Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 59



104 Ib 59

11. Auszug aus dem Urteil vom 10. März 1978 i.S. Divine Light Zentrum
(DLZ), S_______ und Omkarananda gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
Regeste

    Ermächtigung zur Strafverfolgung eines eidg.  Untersuchungsrichters
(Art. 15 VG); Akteneinsicht (Art. 26/27 VwVG).

    Ist im Verfahren, in welchem um die Ermächtigung zur Strafverfolgung
eines eidg. Untersuchungsrichters wegen dessen Amtsführung nachgesucht
wird, die Einsichtnahme in die Akten der betreffenden strafrechtlichen
Voruntersuchung zu bewilligen? Frage verneint (E. 3).

    Rechtmässigkeit des Entscheids, die Ermächtigung zur Strafverfolgung
zu verweigern (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Mit Entscheid vom 5. Dezember 1977 verweigerte das Eidg.
Justiz- und Polizeidepartement die Ermächtigung zur Durchführung
eines Strafverfahrens gegen den eidgenössischen Untersuchungsrichter
Dr. Hans Wieland, welcher eine Voruntersuchung gegen verschiedene
Mitglieder und Anhänger des Divine Light Zentrums (DLZ) geführt
hatte. Angelika Ammann und M___ S_______, die beide Gesuche um Erteilung
der Strafverfolgungsermächtigung gestellt hatten, verlangten am 15.
Dezember 1977 Einsicht in die Akten des Strafverfahrens, um zu prüfen, ob
eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Departementes
zweckmässig sei. Die Bundesanwaltschaft wies dieses Gesuch mit Verfügung
vom 20. Dezember 1977 ab.

    In der Folge reichte E. Finger im Namen des DLZ sowie von M___ S_______
und Swami Omkarananda Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Darin wird im
wesentlichen Einsicht in die Akten der strafrechtlichen Voruntersuchung
sowie Aufhebung des Entscheides der Vorinstanz verlangt. Für die gleichen
Beschwerdeführer unterzeichneten Angelika Ammann und M___ S_______
eine weitere Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Schliesslich gelangte Swami
Omkarananda auch persönlich mit Eingaben ans Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer machen geltend, sie könnten ihre Beschwerde
materiell nicht begründen, ohne dass ihnen Einsicht in die Akten der
genannten Strafuntersuchung gegen Mitglieder und Anhänger des DLZ gewährt
worden sei. Die Bundesanwaltschaft habe ihnen diese Akteneinsicht zu
Unrecht verweigert. Sie stellen darum den Antrag, es sei ihnen zunächst
Einsicht in die gewünschten Akten zu geben. Anschliessend sei im Sinne
einer Wiederherstellung gemäss Art. 35 OG eine Frist zur materiellen
Begründung der Beschwerde anzusetzen.

    b) Der in Art. 26/27 VwVG umschriebene Anspruch auf Akteneinsicht gilt
sowohl vor als auch nach Fällung eines mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbaren Entscheides. Wer erwägt, eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu führen, kann daher Einsicht in die Akten verlangen. Der Lauf der
Beschwerdefrist wird dadurch aber grundsätzlich nicht beeinflusst. Die
Verweigerung der Akteneinsicht in diesem Stadium des Verfahrens wird
zweckmässigerweise zusammen mit dem von der Vorinstanz in materieller
Hinsicht erlassenen Entscheid angefochten. Das Bundesgericht hat in
einem solchen Fall die Möglichkeit, den Entscheid, mit welchem die
Akteneinsicht verweigert worden ist, aufzuheben und die Vorinstanz
anzuweisen, dem Beschwerdeführer in einem bestimmten Umfang Akteneinsicht
zu gewähren. Gleichzeitig kann es das Beschwerdeverfahren gegen den
materiellen Entscheid sistieren und nach gewährter Akteneinsicht eine
Frist zur Beschwerdeergänzung ansetzen (BGE 98 Ib 167).

