Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 II 311



104 II 311

54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1978
i.S. C. und A. Bartusch gegen Baraga Regeste

    Art. 267a Abs. 2 OR. Gesuch um eine zweite Erstreckung
des Mietverhältnisses: Kann darüber nicht vor Ablauf der ersten
Erstreckungsfrist entschieden werden, so hat der Mieter sich auch während
der dadurch bewirkten faktischen Verlängerung des Rechtsverhältnisses
ernsthaft um Ersatzräume zu bemühen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Kläger machen geltend, der angefochtene Beschluss verletze
insbesondere Art. 267a Abs. 2 OR. Nach dieser Bestimmung kann das
Mietverhältnis nochmals verlängert werden, wenn der Mieter während der
ersten Erstreckungsfrist das ihm vernünftigerweise Zumutbare unternommen
hat, um andere Räume zu finden.

    Schon das Mietgericht ging davon aus, diese Voraussetzung sei nicht
nur nach dem Verhalten der Mieter während der ersten Verlängerung des
Vertrages bis Ende 1976, sondern auch nach deren Bemühungen während des
zweiten Erstreckungsverfahrens zu beurteilen. Die Kläger versuchten dies
im kantonalen Rekursverfahren zu widerlegen, doch gelangte das Obergericht
zum gleichen Schluss. Die Kläger erblicken darin einen Verstoss gegen
die klare und zwingende Vorschrift des Art. 267a Abs. 2 OR, welche eine
solche Auslegung ausschliesse.

    Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte über eine zweite
Erstreckungsklage vor Ablauf der ersten Erstreckungsfrist entschieden
werden. Das erhellt daraus, dass die zweite Klage spätestens 60 Tage
vor Ablauf der ersten Frist zu erheben ist (Art. 267a Abs. 3 OR) und
Begehren um Erstreckung des Mietverhältnisses ganz allgemein rasch
zu beurteilen sind (Art. 267f OR). Wenn ein längeres Beweisverfahren
nicht zu vermeiden ist oder, wie hier, der Prozess durch ein ausgedehntes
Rechtsmittelverfahren um mehr als ein Jahr verlängert wird, lässt sich die
Absicht des Gesetzgebers nicht verwirklichen. Diesfalls widerspräche es dem
Gesetz, den Mieter nach Ablauf der ersten Erstreckungsfrist auszuweisen,
weil über die zweite Klage vorher nicht entschieden werden konnte; das
Mietverhältnis wird deshalb zugunsten des Klägers schon faktisch um die
Dauer des Verfahrens verlängert (SCHMID, N. 5 zu Art. 267f OR; M. MOSER,
Die Erstreckung des Mietverhältnisses, Diss. Freiburg 1975 S. 148 und 152;
vgl. auch R. JEANPRÊTRE, La prolongation des baux à loyer, in Dixième
Journée juridique de Genève 1970 S. 156).

    Das heisst nicht, der Mieter dürfe während der faktischen
Verlängerung des Rechtsverhältnisses untätig bleiben. Gewiss ist in
Art. 267a Abs. 2 OR bloss von erfolglosen Bemühungen während der (ersten)
Erstreckungsfrist, die gemäss Abs. 1 höchstens ein bzw. zwei Jahre beträgt,
die Rede. Diese Wendung beruht indes auf der Annahme, dass noch innert
der Erstreckungsfrist über das zweite Begehren entschieden wird. Ist das
nicht möglich und kommt der Kläger damit in den Genuss einer faktischen
Verlängerung des Mietverhältnisses, so hat er sich auch während dieser
Zeit um Ersatzräume zu bemühen; denn Sinn und Zweck der Erstreckung
sind darin zu erblicken, dem Mieter für die Suche neuer Räume mehr Zeit
zu lassen, als ihm nach der ordentlichen Kündigungsfrist zur Verfügung
stände (BGE 102 II 256). Das muss auch für die faktische Verlängerung
gelten. Eine andere Auslegung wäre weder mit Treu und Glauben, noch
mit den Grundgedanken des Gesetzes zu vereinbaren. Das Obergericht hat
daher nicht Bundesrecht verletzt, indem es bei der Prüfung der Frage,
ob die Kläger sich ernsthaft um Ersatzräume bemühten, die Zeit bis zur
zweiten Verhandlung vor Mietgericht, d.h. bis zum 24. November 1977,
mitberücksichtigt hat.

    Das Obergericht fügte bei, seine materiellrechtliche Betrachtung stimme
überein mit dem prozessualen Grundsatz, dass nach der Sachlage zur Zeit
des Urteils zu entscheiden ist; sie decke sich zudem mit der prozessualen
Bedeutung seines Rückweisungsbeschlusses. Dass das Obergericht auf diese
Weise das materielle Bundesrecht mittels einer kantonalen Prozessvorschrift
ausser Kraft setzen oder derogieren wollte, wie in der Berufung behauptet
wird, ist nicht zu ersehen; seine Auslegung entspricht vielmehr dem Sinn
und Zweck des Art. 267a OR.