Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 II 149



105 II 149

25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Februar 1979 i.S. Roth gegen H.
Hächler AG, Hoch- und Tiefbau (Berufung) Regeste

    Einrede der abgeurteilten Sache.

    1. Einrede der abgeurteilten Sache (E. 1).

    2. Auslegung der Klagebegehren, Feststellungs- oder Leistungsklage?

    Identität der Klagen? (E. 2.)

    3. Rechtsmissbräuchliche Erhebung der Einrede der abgeurteilten
Sache? (E. 3.)

    4. Prozessuale Folgen bei Gutheissung der Einrede der abgeurteilten
Sache (E. 4).

Sachverhalt

    A.- In den Jahren 1970 und 1971 erstellte Theodor Roth in
Wettingen unter anderem drei Einfamilienhäuser, nämlich zwei als
Generalunternehmer für zwei verschiedene Auftraggeber sowie ein
eigenes. Die Baumeisterarbeiten für diese Häuser und deren Zugänge übertrug
er der H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau. Auf Begehren der Bauunternehmung
bewilligte der Bezirksgerichtspräsident von Baden am 17. Februar 1972
die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes auf den beiden
Roths Auftraggebern gehörenden Grundstücken sowie auf einem gemeinsamen
Weggrundstück, dessen Miteigentümer auch Roth und ein weiterer Anstösser
waren. Gleichzeitig wurde der Bauunternehmung Frist angesetzt, um Klage
im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB zu erheben; diese Frist lief am 4. Mai
1972 ab.

    Unterm 4. Mai 1972 reichte die H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau
beim Bezirksgericht Baden ein Weisungszeugnis sowie eine gegen Roth
gerichtete Klageschrift ein, mit der sie verlangte, dass der Beklagte zu
verurteilen sei, der Klägerin einen Betrag von insgesamt Fr. 178'626.85
nebst 6% Verzugszins ab 28. Oktober 1971 zu bezahlen. Die Klageschrift
enthielt keine Begründung. Mit Schreiben vom 9. Mai 1972 forderte der
Gerichtspräsident die Klägerin auf, eine prozessordnungsgemässe Klage
einzureichen, damit die Klage an die Hand genommen werden könne. In
der Folge reichte die Klägerin eine neue, vom 10. Mai 1972 datierte
Klageschrift ein. Mit ihrem Klageschluss verlangte sie, "es sei richterlich
festzustellen, dass der Beklagte folgenden Betrag nebst 6% Zins seit dem
28. Oktober 1971 schuldet und zu bezahlen hat: ... Totaler Schuldbetrag:
Fr. 178'626.85 unter Kosten- und Entschädigungsfolgen". Aus der Begründung
der Klageschrift ergibt sich, dass die Klägerin den unbezahlt gebliebenen
Werklohnanteil für verschiedene von ihr im Auftrage des Beklagten erbrachte
Arbeiten forderte, nämlich Fr. 97'058.35 bzw. Fr. 59'205.85 für die
beiden von ihm als Generalunternehmer erstellten Einfamilienhäuser,
Fr. 11'973.65 für acht Unterflurgaragen, Fr. 9'121.55 für einen
gemeinsamen Treppenaufgang sowie Fr. 1'267.45 für die Erstellung
einer Trafo-Station. Durch Verfügung vom 19. Mai 1979 erklärte der
Bezirksgerichtspräsident die Streitsache als appellabel und setzte
dem Beklagten Frist für die Erstattung der Klageantwort. Im Laufe des
Verfahrens zog die Klägerin Fürsprecher K. als Anwalt bei. Mit Schreiben
vom 26. September 1972 teilte dieser dem Bezirksgericht Baden mit, dass
er namens der Klägerin die am 10. Mai 1972 eingereichte Feststellungsklage
zurückziehe; den Gegenanwalt, Fürsprecher B., habe er über diesen Schritt
bereits telefonisch orientiert. In seiner Sitzung vom 2. Oktober 1972
beschloss sodann das Bezirksgericht: "Das Verfahren wird als durch
Klagerückzug erledigt von der Kontrolle abgeschrieben."

