Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 221



104 Ib 221

36. Auszug aus dem Urteil vom 5. Mai 1978 i.S. Burgergemeinde Aarwangen
gegen Eidg. Departement des Innern Regeste

    Art. 31 FPolG, Art. 26 FPolV; gewichtiges, das Interesse an der
Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis für die Rodung; Rodung zum Zweck
der Kiesausbeutung.

    Interessenabwägung zwischen Kiesausbeutung und Walderhaltung
(Erw. 3-8).

Sachverhalt

    A.- Die Burgergemeinde Aarwangen ist Eigentümerin des bewaldeten
Grundstückes Nr. 64 Banwald in Aarwangen. Es liegt im Westen des
Gemeindegebietes, ungefähr 1,5 km vom Ortskern entfernt. Zum Teil grenzt
es an die Aare. Etwa 2 km westlich davon soll das Kernkraftwerk Graben
errichtet werden, für dessen Bau bereits Bewilligungen erteilt wurden. Das
Grundstück liegt in der Zone B der Gewässerschutzkarte des Kantons Bern.

    In den Krisenjahren vor dem letzten Weltkrieg begann die
Einwohnergemeinde Aarwangen im Waldgebiet Kies abzubauen. Der Betrieb
in dieser sogenannten "Risi"-Grube wurde im Laufe der Zeit immer weiter
ausgedehnt. Das Recht zur Kiesentnahme beruht gegenwärtig auf einem
mit der Burgergemeinde am 10. Mai 1966/18. November 1976 abgeschlossenen
Baurechts- und Kiesausbeutungsvertrag; danach gestattet die Burgergemeinde
der Einwohnergemeinde die Kiesausbeutung auf ihrem Grundstück und die
Errichtung der dafür nötigen Anlagen gegen eine Entschädigung von Fr. 1.-
für jeden m3 entnommenen Materials.

    Um den Grubenbetrieb ausweiten zu können, waren verschiedene Rodungen
nötig. Die letzten Rodungsbewilligungen datieren aus den Jahren 1967
und 1973. Bewilligungsbehörde war in beiden Fällen der Regierungsrat
des Kantons Bern. Mit der Rodungsbewilligung vom 25. August 1967 wurde
die Rodung einer Fläche von 116,5 Aren bewilligt; nachträglich erwies
es sich als nötig, die Rodung von 40 weitern Aren zu bewilligen, was am
7. November 1967 geschah. Sodann wurde mit Beschluss vom 30. Mai 1973 die
Rodung von 77,70 Aren und von weiteren 164 Aren bewilligt; die Rodung
hatte etappenweise zu erfolgen und die Bewilligung ist bis Ende 1978
befristet. In allen Fällen sind Ersatzaufforstungen an Ort und Stelle
vorgeschrieben worden. Die Burgergemeinde ist dieser Verpflichtung bisher
nur in ungenügendem Masse nachgekommen. In keiner der Bewilligungen war
der Gesuchstellerin die Erteilung weiterer Bewilligungen in Aussicht
gestellt worden; es wurde aber auch nicht festgestellt, dass weitere
Rodungen zur Kiesausbeutung nicht mehr bewilligt werden könnten.

    Die Einwohnergemeinde Aarwangen tätigte im Laufe der Jahre für die
Kiesausbeutung in der "Risi"-Grube grössere Investitionen. In den Jahren
1966/67 baute sie die Kiesaufbereitungsanlage mit einem Aufwand von Fr.
568'500.- aus. Seit 1970 machen die Investitionen, eigene Arbeiten
eingerechnet, rund Fr. 500'000.- aus. Die Anlagen sind buchmässig heute
weitgehend abgeschrieben. In der Vermögensrechnung der Einwohnergemeinde
pro 1976 ist die Kiesaufbereitungsanlage noch mit Fr. 1.- aufgeführt,
ebenso der Maschinenpark. Real dürfte der Wert der vorhandenen Anlagen
jedoch erheblich über diesen Rechnungswerten liegen. In der Grube sind
zur Zeit 5 Arbeitskräfte und einige Aushilfsarbeiter beschäftigt. Mit
dem Kies aus der Grube wird ein grosser Kundenkreis beliefert.

