Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 172



105 Ia 172

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3.
Oktober 1979 i.S. Hefti c. Kaiser, Bezirksgericht March und Kantonsgericht
des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 und 58 BV; Besetzung des urteilenden Gerichts.

    1. Tragweite von Art. 58 Abs. 1 BV im allgemeinen: Verhältnis zu
Art. 4 BV und zum kantonalen Gerichtsverfassungsrecht; Prüfungsbefugnis
des Bundesgerichts (E. 2 und 3).

    2. Verletzung von Art. 58 Abs. 1 BV durch willkürliche Auslegung des
kantonalen Gerichtsverfassungsrechts? (E. 4).

    3. Anderweitige Verletzung von Art. 58 Abs. 1 und Art. 6 EMRK? (E. 5
und 6).

Sachverhalt

    A.- In einem Forderungsprozess wies das Bezirksgericht March mit Urteil
vom 6. Juli 1978 die Klage des Heinrich Hefti gegen E. Kaiser teilweise
ab. An der Sitzung in dieser Sache nahmen neben dem Gerichtspräsidenten
sechs Ersatzrichter teil. In seiner Berufung an das Kantonsgericht Schwyz
machte Hefti unter anderem geltend, das Gericht sei nicht richtig besetzt
gewesen. Das Kantonsgericht beschränkte das Berufungsverfahren zunächst
auf diese Frage und holte dazu eine Vernehmlassung des Bezirksgerichts
March ein. Dieses äusserte sich dahin, es sei zutreffend, dass für
die Sitzung vom 6. Juli 1978 absichtlich nur Ersatzrichter aufgeboten
worden seien. Da es nur selten vorkomme, dass ein ordentliches Mitglied
des Gerichtes verhindert sei, an dessen Sitzung teilzunehmen, kämen
die Ersatzrichter kaum mehr zum Zuge und verlören an Praxis. Um diesen
Nachteil auszugleichen, seien auf den 6. Juli 1978 - ohne Rücksicht auf
die zu behandelnden Prozesse - die amtsjüngsten Ersatzrichter aufgeboten
worden. Zugunsten dieses Vorgehens wird weiter angeführt, nicht nur der
Gerichtsvorstand, sondern auch der Rechtsuchende hätten ein legitimes
und schützenswertes Interesse daran, dass die Ersatzrichter einigermassen
mit der Gerichtspraxis vertraut blieben.

    Das Kantonsgericht wies mit Urteil vom 26. März 1979 im Sinne
eines Vorentscheides den Einwand der nicht gehörigen Besetzung
des Bezirksgerichts March ab. Es führte zwar sinngemäss aus, dass
der vom Gerichtspräsidenten angestrebte Zweck sich wohl besser durch
Einberufung der Ersatzrichter je einzeln im Turnus verwirklichen liesse,
fand jedoch, dass das gewählte Vorgehen nicht gegen die Bestimmungen
der Gerichtsorganisation des Kantons Schwyz und damit auch nicht gegen
Art. 58 BV und gegen Art. 6 EMRK verstosse.

    Heinrich Hefti erhob staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen,
dieses Urteil sei aufzuheben, und das Kantonsgericht sei anzuweisen, die
Angelegenheit zur Neubeurteilung an die erste Instanz zurückzuweisen oder
sie selbst neu zu beurteilen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid
verletze die Art. 58 und 4 BV sowie Art. 6 EMRK. Auf die Begründung wird,
soweit erforderlich, im Zusammenhang mit den rechtlichen Erörterungen
zurückzukommen sein. Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von § 85 der
Verfassung des Kantons Schwyz, verschiedener Bestimmungen der kantonalen
Gerichtsordnung sowie eine solche von Art. 58 BV und - allerdings nur am
Rande - von Art. 6 EMRK.

    a) Die Auslegung kantonalen Verfassungsrechtes prüft das Bundesgericht
grundsätzlich frei (BGE 98 Ia 53 E. 3). Indessen besagt § 85 KV lediglich,
die Bezirksgerichte bestünden aus dem Präsidenten und sechs weiteren
Mitgliedern sowie sieben Ersatzmännern. Über die Art des Einsatzes der
Richter und der Ersatzmänner ist dieser Bestimmung nichts zu entnehmen. Sie
kann daher durch das beanstandete Vorgehen des Bezirksgerichts March
nicht verletzt worden sein.

