Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 245



104 Ib 245

39. Auszug aus dem Urteil vom 27. Oktober 1978 i.S. Kellenberger gegen
Künzler und Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. Regeste

    Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Art. 103 lit.  a OG.

    1. Beschwerde gegen einen mangels Legitimation nach
kant. Verfahrensrecht ergangenen Nichteintretensentscheid. Art. 103 lit. a
OG als Minimalvorschrift für das kant. Rechtsmittelverfahren (Bestätigung
der Rechtsprechung) (Erw. 3, 4).

    2. Für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 103 lit. a OG genügt ein bloss faktisches Interesse an der Aufhebung
oder Änderung der angefochtenen Verfügung. Aus dem Erfordernis der
Schutzwürdigkeit darf nicht abgeleitet werden, es müsse ein Zusammenhang
zwischen dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Interesse und
der Schutzrichtung der angerufenen Norm bestehen (Klarstellung der
Rechtsprechung) (Erw. 5-7).

Sachverhalt

    A.- Die Baudirektion des Kantons Appenzell A. Rh. erteilte am
26. April 1977 dem Fritz Künzler, Viehhändler, die Bewilligung zum Bau
eines Einfamilienhauses auf seiner ausserhalb des GKP liegenden Parzelle
Nr. 498 in Walzenhausen. Sie nahm an, es bestehe für die Errichtung
des projektierten Hauses an dieser Stelle ein sachlich begründetes
Bedürfnis im Sinne von Art. 20 GSchG, da der Neubau zum bestehenden
landwirtschaftlichen Betrieb mit Viehhandel gehören werde und einer der
noch im Betrieb tätigen Generation dienen solle. Karl Kellenberger ist
Eigentümer der an den Bauplatz angrenzenden Parzelle 496 mit dem Wohnhaus
397. Die vorgesehene Baute Künzlers hätte einen Abstand von ca. 20 m von
der Parzellengrenze. Kellenberger reichte beim Regierungsrat einen Rekurs
gegen die dem Fritz Künzler erteilte Baubewilligung ein. Er beantragte
die Aufhebung und Verweigerung der Bewilligung. Zur Begründung seines
Rekursbegehrens machte Kellenberger geltend, der vorgesehene Bauplatz
befinde sich ausserhalb des GKP und überdies im provisorischen Schutzgebiet
gemäss BB über dringliche Massnahmen auf dem Gebiet der Raumplanung
vom 17. März 1972 (BMR); es seien grundsätzlich in diesem Gebiet nur
die notwendigen land- und forstwirtschaftlichen Bauten zulässig; das
projektierte Einfamilienhaus mit Einstellraum für einen Lastwagen sei
für den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb, der nur 3,8 ha eigenes
Land umfasse, nicht notwendig. Eine Existenzgrundlage für zwei Familien
sei nicht vorhanden. Der saisonbedingte Viehhandel des Rekursgegners
habe ein geringes Ausmass und sei nicht standortgebunden. Sollte die
ständige Anwesenheit Künzlers auf dem landwirtschaftlichen Heimwesen
notwendig sein, so habe er überdies noch die Möglichkeit, eine dort seit
ca. 2 Jahren leerstehende Wohnung zu benützen oder sein Bauvorhaben auf
einem zum Baugebiet gehörenden Teil der Parzelle 498 zu verwirklichen. -
Die privaten Interessen des Gesuchstellers am projektierten Bau hätten auf
jeden Fall gegenüber dem Interesse am Schutz der Landschaft zurückzutreten.

    Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A. Rh. ist mit Beschluss vom 1.
November 1977 auf die Beschwerde Kellenbergers nicht eingetreten. In
der Begründung wird ausgeführt, das Interesse an der Erhaltung eines
unberührten Landschaftsschutzgebietes sei nicht vom einzelnen, sondern
von den zuständigen Behörden von Amtes wegen wahrzunehmen. Der Rekurrent
sei nicht befugt, die Missachtung von Bestimmungen des eidgenössischen
Gewässerschutzrechtes oder von bundesrechtlichen Vorschriften über
dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung geltend zu machen,
wenn sie nicht auch - neben dem Schutz des Gemeinwohls - dem Schutz des
Nachbarn dienen; das aber sei hier nicht der Fall.

