Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 54



105 Ia 54

14. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Mai 1979 i.S. Y.
und Z. gegen Kanton Solothurn und Kantonale Rekurskommission Solothurn
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG, Art. 4 BV; Erbschaftssteuer.

    1. Drittpersonen steht die Beschwerdebefugnis nicht zu, wenn sie
in einem Verfahren nur dadurch betroffen sind, dass sie sich einem
Steuerpflichtigen gegenüber verpflichtet haben, eine geschuldete Steuer
zu übernehmen (E. 1b).

    2. Im Erbschaftssteuerrecht ist grundsätzlich ein Vergleich zwischen
den Erben zu berücksichtigen, wenn durch diesen ernsthafte Zweifel an
der erbrechtlichen Lage beseitigt werden und wenn sich die getroffene
Vereinbarung nicht offensichtlich gegen den Fiskus richtet (E. 2 und 3a).

Sachverhalt

    A.- Zum Nachlass des Verstorbenen X. gehörte unter anderem ein Wohnhaus
in G., Kanton Solothurn. In seinem Testament hatte X. seine Schwester,
Frau Y., als einzige gesetzliche Erbin auf den Pflichtteil gesetzt;
zudem hatte er die Ausrichtung verschiedener Vermächtnisse angeordnet
und für den Rest des Nachlasses Frau Z. als Erbin eingesetzt.

    Am 31. Oktober 1973 führte Frau Y. beim Friedensrichteramt in M.,
Kanton Luzern, dem letzten Wohnsitz des Erblassers, Klage gegen Frau
Z., im wesentlichen mit den Anträgen, es sei deren Erbunwürdigkeit
festzustellen und das Testament sei ungültig zu erklären, soweit es Frau
Z. begünstige. Zur Begründung brachte die Klägerin vor, der Erblasser
sei zur Zeit der Errichtung des angefochtenen Testaments handlungsunfähig
gewesen, da er unter dem dauernden Einfluss starker Medikamente gestanden
sei; zudem habe ihn Frau Z. auf raffinierte Art ausgenützt und ihn mit
der Drohung, ihn zu verlassen, zur Abfassung des Testaments genötigt. Frau
Z. erhob ihrerseits Widerklage mit dem Antrag, es sei die Erbunwürdigkeit
von Frau Y. festzustellen.

    In der Folge schlossen die Parteien jedoch einen Vergleich, wonach
sie im wesentlichen die hälftige Teilung des Nachlasses vereinbarten. Sie
einigten sich insbesondere auch, sämtliche Erbschafts- und Nachlasssteuern
vor der Teilung vom Gesamtnachlass abzuziehen und damit intern diese
Steuern hälftig zu tragen.

    Am 28. Februar 1975 erliess die Amtsschreiberei in G. an beide Erbinnen
Rechnungen für die im Hinblick auf den Übergang des Hauses in G. zu
entrichtenden Erbschaftssteuern. Sie berücksichtigte dabei den Vergleich
nicht, sondern ging allein vom Testament aus und rechnete demgemäss
Frau Z. drei Viertel, Frau Y. dagegen nur einen Viertel des steuerbaren
Nachlasses an. Der anzuwendende Steuersatz betrug unbestrittenermassen
für Geschwister 6%, für nicht mit dem Erblasser verwandte eingesetzte
Erben dagegen 24%.

    Die Einsprachen der Erbinnen wurden abgewiesen. Beide
führten Beschwerde an die Kantonale Rekurskommission Solothurn
(Rekurskommission). Sie beantragten im wesentlichen, der Steuerberechnung
sei die Erbschaftsteilung gemäss Vergleich, und nicht das Testament des
X. zugrundezulegen. Am 14. Juni 1976 erklärte die Rekurskommission die
Beschwerden in diesem Hauptpunkt als unbegründet, wies die Sache jedoch
wegen Rechnungsfehler an die Vorinstanz zurück.

