Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 68



104 III 68

17. Auszug aus dem Entscheid vom 4. Juli 1978 i.S. Elmer, Schwald & Co.
Regeste

    Eröffnung des Konkurses über eine Gesellschaft, die ihren Sitz auf
dem Gebiete des früheren Königreiches Württemberg hat und gegen die im
Kanton Zürich Arreste vollzogen worden waren.

    1. Die Übereinkunft betreffend die Konkursverhältnisse und die
Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen, die
am 12. Dezember 1825/13. Mai 1826 zwischen verschiedenen Kantonen der
schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg geschlossen
wurde, stellt kantonales Recht dar; ob sie noch in Kraft sei, beurteilt
sich daher nicht nach Bundesrecht (E. 3).

    2. Der Vorbehalt des Art. 271 Abs. 3 SchKG erfasst auch kantonale
Staatsverträge. Wird davon ausgegangen, die Übereinkunft mit der Krone
Württemberg sei nach wie vor in Kraft, bewirkt die Eröffnung des Konkurses
über eine Gesellschaft mit Sitz auf dem Gebiete des früheren Königreiches
Württemberg demnach das Dahinfallen der im Kanton Zürich gegen diese
vollzogenen Arreste (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügungen vom 29. Dezember 1977 sowie vom 3. und 6.
Januar 1978 teilten die Betreibungsämter Zürich 5, 3 und 9 der
Elmer, Schwald & Co. mit, die von ihr hinsichtlich verschiedener
Vermögensstücke der M. Jope & Co., Tübingen/BRD, erwirkten Arreste und
die zur Prosequierung eingeleiteten Betreibungen würden aufgehoben,
weil über die Arrestschuldnerin in der Bundesrepublik Deutschland am
1. November 1977 der Konkurs eröffnet worden sei. Die Betreibungsämter
stützten sich dabei auf die Art. III und IV der "Übereinkunft zwischen der
schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend
die Concursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen
Staatsangehörigen in Concursfällen" vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826,
der unter anderem auch der Kanton Zürich beigetreten ist.

    Die betreibungsamtlichen Verfügungen wurden durch das Bezirksgericht
Zürich (2. Abteilung) als untere und durch das Obergericht des Kantons
Zürich (II. Zivilkammer) als obere kantonale Aufsichtsbehörde am
17. Februar bzw. 26. Mai 1978 bestätigt.

    Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat die Elmer, Schwald &
Co. beim Bundesgericht Rekurs erhoben.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit
sie darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Strittig ist sodann, ob der Staatsvertrag, auf den sich die
Betreibungsämter berufen hatten, noch in Kraft sei. Die Übereinkunft wurde
in den Jahren 1825/26, also vor der ins Jahr 1848 fallenden Gründung des
schweizerischen Bundesstaates, geschlossen. Schweizerischerseits trat
daher nicht der Bund auf, sondern waren beteiligt diejenigen "Kantone der
schweizerischen Eidgenossenschaft, welche dem gegenwärtigen Staatsvertrag
beigetreten sind" (Art. I der Übereinkunft). Denkbar wäre freilich, dass
mit der Annahme der Bundesverfassung von 1848 der Bund an die Stelle der
verschiedenen Kantone getreten wäre. Es ist indessen zu beachten, dass
die Kompetenz, Staatsverträge abzuschliessen, weder durch die Verfassung
von 1848 noch durch diejenige von 1874 (vgl. Art. 9) ausschliesslich
dem Bund zugewiesen worden ist. Diese Tatsache und die föderalistische
Struktur des Bundesstaates im allgemeinen stehen der Annahme entgegen,
der Bund sei im Jahre 1848 ohne weiteres in die Übereinkunft mit der Krone
Württemberg eingetreten. Die gleiche Ansicht vertrat im Ergebnis auch der
Bundesrat im Bericht an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung
im Jahre 1861, wo er unter Hinweis auf frühere Entscheide erklärte, die
neue Bundesverfassung (von 1848) habe in den Staatsverträgen, die schon
bestanden hätten, nichts verändert; die Bestimmungen des früheren Rechts
würden weitergelten, bis und solange nicht eine Novation jener Verträge
stattgefunden und die Bundesversammlung die neuen Verträge ratifiziert
habe (BBl 1862 II S. 227). Dazu ist es hinsichtlich der hier in Frage
stehenden Übereinkunft indessen nie gekommen.

    Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz die Übereinkunft
mit der Krone Württemberg vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826 zu Recht
als kantonalen Staatsvertrag qualifiziert hat. Ob diese noch in Kraft
sei, ist mithin eine Frage des betreffenden kantonalen Rechts, die vom
Bundesgericht im Rekursverfahren nicht überprüft werden kann (Art. 43 in
Verbindung mit Art. 81 OG; Art. 79 Abs. 1 erster Satz OG). Es muss daher
bei der vorinstanzlichen Feststellung, die Übereinkunft sei nach wie vor
gültig, sein Bewenden haben.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. III der Übereinkunft mit der Krone Württemberg sollen
nach Ausbruch eines Konkurses wechselseitig keine andern Arreste auf das
Vermögen des Gemeinschuldners angelegt werden als zu Gunsten der ganzen
Masse, und Art. IV sieht vor, dass alle beweglichen und unbeweglichen
Güter eines Gemeinschuldners, auf welchem Staatsgebiet sie sich immer
befinden mögen, in die allgemeine Konkursmasse fallen sollen (für den
genauen Wortlaut vgl. BÜRGI, Die Übereinkunft zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg..., in BlSchK 38/1974, S. 2
ff.). Die beiden Bestimmungen entsprechen der für die inländischen Konkurse
geltenden Regelung des heutigen schweizerischen Rechts (vgl. die Art. 197
ff. und 206 SchKG), stehen indessen im Widerspruch zu Art. 271 Abs. 1
Ziff. 4 SchKG, wonach ein Gläubiger Vermögensstücke eines nicht in der
Schweiz wohnenden Schuldners mit Arrest belegen lassen kann. Art. 271 Abs.
3 SchKG behält allerdings anderslautende Bestimmungen von Staatsverträgen
vor, und es ist daher zu prüfen, ob die von den Betreibungsämtern
angewendete Übereinkunft von diesem Vorbehalt erfasst werde oder ob
allenfalls nur Staatsverträge des Bundes darunter fallen.

    Das Bundesgericht hat in einem älteren Entscheid ausgeführt,
das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz sehe für den Konkurs im
internationalen Verhältnis nicht das Universalitätsprinzip vor; der im
Ausland eröffnete Konkurs habe mithin nicht das Dahinfallen der in der
Schweiz gegen den Gemeinschuldner angeordneten Vollstreckungsmassnahmen zur
Folge, es sei denn, staatsvertraglich sei etwas anderes vorgesehen. Als
Beispiele hiefür nennt das Bundesgericht unter anderem die von
verschiedenen Kantonen mit den Königreichen Württemberg, Bayern und
Sachsen geschlossenen Übereinkünfte (vgl. BGE 54 III 28). Von der
Auffassung, unter die durch das schweizerische Zwangsvollstreckungsrecht
vorbehaltenen Staatsverträge fielen auch die kantonalen Übereinkünfte,
abzuweichen, besteht kein Anlass. Es ist zu bedenken, dass die Befugnis
zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Betreibungs- und Konkurswesens
erst durch die Bundesverfassung von 1874 (Art. 64 Abs. 1) auf den
Bund übertragen wurde. Bei der Schaffung des Bundesgesetzes über
Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 bestanden in diesem
Bereich neben nur vereinzelten staatsvertraglichen Bestimmungen zwischen
dem Bund und ausländischen Staaten (Italien, Frankreich) daher vor allem
zahlreiche Übereinkünfte, die von Kantonen - beispielsweise mit dem
Grossherzogtum Baden und den Königreichen Württemberg, Bayern und Sachsen
- geschlossen worden waren (vgl. die Zusammenstellung bei MEILI, Lehrbuch
des internationalen Konkursrechts, S. 246 ff.). Hätte man diese vom hier
in Frage stehenden Vorbehalt des Art. 271 Abs. 3 SchKG ausnehmen wollen,
wäre im Gesetz eine entsprechende Einschränkung anzubringen gewesen. Dass
der erwähnte Vorbehalt die alten kantonalen Staatsverträge miterfasse,
nehmen übrigens - freilich ohne nähere Begründung - auch JAEGER (N. 18
zu Art. 271 SchKG) und BLUMENSTEIN (Handbuch des Schweizerischen
Schuldbetreibungsrechtes, S. 25 und 834 N. 25) an.

    Nach dem Gesagten sind die hier in Betracht fallenden Bestimmungen
der Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Krone Württemberg vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826 mit dem geltenden
Bundesrecht vereinbar. Die durch den angefochtenen Entscheid geschützte
Aufhebung der gegen die M. Jope & Co. in Konkurs gerichteten Arreste und
Betreibungen ist deshalb nicht zu beanstanden.