZGB zu sichern. Daraus ist aber nicht zu schliessen,
eine Verordnung, welche ohne zeitliche Dringlichkeit erlassen wurde,
sei ungültig, und eine aus zeitlicher Dringlichkeit erlassene in ihrer
Gültigkeit zeitlich begrenzt. Es ist zu beachten, dass das ZGB am 10.
Dezember 1907 beschlossen und erst auf den 1. Januar 1912 in Kraft
gesetzt wurde. Den Kantonen stand somit ein gewiss ausreichender
Zeitraum von rund vier Jahren zur Verfügung, um die erforderlichen
Ausführungsvorschriften zu erlassen, und trotzdem wurde Art. 52 Abs. 2
SchlT in das ZGB aufgenommen. Aus diesem Umstand lässt sich ohne Willkür
folgern, dass die Vorschrift keine Einschränkung im Sinne einer zeitlichen
Dringlichkeit kennt. Der Bundesgesetzgeber wollte vielmehr den Kantonen
die Möglichkeit einräumen, immer dann auf dem Verordnungsweg vorzugehen,
wenn sie der Meinung sind, die erforderlichen Ausführungsvorschriften
könnten auf dem Gesetzgebungsweg nicht fristgemäss erlassen werden, sei es,
dass die Zeit nicht zum Abwarten des Ablaufs der Referendumsfrist oder
zur Ansetzung einer Volksabstimmung ausreicht, sei es mit Rücksicht auf
das in jedem Falle bestehende Risiko eines negativen Volksentscheids. Der
Erlass kantonaler Ausführungsvorschriften auf dem Verordnungsweg setzt
somit wie mit sachlichen Gründen angenommen werden kann nach dem Sinn und
Zweck des Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB einzig voraus, dass die betreffenden
Bestimmungen für die Anwendung des eidgenössischen Rechts notwendig
sind. Dies ist, wie dargelegt wurde, bei den hier in Frage stehenden
Vorschriften der angefochtenen Verordnung der Fall. Es ist im übrigen
darauf hinzuweisen, dass auch andere Kantone so vorgegangen sind wie der
Kanton Zürich (z.B. die Kantone Bern, Basel-Stadt, Solothurn, Thurgau,
Obwalden, Appenzell A.Rh.).

    d) Die Beschwerdeführer machen geltend, der Regierungsrat habe durch
die angefochtene Verordnung das zürcherische EG zum ZGB mit einem neuen
Titel und etlichen neuen Paragraphen ergänzt. Ein von Kantonsrat und Volk
erlassenes Gesetz könne aber nur von diesen Instanzen geändert werden. Auch
eine aufgrund von Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB erlassene Verordnung könne
nach kantonalem Recht nicht ein kantonales Gesetz abändern.

    Man kann sich fragen, ob es zulässig ist, in Anwendung von Art. 52
Abs. 2 SchlT ZGB auf dem Verordnungsweg Ausführungsvorschriften zu
schaffen, mit denen die ursprünglichen, in Form eines Gesetzes erlassenen
Einführungsbestimmungen abgeändert werden, denn ein solches Vorgehen steht
im Widerspruch zum Grundsatz der Parallelität der Formen, nach welchem eine
Behörde ihre Anordnungen nur in jener Form gültig abändern kann, in welcher
sie erlassen wurden (BGE 101 Ia 591 E. 4a mit Hinweisen). Das Bundesgericht
hat in einem Urteil vom 14. März 1924 (BGE 50 I 229 ff.) zu dieser Frage,
die in jenem Entscheid offen gelassen werden konnte, ausgeführt, damit
die Abänderung einer Gesetzesvorschrift durch blosse Verordnung als
zulässig betrachtet werden könnte, wäre "auf alle Fälle erforderlich,
dass sie auch wirklich zur Vollziehung des Bundesgesetzes geschieht"
(BGE 50 I 234). Auch BECK erachtet unter der gleichen Voraussetzung das
erwähnte Vorgehen für zulässig, da der Zweck des Art. 52 Abs. 2 SchlT
ZGB nur so erreicht werden könne (aaO, N. 8 zu Art. 52 SchlT ZGB). Man
kann sich tatsächlich fragen, ob es sich nicht mit Rücksicht darauf, dass
neugeschaffenes oder revidiertes Bundesrecht zu einem bestimmten Zeitpunkt
in sämtlichen Kantonen sollte angewendet werden können, unter Umständen
rechtfertigt, vom Grundsatz der Übereinstimmung der Formen abzuweichen und
eine Abänderung von in Gesetzesform erlassenen Einführungsbestimmungen
durch blosse Verordnung zuzulassen. Die Frage braucht indes auch im
vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da mit der angefochtenen
Verordnung keine bestehenden Vorschriften des zürcherischen EG zum ZGB
aufgehoben oder abgeändert wurden, sondern das EG lediglich durch Einfügen
der neuen Bestimmungen ergänzt wurde. Geht man, wie unter E. 3c dargelegt
wurde, davon aus, dass die beanstandeten Ausführungsbestimmungen als
selbständige Verordnung gültig hätten erlassen werden dürfen, so kann
allein wegen des Umstandes, dass sie der Regierungsrat in das EG zum ZGB
eingefügt hat, ihre Rechtsgültigkeit nicht in Frage gestellt sein.