    Nachdem neue Steuerrechnungen ausgestellt worden waren, erhoben
die beiden Erbinnen gegen die Entscheide der Rekurskommission und die
Steuerrechnungen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
BV. Sie beantragen, die angefochtenen Entscheide und Rechnungen seien
aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art.  4 BV
sind gemäss Art. 87 OG grundsätzlich nur gegen letztinstanzliche kantonale
Endentscheide zulässig. Die Urteile der Rekurskommission vom 14. Juni
1976 erfüllten zwar das Erfordernis der Letztinstanzlichkeit, nicht aber
zugleich dasjenige des Endentscheides; sie konnten daher unmittelbar
im Anschluss an ihren Erlass nicht angefochten werden. Als Endentscheid
gilt dagegen die Ausstellung der (neuen) Steuerrechnungen. Beruhen solche
Rechnungen auf einem Entscheid der obersten kantonalen Rechtsmittelinstanz,
so wird dieser als im voraus von ihr gebilligt betrachtet, und es ist daher
nicht notwendig, nochmals den kantonalen Instanzenweg zu durchlaufen,
bevor staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann (BGE 98 Ia 154,
93 I 453 f.). Die Beschwerdeführerinnen haben sich im vorliegenden Falle
an die bundesgerichtliche Rechtsprechung gehalten, indem sie innert
gesetzlicher Frist nach Erhalt der Steuerrechnungen diese und zugleich
die ihnen zugrundeliegenden Entscheide der Rekurskommission angefochten
haben. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.

    b) Fraglich ist, ob neben Frau Z., der ohne Zweifel die
Beschwerdebefugnis zusteht, Frau Y. ebenfalls zur staatsrechtlichen
Beschwerde legitimiert ist.

    Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde bestimmt
sich ausschliesslich nach dem Bundesgesetz über die Organisation
der Bundesrechtspflege und nicht danach, ob ein Beschwerdeführer im
kantonalen Verfahren Parteistellung hatte (BGE 102 Ia 99 E. 1, 101
Ia 544 mit Hinweisen). Zur Führung einer solchen Beschwerde ist nur
berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung unmittelbar in seinem
Rechtsbereich betroffen wird und sich daher auf eine Beeinträchtigung
rechtlich geschützter eigener Interessen zu berufen vermag (BGE 99 Ia
592 f.; 97 I 265).

    Nach herrschender Lehre steht Drittpersonen im Steuerverfahren
kein Beschwerderecht zu, auch wenn sie sich dem Steuerpflichtigen
gegenüber verpflichtet haben, eine geschuldete Steuer zu entrichten
(GRUBER, Handkommentar zum bernischen Gesetz über die direkten
Staats- und Gemeindesteuern, Bern 1975, S. 213 Ziff. 1, 221/2 Ziff. 1;
GRÜNINGER/STUDER, Kommentar zum Basler Steuergesetz, Basel 1970, S. 99;
REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Band IV,
N. 21 zu § 160; KÄNZIG, Wehrsteuer, Ergänzungsband, 2. Aufl. Basel 1972,
N. 5 zu Art. 99). Dies muss erst recht zur Verneinung der Legitimation im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren führen. Die Beschwerdebefugnis steht
nur dem durch eine Verfügung direkt benachteiligten Steuerpflichtigen zu.

