Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 II 285



104 II 285

48. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1978 i.S.
Hadorn gegen Fischer Regeste

    Art. 48 Abs. 1 OG; Berufungsfähigkeit von Teilurteilen.

    Teilurteile sind grundsätzlich nicht berufungsfähig. Ausnahmsweise
ist jedoch auf Berufungen gegen Urteile einzutreten, durch die einzelne
Begehren, die zum Gegenstand eines besonderen Prozesses hätten gemacht
werden können und deren Beurteilung für den Entscheid über die anderen
Begehren präjudiziell ist, endgültig erledigt werden.

Sachverhalt

    A.- Im Nachlass des am 13. Februar 1966 verstorbenen Friedrich
Wittwer in Burgistein befinden sich eine Anzahl von Wies-, Acker- und
Weidelandparzellen nebst Hofraum und Gebäudeplatz im Umfang von 705,35
Aren. Auf der Parzelle Nr. 889 stehen zwei durch die Gemeindestrasse
getrennte Wohnhäuser, genannt die "obere" und die "untere Öle", die beide
ebenfalls dem Erblasser gehörten.

    Mit Klage vom 5. April 1977 verlangte die Tochter Johanna
Hadorn-Wittwer beim Appellationshof des Kantons Bern die gerichtliche
Feststellung und Teilung der Erbschaft Friedrich Wittwers. Dabei sei ihr
das in der Erbschaft ihres Vaters liegende landwirtschaftliche Heimwesen
zum Ertragswert ungeteilt zuzuweisen. Die Beklagte Gertrud Fischer-Wittwer
beantragte die Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Antrag, der
Nachlass Friedrich Wittwers sei gerichtlich festzustellen und realiter zu
teilen. Eventualiter begehrte sie Zuweisung des im Nachlass ihres Vaters
befindlichen Heimwesens zum Ertragswert ungeteilt an sich.

    Der Appellationshof beschloss, das Verfahren auf die Frage der
Teilung der sich im Nachlass Friedrich Wittwers befindlichen Grundstücke
zu beschränken und diese Frage zum Gegenstand gesonderter Beurteilung
zu machen, damit für die weitere Teilung der Erbschaft eine feste
Grundlage geschaffen werden könne. In materiell-rechtlicher Hinsicht
erkannte er in seinem Urteil vom 12. April 1978, gemäss Art. 625 Abs. 3
ZGB sei das Haus "obere Öle" mit ca. 38 Aren Umschwung abzutrennen,
d.h. von einer Integralzuweisung auszunehmen. Diese Liegenschaft wurde
der Beklagten zu dem noch zu bestimmenden Verkehrswert per 1. April 1978
zugewiesen. Die Klägerin erhielt demgegenüber alle übrigen Grundstücke
als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 620 Abs. 1 ZGB zu dem
ebenfalls noch zu bestimmenden Ertragswert per 1. April 1978.

    Gegen dieses Urteil reichte die Klägerin Berufung beim Bundesgericht
ein. Sie stellt das Begehren, es sei ihr auch das der Beklagten zuerkannte
Haus "obere Öle" nebst den mitgegebenen 38 Aren Land zum Ertragswert
zuzusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Nach Art. 48 Abs. 1 OG ist die Berufung in der Regel erst gegen
Endentscheide zulässig. Als Endentscheid gilt nach der Rechtsprechung nur
ein Entscheid, durch den entweder über den materiellen Anspruch geurteilt
oder dessen Beurteilung aus einem Grund abgelehnt wird, der es verbietet,
dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen Parteien nochmals geltend
gemacht wird (BGE 103 II 251, 269, mit Hinweisen).

    Teilurteile, d.h. Urteile, durch die nur über eines oder einzelne
von mehreren in einem Prozess streitigen Rechtsbegehren entschieden wird,
sind grundsätzlich keine Endentscheide und können daher nicht gesondert
mit der Berufung ans Bundesgericht weitergezogen werden. Die Berufung soll
nur einmal und darum erst in dem Stadium des Prozesses ergriffen werden
können, in welchem die Streitsache dem Berufungsrichter in ihrem ganzen,
an sich berufungsfähigen Umfang unterbreitet werden kann (BGE 100 II 429,
91 II 60). Von diesem Grundsatz machte die Rechtsprechung ursprünglich
nur insofern eine Ausnahme, als sie die Berufung gegen Entscheide, die
nur einen Teil der streitigen Begehren erledigen, dann zuliess, wenn die
nicht beurteilten Begehren von der kantonalen Instanz in einen andern,
selbständigen Prozess verwiesen worden waren (BGE 100 II 429, 63 II 291
E. 2, 62 II 216, 227, 61 II 49, 271, 60 II 361). In neuerer Zeit tritt
das Bundesgericht jedoch aus Gründen der Prozessökonomie namentlich
in Erbstreitigkeiten auch auf Berufungen gegen Urteile ein, durch die
einzelne Begehren, die zum Gegenstand eines besonderen Prozesses hätten
gemacht werden können und deren Beurteilung für den Entscheid über die
andern Begehren präjudiziell ist, endgültig erledigt werden. So erachtete
das Bundesgericht zum Beispiel in seinem Entscheid vom 11. November 1965
in Sachen Kläusli gegen Kleinert und Mitbeteiligte die Berufung gegen
ein Urteil, das die in einem Erbteilungsprozess verlangte Zuweisung einer
Liegenschaft zum Ertragswert nach Art. 620 ZBG ablehnte, als zulässig (vgl.
auch BGE 89 II 185 ff., 188: Berufung gegen die Abweisung einer Widerklage
auf Ungültigerklärung eines Erbvertrags; Entscheid vom 14. November 1968
in Sachen Buck gegen Buck: Berufung gegen ein Urteil über die in einem
Erbteilungsprozess durch entsprechende Begehren aufgeworfene Frage,
ob die Liegenschaft des Erblassers einem Lose zuzuscheiden oder zu
versteigern sei; Entscheid vom 11. Juni 1970 in Sachen Steffen gegen
Steffen: Berufung gegen ein Urteil, das in einem Erbstreit das Begehren
auf Ungültigerklärung einer letztwilligen Verfügung vorweg behandelte
und abwies; Entscheid vom 23. November 1972 in Sachen Häcki gegen Häcki:
Berufung gegen ein Urteil, das in einem Erbteilungsprozess vorerst die
Frage der Gültigkeit eines Vertrages im Sinne von Art. 636 ZGB behandelte).

    Im vorliegenden Fall hat der Appellationshof nur über den Anspruch
der Klägerin auf ungeteilte Zuweisung des landwirtschaftlichen
Gewerbes zum Ertragswert bzw. die entsprechenden Gegenanträge der
Beklagten befunden. Über die restlichen Klagebegehren (Feststellung
des Nachlasses und Durchführung der Teilung unter Berücksichtigung
des Ertrags- bzw. Verkehrswertes der Liegenschaften, der Vorempfänge,
der Lidlöhne usw.) hat er noch nicht entschieden. Es liegt somit ein
Teilurteil vor, das einen Anspruch, der für sich allein hätte eingeklagt
werden können und dessen Beurteilung für die Behandlung der übrigen
Begehren präjudiziell ist, in für das kantonale Verfahren endgültiger
Weise materiell erledigt. Gegen ein solches Urteil ist die Berufung nach
der angeführten neuern Rechtsprechung zulässig.