    B.- Am 16. Februar 1973 reichte die H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau
beim Bezirksgericht Baden gegen Roth eine neue Klage ein, wiederum zusammen
mit einem Weisungszeugnis. Dabei stellte sie den Antrag, dass der Beklagte
zu verurteilen sei, der Klägerin Fr. 164'925.30 nebst 6% Verzugszins ab 28.
Oktober 1971 zu bezahlen. Auch in diesem Verfahren forderte sie für die
beiden von Roth als Generalunternehmer erstellten Häuser Fr. 97'058.35
bzw. Fr. 59'205.85, für den gemeinsamen Treppenaufgang Fr. 7'393.65
sowie unter dem Titel Restbetrag für Trafo-Station Fr. 1'267.45. Mit
seiner Klageantwort erhob der Beklagte die Einrede der abgeurteilten
Sache. Nachdem die Klägerin auf Grund einer bereinigten Abrechnung die
Klage auf Fr. 153'344.70 herabgesetzt hatte, sprach ihr das Bezirksgericht
mit Urteil vom 13. Dezember 1976 diesen Betrag nebst 5% Zins seit dem
26. Oktober 1972 zu. Eine Appellation des Beklagten wies das Obergericht
(1. Zivilabteilung) des Kantons Aargau am 27. Januar 1978 ab.

    C.- Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Beklagte die Berufung
erklärt. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in
Gutheissung der Einrede der abgeurteilten Sache abzuweisen. Die Klägerin
schliesst auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zu beurteilen ist einzig, ob die Vorinstanz zu Recht die Einrede
der abgeurteilten Sache verworfen hat. Dabei ist nicht streitig, dass
nach dem massgebenden kantonalen Prozessrecht auch eine Abschreibung
wegen Klagerückzuges zur materiellen Rechtskraft und damit zur Einrede
der abgeurteilten Sache führt. Da ein bundesrechtlicher Anspruch in
Frage steht (Werkvertrag), beurteilt sich im übrigen nach Bundesrecht,
ob die Erledigung jenes ersten Prozesses der neuen Klage entgegensteht;
mit der Berufung kann sowohl geltend gemacht werden, die Vorinstanz habe
die Einrede zu Unrecht geschützt, als auch, sie habe diese zu Unrecht
verworfen (BGE 97 II 396, 95 II 643 E. 4b mit Hinweisen). Wie es sich
damit verhält, hängt davon ab, ob es sowohl heute als auch im früheren
Prozess zwischen den gleichen Parteien um den in bezug auf Inhalt und
geltend gemachte Tatsachen gleichen Anspruch geht (BGE 98 II 27 E. 1,
97 II 396 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz stellt unangefochten fest, dass die frühere und
die heutige Klage nicht nur die nämlichen Parteien betreffen, sondern
auch hinsichtlich der eingeklagten Werklohnforderungen identisch sind.
Streitig ist hingegen, ob die Identität wegen der unterschiedlichen
Formulierung der Rechtsbegehren entfällt, indem es sich im früheren Prozess
um eine Feststellungsklage, im späteren um eine Leistungsklage handle. Die
kantonalen Gerichte befassen sich mit dieser Streitfrage, lassen sie jedoch
im Ergebnis offen, weil sie die Einrede aus anderen Gründen verwerfen.

    a) Ist im späteren Prozess das frühere Klagebegehren auszulegen,
so kann es nicht darum gehen, den damaligen wirklichen Willen eines
Klägers abzuklären; massgebend ist vielmehr eine objektive Auslegung
nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben
(GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979,
S. 262; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen ZPO, Zürich 1976,
N. 6 zu § 54; vgl. auch BGE 82 II 178). Was die Klägerin in diesem
Zusammenhang unter Hinweis auf eine Willenstheorie vorbringt, ist daher
unerheblich. Eine Anfechtung der damaligen Rückzugserklärung wegen Irrtums
kann ohnehin nicht im vorliegenden Prozess erfolgen.