    Im vorliegenden Fall wird Frau Y. durch den Entscheid der
Rekurskommission nicht persönlich in ihrem Rechtsbereich betroffen. Bei
Gutheissung der Beschwerde wäre die Erbschaftssteuer für sie amtlich
sogar auf einen höheren Betrag festzusetzen. Frau Y. würde dann nicht nur
für den ihr gemäss Testament verbliebenen Viertel, sondern für den ihr
gemäss Vergleich zukommenden hälftigen Anteil an der Hinterlassenschaft
zur Steuer herangezogen. Ihr Interesse an der Beschwerdeführung beruht
indessen darauf, dass sie auf Grund des erwähnten Vergleichs intern für
die gesamte steuerliche Belastung des Nachlasses zur Hälfte aufkommen
muss, dass sie also insgesamt besser fährt, wenn ein grösserer Teil des
Nachlasses bei ihr (zu niedrigerem Steuersatz) und ein kleinerer bei Frau
Z. (zu höherem Satz) veranlagt wird. Durch die angefochtene Veranlagung
wird somit nur Frau Z. direkt benachteiligt, indem ihr weit mehr als die
Hälfte des steuerpflichtigen Rücklasses (in der korrigierten Veranlagung
etwa 64%) zugerechnet wird. Nur sie ist demnach zur staatsrechtlichen
Beschwerde befugt. Indem Frau Y. zusammen mit Frau Z. Beschwerde geführt
hat, verzichtet sie lediglich sinngemäss darauf, nach einer allfälligen
Gutheissung der Beschwerde und Neuveranlagung durch die zuständige
kantonale Instanz die Einrede der reformatio in peius zu erheben. Auf die
Beschwerde von Frau Y. ist daher nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Es ist unbestritten, dass bei einer in der Art des solothurnischen
Rechtes ausgestalteten Erbschaftssteuer grundsätzlich auf den Rechtszustand
abzustellen ist, wie für bei Eröffnung des Erbganges kraft Gesetzes
oder kraft Verfügung von Todes wegen gegeben war (MONTEIL, Das Objekt
der Erbschafts- und Schenkungssteuern in der Schweiz, S. 37; SIEVEKING,
La nature et l'objet de l'impôt sur les successions en Suisse, S. 31;
GUENG, Zum neuen st. gallischen Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht,
in: Steuer-Revue 1971, S. 154; BGE 73 I 19). Indessen sind Lehre und
Rechtsprechung dazu gelangt, Ausnahmen zuzulassen, und zwar dann, wenn über
die erbrechtliche Lage eine ernstliche Ungewissheit besteht. In solchen
Fällen ist die durch richterliches Urteil oder von den Beteiligten in
guten Treuen durch Vergleich getroffene Lösung massgebend. Veröffentlichte
Urteile des Bundesgerichtes zu dieser Frage bestehen allerdings nicht. Der
im angefochtenen Entscheid erwähnte BGE 73 I 19 bezieht sich nicht auf
den Fall der Beilegung eines Erbenstreites durch Vergleich, weshalb ihm
hier keine wesentliche Bedeutung zukommen kann. Die Rekurskommission
des Kantons Solothurn hat in einem Entscheid aus dem Jahre 1964 (Bericht
der Solothurnischen Kantonalen Rekurskommission in Steuersachen, 1964,
Nr. 22, S. 107) ausgeführt, nach ihrer ständigen Praxis sei es "nur bei
zweifelhafter Erbrechtslage nötig und erlaubt, die in der Erbteilung oder
durch gerichtliches Urteil getroffene Lösung für die Steuerfestsetzung
zu Rate zu ziehen" (vgl. auch nicht veröffentlichtes Urteil Sch. vom
15. Februar 1978, in dem diese solothurnische Praxis gebilligt wurde). In
die nämliche Richtung geht die zürcherische Rechtsprechung, die in einer
Reihe von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes wie folgt umschrieben
wird:

    "Auf Verträge der Erben unter sich oder mit Dritten kommt grundsätzlich
   erbschaftssteuerrechtlich nichts an, es sei denn, hiedurch würden
   ernsthafte tatsächliche oder rechtliche Zweifel über Bestand und
   Umfang des

    Erbanspruches beseitigt und derart ein Zivilrechtsstreit vermieden oder
   erledigt."(ZBl. 75/1974 S. 269 und 68/1967 S. 414 mit Hinweisen.)