    In der Regel wird ein Beschwerdeführer aber ohne weitere Akteneinsicht
in der Lage sein, eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzureichen, da er
aufgrund des Verfahrens vor der Vorinstanz oder vor früheren Instanzen,
in dessen Verlauf er Akteneinsicht verlangen konnte, genügend mit dem
Prozessthema vertraut ist. Im übrigen steht es dem Beschwerdeführer
frei, in seiner Beschwerdeschrift die Edition von Akten der Vorinstanz
zu beantragen, wenn er der Ansicht ist, darin seien weitere Beweismittel
enthalten. Einem solchen Gesuch gibt das Bundesgericht statt, wenn das
Beiziehen der verlangten Akten für die Entscheidung des Falles erheblich
erscheint.

    Wenn die Vorinstanz auf Veranlassung des Bundesgerichts oder von sich
aus Akten vorlegt, die neue Tatsachen enthalten, die der Beschwerdeführer
noch nicht kennt, ordnet das Bundesgericht einen zweiten Schriftenwechsel
an, in dessen Verlauf der Beschwerdeführer Einsicht in diese Akten nehmen
und sich dazu äussern kann (BGE 94 I 663).

    c) Nach Art. 27 VwVG darf die Behörde die Einsichtnahme in die Akten
unter anderem dann verweigern, wenn wesentliche öffentliche Interessen
des Bundes die Geheimhaltung erfordern. Im Verwaltungsverfahren und im
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren kann jede handlungsfähige
Person eine Parteivertretung übernehmen (Art. 11 VwVG, Art. 29
OG). Demgegenüber können im Bundesstrafprozess nur Rechtsanwälte und
Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen als Verteidiger auftreten
(Art. 35 Abs. 3 BStP). Wenn im vorliegenden Verfahren E. Finger und
M___ S_______, die nicht Verteidiger im Bundesstrafprozess sein können,
Einsicht in die Strafakten zu geben wäre, würden damit die strengeren
strafprozessualen Bestimmungen über die Akteneinsicht umgangen. Eine
Umgehung dieser Bestimmungen ergäbe sich auch, wenn dem Beschuldigten
Omkarananda ausserhalb des Strafverfahrens Einsicht in die Strafakten
gegeben würde. Es besteht ein wesentliches öffentliches Interesse, dass die
im Strafverfahren zuständigen Behörden nach den strafprozessualen Regeln
entscheiden, wem, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang Einsicht in
die Strafakten zu geben sei. Nur die Bestimmungen des Strafprozesses regeln
die Akteneinsicht in einer Weise, welche ein geordnetes Strafverfahren
ermöglicht. Zudem sind die zuständigen Behörden des Strafverfahrens
am besten in der Lage, die Akteneinsicht in einem Rahmen zu gewähren,
welcher die Strafverfolgung nicht gefährdet. Dieses öffentliche Interesse
rechtfertigt, dass den Beschwerdeführern im Verfahren betreffend die
Strafverfolgungsermächtigung keine Einsicht in die Strafakten gewährt
wird. Die Verweigerung der Akteneinsicht durch die Vorinstanz ist
daher nicht zu beanstanden. Aus den gleichen Überlegungen müsste das
Bundesgericht im übrigen ein Gesuch abweisen, mit dem die Edition der
Strafakten im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren verlangt würde.

    d) Selbst wenn das öffentliche Interesse an der Verweigerung
der Akteneinsicht und das private Interesse an einer Einsichtnahme
gegeneinander abzuwägen wären, müsste das öffentliche Interesse als
schutzwürdiger bezeichnet werden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren
ist die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Dr. Wieland streitig. Diese
Ermächtigung muss erteilt werden, wenn sich aufgrund einer gemäss Art. 15
Abs. 3 VG durchgeführten Vorprüfung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass
seine Handlungen einen Straftatbestand erfüllen und die gesetzlichen
Voraussetzungen der Strafverfolgung gegeben sein könnten. Nicht
Voraussetzung einer Ermächtigung ist, dass der objektive und subjektive
Tatbestand mit Sicherheit nachgewiesen wird (BGE 100 Ib 15, 93 I
78). Die viel weitergehende Frage, ob Dr. Wieland die Strafuntersuchung
richtig geführt habe und ob die Resultate dieser Untersuchung in
tatsächlicher Hinsicht unumstösslich seien, ist jedoch nicht in diesem
Vorprüfungsverfahren abzuklären. Dies wird Gegenstand des in Aussicht
stehenden Strafprozesses gegen Mitglieder und Sympathisanten des DLZ sein.