    Die Einwohnergemeinde Aarwangen erwirtschaftet aus dem Betrieb
der Kiesgruben in der letzten Zeit jährlich einen Ertrag zwischen
Fr. 300'000.- bis 400'000.-, der für die Deckung der allgemeinen
Gemeindeausgaben verwendet wird. Nach Ausweis der Gemeinderechnung 1976
belief sich der Ertrag 1976 auf Fr. 364'726.45; im Jahre 1975 machte er
Fr. 309'263.30 aus. Vom Rohertrag der Grube von rund Fr. 800'000.- wurden
1976 Fr. 17'366.- für Abschreibungen und für Rückstellungen Fr. 30'000.-
verwendet. Bei einem Gesamtaufwand der Gemeinde von rund 5,5 Millionen
Franken schwankt der Anteil des Kiesgeschäftes daran zwischen 5% und
7%. Demgegenüber macht der Ertrag aus ordentlichen Steuern (Einkommens-,
Vermögens-, und Ertragssteuern usw.) rund 3,3 Millionen Franken aus
(ebenso 1975). Die übrigen Steuern brachten rund Fr. 78'000.- ein
(1975: Fr. 59'200.-). Ferner bezog die Einwohnergemeinde Aarwangen aus
dem kantonalen Finanzausgleichfonds 1976 rund Fr. 58'000.-. Insgesamt
schloss die Jahresrechnung pro 1976 mit einem Einnahmenüberschuss von
rund Fr. 6'300.- ab (1975 rund Fr. 3'600.-). Nach Angaben der kantonalen
Behörden liegt die Steuerbelastung in Aarwangen etwas niedriger als in
vergleichbaren Gemeinden der Umgebung. Dagegen soll die Verschuldung
recht hoch sein (13 Millionen Franken) und in nächster Zukunft sollen der
Gemeinde neue erhebliche Belastungen aus Infrastrukturmassnahmen erwachsen.

    Da die Kiesvorräte im gerodeten Gebiet im Jahre 1978 voraussichtlich
erschöpft sein werden, stellte die Burgergemeinde Aarwangen am
24. September 1975 ein neues Rodungsgesuch an das Eidg. Departement des
Innern (EDI), mit dem um die Rodung von 84'000 m2 Wald ersucht wurde. Das
EDI holte Stellungnahmen der kantonalen Behörden ein. Ferner nahmen seine
Organe am 12. Juli 1976 einen Augenschein vor. Am 12. Juli 1977 wies das
Departement das Bewilligungsgesuch ab.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt die Burgergemeinde
Aarwangen, die Verfügung des EDI sei aufzuheben und es sei ihr die
Rodung von 8,4 ha Wald im Banwald zu bewilligen, eventuell die Rodung
von 4,25 ha gemäss Antrag der kantonalen Forstdirektion an das EDI. Die
Einwohnergemeinde Aarwangen beteiligte sich am Beschwerdeverfahren.

    Eine Instruktionskommission des Bundesgerichtes nahm am 16. Januar
1978 einen Augenschein vor. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab,
u.a. aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Gestützt auf Art. 31 und Art. 50 Abs. 2 FPolG hat der Bundesrat in
Art. 26 Abs. 1 FPolV die in konstanter Rechtsprechung vom Bundesgericht
als gesetzeskonform anerkannte Richtlinie aufgestellt, dass Rodungen nur
bewilligt werden dürfen, wenn sich hiefür ein gewichtiges, das in Art. 31
FPolG enthaltene Gebot der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis nachweisen
lässt (BGE 103 Ib 58, E. 1). Art. 26 FPolV bestimmt weiter, dass keine
polizeilichen Gründe gegen die Rodung sprechen dürfen und dass das Werk für
welches die Rodung begehrt wird, auf den vorgesehenen Standort angewiesen
ist. Finanzielle Interessen wie möglichst einträgliche Nutzung des Bodens
oder billige Beschaffung von Land gelten nicht als gewichtiges Bedürfnis.

Erwägung 4

    4.- a) Im Gegensatz zu den häufigen Fällen, in denen die
Waldbeseitigung Platz für die Errichtung eines dauernden Werkes schaffen
soll, wird mit der Rodung zum Zwecke der Kiesausbeutung der Wald nur
vorübergehend beseitigt; durch Auffüllung und Aufforstung der ausgebeuteten
Waldgrundstücke kann langfristig der Wald in seinem ursprünglichen Umfang
am gleichen Ort wiederhergestellt werden. Auch eine solche vorübergehende,
aber doch viele Jahre oder gar Jahrzehnte bestehende Verminderung
des Waldes ist nach dem Sinn und Zweck des Forstpolizeirechtes nur zu
bewilligen, wenn ein gewichtiges Bedürfnis den Verzicht auf die dauernde
Walderhaltung zu rechtfertigen vermag. Andernfalls müsste überall dort,
wo wieder aufgeforstet werden kann, die Rodung bewilligt werden. Damit
gingen in weiten Gebieten die günstigen Auswirkungen, um derentwillen der
Gesetzgeber das Gebot der Walderhaltung erliess, für lange Zeit verloren.