    Kellenberger hat gegen den Nichteintretensbeschluss des
Regierungsrates beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erhoben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache
unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur materiellen Beurteilung
an den Regierungsrat zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen die Überprüfung
der Anwendung von Bundesrecht verhindernden Nichteintretensentscheid
kann man in erster Linie geltend machen, das einschlägige kantonale
Verfahrensrecht sei willkürlich ausgelegt worden. Diese Rüge wird im
vorliegenden Fall mit Recht nicht erhoben. Aus Art. 135 in Verbindung
mit Art. 122 Abs. 3 EG/ZGB des Kantons Appenzell A. Rh. lässt sich ohne
Willkür ableiten, dass ein Nachbar nur insoweit zur Beschwerde gegen ein
Bauvorhaben legitimiert sein soll, als er die Verletzung von zumindest
teilweise auch nachbarschützenden Normen rügt. Mit der Berufung auf
Raumplanung und Landschaftsschutz hat der Beschwerdeführer in seiner
Eingabe an den Regierungsrat nicht die Verletzung nachbarschützender
Vorschriften geltend gemacht, sondern das öffentliche Interesse an der
Freihaltung des in Frage stehenden Gebietes hervorgehoben. Die Verneinung
der Beschwerdebefugnis ist nach dem kantonalen Recht zumindest vertretbar
und nicht willkürlich.

Erwägung 4

    4.- Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts hat
nun aber festgehalten, dass die Kantone für Streitigkeiten des
Bundesverwaltungsrechts, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht weitergezogen werden können, auf kantonaler Ebene an die
Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen stellen dürfen, als sie
Art. 103 lit. a OG für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
vorsieht. Wer gemäss Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert ist, muss auch im kantonalen Rechtsmittelverfahren zum
Weiterzug berechtigt sein (BGE 103 Ib 147 E. 3a und die dort zitierten
BGE 101 V 123 E. 1a; 98 V 54 f E. 1). Es bleibt somit zu prüfen,
ob der Beschwerdeführer im konkreten Fall gemäss Art. 103 lit. a OG
in der Sache materiell als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt
betrachtet werden muss. Trifft dies zu, so ist seine Legitimation auch
im kantonalen Rechtsmittelverfahren zu bejahen und der angefochtene
Nichteintretensentscheid ist aufzuheben. Besteht hingegen in der Sache
selbst die Befugnis zur Weiterziehung an das Bundesgericht nicht, so musste
auch der Regierungsrat auf die an ihn gerichtete Beschwerde nicht eintreten
und der hier angefochtene Entscheid hält vor dem Bundesrecht stand.

Erwägung 5

    5.- a) Im Gegensatz zu Art. 88 OG, der für die staatsrechtliche
Beschwerde die Legitimation davon abhängig macht, dass der
Beschwerdeführer eine Rechtsverletzung erlitten hat, setzt die Befugnis zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eine Beeinträchtigung der subjektiven
Rechtsstellung voraus, Art. 103 lit. a OG erklärt vielmehr jeden als zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, der "durch die angefochtene
Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
oder Änderung hat".

    b) In der Doktrin wird diese Formulierung und der damit
übereinstimmende Wortlaut von Art. 48 VwVG (betr. Legitimation zur
Verwaltungsbeschwerde) in dem Sinn verstanden, dass zwar die reine
Popularbeschwerde ausgeschlossen sei, aber jedes eigene aktuelle
Rechtsschutzinteresse die Legitimation zu begründen vermöge. Das
Rechtsschutzinteresse besteht danach im praktischen Nutzen, den die
erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde oder (anders
gesagt) in der Abwendung eines wirtschaftlichen, ideellen, materiellen
oder anders gearteten Nachteils, den die angefochtene Verfügung für
den Beschwerdeführer Zur Folge hätte (GYGI, Verwaltungsrechtspflege
und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 102). Unwesentlich ist -
nach der einhelligen Doktrin -, ob das tatsächliche Interesse rechtlich
geschützt wird (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 478/79, GYGI aaO
S. 101 ff; vgl. auch MACHERET, La qualité pour recourir, in ZSR 94/1975
II S. 159 f.).