    Der Regierungsrat konnte demnach in vertretbarer Auslegung des
Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB annehmen, er sei aufgrund dieser Vorschrift
berechtigt, die Ausführungsvorschriften zu den Bestimmungen des ZGB
über die fürsorgerische Freiheitsentziehung auf dem Verordnungsweg
in das zürcherische EG zum ZGB einzufügen, und er verletzte daher mit
seinem Vorgehen den verfassungsmässigen Grundsatz der Gewaltentrennung
nicht. Auch eine Verletzung des Art. 58 KV, wonach das Gesetz die
Zahl, die Organisation, die Kompetenz und das Verfahren der Gerichte
bestimmt, liegt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht vor, da
der Regierungsrat gestützt auf Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB auch § 117i auf
dem Verordnungsweg erlassen konnte. Die Beschwerde erweist sich damit im
Hauptpunkt als unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer stellen den Eventualantrag, die angefochtene
Verordnung sei mit Bezug auf § 117i letzter Satz aufzuheben. Sie
sind der Meinung, es verstosse gegen Art. 5 Ziff. 4 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie gegen Art. 397d ZGB und damit
gegen Art. 2 ÜbBest.BV, ferner gegen Art. 4 BV und Art. 56 KV, dass die
im Kanton Zürich als "Richter" im Sinne von Art. 397d ZGB eingesetzte
Psychiatrische Gerichtskommission gemäss § 117i letzter Satz vom
Regierungsrat auf eine feste Amtsdauer gewählt werde.

    a) Nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch
Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen,
in dem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der
Haft entschieden wird. An das "Gericht" im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK
sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an das Gericht gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK, das heisst es soll unabhängig und unparteiisch sein
und auf Gesetz beruhen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
versteht unter dem Gericht im Sinne der Konvention eine urteilende Behörde
rechtsprechender Natur, die sowohl von der Regierungsgewalt als auch
von den beteiligten Parteien im konkreten Fall unabhängig ist (Urteile
Neumeister vom 27. Juni 1968, S. 44, E. 24, und De Wilde, Ooms und Versyp
vom 18. Juni 1971, S. 41, E. 78, in: Publications de la Cour européenne
des droits de l'homme, série A, vol. 8 und 12). Die EMRK verleiht aber dem
Rechtsunterworfenen keinen Anspruch auf eine bestimmte Gerichtsorganisation
oder einen bestimmten Verfahrensweg, sondern gewährleistet nur die
Rechtsprechung durch ein Gericht nach Massgabe der jeweiligen inländischen
Rechtsordnung (BISCHOFBERGER, Die Verfahrensgarantien der Europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 5
und 6) in ihrer Einwirkung auf das schweizerische Strafprozessrecht,
Diss. Zürich 1972, S. 44 f. sowie das erwähnte Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Neumeister, aaO). Der Entscheid
darüber, ob die Psychiatrische Gerichtskommission den Anforderungen der
Konvention genügt, hängt demnach davon ab, ob sie ein "Richter" im Sinne
von Art. 397d ZGB und der Zürcher Gerichtsorganisation ist.