    Von den bereits genannten Autoren spricht sich SIEVEKING unter
Verweisung auf die Rechtsprechung mehrerer weiterer Kantone für eine
grosszügige Berücksichtigung von Vergleichen aus ("En outre, la convention
de partage peut se révéler nécessaire lorsqu'il s'agit d'interpréter un
testament peu clair et d'éviter un procès. Dans ce cas, il va de soi que
les parts successorales fixées par un tel arrangement constituent les
montants imposables"; aaO S. 33). Auch MONTEIL (aaO S. 37) und GUENG
(aaO S. 155) lassen Ausnahmen vom Grundsatz der Massgeblichkeit der
unmittelbar nach dem Todesfall bestehenden erbrechtlichen Lage zu. Auf
Grund dieses Standes von Lehre und Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die
Rekurskommission den zwischen den Beschwerdeführerinnen geschlossenen
Vergleich ohne Willkür unberücksichtigt lassen durfte.

Erwägung 3

    3.- a) Die Rekurskommission hat einlässlich dargelegt, dass und weshalb
ein vor oder nach Klageanhebung zwischen zwei Erbschaftsprätendenten
geschlossener Vergleich für die Steuerbehörden nicht in gleichem
Masse verbindlich sei wie ein gerichtliches Urteil. Ihre Auffassung ist
zutreffend, jedoch für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreites nicht
von entscheidender Bedeutung. Wie sich aus den vorstehend wiedergegebenen
Entscheidungen ergibt, geht es nicht darum, ob die zivilrechtliche Lage
durch Urteil oder durch Vergleich abgeändert wurde, sondern einzig darum,
ob ernsthafte tatsächliche oder rechtliche Zweifel über Bestand und Umfang
der beidseitigen Erbansprüche vorlagen, die durch eine Verständigung
beseitigt wurden. Legt man dem Urteilsbegriff eine so grosse Bedeutung zu,
wie dies die Rekurskommission im angefochtenen Entscheid getan hat, so
würde man in Erbschaftsstreitigkeiten die Beteiligten praktisch zwingen,
es mit Rücksicht auf das Steuerrecht in jedem Fall auf einen Prozess
ankommen zu lassen und diesen bis zur rechtskräftigen Entscheidung
durchzufechten oder zum mindesten einen Vergleich immer erst vor Gericht
zu schliessen. Es leuchtet ein, dass es nicht Aufgabe des Steuerrechts sein
kann, solches Vorgehen zu fördern. Das Steuerrecht hat vielmehr nach seiner
Natur den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Hatten die
Beteiligten Anlass zu Zweifeln an der Rechtslage und lag es ihnen daran,
einen Rechtsstreit zu vermeiden oder rasch zu beendigen, so ist kein Grund
ersichtlich, weshalb steuerrechtlich nicht auf das durch den Vergleich
geschaffene Ergebnis abgestellt werden sollte, jedenfalls dann, wenn der
Vergleich keine Machenschaft darstellt, durch die der Steueranspruch des
Staates verkürzt werden soll. Dem Gebot der Steuergerechtigkeit wird
damit besser entsprochen als beim Abstellen auf eine Rechtslage, die
zwar möglicherweise dem Wortlaut der Verfügung von Todes wegen besser
entspräche, aber aus beachtenswerten Gründen nie zur wirtschaftlichen
Realität geworden ist. Bei der Berücksichtigung erbrechtlicher Vergleiche
einen strengen Massstab anzulegen, rechtfertigt sich auch deshalb
nicht, weil die Beteiligten in aller Regel dem mutmasslichen Willen des
Erblassers und damit dem Sinn seiner Verfügungen dann am besten gerecht
werden, wenn sie Rechtsstreitigkeiten über den Nachlass vermeiden oder
so rasch als möglich beendigen. Daraus folgt, dass es nicht Sache der
Steuerbehörden und der Verwaltungsgerichte sein kann, im Nachhinein in
der Art eines Zivilrichters zu prüfen, ob die zwischen den Erbansprechern
vergleichsweise getroffene Regelung den materiellen Prozessaussichten genau
entsprochen habe oder nicht. Zur Berücksichtigung des Vergleiches muss
vielmehr genügen, dass aus der Sicht der Parteien Zweifel hinsichtlich
der Gültigkeit oder der Tragweite einer Verfügung von Todes wegen oder
hinsichtlich der auszurechnenden Zuwendungen unter Lebenden bestehen
konnten und dass die getroffene Verständigung weder ungewöhnlich noch
offensichtlich gegen den Fiskus gerichtet war. In diesem Sinne ist die
angeführte Rechtsprechung kantonaler Instanzen zu verdeutlichen.