    c) Die Praxis des Bundesgerichts stimmt weitgehend mit den Äusserungen
in der Literatur überein. Für die Anfechtung einer Verfügung, durch die
ein anderer begünstigt wird, wurde zur Vermeidung der Popularbeschwerde
die Regel aufgestellt, dass der Beschwerdeführer durch die Verfügung
in höherem Masse als jedermann berührt sein müsse; erforderlich ist
nach der Rechtsprechung eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung
des Beschwerdeführers zur Streitsache (BGE 99 Ib 107). Aufgrund dieser
Richtlinie wurde die Legitimation von Kontingentsinhabern zur Anfechtung
der Kontingentszuteilung an einen neuen Bewerber bejaht, weil die
angefochtene Verfügung eine Kürzung des Kontingentes der Beschwerdeführer
nach sich ziehen könnte (BGE 97 I 297 E. 1c). Auch auf die Beschwerde
einer Konkurrenzfirma gegen die Anerkennung einer Treuhandgesellschaft
als bankengesetzliche Revisionsstelle ist das Bundesgericht eingetreten
(BGE 99 Ib 107 E. 1b, c), ebenso auf die Beschwerde der Stadtbernischen
Apotheker gegen die Einrichtung einer Apotheke als Nebenbetrieb der SBB im
Bahnhofgebäude Bern (BGE 98 Ib 229 E. 2). Verneint wurde die Legitimation
des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten zur Anfechtung der
gesundheitspolizeilichen Bewilligung eines Handelsproduktes, welches
den Absatz von Rahm konkurrenzieren kann; die Schutzwürdigkeit der in
Frage stehenden Interessen wurde wegen Fehlens einer besonders nahen
Beziehung zum Streitgegenstand verneint (BGE 100 Ib 336 ff.). In BGE 103
Ib 149 setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, inwiefern der
Nachbar gestützt auf das GSchG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
ein Bauvorhaben legitimiert sein könne. Die blosse räumliche Nähe zum
vorgesehenen Neubau wurde in jenem Urteil nicht als genügend erachtet;
für die Beschwerdebefugnis entscheidend war die Befürchtung, dass
die Beschwerdeführerin als Unterliegerin eines Baches, in welchen die
Abwässer des neuen Hauses geleitet werden sollen, mit Geruchsimmissionen
rechnen müsse.

    Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die bisherige Praxis
des Bundesgerichts die Möglichkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
weit öffnet, aber in neuerer Zeit doch die Tendenz erkennen lässt, durch
restriktivere Auslegung - etwa der Begriffe "Schutzwürdigkeit" und "nahe
Beziehung zur Streitsache" - eine gewisse Einschränkung der Legitimation
zu erreichen.

    d) In einzelnen kantonalen Rechten wird die Beschwerdelegitimation
für das kantonale Rechtsmittelverfahren wenn nicht in gleicher, so doch in
ähnlicher Weise umschrieben wie in Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a
OG. Vor allem finden sich auch in kantonalen Gesetzen Umschreibungen,
welche die Bezugnahme auf die Verletzung eines subjektiven Rechts vermeiden
und "Betroffensein" (§ 13 Abs. 1 des basellandschaftlichen Gesetzes
über die Rechtspflege in Verwaltungs- und Sozialversicherungssachen vom
22.6.1959/25.9.1972; VRG) oder "schutzwürdige Interessen" der Rekurrenten
(Art. 16 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
vom 22. Oktober 1961, VRPG, § 38 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über
die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968, VRPG) als entscheidendes
Kriterium der Legitimation genügen lassen.