    b) Ob die angerufenen kantonalen Gesetzesbestimmungen verletzt seien,
überprüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
(BGE 104 Ia 273, E. 2; 92 I 276). Darüber hinaus prüft es frei, ob die
als willkürfrei erkannte Auslegung des kantonalen Gesetzesrechtes vor
den angerufenen verfassungsmässigen Rechten des Bundes, zu denen auch die
Garantien der EMRK gehören, standhalte, d.h. im vorliegenden Falle, ob der
Anspruch auf den verfassungsmässigen Richter gewahrt sei (zum Verhältnis
des kantonalen Rechts zur verfassungsrechtlichen Garantie vgl. BGE 105
Ia 159 E. 3-5, 92 I 276 und 91 I 399 f.; ferner BURCKHARDT, Kommentar
der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. Aufl. S. 532 ff.; MÜLLER, Die
Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, ZBJV
1970, 249 ff.; BEYELER, Das Recht auf den verfassungsmässigen Richter
als Problem der Gesetzgebung, Zürich 1978, S. 74 ff.).

Erwägung 3

    3.- a) Die Garantie des verfassungsmässigen Richters und das
daraus folgende Verbot der Ausnahmegerichte richtet sich zunächst an
den kantonalen Gesetzgeber. Diesem obliegt es, eine durch Rechtssatz
bestimmte Gerichtsordnung zu schaffen, welche Gewähr dafür bietet, dass
nicht Gerichte eigens für einen bestimmten Prozess oder zur Beurteilung
bestimmter Personen eingerichtet oder besonders besetzt werden (MÜLLER,
aaO, S. 252 f., 255 ff.). Dagegen schreibt Art. 58 Abs. 1 BV den Kantonen
nicht selbst eine bestimmte Gerichtsorganisation oder ein bestimmtes
Verfahren vor, noch garantiert er einen bestimmten Gerichtsstand (BGE
100 Ib 147 f. E. II/1; BURCKHARDT, aaO, S. 535). Ebensowenig erhebt
Art. 58 Abs. 1 BV die kantonale Gerichtsordnung zu Verfassungsrecht. Eine
Verletzung dieser kantonalen Organisationsvorschriften bedeutet daher
für sich allein noch keine Verletzung des Art. 58 Abs. 1 BV (BURCKHARDT,
aaO, S. 533; MÜLLER, aaO, S. 259; BEYELER, aaO, S. 24 ff.). Anerkannt ist
indessen, dass Art. 58 Abs. 1 BV vor willkürlicher Anwendung der kantonalen
Vorschriften über Organisation und Besetzung der Gerichte schützt (BGE
98 Ia 359 E. 2 mit Verweisungen; BURCKHARDT, aaO, S. 534; FAVRE, Droit
constitutionnel suisse, S. 397). Im Verstoss gegen das Willkürverbot
bei der Auslegung und Anwendung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts
kann demnach zugleich eine Verletzung von Art. 58 Abs. 1 BV liegen. Nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung garantiert Art. 58 Abs. 1 BV dem
Einzelnen endlich ohne Rücksicht auf die kantonalen Ausstandsbestimmungen
die Beurteilung seiner Streitsache durch ein unparteiisches und
unabhängiges Gericht (BGE 104 Ia 273 E. 3 mit Verweisungen).

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, das Bezirksgericht March
sei am Tage der Verhandlung seiner Streitsache mit Ersatzrichtern
besetzt gewesen, ohne dass dies notwendig gewesen sei, und er rügt
die Anzahl dieser Ersatzrichter. Er ruft somit die Schutzfunktion des
Art. 58 Abs. 1 BV hinsichtlich der Besetzung des zuständigen Gerichts
an und erblickt die Verletzung dieser Verfassungsbestimmung in erster
Linie in der seines Erachtens unhaltbaren Auslegung des kantonalen
Gerichtsverfassungsrechts. Da die Organisation der Gerichte - wie dargelegt
- Sache der Kantone ist, fallen insoweit die Rügen der Verletzung des
Art. 4 BV und des Art. 58 BV inhaltlich weitgehend zusammen.

Erwägung 4

    4.- Die Bestimmungen der Gerichtsordnung des Kantons Schwyz, deren
willkürliche Anwendung der Beschwerdeführer rügt, lauten wie folgt:

    § 78 Abs. 1: "Der Präsident versammelt das Gericht und ergänzt es
   nötigenfalls durch Ersatzrichter. Er bezeichnet den Referenten."

