Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 38



104 III 38

12. Entscheid vom 24. Mai 1978 i.S. X. Regeste

    Lohnpfändung (Art. 93 SchKG).

    1. Bedeutung einer unpfändbaren Rente.

    Das Erwerbseinkommen eines Schuldners, der eine unpfändbare Rente
bezieht, darf so weit gepfändet werden, als es den durch die Rente nicht
gedeckten Teil des Notbedarfs übersteigt (E. 1).

    2. Wohnkosten.

    Bei der Ermittlung des Notbedarfs ist unter Umständen der ortsübliche
Mietzins für eine Wohnung einzusetzen, mit der sich zu begnügen dem
Schuldner unter den gegebenen Verhältnissen zuzumuten wäre (E. 2).

Sachverhalt

    A.- In seinem Beschluss vom 19. April 1978 hielt das Obergericht des
Kantons Zürich (II. Zivilkammer) als obere kantonale Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs fest, das Betreibungsamt Zürich 11 habe bei
der Lohnpfändung, die es in den von M. X. gegen ihren früheren Ehemann,
H. X., für fällige Unterhaltsbeiträge eingeleiteten Betreibungen verfügt
hatte, zu Recht auch das unpfändbare Krankengeld berücksichtigt, das
der Schuldner bezieht. Es schützte die Pfändungsverfügung andererseits
auch insofern, als das Betreibungsamt bei der Ermittlung des Notbedarfs
Wohnkosten von Fr. 300.-, und nicht, wie vom Schuldner geltend gemacht,
von Fr. 600.-, eingesetzt hatte.

    H. X. hat in diesen beiden Punkten an das Bundesgericht rekurriert. Er
macht einerseits geltend, sein unpfändbares Krankengeld dürfe bei der
Ermittlung der pfändbaren Quote seines Einkommens nicht in Betracht gezogen
werden, und verlangt andererseits die Berücksichtigung seiner tatsächlichen
Mietkosten von Fr. 600.-, die in dieser Höhe ausgewiesen seien.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wie das Bundesgericht schon mehrmals entschieden hat, darf das
Erwerbseinkommen eines Schuldners, der eine unpfändbare Rente bezieht, so
weit gepfändet werden, als es den durch die Rente nicht gedeckten Teil des
Notbedarfs übersteigt, denn es sei zu berücksichtigen, dass der Schuldner
seinen Lebensunterhalt zu einem Teil aus der unpfändbaren Rente bestreiten
könne, so dass er zur Deckung des verbleibenden Teils des Notbedarfs unter
Umständen nicht mehr den ganzen Arbeitsverdienst benötige (vgl. BGE 97 III
17 f. hinsichtlich der Leistungen der Militärversicherung mit Hinweisen
auf Entscheide, die SUVA- bzw. AHV- und IV-Renten sowie Leistungen einer
Familienausgleichskasse betrafen). Die Unpfändbarkeit einer Rente hat also
lediglich zur Folge, dass die Rente selbst nicht gepfändet werden darf,
nicht aber, dass der Schuldner neben dieser noch einen seinem Notbedarf
entsprechenden Teil seines übrigen Einkommens beanspruchen könnte. Entgegen
der Behauptung des Rekurrenten beruhte das erwähnte Urteil nicht darauf,
dass im betreffenden Rekurs keine Gründe genannt worden waren, die - in
Abweichung von den früheren Entscheiden - eine bevorzugte Behandlung der
Leistungen der Militärversicherung rechtfertigen würden. Das Bundesgericht
hat vielmehr unabhängig vom Fehlen solcher Vorbringen festgehalten, es sei
nicht einzusehen, weshalb für diese Leistungen etwas anderes gelten sollte
als für die Renten der übrigen Sozialversicherungen (BGE 97 III 18 oben).