    Im Kanton Bern hat das Verwaltungsgericht in seiner Praxis das
Interesse eines Beschwerdeführers zunächst nur dann als schutzwürdig
im Sinne von Art. 16 Abs. 1 VRPG bezeichnet, wenn dieses Interesse
Rechtsschutzobjekt des der angefochtenen Verwaltungsverfügung
zugrunde liegenden Gesetzes war (MBVR 71/1973 Nr. 69 S. 346 mit
Verweisungen). Sofern die in Frage stehende öffentlichrechtliche Vorschrift
ihrem Sinn und Zweck nach ausschliesslich die Interessen der Allgemeinheit
schützt, war nach dieser frühern Praxis die Anfechtungsbefugnis des
Privaten zu verneinen; der Nachbar konnte demnach in Baustreitigkeiten
nur zur Beschwerde legitimiert sein, wenn er eine nachbarschützende Norm
anrief. Massgebend für die Beschwerdebefugnis war die Schutzrichtung
der angerufenen Norm. Im Jahre 1974 hat das bernische Verwaltungsgericht
durch einen Plenarentscheid diese Praxis geändert und erklärt, auf die
objektive Schutzrichtung der vom Beschwerdeführer angerufenen Norm könne
es nicht ankommen; ein schutzwürdiges Interesse liege vor, wenn das
tatsächliche oder rechtliche Interesse des Rekurrenten bei vernünftiger
Würdigung als ausreichend dafür gelten könne, dass sich das Gericht
mit der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsauffassung materiell
auseinandersetze. In Anlehnung an die Doktrin und an die Rechtsprechung
des Bundesgerichts stellt das bernische Verwaltungsgericht jetzt darauf
ab, ob der Beschwerdeführer "in höherem Mass als irgend jemand besonders
und unmittelbar berührt ist und zur Streitsache in einer beachtenswerten
nahen Beziehung steht" (ZBl 75/1974 S. 513 ff., insbes. 516/17).

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hat die Wendung
"... der durch den Entscheid betroffen wird" (§ 13 Abs. 1 VRG) lange
Zeit restriktiv ausgelegt und die Beschwerdelegitimation nur demjenigen
zuerkannt, der geltend machte, durch den angefochtenen Entscheid "in
seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt und beschwert
zu sein". - In einem Urteil vom 14. Juni 1978 wurde diese Praxis unter
Berufung auf die freiere Ordnung der Beschwerdebefugnis im Bundesrecht
(Art. 103 lit. a OG) geändert; das schutzwürdige faktische Interesse soll
danach genügen, auf die Prüfung der Schutzrichtung der angerufenen Norm
könne verzichtet werden.

    Im Kanton Aargau, der die Berner Formulierung in sein VRPG übernommen
hat, hält das Verwaltungsgericht auch nach der Änderung der Rechtsprechung
im Kanton Bern daran fest, dass die Legitimation ausser der faktischen
Beziehung des Beschwerdeführers zum Streitgegenstand stets die Anrufung
von Normen voraussetze, welche dem Schutz seiner Interessen dienen. Die
Schutzrichtung der angerufenen Norm als Kriterium der Legitimation wird
also beibehalten (AGVE 1974 S. 298 ff. unter Auseinandersetzung mit der
bernischen Praxisänderung).

Erwägung 6

    6.- In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und der
erwähnten kantonalen Verwaltungsgerichte lassen sich zwei grundsätzliche
Auffassungen unterscheiden:

    a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde soll nach der einen Auffassung
dazu führen, dass die Verwaltungstätigkeit in einem möglichst weiten
Umfange der gerichtlichen Kontrolle unterstellt werden kann. Auf
eine Popularbeschwerde wird zwar verzichtet, aber der Kreis der zur
Beschwerdeführung Befugten ist doch möglichst weit zu ziehen. Jeder,
der irgendwie von einer Verfügung berührt ist, soll sie anfechten
können, sofern sein Anfechtungsinteresse als einigermassen schutzwürdig
erscheint. Aus dieser Sicht kann das Erfordernis der Schutzwürdigkeit nur
in einem sehr weiten Sinne verstanden werden, als Mittel zum Ausschluss
unvernünftiger, rechtsmissbräuchlicher Begehren, die offensichtlich einer
richterlichen Prüfung nicht würdig sind (vgl. MACHERET aaO S. 161). In
dieser Interpretation, die der herrschenden Lehre entsprechen dürfte,
ist das Erfordernis der Schutzwürdigkeit nur in Extremfällen von
praktischer Bedeutung. Wer an der Änderung oder Aufhebung einer Verfügung
vernünftigerweise ein praktisches Interesse haben kann, ist nach dieser
Auffassung prinzipiell auch zur Beschwerdeführung legitimiert.

    b) Die grundsätzlich abweichende Meinung kommt vor allem in der frühern
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte von Bern und Basel-Landschaft
sowie im zitierten Urteil des aargauischen Verwaltungsgerichts zum
Ausdruck. Danach ist schutzwürdig nur ein Interesse, dessen Schutz von der
durch den Beschwerdeführer angerufenen, angeblich verletzten Rechtsnorm
bezweckt wird.