    § 89: "Kein Mitglied darf ohne zureichende Gründe einer Gerichtssitzung
   fernbleiben. Dauert die Abwesenheit eines Richters länger als einen
   Monat, so ist beim Gerichtspräsidenten ein Urlaub einzuholen."

    a) Das Kantonsgericht hat dazu ausgeführt, der Ausdruck "nötigenfalls"
in § 78 Abs. 1 GO werde im Kanton Schwyz nicht im engen Sinne zwingender
Verhinderung ausgelegt. Wie in anderen Kantonen würden Ersatzrichter
nach dem Ermessen des Gerichtspräsidenten immer dann beigezogen, wenn ein
ordentliches Mitglied des Gerichtes wegen anderweitiger Inanspruchnahme
um Ersetzung ersuche. Dies sei ebenso zulässig wie der Einsatz von
Ersatzrichtern zur Entlastung von Berufsrichtern an grösseren Gerichten, so
z.B. auch am Bundesgericht. Der Gerichtspräsident sei allerdings gehalten,
sein Ermessen pflichtgemäss auszuüben, um Manipulationen zu verhindern. §
89 GO anderseits statuiere einzig eine Pflicht der Richter; doch lasse
sich daraus nicht ableiten, unter welchen Voraussetzungen sie von dieser
Pflicht entbunden werden könnten. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen,
die §§ 78 Abs. 1 und 89 GO ergänzten sich: aus der Pflicht des Richters,
an den Sitzungen teilzunehmen, ergebe sich, dass das Wort "nötigenfalls"
in § 78 Abs. 1 eng auszulegen sei, d.h. dass Ersatzrichter nur dann
aufgeboten werden dürften, wenn das Gericht sonst nicht vollständig
besetzt werden könnte.

    b) Es ist einzuräumen, dass die Auslegung des Beschwerdeführers
einiges für sich hat. Indessen steht es dem Bundesgericht nicht
zu, darüber zu befinden, ob sie derjenigen des Kantonsgerichtes
vorzuziehen sei. Es kann vielmehr wegen Willkür nur einschreiten, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 102 Ia 4;
100 Ia 6; 99 Ia 346 mit Hinweisen). So hat das Bundesgericht mit Urteil
vom 20. Juli 1979 i.S. St. ein von einem zürcherischen Ersatzrichter
gefälltes Urteil aufgehoben, weil sich ergab, dass nach den eindeutigen
Bestimmungen des zürcherischen Rechts ein Ersatzrichter nur aufgrund
eines Beschlusses des betreffenden Bezirksgerichts und einer zusätzlichen
Bewilligung der Verwaltungskommission des Obergerichts als Einzelrichter
amten dürfe. Im vorliegenden Fall fehlen indessen entsprechende
klare gesetzliche Bestimmungen. Bei der Auslegung des unbestimmten
Gesetzesbegriffs "nötigenfalls" kommt den kantonalen Instanzen ein
gewisser Beurteilungsspielraum zu. Das Kantonsgericht durfte daher bei der
Ermittlung des Sinnes dieses Begriffs mit in Betracht ziehen, dass sich
der Gesetzgeber wohl deutlicher ausgedrückt hätte, wenn er den Einsatz
von Ersatzrichtern wirklich nur in eigentlichen Notfällen hätte gestatten
wollen. Es durfte überdies berücksichtigen, dass sowohl beim Bundesgericht
wie auch im allgemeinen bei den Gerichten der grösseren Kantone ähnlich
lautende Vorschriften weitherzig ausgelegt werden. Im übrigen liegt
es zweifellos im Interesse der Rechtsprechung, dass auch Personen,
die ordentliche Richter "nötigenfalls" vertreten sollen, über gewisse
Erfahrungen in der Rechtspflege verfügen. Das Kantonsgericht konnte daher
ohne Willkür annehmen, im Kanton Schwyz dürften auch dann Ersatzrichter
herangezogen werden, wenn die dadurch überzählig werdenden ordentlichen
Richter nicht verhindert seien, an der Sitzung teilzunehmen. Wie der
Bezirksgerichtspräsident ausführt, nahmen die betreffenden Ersatzrichter
am 6. Juli 1978 an der ganzen Gerichtssitzung teil. Der Beschwerdeführer
macht vor Bundesgericht nicht geltend, es seien speziell mit Rücksicht
auf seinen Prozess mit E. Kaiser bestimmte ordentliche Richter übergangen
und dafür Ersatzrichter eingesetzt worden. Beruhte daher im konkreten
fall der Beizug von Ersatzrichtern an sich nicht auf einer willkürlichen
Anwendung der schwyzerischen Gerichtsordnung, so verstiess er auch nicht
gegen Art. 58 Abs. 1 BV, soweit diese Bestimmung Schutz vor willkürlicher
Anwendung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts gewährt. Dies gilt
unabhängig davon, ob die ordentlichen Gerichtsmitglieder an der Sitzung
teilzunehmen wünschten oder nicht, weshalb in der Unterlassung der
beantragten Beweiserhebungen zu dieser Frage auch keine Verweigerung des
rechtlichen Gehörs liegt.