    b) Die Rekurskommission hat im einzelnen ausgeführt, dass und
weshalb nach ihrem Dafürhalten ernsthafte Zweifel über die Gültigkeit des
Testamentes des Erblassers X. nicht bestehen konnten. Sie hat dargelegt,
Frau Y. habe offenbar selbst nicht an die behauptete Handlungsunfähigkeit
des Erblassers geglaubt, da sie sonst die Ungültigerklärung des ganzen
Testamentes und nicht nur der Frau Z. begünstigenden Teile hätte
beantragen müssen; ferner habe sie für die behauptete Erbunwürdigkeit
von Frau Z. keinerlei Beweise angeboten. Diese Erwägungen sind an und für
sich gewiss nicht willkürlich; indessen tragen sie der steuerrechtlichen
Situation, wie sie vorstehend dargelegt worden ist, nicht hinlänglich
Rechnung. Es kann nicht darum gehen, Jahre später zu erwägen, ob die
Chancen der auf Ungültigkeit eines Testamentes oder auf Erbunwürdigkeit
klagenden Partei grösser oder kleiner gewesen wären, sondern die Frage,
ob sie Anlass zu ernstlichen Zweifeln und zu deren Beseitigung auf
dem Wege eines Vergleiches gehabt hätte, ist auf Grund der Sachlage
zu beurteilen, wie sie sich den Parteien im Zeitpunkt des Streites
darbot. Unter diesem Gesichtswinkel kommt einigen Punkten Gewicht zu,
die von der Rekurskommission nicht oder kaum gewürdigt worden sind.

    aa) Da die Rekurskommission dafür hielt, Frau Y. habe ernstlich gar
nicht an die behauptete Testierunfähigkeit ihres verstorbenen Bruders
oder an die Erbunwürdigkeit der Frau Z. glauben können, so hätte sich die
Frage aufgedrängt, ob dieser Schluss nicht durch das Verhalten von Frau
Z. widerlegt werde. Wenn sie nicht den geringsten Anlass gehabt hätte,
an einem für sie günstigen Prozessausgang zu zweifeln, hätte sie wohl
kaum leichthin zugunsten der mit ihr damals offensichtlich verfeindeten
Frau Y. auf einen Viertel einer Millionenerbschaft verzichtet. Dass Frau
Z. schon damals durch einen Anwalt vertreten war, verleiht diesem Argument
erhöhte Bedeutung.

    bb) Aus den Notizen über die vor dem Friedensrichter aufgestellten
Behauptungen geht hervor, dass Frau Y. gewillt war, im Prozess das
Privatleben ihres verstorbenen Bruders und vor allem dasjenige von Frau
Z. mit Einschluss des intimen Bereichs aufzurollen. Der Wunsch, ein
solches Verfahren - gleichgültig, welchen Ausgang es schliesslich nehme -
unter Inkaufnahme eines finanziellen Opfers zu vermeiden, ist begründet
und darf steuerrechtlich nicht einfach unbeachtet bleiben. Jedenfalls darf
bei einer derartigen Situation an die objektive Berechtigung der Zweifel an
der Haltbarkeit der testamentarisch geschaffenen Rechtslage kein strenger
Massstab angelegt werden. Es besteht kein ausreichender Anlass, einem
vorwiegend psychologisch begründeten, rein juristisch gesehen für die
betreffende Partei ungünstigen Vergleich die steuerrechtliche Anerkennung
zu versagen.