    b) Nach der damaligen Situation lag es nahe, mit der Klage von 1972
die vorläufig eingetragenen Handwerkerpfandrechte zu prosequieren, wozu
der Klägerin Frist angesetzt worden war. Gegenstand einer solchen Klage
wäre nicht die Feststellung der Werklohnforderung gegenüber dem Unternehmer
gewesen, sondern die endgültige Eintragung des Handwerkerpfandrechts, unter
Feststellung des Werklohns allein den Pfandeigentümern gegenüber und nur
als Pfandsumme; das Pfandrecht setzt nicht eine fällige Werklohnforderung,
ja nicht einmal Arbeitsleistung voraus (Art. 839 Abs. 3 in Verbindung
mit Art. 961 Abs. 3 ZGB und Art. 22 Abs. 2 GBV; HOMBERGER, N. 34 zu
Art. 961). Die Beurteilung oder der Rückzug einer solchen Pfandrechtsklage
bewirkt demgemäss auch für den späteren Prozess gegen den Werklohnschuldner
keine abgeurteilte Sache.

    Eine Klage auf endgültige Eintragung des Handwerkerpfandrechts
wurde indessen nie erhoben. Weder in der beanstandeten Klageschrift
noch in der verbesserten vom 10. Mai 1972 findet sich der geringste
Hinweis auf ein Pfandrecht, auf das vorangegangene Eintragungsverfahren
oder auf die erfolgte Klagefristansetzung. Auch wurde der Klage nicht
eine entsprechende richterliche Verfügung, sondern das Weisungszeugnis
des Friedensrichters vom 19. November 1971 beigelegt, das schon vor dem
Pfandrechtsverfahren eingeholt worden und von diesem unabhängig war. Dass
die Klage hinsichtlich der Häuser Humbel und Nägeli allein gegen den
Werklohnschuldner und nicht gegen die Grundeigentümer gerichtet war,
schliesst diesen Zusammenhang ebenfalls aus. Das Bezirksgericht behandelte
denn auch folgerichtig die Eingabe als ordentliche Klage im appellablen
Verfahren und nicht als Klage auf Bauhandwerkerpfandrecht im beschleunigten
Verfahren (§ 124 EG/ZGB).

    Freilich begründet die Klägerin vor Bundesgericht die Formulierung
ihrer verbesserten Klage vom 10. Mai 1972 mit der Absicht, damit
das Handwerkerpfandrecht zu sichern; im kantonalen Verfahren führte
sie denn auch aus, diese Klage sei "im Rahmen des damals pendenten
Bauhandwerkerpfandrechts gegen Dr. Nägeli und Dr. Humbel" eingereicht,
dann aber als verspätet wieder zurückgezogen worden. Angesichts der
Aktenlage handelt es sich dabei nur um subjektive Gesichtspunkte, die
nicht entscheidend sein können. Es kommt daher auch nicht darauf an,
ob die Frist zur Prosequierung des Pfandrechts am 4. Mai 1972 ablief
und versäumt wurde, wie es das angefochtene Urteil feststellt, oder
ob sie bis zum 14. Mai 1972 lief und gewahrt wurde, wie die Klägerin
vor Bundesgericht in Korrektur ihrer bisherigen Haltung behauptet. Die
neue These stützt sich ohnehin auf kantonales Prozessrecht und ist im
Berufungsverfahren nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    c) Die Vorinstanz hat daher zu Recht nur geprüft, ob die Klage vom Mai
1972 eine selbständige Feststellungsklage gewesen sei und sich als solche
von der späteren Leistungsklage unterscheide, und hier setzt denn auch
die Kritik der Berufung ein. Dabei anerkennt die Klägerin, dass ihre erste
Klageschrift vom 4. Mai eine gewöhnliche Forderungsklage zum Gegenstand
hatte. Für die Klägerin war demgegenüber - wie offenbar für die Vorinstanz
- die verbesserte Klageschrift vom 10. Mai eine neue Klage, während nach
Meinung des Beklagten nicht von zwei verschiedenen Klagen gesprochen
werden darf. Wie es sich damit verhält, braucht nicht entschieden zu
werden; jedenfalls ist nicht zu beanstanden, dass das erste Schreiben für
die Auslegung des zweiten mitberücksichtigt wird. Auch der verbesserten
Eingabe war das gleiche Weisungszeugnis über eine reine Forderungsklage
beigelegt; in ihr wurde Fälligkeit der Forderung behauptet und Verzugszins
verlangt. Neu war, dass die Eingabe als Klage "betreffend Feststellung
der Forderung" bezeichnet wurde und dass der Klageschluss lautete, "es
sei richterlich festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin folgenden
Betrag nebst 6% Zins seit dem 28. Oktober 1971 schuldet und zu bezahlen
hat: ... Fr. 178'626.85". Das angefochtene Urteil bezeichnet diese Fassung
als zweideutig, nimmt aber nach den Umständen eher eine Leistungs- als
eine Feststellungsklage an. In der Tat wurde mit der verbesserten Klage
die Feststellung nicht nur des Bestehens einer Schuld, sondern auch der
Zahlungspflicht verlangt; das kann in guten Treuen nicht anders denn
als Leistungsklage verstanden werden (LEUCH, Die Zivilprozessordnung
für den Kanton Bern, 3. Auflage, Bern 1956, N. 1 zu Art. 174, S. 193;
STRÄULI/MESSMER, aaO, N. 9 zu § 59). Daran ändert auch nichts, dass der
später beigezogene Anwalt der Klägerin den Rückzug der "eingereichten
Feststellungsklage" erklärte und dass der Abschreibungsbeschluss des
Bezirksgerichts in den Erwägungen von einer Klage auf "Feststellung eines
Schuldbetrages in der Höhe von Fr. 178'626.85" sprach. Entscheidend war
demgegenüber, dass die Klage vom 10. Mai 1972 tatsächlich zurückgezogen
und abzuschreiben war, nicht diese beiläufigen Bezeichnungen. Anlass zur
Anfechtung des entsprechenden bezirksgerichtlichen Beschlusses durch die
Klägerin bestand daher nicht; weshalb es sich für den Beklagten anders
verhalten hätte, ist unerfindlich, denn er wäre so wenig wie die Klägerin
durch die Abschreibung beschwert gewesen.