    Das Bundesgericht hat für die Auslegung von Art. 103 lit. a OG lange
Zeit nicht oder jedenfalls nicht ausdrücklich auf die Schutzrichtung der
angerufenen Norm abgestellt. Die Legitimation wurde auch in Fällen bejaht,
in denen die angerufene Norm nicht den Schutz des Beschwerdeführers
bezweckte (so etwa bei Kontingentsinhabern oder Konkurrenten, die sich
gegen die einen Dritten begünstigende Kontingentszuteilung oder Bewilligung
wandten). Es gibt allerdings einzelne die Beschwerdebefugnis einschränkende
Urteile, welche sich wohl auch mit der Bezugnahme auf die Schutzrichtung
der angerufenen Norm überzeugend hätten begründen lassen, in denen das
Gericht die Begrenzung der Legitimation aber mit dem Erfordernis der
besonders nahen Beziehung zum Streitgegenstand motivierte (vgl. BGE 98
Ib 74, 100 Ib 336 ff., 103 Ib 149).

    In einer nicht zur Publikation bestimmten Erwägung des Urteils
Elia vom 17. Februar 1978 (BGE 104 Ib 74) wurde erstmals klar die
Frage aufgeworfen, ob nicht zwischen den vom Beschwerdeführer geltend
gemachten schutzwürdigen Interessen und dem Schutzbereich der von ihm
angerufenen Rechtsnorm ein spezifischer Zusammenhang bestehen müsse
(E. 3b). Das Problem wurde jedoch in jenem Fall nicht abschliessend
untersucht, weil angenommen wurde, die Interessen des Beschwerdeführers
an der Erhaltung des Ortsbildes in der Nähe seiner Liegenschaft gingen
auf jeden Fall in der gleichen Richtung wie die angerufenen Bestimmungen
des BMR (Ortsbildschutz), wenn auch der Schutz der Nachbarn nicht zum
eigentlichen Zweck dieser Normen gehöre. Diese "Parallelität" zwischen
Schutzrichtung der Norm und Richtung der Interessen des Rekurrenten wurde
damals als für die Legitimation ausreichend erachtet, und zwar auch unter
der Annahme, dass zwischen dem Schutzbereich der angerufenen Norm und
dem geltend gemachten privaten Interesse ein spezifischer Zusammenhang
nachgewiesen werden müsste.

Erwägung 7

    7.- Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage der Legitimation des
Nachbarn zur Beschwerdeführung gegen ein Bauvorhaben in einer typischen
Form.

    a) Kellenberger hat sich im Verfahren vor dem Regierungsrat
einerseits auf Art. 20 GSchG und anderseits auf Art. 4 BMR berufen. Seine
Argumentation konzentrierte sich auf die Darlegung, warum das projektierte
Wohnhaus nach den erwähnten bundesrechtlichen Vorschriften in jenem Gebiet
ausserhalb der Bauzone nicht bewilligt werden dürfe. Richtigerweise
hätte der Regierungsrat also gewissermassen vorfrageweise darüber
befinden sollen, ob ein Nachbar in der konkreten Situation Im Sinne von
Art. 103 lit. a OG als zur Beschwerdeführung legitimiert betrachtet
werden müsse. Art. 20 GSchG und die Vorschriften des BMR dienen dem
öffentlichen Interesse (Raumplanung, Landschaftsschutz). Diese Normen
haben keine, auch nicht eine sekundäre, nachbarschützende Funktion. Es
geht nicht darum, die Eigentümer von Häusern, die sich ausserhalb der
Bauzone oder in einem Schutzgebiet nach BMR befinden, vor der Überbauung
von Nachbarliegenschaften zu schützen. Der Gesetzgeber erstrebt im
öffentlichen Interesse die Freihaltung gewisser Gebiete. Dass dies für
"beati possidentes" zum Schutz einer privilegierten Situation führen
kann, ist eine unbeabsichtigte Nebenfolge. Nach ihrem Zweck dienen
die angerufenen bundesrechtlichen Vorschriften nicht dem Schutz der
einzelnen Grundeigentümer, die aus der im öffentlichen Interesse gebotenen
Freihaltung Vorteile ziehen. Wenn die Beschwerdelegitimation - etwa im
Sinne der frühern Berner Praxis - effektiv davon abhängig sein sollte, dass
die angerufene Rechtsnorm auch die geltend gemachten privaten Interessen
schützen will, so wird man dem Nachbarn, der die richtige Anwendung der
Art. 20 GSchG und Art. 4 BMR verlangt, um die Überbauung seiner Umgebung
zu verhindern, die Beschwerdelegitimation nicht zubilligen können. Die
Beschwerdebefugnis des Nachbarn kommt in solchen Fällen nur in Betracht,
sofern die Schutzrichtung der angerufenen Norm für die Legitimation gemäss
Art. 103 lit. a OG irrelevant ist.