    cc) Aus den erwähnten Notizen ist ferner ersichtlich, dass im Laufe
der Auseinandersetzung, die dem Vergleich voranging die gesetzliche
Erbin (Frau Y.) der Frau Z. "aktenmässig belegte Verstösse gegen ihre
Offenbarungspflicht" gemäss Art. 610 Abs. 2 ZGB vorwarf. Der Anwalt
von Frau Y. drohte Frau Z. sogar mit strafrechtlicher Verfolgung
wegen Betrugs. Schon auf Grund dieser Vorgänge allein, die bei der
Rekurskommission keine Beachtung fanden, ist eine ernstliche Ungewissheit
über die erbrechtliche Lage kaum mehr von der Hand zu weisen.

    dd) Nicht behandelt hat die Rekurskommission sodann die wesentliche
Frage, auf welchem Rechtsgrund der Erwerb des zweiten Viertels des
Nachlasses durch Frau Y. beruhen könnte, wenn dieser Rechtsgrund nicht
im Erbrecht erblickt wird. Da dieser Viertel Frau Y. ohne materielle
Gegenleistung zugefallen ist, käme nur Schenkung in Betracht. Es
besteht indessen kein Anhaltspunkt dafür, dass Frau Z. der Frau
Y. einen Viertel des Nachlasses habe schenken wollen, insbesondere nicht
wenige Tage nach der Sühneverhandlung, an der sie von deren Anwalt aufs
schärfste angegriffen worden war (vgl. zur Frage der Erforderlichkeit des
Schenkungswillens: BGE 102 Ia 425 f. und 98 Ia 263 E. 3). Fällt aber eine
Schenkung ausser Betracht, so muss es sich auch beim zweiten Viertel des
Nachlasses, der über den Pflichtteil hinaus an Frau Y. fiel, rechtlich
um einen Erwerb unmittelbar aus dem Vermögen des Erblassers oder in der
Terminologie des solothurnischen Erbschaftssteuergesetzes um einen Teil
der "reinen Habschaft" gehandelt haben. Dieser ist bei ihr und nicht bei
Frau Z. zu versteuern.

    ee) Die Rekurskommission nimmt ungeachtet ihrer Auffassung,
die Beteiligten hätten keine ernsthaften Zweifel an der Gültigkeit
des Testamentes hegen können, nicht den Standpunkt ein, die beiden
Beschwerdeführerinnen hätten bewusst den Fiskus benachteiligen wollen
und etwa deshalb das Verfahren vor dem Friedensrichter als blosses
Scheingefecht inszeniert. Darin liegt ein innerer Widerspruch; denn eine
dritte Möglichkeit ist nicht erkennbar.

    Die Rekurskommission hat somit wesentliche Gesichtspunkte ausser
Betracht gelassen. Werden diese gesamthaft gewürdigt, so drängt
sich die steuerrechtliche Berücksichtigung des zwischen den beiden
Beschwerdeführerinnen geschlossenen Vergleichs auf. Die abweichende
Lösung der Rekurskommission verletzt, so betrachtet, in stossender Weise
den Gerechtigkeitsgedanken (BGE 102 Ia 3/4; 100 Ia 6). Das angefochtene
Urteil und die auf ihm beruhende Steuerrechnung halten daher vor Art. 4
BV nicht stand und sind demgemäss aufzuheben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Auf die Beschwerde von Frau Y. wird nicht eingetreten. Die
Beschwerde von Frau Z. wird gutgeheissen, und es werden demgemäss
das Urteil der Kantonalen Rekurskommission Solothurn vom 14. Juni 1976
i.S. Z. sowie die gestützt darauf ergangene Rechnung der Amtsschreiberei
G. aufgehoben.