Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 121



104 IV 121

31. Urteil des Kassationshofes vom 13. Juli 1978 i. S. K. gegen Justiz-
und Polizeidepartement des Kantons Wallis Regeste

    Art. 52 Abs. 1, 85 Abs. 1 BAV.

    Ein mit einem Sitz von nur 40 cm Länge ausgestattetes Motorrad, das
zwar für 2 Personen zum Verkehr zugelassen ist, aber nur von einer Person
gefahren wird, befindet sich nicht in vorschriftswidrigem Zustand (E. 2).

    Art. 74 Abs. 5 VZV.

    Die Montage eines nur für den Transport einer einzigen Person
genügenden Sitzes auf ein für zwei Personen zugelassenes Motorrad ist eine
gemäss Art. 74 Abs. 5 VZV der Behörde innert 14 Tagen zu meldende Tatsache
(E. 4).

Sachverhalt

    A.- Anlässlich einer polizeilichen Verkehrskontrolle ergab sich, dass
K., der allein auf seinem für zwei Personen zugelassenen Motorrad fuhr,
die ursprünglich an diesem angebrachte Sitzbank gegen eine solche von
nur 40 cm Länge ausgewechselt hatte.

    B.- Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes des Kantons
Wallis büsste K. deswegen am 8. November 1977 in Anwendung von Art. 52
Abs. 1 BAV sowie Art. 29 und 93 Ziff. 2 SVG mit Fr. 40.-.

    Der Staatsrat des Kantons Wallis wies die von K. gegen die
Bussenverfügung geführte Beschwerde am 22. März 1978 ab. In seinen
Erwägungen führt er aus, bei einem für zwei Personen zugelassenen
Motorrad entspreche eine Sitzbank von nur 40 cm Länge nicht Art. 52
Abs. 1 BAV. Zudem sei entgegen Art. 83 Abs. 4 BAV die "Umbaute" vor der
Weiterverwendung des Fahrzeugs nicht der zuständigen Behörde gemeldet
worden, welche den Austausch der Sitzbank ohnehin nicht hätte genehmigen
können (Art. 52 Abs. 1 BAV).

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt K. Aufhebung
der vom Staatsrat des Kantons Wallis bestätigten Bussenverfügung des
Vorstehers des Justiz- und Polizeidepartementes.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer rügt, weder befinde sich sein Motorrad in
einem nicht vorschriftsgemässen Zustand, noch liege ein meldepflichtiger
Umbau im Sinne von Art. 83 Abs. 4 BAV vor. Der von ihm an Stelle der
ursprünglichen Zweiersitzbank montierte Einersitz genüge den Anforderungen
von Art. 52 Abs. 1 BAV und habe die Fahrzeugeinteilung nicht verändert.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 29 SVG dürfen Fahrzeuge nur in betriebssicherem und
vorschriftsgemässem Zustand verkehren. Auf Grund von Art. 93 Ziff. 2
SVG wird mit Haft oder Busse bestraft, wer ein Fahrzeug führt, von dem
er weiss oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass es
den Vorschriften nicht entspricht. Als nicht vorschriftsgemäss gilt ein
Fahrzeug, und die Strafbestimmung von Art. 93 Ziff. 2 SVG ist anwendbar,
wenn vorgeschriebene Teile fehlen oder den Vorschriften nicht entsprechen
und untersagte Teile vorhanden sind oder bewilligungspflichtige ohne
Bewilligung angebracht wurden (Art. 85 Abs. 1 BAV).

    Art. 52 Abs. 1 BAV schreibt für Motorräder eine Sitzlänge von
höchstens 45 cm für eine Person und von mindestens 65 cm für zwei
Personen vor. Wenn nach den Erwägungen des angefochtenen Entscheides
sich nur eine Person auf dem Motorrad befand und dessen Sitz 40 cm lang
war, so genügte er demzufolge den Anforderungen dieser Bestimmung. Eine
Vorschrift, wonach ein Motorrad nicht mit einem Sitz für bloss eine Person
ausgerüstet sein oder ein für den Transport von zwei Personen genügend
langer Sitz nicht nachträglich gegen einen solchen für bloss eine Person
ausgewechselt werden dürfe, besteht nicht. Die Angabe im Fahrzeugausweis,
das Fahrzeug sei für eine bestimmte Zahl von Personen zugelassen, ist,
wie sich aus Art. 85 Abs. 1 BAV ergibt, keine Vorschrift in diesem Sinne;
sie bezeichnet lediglich die Höchstzahl von Personen, die mit diesem
transportiert werden dürfen. Das Motorrad des Beschwerdeführers befand
sich, wenn auf dem selben eine Sitzbank von 40 cm Länge montiert war,
demnach in vorschriftsgemässem Zustand.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 83 Abs. 4 BAV hat der Halter eines Fahrzeuges der
Behörde vor dessen Weiterverwendung Umbauten zu melden, welche die
Fahrzeugeinteilung verändern. Als Fahrzeugeinteilung im Sinne dieser
Bestimmung ist die Einteilung der Fahrzeuge in die einzelnen Kategorien,
wie sie der mit "Einteilung der Fahrzeuge" überschriebene zweite Abschnitt
der BAV (Art. 2 ff.) vornimmt, zu verstehen. Durch den Austausch der
Zweiersitzbank gegen einen Einersitz ist an der Einteilung des Fahrzeuges
des Beschwerdeführers in die Kategorie der Motorräder nichts geändert
worden. Der Beschwerdeführer hat demzufolge Art. 83 Abs. 4 BAV nicht
zuwidergehandelt, wenn er die erfolgte Auswechslung der Sitzbank an seinem
Motorrad der zuständigen Behörde anzuzeigen unterliess.

Erwägung 4

    4.- Art. 83 Abs. 4 BAV behält indessen die Pflicht zur Meldung
weiterer im Fahrzeugausweis einzutragender neuer Tatsachen ausdrücklich
vor. Gemäss Art. 74 Abs. 5 VZV hat der Inhaber unter Vorlage des
Fahrzeugausweises der Behörde innert 14 Tagen jede Tatsache zu melden,
die eine Änderung oder Ersetzung des Ausweises erfordert. Die Montage
eines nur für den Transport einer einzigen Person genügenden Sitzes auf
ein für zwei Plätze zugelassenes Motorrad stellt eine solche Tatsache dar,
da der Fahrzeugausweis die Anzahl der Plätze eines Fahrzeuges nennt. Der
Beschwerdeführer hätte sich demzufolge, wenn er die vorgenommene Änderung
nicht fristgemäss anzeigte, gemäss Art. 143 Ziff. 3 VZV strafbar
gemacht. Eine Verletzung dieser Bestimmung wäre indessen erheblich
milder zu bestrafen als die Benützung eines nicht betriebssicheren oder
vorschriftswidrigen Fahrzeuges.

Erwägung 5

    5.- Die Vorinstanz wird, sofern nach kantonalem Strafverfahrensrecht
eine Verurteilung des Beschwerdeführers auf Grund von Art. 74 Abs. 5
und 143 Ziff. 3 VZV statt der von ihr angewendeten Bestimmungen der BAV
und des SVG zulässig ist, zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer den
Straftatbestand des Art. 143 Ziff. 3 VZV erfüllt hat. Gebricht es an
einer dieser beiden Voraussetzungen, so wird sie den Beschwerdeführer
freizusprechen haben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene
Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.