    d) Da die heute vorliegende Klage unstreitig eine Leistungsklage
ist, besteht somit auch hinsichtlich des Klagebegehrens Identität mit
der seinerzeitigen Klage. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden,
ob bei Annahme einer Feststellungsklage diese Identität zu verneinen wäre,
wie das Bezirksgericht ohne Begründung erklärt (vgl. dazu immerhin KUMMER,
Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht,
S. 67 f.; LEUCH, aaO, S. 194).

    Die Einrede der abgeurteilten Sache erscheint somit an sich als
begründet.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz verwirft nun aber die Einrede des Beklagten, weil
sie rechtsmissbräuchlich erhoben werde. Der Beklagte bestreitet zu Recht
nicht, dass die Grundsätze von Treu und Glauben auch im Zivilprozess zu
beachten sind und dass er sich diesbezüglich das Verhalten seines Anwalts
anrechnen lassen muss.

    a) Das angefochtene Urteil hält fest, dass die abgeurteilte Sache
nur auf Einrede der berechtigten Partei und nicht von Amtes wegen zu
beachten sei. Der Beklagte meint, die Frage des Rechtsmissbrauchs
würde gegenstandslos, wenn die abgeurteilte Sache von Amtes wegen
zu berücksichtigen wäre, weil dann selbst Einverständnis des Gegners
unbeachtlich wäre. Das ist nach dem Zusammenhang wohl auch die Meinung
der Vorinstanz. Die Rechtsprechung hat bisher die Frage nicht eindeutig
geklärt, ob sich aus Bundesrecht auch ergebe, dass die materielle
Rechtskraft von Amtes wegen berücksichtigt werde (offen gelassen in BGE 95
II 643, dagegen ohne nähere Begründung bejaht in BGE 98 II 27). Das braucht
indessen hier nicht entschieden zu werden, weil dadurch die Geltendmachung
von Rechtsmissbrauch nicht ausgeschlossen wird; entsprechendes gilt
denn auch für die rechtsmissbräuchliche Anrufung eines Formmangels (vgl.
BGE 104 II 101 E. 2 mit Hinweisen).

