Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 330



104 Ib 330

52. Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1978 i.S. P. gegen
Regierung des Kantons Graubünden Regeste

    Art. 55 Abs. 2 StGB; Landesverweisung, probeweiser Aufschub.

    Nicht heranzuziehen sind allgemeine Unterschiede zwischen den
Verhältnissen in der Schweiz und im Ausland (Arbeitsmarktbedingungen,
Sozialeinrichtungen) (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- P. war am 31. August 1977 vom Kantonsgericht von Graubünden wegen
schwerer Körperverletzung und Beteiligung an einem Raufhandel zu 2 1/2
Jahren Gefängnis und 15 Jahren Landesverweisung verurteilt worden.

    Die Regierung des Kantons Graubünden entsprach am 20. November
1978 dem Gesuch des P. um bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug
auf den 1. Dezember 1978, lehnte hingegen den probeweisen Aufschub der
Landesverweisung ab.

    P. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Gewährung
des probeweisen Aufschubs der Landesverweisung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die bedingte Entlassung im Sinne von Art. 38 StGB setzt voraus,
dass der Verurteilte sich im Strafvollzug wohlverhalten hat und anzunehmen
ist, er werde sich in der Freiheit bewähren. Die zuständige Behörde hat
ferner zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen der Vollzug der
Landesverweisung aufgeschoben werden soll (Art. 55 Abs. 2 StGB).

    Beide Entscheide liegen im pflichtgemässen Ermessen der Behörde. Das
Bundesgericht greift auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur ein, wenn dieses
Ermessen überschritten oder missbraucht wurde oder wenn die Behörde von
unzutreffenden rechtlichen Kriterien ausging (Art. 104 lit. a OG).

Erwägung 2

    2.- Bedingte Entlassung und probeweiser Aufschub der Landesverweisung
bilden Teile des Strafvollzugs. Massgebend ist in erster Linie, auf
welche Weise das angestrebte Ziel, nämlich die Wiedereingliederung in
die Gesellschaft, am besten erreicht wird (BGE 103 Ib 25). Die Behörde
entscheidet nach Prüfung der Persönlichkeit, des bisherigen Verhaltens und
der wahrscheinlichen künftigen Lebensgestaltung des Verurteilten. Bei der
Beurteilung der Resozialisierungsaussichten im Falle des Vollzugs oder des
Aufschubs der Landesverweisung fallen dabei besonders die persönlichen
Beziehungen des Täters zur Schweiz bzw. zum Ausland (in der Regel: Zu
seinem Heimatstaat) ins Gewicht. Dagegen geht es nicht an, allgemeine
Unterschiede zwischen den Verhältnissen in der Schweiz und im Ausland,
wie sie sich insgesamt auf die Bevölkerung dieser Staaten auswirken,
bei dem Entscheid über die Ausweisung eines Einzelnen heranzuziehen.
Insbesondere kann der vom Beschwerdeführer angerufene Umstand, dass
die Arbeitsmarktbedingungen in der Schweiz günstiger seien als in
Jugoslawien, den Entscheid ebensowenig beeinflussen wie etwa ein besserer
Ausbau der schweizerischen Sozialeinrichtungen (Entlassenenfürsorge,
Arbeitslosenversicherung usw.).

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz stützt ihre knapp begründete Verfügung vor allem
auf die engen familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu Jugoslawien.
In der Tat ist der Beschwerdeführer dort geboren und aufgewachsen, er hat
dort sein eheliches Heim, seine Frau und vier Kinder. Das emotionale
und familiäre Schwergewicht liegt für ihn in Jugoslawien. In der
Schweiz dagegen hielt er sich nach eigenen Angaben nur aus beruflichen
Gründen auf. Er verbrachte hier an vier verschiedenen Arbeitsstellen
weniger als 6 Jahre in Freiheit. Dass er auch nähere persönliche
Beziehungen zur Schweiz und zu Schweizern habe, macht er selbst nicht
geltend. Unter diesen Umständen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass
die Resozialisierungsaussichten des Beschwerdeführers in Jugoslawien
besser, jedenfalls nicht schlechter sind, als in der Schweiz. Mit der
Verweigerung des probeweisen Aufschubs der Landesverweisung hat die
Vorinstanz ihr Ermessen offensichtlich nicht überschritten; sie hat auch
kein Recht verletzt.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer bestreitet seine von der Vorinstanz ebenfalls
geltend gemachte Gefährlichkeit. An sich scheint dieses Argument der
Vorinstanz tatsächlich in Widerspruch zu stehen zur bedingten Entlassung,
die Aussicht auf künftige Bewährung voraussetzt. Es ist aber durchaus
möglich, dass künftiges Wohlverhalten zwar für den Fall der Rückkehr des
Beschwerdeführers in die vertrauten Verhältnisse seiner Heimat und in
ein geordnetes Familienleben erwartet werden kann, nicht aber bei einem
weiteren Verbleib als isolierter Gastarbeiter in der Schweiz, wo er
sich vermehrt in Wirtshäusern aufhalten muss und besonderen Spannungen
ausgesetzt ist, die in einer Ausnahmesituation erneut gefährliche
Reaktionen auslösen könnten. Ob die Vorinstanz von dieser zulässigen
Überlegung ausgegangen ist, lässt sich ihrem knappen Entscheid nicht
entnehmen. Eine nähere Abklärung erübrigt sich, weil der bedingte Aufschub
der Landesverweisung bereits aus den oben (unter 3.) dargelegten Gründen
verweigert werden durfte.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.