    Es bleibt daher zu prüfen, ob die Ansätze zu einer Einschränkung
der Legitimation, die in BGE 103 Ib 150 und im zit. Urteil Elia vom
17. Februar 1978 zu erkennen sind, bestätigt und ergänzt werden sollen
oder ob die bundesrechtliche Beschwerdebefugnis - in Anlehnung an die in
der Rechtslehre herrschende Meinung - so weit zu fassen ist, dass jeder
Berührte eine gerichtliche Überprüfung der auf Bundesverwaltungsrecht
gestützten Verfügungen verlangen kann, sofern ihm nicht von vornherein
bei vernünftiger Würdigung jedes Rechtsschutzinteresse fehlt.

    b) In den Eingaben an das Bundesgericht hat der Beschwerdeführer -
möglicherweise angeregt durch BGE 103 Ib 144 - noch geltend gemacht,
die Ausführung des angefochtenen Bauvorhabens würde Eingriffe in
sein Eigentum zur Folge haben (Durchleitung von Abwasser) und könnte
seine gewässerschutzrechtlich geschützten Interessen an Quellen und
an der Sauberkeit eines in der Nähe befindlichen Baches gefährden. Ob
die Abwasserleitung über das Grundstück des Beschwerdeführers gehen
müsste, ist in diesem Verfahren nicht abzuklären. Es handelt sich
dabei nicht um eine vom Bundesverwaltungsrecht geregelte Frage. Nach
den vorhandenen Plänen wird der projektierte Neubau auf jeden Fall an
die Kanalisation angeschlossen. Den Akten lässt sich nicht entnehmen,
dass eine Jauchegrube, eine Sickergrube oder die Einleitung in einen
Bach vorgesehen wären. Die im kantonalen Verfahren gar nicht erwähnte,
angebliche Gefahr der Verschmutzung von Quellwasser oder eines Baches wird
im bundesgerichtlichen Verfahren ohne jede sachliche Begründung einfach
behauptet. Weshalb ein an der Kanalisation angeschlossenes Einfamilienhaus
für den Nachbarn die Gefahr irgendeiner Gewässerverschmutzung mit sich
bringen soll, ist nicht ersichtlich. Diese in keiner Weise substanzierten
Vorbringen können nicht zur Annahme führen, Kellenberger sei in der Lage
- ähnlich wie Frau Korn in BGE 103 Ib 144 ff. - gewässerschutzrechtlich
geschützte spezifische Interessen geltend zu machen, die über das bloss
faktische Interesse an der Freihaltung der Nachbarparzelle hinausgehen.

    Die oben (lit. a) umschriebene Grundsatzfrage kann somit im
vorliegenden Fall nicht offen gelassen werden.