    b) Nach dem angefochtenen Urteil führten die beiden Parteivertreter
unmittelbar vor dem Rückzugsschreiben von Fürsprecher K. vom 26. September
1972 ein Telefongespräch, dessen Inhalt streitig ist. Nach den
Feststellungen des Obergerichts war es Fürsprecher K., der Fürsprecher
B. anrief und über den bevorstehenden Klagerückzug orientierte. Mit
der Berufung wird daran festgehalten, dass dem ein Anruf von Fürsprecher
B. vorangegangen sei, doch ist das nicht wesentlich. Bestritten ist sodann
nach dem angefochtenen Urteil, dass Fürsprecher K. bei diesem Gespräch auch
die Gründe des Klagerückzugs mitgeteilt habe, nämlich das Vorliegen einer
blossen Feststellungsklage, die mit dem Handwerkerpfandrechtsverfahren
in keinem Zusammenhang mehr stehe; indessen sei auf diese Behauptung von
Fürsprecher K. abzustellen, weil sich schon aus seinem Rückzugsschreiben
ergebe, dass er jene Klage irrtümlich für eine Feststellungsklage gehalten
und als solche zurückgezogen habe.

    Der Beklagte bestreitet nach wie vor, dass Fürsprecher K. bei
jenem Gespräch eine derartige Begründung des Klagerückzugs gegeben
habe. Es handle sich hier um eine blosse Vermutung der Vorinstanz,
der das Bundesgericht eine eigene Vermutung entgegensetzen könne. Ohne
Beweisführung sei dabei auf eine bestrittene Parteibehauptung abgestellt
worden, worin eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften
liege. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben.

    c) Das angefochtene Urteil geht davon aus, dass die Einrede der
abgeurteilten Sache entfalle, wenn die Klage mit Einwilligung des
Gegners unter Vorbehalt der Wiedereinreichung zurückgezogen werde. Das
ist unwidersprochen geblieben und dürfte im übrigen kantonalem Recht
entsprechen, das im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen ist. Vorliegend
kommt darauf jedoch nichts an, weil feststeht, dass die Klage seinerzeit
nicht unter Vorbehalt der Wiedereinreichung zurückgezogen worden ist, der
Rückzug vielmehr dem Gericht gegenüber vorbehaltlos erklärt wurde. Die
Klägerin hat aber auch nie behauptet, dass ihr Anwalt beim Anruf vor
der Rückzugserklärung das Einverständnis des Gegenanwalts mit einem
solchen Vorgehen habe einholen wollen; Zweck dieses Anrufs war vielmehr
nach ihrer eigenen Darstellung ausschliesslich, weitere Bemühungen des
Gegenanwalts für die von ihm zu erstattende Klageantwort und entsprechende
Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin zu vermeiden. Nach dem
angefochtenen Urteil war denn auch gar nicht die Rede von der Erhebung
einer neuen Klage.

    d) Gleichwohl durfte nach Meinung der Vorinstanz Fürsprecher K. auf
Grund des Verhaltens von Fürsprecher B. davon ausgehen, dass dieser die
Einrede der abgeurteilten Sache nicht erheben werde. Weil das Verhalten
Fürsprecher B. gegen Treu und Glauben verstosse, sei die Einrede der
abgeurteilten Sache missbräuchlich und unbeachtlich. Zu prüfen ist indes
vorab die Frage, ob Fürsprecher B. anlässlich des Telefongesprächs mit dem
Gegenanwalt stillschweigend auf die Erhebung der Einrede der abgeurteilten
Sache verzichtet hat, was sich nach dem Vertrauensgrundsatz und nach
Art. 2 Abs. 1 ZGB beurteilt; nur eventuell ist alsdann die zweite Frage
zu prüfen, ob widersprüchliches Verhalten im Sinn von Art. 2 Abs. 2 ZGB
vorliegt. Beides ist jedoch zu verneinen, wenn die Vorinstanz zu Unrecht
von einem Verstoss Fürsprecher B. gegen Treu und Glauben ausgeht.

    e) Nach dem angefochtenen Urteil war Fürsprecher K. offensichtlich der
Auffassung, der Rückung stehe, weil eine Feststellungsklage betreffend,
einer späteren Leistungsklage nicht entgegen; dieser Irrtum kann nach
Auffassung des Obergerichts Fürsprecher B. nicht entgangen sein,
denn dieser habe als sicher annehmen müssen, dass die Klägerin auf
ihre restlichen hohen Werklohnansprüche nicht verzichten wollte. Das
betrifft Wissen und Willen von Fürsprecher B. und damit tatsächliche
Verhältnisse. In diesem Zusammenhang rügt der Beklagte wiederum die
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, weil die Vorinstanz,
ohne Beweise zu erheben, auf bestrittene Parteibehauptungen abgestellt
habe. Die Klägerin unterstützt dagegen die angefochtene Feststellung mit
zusätzlichen Argumenten. Auch diese Frage kann offen bleiben, da auf die
angefochtene Feststellung nichts ankommt.