    b) Bei den heutigen Baumethoden braucht es, vor allem auch
im Tiefbau, grosse Mengen Kies. Die Deckung des Kiesbedarfs ohne
übermässige Kosten und lange immissionsreiche Transporte liegt im
öffentlichen Interesse. Abbauwürdige Kiesvorkommen sind im Mittelland nur
in beschränktem Umfang verfügbar. Der Kiesausbeutung stehen in weiten
Gebieten die Erfordernisse des Grundwasserschutzes entgegen (vgl. BGE
103 Ib 298 E. 2). Der Kiesabbau kann der Natur der Sache nach nicht an
irgendeinem Ort erfolgen, sondern nur dort, wo genügend Kies vorhanden
ist und dieser ohne Beeinträchtigung nutzbaren Grundwassers ausgebeutet
werden kann. Dazu kommt, dass wegen der Lärm- und Staubimmissionen
Kiesgruben in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten ausser Betracht fallen
müssen und dass andererseits die Nähe zu den Verbraucherzentren zur
Vermeidung langer Transportwege erwünscht ist. Insofern besteht für die
Errichtung von Kiesgruben und eine Erweiterung von solchen eine relative
Standortgebundenheit (BGE 98 Ib 498 E. 6). Sie kann unter Umständen
ausreichen, um eine Bewilligung zu rechtfertigen. Anderseits gibt der
Umstand, dass ein Werk an nur einem bestimmten Standort errichtet werden
kann, noch keinen Anspruch auf eine Rodungsbewilligung. Ist das Gebiet,
das für die Ausbeute vorgesehen ist, ganz oder teilweise bewaldet,
lässt sich deshalb nicht eine allgemeingültige Regel darüber aufstellen,
ob eine Rodung zu bewilligen ist oder nicht. Ein absoluter Vorrang der
Walderhaltung, solange noch zumutbare Kiesausbeutungsmöglichkeiten auf
landwirtschaftlich genutzten Grundstücken bestehen, lässt sich aus dem
Forstpolizeirecht nicht ableiten. Zwischen dem Interesse an der Erhaltung
des Waldareals in seiner Gesamtheit und dem ebenfalls schützenswerten
Interesse an der Erhaltung einer angemessenen Fläche landwirtschaftlich
nutzbaren Landes ist unter Berücksichtigung landschaftlicher, ökologischer
und verkehrstechnischer Aspekte im Einzelfall zu wählen. Dabei darf auch
dem wirtschaftlichen Interesse an der Weiterführung eines bestehenden
Betriebes Beachtung geschenkt werden (BGE 103 Ib 59, E. 2 b, c und d).

Erwägung 5

    5.- a) Ob die Interessenabwägung von der Vorinstanz richtig vorgenommen
wurde, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, denn die richtige
Interessenabwägung ist Rechtsfrage. Den Vorinstanzen kommt dabei aber ein
gewisser Beurteilungsspielraum zu, insbesondere soweit lokale Verhältnisse
in Betracht fallen, die die Bewilligungsbehörden besser kennen als das
Bundesgericht (BGE 98 Ib 497). Eine entsprechende zurückhaltende Prüfung
rechtfertigt sich ferner, soweit planerische Aspekte einbezogen werden
müssen, für welche die Kantone in erster Linie die Verantwortung tragen.