    c) Die Bezugnahme auf die Schutzrichtung der Norm, d.h. das
Erfordernis, dass das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Interesse von
der angerufenen bundesrechtlichen Vorschrift irgendwie "mitumfasst" sein
müsste, steht nicht nur im Widerspruch zu den Äusserungen in der Doktrin,
sondern entspricht wohl auch dem Ziel nicht, das der Gesetzgeber mit der
Schaffung der Art. 48 VwVG und 103 lit. a OG verfolgte. Durch den Verzicht
darauf, die Legitimation an die Verletzung subjektiver Rechte anzuknüpfen,
sollte die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen
Überprüfung von Verwaltungsakten gegenüber der Legitimationsregelung
bei der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG) grundlegend erweitert
werden. Verwaltungsbeschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurden
gerade auch jenem von einer Verfügung irgendwie Berührten geöffnet, der
nicht rechtlich geschützte Interessen geltend machen kann, aber durch
faktische Interessen der Streitsache doch wesentlich näher steht als
irgendein Dritter. Wird aus dem Erfordernis der Schutzwürdigkeit aber
abgeleitet, es müsse ein Zusammenhang zwischen dem vom Beschwerdeführer
geltend gemachten Interesse und der Schutzrichtung der angerufenen Norm
bestehen, so ergibt sich praktisch eine wesentliche Einschränkung, welche
die Legitimation gemäss Art. 103 lit. a OG wiederum stark der durch die
Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts begründeten Legitimation
gemäss Art. 88 OG annähert. Da der Gesetzgeber aber das Tor zur
Überprüfungsmöglichkeit - vor allem auch im Interesse einer einheitlichen
Anwendung des Bundesverwaltungsrechts - weit öffnen wollte, dürfte eine
restriktive Interpretation der gewählten Formulierung der ratio legis von
Art. 48 VwVG und Art. 103 lit. a OG kaum entsprechen. Berücksichtigt man
noch, dass zwei kantonale Verwaltungsgerichte bei der Auslegung analoger
kantonaler Vorschriften ihre frühere Praxis, wonach zwischen dem privaten
Interesse des Beschwerdeführers und der Schutzrichtung der angerufenen
Vorschrift ein direkter Zusammenhang bestehen müsse, in neuerer Zeit
als unbefriedigend aufgegeben haben, so erscheint es nicht angezeigt,
jetzt bei der Auslegung der bundesrechtlichen Legitimationsbestimmungen
dieses bisher nicht verwendete Kriterium einzuführen und die Legitimation
von der Übereinstimmung zwischen den privaten Interessen des Rekurrenten
und der Schutzrichtung der angerufenen Norm abhängig zu machen.

    d) Kellenberger wird als unmittelbarer Nachbar durch einen Neubau,
der im Abstand von ca. 20-25 m von seiner Grundstückgrenze errichtet
werden soll, mehr betroffen als jedermann. Auch wenn das Bauvorhaben
seine direkte Aussicht vielleicht nicht beeinträchtigt, so hat er doch
ein erhebliches praktisches Interesse an der Freihaltung des Geländes in
der unmittelbaren Umgebung seines Hauses. Die besonders nahe Beziehung
zum Streitgegenstand lässt sich nicht verneinen. Obschon die angerufenen
Normen - wie bereits dargelegt - nicht den Schutz vorhandener Gebäude gegen
die Überbauung von Nachbargrundstücken bezwecken, ist das Interesse des
Beschwerdeführers daran, dass die Rechtsmittelinstanz sich mit der von ihm
vertretenen Rechtsauffassung auseinandersetze, doch im Sinne der Art. 48
VwVG und 103 lit. a OG schutzwürdig. Kellenberger hat ein genügendes
Rechtsschutzinteresse. Dass er nicht einen eigenen Rechtsanspruch
geltend machen kann, sondern ausschliesslich die unrichtige Anwendung
des dem öffentlichen Interesse dienenden Bundesrechts (Art. 20 GSchG,
Art. 4 BMR) rügt, lässt sein Vorgehen nicht als rechtsmissbräuchlich
erscheinen. Es liegt ja gerade in der Eigenart der vom Gesetzgeber
getroffenen Legitimationsordnung, dass der faktische Nutzniesser einer
im öffentlichen Interesse erlassenen Norm sich, obschon er keinen eigenen
Rechtsanspruch besitzt, auf dem Beschwerdeweg für die Einhaltung der ihn
durch ihre Auswirkungen begünstigenden Vorschriften einsetzen darf,
sofern er zur konkreten Streitsache eine genügend nahe Beziehung
hat. Da die letztere Voraussetzung hier gegeben ist, erscheint der
Beschwerdeführer nach den massgebenden bundesrechtlichen Vorschriften
als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Nach der oben in
Erwägung 4 dargelegten Rechtsprechung muss er daher auch im kantonalen
Verfahren als zur Beschwerde befugt betrachtet werden. Der angefochtene
Nichteintretensentscheid des Regierungsrates ist somit aufzuheben.