Erwägung 5

    5.- Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob es statthaft
gewesen sei, sechs Ersatzrichter gleichzeitig einzuberufen und damit die
Richterbank - abgesehen vom Präsidenten - ausschliesslich mit solchen
zu besetzen. Das kantonale Recht enthält hierüber keine Regeln, weshalb
dieser Punkt vor allem unter dem Gesichtswinkel von Art. 58 Abs. 1 BV zu
prüfen ist.

    a) Das Vorgehen des Präsidenten des Bezirksgerichts March muss als
unüblich und nicht zweckmässig betrachtet werden. Zwar ist es verständlich,
dass ein Bezirksgerichtspräsident auch den Ersatzmitgliedern seines
Gerichtes ermöglichen will, den Kontakt mit der Rechtspflege zu wahren, und
dass er sie deshalb auch ohne zwingende Notwendigkeit von Zeit zu Zeit zu
Sitzungen einberuft. Indessen hätte im vorliegenden Falle beachtet werden
sollen, dass ein zu seiner überwiegenden Mehrheit mit Ersatzrichtern
besetztes Gericht bei den Parteien - wenn auch hier zu Unrecht - den
Eindruck eines eigens für ihre Sache gebildeten Ausnahmegerichtes erwecken
kann, was im Hinblick auf das Ansehen der Rechtspflege hätte vermieden
werden sollen. Das vom Gerichtspräsidenten angestrebte Ziel hätte sich
in wesentlich sinnvollerer Weise auch dadurch erreichen lassen, dass die
Ersatzrichter einzeln oder in kleineren Gruppen zu verschiedenen Sitzungen
einberufen worden wären.

    Diese Überlegungen führen indessen nicht zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils. Den Gerichtspräsidenten steht nach schweizerischer
Übung bei der Besetzung des Spruchkörpers und insbesondere beim Beizug
von Ersatzrichtern ein weites, allerdings pflichtgemäss auszuübendes
Ermessen zu. Dieses Ermessen erstreckt sich - abweichende Vorschriften
des kantonalen Rechtes vorbehalten - auch auf die Zahl der Ersatzrichter,
die gleichzeitig eingesetzt werden dürfen. Da die Ersatzrichter gleich
wie die ordentlichen Richter vom Volk gewählt (§ 76 in Verbindung mit §
85 KV) und daher ebenso wie jene zur Ausübung der Rechtspflege legitimiert
sind, wäre es schwer, ohne Willkür eine zahlenmässige Grenze für ihr
Tätigwerden im gleichen Spruchkörper zu ziehen. Im Umstand allein, dass
ein zur Mehrheit mit Ersatzrichtern besetztes Gericht den Anschein eines
Ausnahmegerichtes erwecken kann, liegt noch kein Verstoss gegen Art. 58
Abs. 1 BV, sofern es tatsächlich kein Ausnahmegericht ist. Bei derartigen
Fragen der Gerichtsorganisation ist - anders als etwa beim Ausstand von
Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGE 97 I 95) - auf den
objektiven Sachverhalt und nicht auf den Anschein abzustellen. Um ein
Ausnahmegericht in Form eines einzig im Hinblick auf einen bestimmten
Prozess aus unsachlichen Erwägungen zusammengestellten Spruchkörpers
handelt es sich hier aber nicht, da das Gericht, wie bereits dargelegt
wurde, aus an sich beachtenswerten Erwägungen für den ganzen Sitzungstag
einberufen worden war. Dass die mitwirkenden Ersatzrichter oder einzelne
von ihnen keine Gewähr für unabhängige Rechtsprechung geboten hätten, wird
nicht geltend gemacht. Eine Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen
Richters ist daher auch in dieser Hinsicht zu verneinen.