    f) Der Beklagte anerkennt, dass sein Anwalt die telefonischen
Mitteilungen von Fürsprecher K. einfach zur Kenntnis nahm. Nach dem
angefochtenen Urteil wäre aber Fürsprecher B., angesichts des Irrtums von
Fürsprecher K., als Anwaltskollege verpflichtet gewesen, diesen darauf
aufmerksam zu machen, dass er im Fall eines Klagerückzuges sich veranlasst
sehen würde, gegen eine neue Klage die Einrede der abgeurteilten Sache
zu erheben. Nach den Standesregeln und dem Standesrecht unterstehe er
andern Anwälten gegenüber den Geboten der Kollegialität, der gegenseitigen
Rücksichtnahme und Achtung. Das kollegiale Verhalten, auf das die Anwälte
im gegenseitigen Verkehr angewiesen seien, finde allerdings seine Grenze am
Interesse des eigenen Klienten. Dieses wäre aber nicht betroffen gewesen,
wenn Fürsprecher B. Fürsprecher K. darauf aufmerksam gemacht hätte,
dass er einer neuen Klage gegenüber die Einrede der abgeurteilten Sache
erheben werde; dadurch wäre Fürsprecher K. veranlasst worden, das weitere
Vorgehen nochmals genau zu überdenken.

    Dieser Argumentation des Obergerichts widerspricht der Beklagte. Nicht
zu folgen ist ihm darin, dass Standesnormen als Verbandsrecht überhaupt
nicht zu berücksichtigen seien, geht es hier doch um Regeln der
Verkehrssitte, die im Rahmen von Treu und Glauben durchaus Beachtung
verdienen (MERZ, N. 100 und 141 zu Art. 2 ZGB). Auch die Folge, dass die
Einrede des Beklagten zu schützen wäre, wenn er nicht durch einen Anwalt
vertreten wäre, ist keineswegs "grotesk", sondern durchaus natürlich,
da nach Treu und Glauben in rechtlichen Belangen an eine rechtskundig
vertretene Partei höhere Anforderungen gestellt werden dürfen als an eine
rechtsunkundige Partei.

    Zu Recht rügt dagegen die Berufung, dass die Vorinstanz an Fürsprecher
B. höhere Anforderungen stellt als an Fürsprecher K., indem sie ersteren
für den Irrtum verantwortlich macht, der letzterem unterlaufen ist. Nach
dem angefochtenen Urteil lag ja der Irrtum von Fürsprecher K. darin,
dass er die erste Klage für eine Feststellungsklage hielt, die einer
späteren Leistungsklage nicht hinderlich sei. Wenn dieser Irrtum nach dem
angefochtenen Urteil Fürsprecher B. nicht entgangen sein kann, heisst das
nicht, dass er bereits in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer späteren
Einrede der abgeurteilten Sache erkannte und eine entsprechende Absicht
verschwieg. Selbst wenn er anlässlich jenes Telefongesprächs erkannte, dass
Fürsprecher K. sich mit dem beabsichtigten Rückzug der Klage allenfalls
unbeabsichtigt der Gefahr aussetzte, mit einer neuen Klage auf die
Einrede der abgeurteilten Sache zu stossen, war Fürsprecher B. auch unter
Berücksichtigung von Standesrecht nach Treu und Glauben nicht gehalten,
seinen Gegenanwalt auf den Irrtum aufmerksam zu machen und ihm dieses
Vorgehen abzuraten. Wer bei solchen Gesprächen nicht nach Irrtümern des
Gegners forscht, die dieser bei gehöriger Aufmerksamkeit selber wahrnehmen
könnte, handelt nicht gegen Treu und Glauben; niemand ist gehalten, im
Interesse des Gegners umsichtiger zu sein, als dieser ist und sein kann
(BGE 102 II 84). Auf diesen Grundsatz stützt sich die Berufung zu Recht.
Wie dargelegt, verhält es sich ja nicht so, dass Fürsprecher K. die
Frage einer neuen Klage und der Einrede der abgeurteilten Sache auch nur
andeutungsweise zur Diskussion stellte und dazu eine Meinungsäusserung
des Gegenanwalts herbeiführen wollte; er orientierte diesen vielmehr, nach
eigener Darstellung, über den bevorstehenden Klagerückzug ausschliesslich,
damit dieser nicht noch weitere Bemühungen unternehme, die sich dann in
der Prozessentschädigung auswirken müssten. Diese Orientierung durfte
Fürsprecher B. kommentarlos entgegennehmen, ohne dass er mit dem Verzicht
auf Ratschläge an seinen Gegenanwalt gegen Treu und Glauben oder gegen
Standespflichten verstossen hätte.

