Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 25



104 III 25

8. Auszug aus dem Entscheid vom 8. Mai 1978 i.S. F. Regeste

    Retentionsrecht des Vermieters.

    1. Werden die in das Retentionsverzeichnis aufgenommenen Gegenstände
von einem Dritten, der daran das Eigentum beansprucht, aus den Mieträumen
entfernt, so kann der Vermieter jederzeit ihre Rückverbringung verlangen,
ohne dass die Voraussetzungen von Art. 284 SchKG erfüllt sein müssten
(E. 1).

    2. Die Auseinandersetzung zwischen dem Vermieter und dem
Drittansprecher darüber, ob der Eigentumsanspruch und das Retentionsrecht
begründet seien und ob jener Anspruch dem Retentionsrecht vorgehe, hat
im Widerspruchsverfahren zu erfolgen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren von A. retinierte das Betreibungsamt Hämikon
am 10. August 1977 zwei im Besitz des Pächters V. befindliche
Personenwagen. Am 3./4. November 1977 holte F., der das Eigentum an
den Retentionsgegenständen beansprucht, die beiden Fahrzeuge auf dem
Parkplatz des an V. verpachteten Restaurants ab. Einem entsprechenden
Gesuch des Verpächters stattgebend verhielt das auf dem Rechtshilfeweg
ersuchte Betreibungsamt Neuenhof mit Verfügung vom 25. November 1977
F. zur Aushändigung der beiden retinierten Autos bzw. zur Hinterlage
eines Gelddepots im Betrag von Fr. 2100.-.

    B.- Hiegegen beschwerte sich F. beim Amtsgerichtspräsidenten von
Hochdorf als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde im Betreibungswesen, wurde
jedoch mit Entscheid vom 9. Dezember 1977 abgewiesen. Eine Beschwerde gegen
diesen Entscheid wurde von der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission
des Obergerichts des Kantons Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde
am 13. Februar 1978 ebenfalls abgewiesen.

    C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts rekurrierte F. an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt die
Aufhebung der Verfügung des Betreibungsamtes Neuenhof. Zur Begründung
seines Rekurses macht er im wesentlichen geltend, die Autos hätten gar
nicht retiniert werden dürfen, da sie sich weder in den vermieteten
Räumen befunden noch zu deren Einrichtung oder Benutzung gehört hätten;
zudem habe er sie gutgläubig und keineswegs heimlich fortgeschafft.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Aufnahme des Retentionsverzeichnisses hat zur Folge, dass
der Retentionsbeschlag bestehen bleibt, auch wenn die retinierten
Gegenstände aus den Mieträumen entfernt werden. Der Gläubiger kann
jederzeit die Rückschaffung solcher Gegenstände verlangen, ohne an die
in Art. 284 SchKG vorgesehene Frist von zehn Tagen gebunden zu sein
und ohne dartun zu müssen, dass die Wegschaffung heimlich oder gewaltsam
erfolgte. Art. 284 SchKG (und der entsprechende Art. 274 Abs. 2 OR) ist nur
anwendbar auf Gegenstände, die vor Aufnahme des Retentionsverzeichnisses
fortgeschafft wurden (BGE 97 III 80, 54 III 270, 31 I 338 ff.; SCHMID,
N. 55 zu Art. 272-274 OR). Es spielt daher keine Rolle, ob der Rekurrent
die retinierten Autos heimlich abholte oder nicht. Unerheblich ist auch,
ob ihm der Retentionsbeschlag bekannt war oder nicht. Er behauptet nicht,
er habe nach der Aufnahme des Retentionsverzeichnisses gutgläubig das
Eigentum an den Fahrzeugen erworben, sondern er macht geltend, er sei
schon vorher Eigentümer gewesen. Ein solcher Anspruch steht aber der
Pflicht zur Rückschaffung nicht entgegen (BGE 69 III 67/68; SCHMID,
N. 56 zu Art. 272-274 OR; vgl. auch BGE 101 II 97 E. 3).

Erwägung 2

    2.- Beansprucht ein Dritter an einer zugunsten des Vermieters
retinierten Sache das Eigentum, so ist im Streitfall als Frage des
materiellen Rechts vom Richter zu entscheiden, ob der Eigentumsanspruch und
das Retentionsrecht begründet seien und ob jener Anspruch nach Art. 273
OR dem Retentionsrecht vorgehe. Und zwar hat die Auseinandersetzung
zwischen dem Vermieter und dem Drittansprecher im Widerspruchsverfahren
zu erfolgen (BGE 96 III 69, 70 II 226 ff.; SCHMID, N. 71 zu Art. 272-274
OR). Ob sich die retinierten Fahrzeuge in den vermieteten Räumen befanden
und ob sie zu deren Einrichtung oder Benutzung gehörten, ist daher nicht
von den Betreibungsbehörden im Beschwerdeverfahren, sondern vom Richter
im Widerspruchsprozess zu beurteilen. Der Rekurs erweist sich somit
als unbegründet.