    b) In jüngster Zeit werden hinsichtlich des Anspruches auf den
verfassungsmässigen Richter namentlich unter dem Einfluss deutscher Lehre
und Rechtsprechung allerdings weitergehende Forderungen vertreten. Es wird
insbesondere postuliert, dass die Gerichte auch als Spruchkörper für den
einzelnen Fall nach voraussehbaren Regeln gebildet werden müssten. Daraus
wird abgeleitet, dass die Gerichte oder Gerichtsabteilungen nicht grösser
sein sollten als die Spruchkörper, dass Ersatzrichter nur aus zwingenden
Gründen und dann in einer im voraus festgelegten Kehrordnung einzuberufen
seien und dass ganz allgemein dem Vorsitzenden bei der Zuteilung der
einzelnen Prozesse an die Referenten ein möglichst geringes Ermessen
zustehen dürfe (BEYELER, aaO, S. 24 ff.; im gleichen Sinne, wenn
auch mit weniger weit gehenden Forderungen J. P. MÜLLER, aaO, S. 252
ff.). Indessen entspricht ein derartiger Schematismus hinsichtlich der
Besetzung der Richterbank und der Geschäftszuteilung dem schweizerischen
Rechtsempfinden kaum und ist, soweit ersichtlich, auch in keinem Kanton
verwirklicht worden; ja es sind nicht einmal politische Vorstösse nach
seiner Einführung bekannt geworden. Das hat seine guten Gründe. Die von
der deutschen Lehre geforderte "blinde" Zuteilung der einzelnen Prozesse
an die Spruchkörper und Referenten mag einer theoretischen Vorstellung
über die ideale Rechtsprechung entsprechen. Vom praktischen Standpunkt
ausgesehen stehen ihr aber Nachteile gegenüber. So wäre es bei konsequenter
Durchsetzung der erwähnten Forderungen nicht mehr möglich, ausserberuflich
oder im Richteramt erworbene besondere Erfahrungen einzelner Richter
oder Ersatzrichter auf Spezialgebieten (wie z.B. Baurecht, Steuerrecht,
Handel usw.) so gut als möglich auszunützen; die Dauer der Prozesse müsste
sich dadurch im Durchschnitt verlängern. Würde sodann im besonderen der
Beizug von Ersatzrichtern auf eigentliche Notfälle beschränkt, so müsste
notwendigerweise die Belastung der ordentlichen Richter ansteigen, was
sich qualitativ zum Nachteil der Rechtsprechung auswirken könnte. Es
drängt sich daher nicht auf, die in den meisten Kantonen und auch beim
Bundesgericht herrschende Praxis, die den Präsidenten der Gerichte und
ihrer Abteilungen bei der Besetzung des Gerichtes und insbesondere
beim Beizug von Ersatzrichtern eine gewisse Freiheit lässt, als mit
Art. 58 Abs. 1 BV unvereinbar zu betrachten. Selbstverständlich ist,
dass die Gerichtspräsidenten ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben haben
und dass jede Besetzung eines Gerichtes, die sich nicht mit sachlichen
Gründen rechtfertigen lässt, unstatthaft ist. Insbesondere würden sowohl
Art. 58 Abs. 1 BV als auch das in Art. 4 BV enthaltene Willkürverbot
verletzt, wenn ein Gericht mit Rücksicht auf die an einem bestimmten
Prozess beteiligten Personen in einer vom Üblichen abweichenden Weise
besetzt würde. Wird diese Grenze beachtet, dann ist kaum zu sehen,
welche Nachteile den Parteien aus einer elastischen Ordnung der Besetzung
der Spruchkörper aus den in gesetzmässiger Form gewählten Richtern und
Ersatzrichtern erwachsen könnten.

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdeführer rügt - allerdings nur mit einem einzigen Satz
- auch eine Verletzung von Art. 6 EMRK. Er macht geltend, seine Sache
sei nicht von einem auf Gesetz beruhenden Gericht beurteilt worden. Die
Garantie des gesetzmässigen Richters im Sinne von Art. 6 EMRK deckt
sich dem Sinne nach mit derjenigen von Art. 58 Abs. 1 BV (BGE 105 Ia
166). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die EMRK dem Beschwerdeführer
weitergehende Ansprüche verschaffen sollte. Die Beschwerde ist daher als
unbegründet abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.