    b) Gemäss Art. 397d ZGB kann die betroffene oder eine ihr nahestehende
Person gegen den Entscheid über eine fürsorgerische Freiheitsentziehung
den Richter anrufen. Der Bundesgesetzgeber versteht unter dem Richter
im Sinne dieser Bestimmung eine von anderen Staatsgewalten unabhängige
Instanz, welche dazu berufen ist, Freiheitsentziehungen unvoreingenommen
und unparteiisch in der Sache zu entscheiden (Botschaft des Bundesrates
über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (fürsorgerische
Freiheitsentziehung) und den Rückzug des Vorbehaltes zu Art. 5 EMRK
vom 17. August 1977, BBl 1977 III N. 242 S. 38). Er geht somit von einem
materiellen Begriff des Richters aus. Für die Frage, ob die Psychiatrische
Gerichtskommission ein Richter im Sinne des Bundesrechts ist, kommt es
demnach ausschliesslich darauf an, ob sie die erforderliche Unabhängigkeit
besitzt. Die Beschwerdeführer glauben, das sei deshalb nicht der Fall,
weil die Gerichtskommission nicht vom Kantonsrat oder vom Volk, sondern
vom Regierungsrat gewählt werde. Diese Ansicht ist unzutreffend. Wie
das Bundesgericht in einem Urteil vom 21. Oktober 1981 (BGE 107 Ia 253
ff.) ausgeführt hat, kommt einem Organ der Rechtspflege nicht deswegen
die notwendige Unabhängigkeit zu, weil es vom Volk bestellt ist, sondern
deshalb, weil ihm für die Behandlung konkreter Einzelfälle keine Weisungen
erteilt werden können (BGE 107 Ia 254 E. 3 b). Auch der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte misst der Art der Ernennung einer
richterlichen Behörde für die Frage der Unabhängigkeit keine entscheidende
Bedeutung zu (Urteil im Fall Schiesser vom 4. Dezember 1979, S. 15, E. 35,
in: Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, série A,
vol. 34). Die hier in Frage stehende Psychiatrische Gerichtskommission ist,
wie das ausdrücklich vorgesehen ist, in ihrer Rechtsprechung unabhängig
und an keine Weisungen gebunden (§ 6 der zürcherischen Verordnung über
das Verfahren der Psychiatrischen Gerichtskommission vom 28. Januar
1981). Sie erfüllt daher die Anforderungen, die an einen Richter im Sinne
des Art. 397d ZGB gestellt werden. Verstösst demnach § 117i nicht gegen
Bundesrecht, so liegt auch keine Verletzung des Art. 2 ÜbBest.BV vor.

    c) Ebenfalls unbegründet ist die Rüge, die angefochtene
Vorschrift verletze die Art. 4 BV und 56 KV, weil nach dem Grundsatz der
Gewaltentrennung ein Richter "nicht von der Exekutive abhängig oder gewählt
sein" dürfe. Die Psychiatrische Gerichtskommission ist wie ausgeführt
in ihrer Rechtsprechung unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Von
einer Missachtung des Gewaltentrennungsprinzips kann deshalb nicht die
Rede sein. Die Beschwerdeführer machen ferner zu Unrecht geltend, es
ergebe sich auch aus § 105 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes
(GVG), dass unter dem Begriff des Richters eine Instanz zu verstehen sei,
die nicht von der Exekutive gewählt werden dürfe. Aus dieser Vorschrift,
welche die Oberaufsicht des Kantonsrates über die Verwaltung der
Rechtspflege vorsieht, lässt sich nicht schliessen, ein Richter müsse in
jedem Falle durch das Volk oder den Kantonsrat ernannt werden. Es trifft
im übrigen nicht zu, dass nach zürcherischem Recht alle Richter durch die
gesetzgebende Gewalt gewählt werden, wie die Beschwerdeführer behaupten.
Das GVG sieht in einigen Fällen die Wahl der Richter durch Gerichte vor
(§§ 5 Abs. 2, 9, 16, 27, 38 Abs. 2). Im weitern ist zu beachten, dass im
Kanton Zürich ein wesentlicher Teil der Sozialversicherungsrechtsprechung
durch Rekurskommissionen erfolgt, die vom Regierungsrat gewählt werden
und ähnlich wie die Psychiatrische Gerichtskommission zusammengesetzt
sind (z.B. die Rekurskommission gemäss § 17 des zürcherischen
Einführungsgesetzes vom 1. Februar 1953 zu den Bundesgesetzen über die
Arbeitslosenversicherung und die Arbeitsvermittlung vom 22. Juni 1951).
Ähnliches gilt für die Rekurskommission für Arbeitsbeschaffungsreserven
(§ 14 des zürcherischen Gesetzes über die Arbeitsbeschaffungsreserven der
privaten Wirtschaft vom 5. Oktober 1952) sowie für die landwirtschaftliche
Rekurskommission (§ 5 Abs. 2 der zürcherischen Verordnung 1 vom 7. November
1963 zum Bundesgesetz über Investitionskredite und Betriebshilfe in
der Landwirtschaft vom 23. März 1962). Es kann nicht zweifelhaft sein,
dass es sich bei diesen Staatsorganen um richterliche Behörden, nämlich
Spezialverwaltungsgerichte, handelt (BOSSHARD, Die Sondergerichte des
Kantons Zürich, Diss. Zürich 1981, S. 99 ff.). Die erwähnte Ordnung zeigt,
dass die Wahl durch das Volk oder das Parlament im Kanton Zürich nicht
entscheidend für die Qualifikation einer urteilenden Behörde als Gericht
ist. Die Psychiatrische Gerichtskommission gemäss § 117i der angefochtenen
Verordnung kann demnach auch als ein Gericht im Sinne der zürcherischen
Gerichtsorganisation betrachtet werden.

    Nach dem Gesagten verstösst § 117i der Verordnung weder gegen die
Bundesverfassung noch gegen die EMRK, und die Beschwerde erweist sich
auch in diesem Punkt als unbegründet.