    Um lediglich Anhaltspunkte für die Strafbarkeit von Dr. Wieland
vorzubringen, sind die Akten, welche die Beschwerdeführer bereits
kennen, sowie ihre sonstigen Kenntnisse über das Strafverfahren
ausreichend. Die Beschwerdeführer kennen insbesondere den Schlussbericht
des eidg. Untersuchungsrichters und den Entscheid der Anklagekammer des
Bundesgerichts vom 7. November 1977 betreffend Ausstandsgesuche gegen
diesen Untersuchungsrichter. Anhaltspunkte über die Strafbarkeit von
Dr. Wieland könnten aufgrund dieser Kenntnisse ohne weiteres dargelegt
werden, sofern sie bestehen würden. Das Interesse an einer zusätzlichen
Einsichtnahme in die umfangreichen Akten der Strafuntersuchung erweist
sich darum als unbedeutend, verglichen mit dem öffentlichen Interesse an
einer Verweigerung der Akteneinsicht.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer stellen ferner ein Gesuch um Wiederherstellung
der Beschwerdefrist nach Wegfall der Hindernisse, welche nach ihrer
Ansicht eine materielle Begründung der Beschwerde verunmöglicht haben.

    Nach Art. 35 OG kann die Wiederherstellung gegen die Folgen der
Versäumung einer Frist nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein
Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert
der Frist zu handeln. Im vorliegenden Fall waren die Beschwerdeführer in
der Lage, wie oben ausgeführt, ihre Beschwerde materiell zu begründen. Der
Beschwerdeführer Omkarananda, der sich in Untersuchungshaft befindet,
richtete selber Eingaben an das Bundesgericht. In der Eingabe
vom 11. Januar 1978 hat er im übrigen ausgeführt, E. Finger sei
sein Parteivertreter und dieser habe die Beschwerde in seinem Namen
eingereicht. Omkarananda wurde somit durch die Untersuchungshaft nicht an
der Einreichung einer Beschwerde gehindert. Insoweit die Beschwerdeführer
für die Einreichung einer vollständig begründeten Beschwerde die Frist
verpasst haben sollten, hätten sie diesen Umstand selber verschuldet. Das
Wiederherstellungsgesuch ist daher abzuweisen.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführer bringen vor, Dr. Wieland habe sich durch
seine Amtshandlungen schwerer krimineller Delikte schuldig gemacht.
Dadurch seien sie geschädigt worden. Sie verlangen darum die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides.

    Die Anklagekammer des Bundesgerichts hat in ihrem ausführlichen
Entscheid vom 7. November 1977 Ausstandsgesuche gegen Dr. Wieland
abgewiesen, welche von Omkarananda und weiteren Beschuldigten des
Strafverfahrens eingereicht worden waren. Sie ist dabei zum Schluss
gekommen, die vorgebrachten Rügen seien nicht geeignet, Misstrauen in
die Unparteilichkeit von Dr. Wieland zu begründen.

    Wenn bei Dr. Wieland nicht einmal Zeichen der Parteilichkeit
zuungunsten der Mitglieder und Anhänger des DLZ festgestellt werden
konnten, kann ausgeschlossen werden, dass Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass sich Dr. Wieland zum Nachteil dieser Personen strafbar gemacht
hat. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie die
Ermächtigung zur Strafverfolgung von Dr. Wieland verweigert hat.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

    2. Das Wiederherstellungsgesuch wird abgewiesen.