    g) Auch das Verhalten des Beklagten bzw. seines Anwalts nach dem
Klagerückzug vom 26. September 1972 widerspricht weder Treu und Glauben
noch ist es rechtsmissbräuchlich. Nach Meinung der Vorinstanz hätte er nach
Erhalt der Kopie des Rückzugsschreibens gegen eine allfällige Abschreibung
der Klage als Feststellungsklage Verwahrung einlegen müssen, wenn er später
die Einrede der abgeurteilten Sache zu erheben gedachte; dadurch hätte er
das Bezirksgericht zu entsprechenden Ausführungen im Abschreibungsbeschluss
veranlasst, wobei dann die Klägerin allenfalls diesen Beschluss hätte
anfechten können; indem der Beklagte statt dessen nicht reagiert habe,
habe er den Anschein erweckt, als stimme er der Bezeichnung der Klage
als Feststellungsklage zu. Das alles ist schon deshalb unerheblich,
weil die Klage damals bereits zurückgezogen war. Davon abgesehen gilt
wiederum, dass Tatsache und Gegenstand des Klagerückzuges klar waren und
es dafür auf die Bezeichnung nicht ankam. Die Klägerin hält sogar die
Einrede des Beklagten auch deshalb für missbräuchlich, weil er selbst
es seinerzeit unterlassen habe, den von ihm als fehlerhaft bezeichneten
Abschreibungsbeschluss durch Beschwerde anzufechten; worin aber die
Beschwerdelegitimation des Beklagten gelegen hätte, wird nicht dargetan.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Gesagten hat das Obergericht die Einrede der abgeurteilten
Sache zu Unrecht verworfen. Der Klagerückzug vom 26. September 1972 steht
der vorliegenden Klage entgegen. Das führt zur Gutheissung der Berufung.

    Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, während die
Vorinstanz diesen Antrag ohne nähere Begründung in Anführungszeichen
setzt. Das Bundesgericht hat bisher nicht entschieden, ob abgeurteilte
Sache die Abweisung der Klage oder das Nichteintreten auf sie zur Folge
hat. In BGE 85 II 57 wurde ein auf Nichteintreten lautendes kantonales
Urteil bestätigt, in BGE 95 II 639 dagegen eine Scheidungsklage
wegen abgeurteilter Sache abgewiesen. Bei richtigem Ergebnis wird das
Bundesgericht die kantonale Terminologie nicht korrigieren, doch ist
eine solche hier nicht vorgezeichnet. Immerhin scheint im Aargauer
Zivilprozessrecht die Frage der abgeurteilten Sache als solche des
Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung behandelt
zu werden (EICHENBERGER, Beiträge zum Aargauischen Zivilprozessrecht,
S. 146 f.). Das dürfte auch sonst die Regel sein (STRÄULI/MESSMER, aaO,
N. 26 zu § 191; GULDENER, aaO, S. 221; LEUCH, aaO, N. 2 zu Art. 194). Im
gleichen Sinn bestimmt Art. 22 BZP, dass die Klage unzulässig ist, wenn
der Anspruch bereits rechtskräftig beurteilt ist, was gemäss Art. 40 OG
auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist. Das hat zur Folge,
dass auf die Klage nicht einzutreten ist.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts (1.
Zivilabteilung) des Kantons Aargau vom 27. Januar 1978 aufgehoben und
auf die Klage nicht eingetreten.