    Die angeführte Rechtsprechung trifft auf alle Leistungen der
erwähnten Versicherungen zu, insbesondere auch auf die von diesen
entrichteten Krankengelder (vgl. Art. 96 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 72 KUVG; Art. 47 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 MVG). Was der
Rekurrent vorbringt, erlaubt nicht, anzunehmen, das Krankengeld, das er
von seinem Arbeitgeber ausbezahlt erhält, unterscheide sich von den -
unter Umständen zeitlich ebenfalls beschränkten - Krankengeldern der
erwähnten Sozialversicherungen. Namentlich macht der Rekurrent nicht etwa
geltend, das ihm entrichtete Krankengeld habe nicht der Bestreitung seines
Lebensunterhaltes zu dienen. Das Betreibungsamt hat bei dieser Sachlage
das Krankengeld bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens zu Recht
berücksichtigt, womit sich der Rekurs in diesem Punkt als unbegründet
erweist.

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat nicht übersehen, dass bei der Bemessung
des Notbedarfs grundsätzlich die tatsächlichen Wohnkosten einzusetzen
sind. Indessen erachtet sie den vom Rekurrenten geltend gemachten Mietzins
von Fr. 600.- im Monat für weit übersetzt, weshalb nicht der ganze Betrag
berücksichtigt werden könne. Diese Betrachtungsweise findet eine Stütze
in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein Schuldner, dessen
Gläubiger mangels anderer pfändbarer Vermögensstücke seine Einkünfte
pfänden lassen müssen, seine Wohnkosten so tief wie möglich zu halten hat
(BGE 87 III 102; 57 III 207). Wird in einem solchen Fall der effektive
Mietzins für zu hoch befunden, so ist bei der Ermittlung des Notbedarfs
der ortsübliche Mietzins für eine Wohnung einzusetzen, mit der sich zu
begnügen dem Schuldner unter den gegebenen Verhältnissen zuzumuten wäre
(BGE 87 III 102 f. E. 1a).

    Die obere kantonale Aufsichtsbehörde führt aus, laut Auskunft des
Amtes für Wohnungsnachweis der Stadt Zürich betrage die Miete für ein
möbliertes Zimmer in einer Wohnung, wie der Rekurrent eines bewohne, bei
der heutigen Marktlage im Durchschnitt zwischen Fr. 180.- und Fr. 220.-,
für ein Separatzimmer zwischen Fr. 250.- und Fr. 350.- im Monat. Diese
Feststellungen sind tatsächlicher Natur und demnach für das Bundesgericht
verbindlich. Dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften
zustande gekommen seien, behauptet der Rekurrent nicht, und es bestehen
auch keine Anhaltspunkte für ein offensichtliches Versehen (Art. 63 Abs. 2
in Verbindung mit Art. 81 OG). Wenn die Vorinstanz aufgrund der von ihr
festgestellten Verhältnisse dafür hält, das Betreibungsamt habe bei der
Bemessung des Notbedarfs des Rekurrenten die Wohnkosten zu Recht nur
mit Fr. 300.- veranschlagt, hat sie das ihr in diesem Punkt zustehende
Ermessen nicht missbraucht. Sie durfte in Anbetracht der gegenwärtigen
Marktlage insbesondere davon ausgehen, der Rekurrent könnte in Zürich
auch kurzfristig ein Zimmer finden und beziehen, das nicht mehr als Fr.
300.- im Monat kosten würde, zumal nach Gesetz die Miete eines Zimmers
unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist auf das Ende der
monatlichen Mietsdauer aufgelöst werden kann (Art. 267 Abs. 2 Ziff. 2 OR)
und für den vorliegenden Fall keine abweichende Regelung behauptet worden
war. Der Rekurrent bestreitet übrigens selbst nicht, dass ein Zimmerwechsel
ohne weiteres möglich wäre.

    Seine Behauptung, im Mietzins von Fr. 600.- sei berücksichtigt,
dass er die ganze Wohnung seiner Vermieterin benützen dürfe und dass
er etwas pflegebedürftig sei, ist neu. Da der Rekurrent Gelegenheit und
auch Anlass gehabt hätte, sie schon im kantonalen Verfahren vorzubringen,
ist darauf nicht einzutreten (Art. 79 Abs. 1 zweiter Satz OG).