    b) Der Erteilung der Bewilligung stehen keine polizeilichen Gründe
entgegen. Als Hinderungsgrund käme in erster Linie die nachteilige
Einwirkung der geplanten Rodung auf Gewässer und Grundwasser
in Frage. Art. 32 Abs. 2 GSchG verbietet die Kiesausbeutung in
Grundwasservorkommen, die sich nach Lage und Qualität für die
Wasserversorgung eignen. Doch kann die Ausbeutung über dem nutzbaren
Grundwasser bewilligt werden unter der Bedingung, dass über dem höchsten
möglichen Grundwasserspiegel eine nach den örtlichen Verhältnissen zu
bemessende schützende Materialschicht belassen wird. Die Kantone haben
nach Art. 31 Abs. 1 GSchG Grundwasserareale auszuscheiden. Der Kanton Bern
hat dies getan und die Grundwassergebiete in einer Karte bezeichnet. Auf
Grund dieser Karte ergibt sich, dass die zu rodende Fläche sich in der
Zone B der Gewässerschutzkarte befindet. Es handelt sich um ein Gebiet,
dessen Wasservorkommen für die Versorgung mit Trinkwasser weniger
bedeutend ist. Die Direktion für Verkehr, Energie- und Wasserwirtschaft
des Kantons Bern hat am 7. April 1977 eine Gewässerschutzbewilligung für
die geplante Erweiterung der Kiesgrube unter sichernden Auflagen erteilt
und zwar vorderhand bis auf fünf Jahre. Obwohl angesichts des sich im
Mittelland abzeichnenden Wassermangels auch kleinere Grundwasservorkommen
geschützt werden müssen (vgl. die eidgenössische Verordnung zum Schutze
der Gewässer gegen Verunreinigung durch wassergefährdende Flüssigkeiten
vom 19. Juni 1972, SR 814.226.21), gestattet Art. 32 Abs. 2 den Kiesabbau
unter sichernden Massnahmen. Das EDI erhebt gegen die Erteilung der
Bewilligung keine Einwände. Es drängt sich nicht auf, die Zulässigkeit der
Kiesausbeutung vorfrageweise im Rahmen der Rodungsbeschwerde zu überprüfen.

Erwägung 6

    6.- Der Banwald, der der Burgergemeinde Aarwangen gehört,
erstreckt sich über eine Fläche von rund 35 Hektaren. Für die bisherigen
Erweiterungen der Kiesgrube sind bereits 6 Hektaren gerodet worden. Die
beantragte neue Rodung würde weitere 8,4 Hektaren beschlagen, wäre
also grösser als die bisher gerodete Fläche. Wenn man die Rodung im
Sinne des Eventualantrages beschränkt, würde noch eine Rodung von rund
4 Hektaren bewilligt. Es ist offensichtlich, dass sich damit eine grosse
Beeinträchtigung des sonst zusammenhängenden Waldareals ergeben wird. Die
bestehende Kiesgrube senkt sich in einem talartigen Einschnitt von
beachtlicher Tiefe westwärts bis zum Ufer der Aare hinab. Dort befinden
sich die Anlagen für die Kiesgewinnung. Durch die beabsichtigte Rodung
würde der talartige Einschnitt in den Wald gegen Osten verlängert. In
dieser Richtung ist bereits heute ein Durchblick durch den Wald
auf das offene Gelände möglich, d.h. der verbleibende Waldstreifen
ist verhältnismässig dünn. Es ist beabsichtigt, einen Waldabschnitt
stehen zu lassen. Mit Ausnahme der Aareseite bliebe die Grube somit
noch von einem Waldgürtel von verschiedener Breite umgeben. Von der
Aareseite her betrachtet wirkt der tiefe Einschnitt in das Gelände
störend. Die Beeinträchtigung der Landschaft würde sich bei Bewilligung
der nachgesuchten Rodung erhöhen, und zwar noch während verhältnismässig
langer Zeit, da die Gemeinde mit der Wiederaufforstung im Rückstand ist,
wobei am Augenschein vornehmlich technische Gründe dafür verantwortlich
gemacht wurden. Die Waldränder würden unter Windfall leiden. Das Gebiet
um Aarwangen gilt in dieser Hinsicht als Katastrophengebiet, wie am
Augenschein ausgeführt wurde. Der Wald ist zwar teilweise mit Eichen
durchsetzt; aber auch diese Mischung vermag nach Ansicht der Fachleute das
Umstürzen der Bäume nicht wesentlich zu hindern. Dem ausgedehnten Waldareal
kommt aber ökologisch eine erhebliche Bedeutung zu. Er darf deshalb ohne
zwingende Gründe nicht verkleinert oder gefährdet werden. Von Bedeutung
ist auch, ob es sich bei dem zu rodenden Wald um wertvollen oder bloss
minderwertigen Wald handelt. Je höherwertig der Wald ist, desto mehr ist
er zu schonen und umsomehr ist dem Gesuchsteller zuzumuten, sein Werk an
einer Stelle zu errichten, an der keine Rodung wertvollen Waldes nötig
ist. In dieser Hinsicht hat das Kreisforstamt Langenthal die Verhältnisse
eingehend abgeklärt. Danach gehört der Banwald zu den produktivsten der
Schweiz. Durch das Abräumen des natürlich entstandenen Waldbodens und
Wiederaufforstung auf zugeführtem Rohboden nach der Kiesausbeutung ist
danach mit einer Verschlechterung der Bonität des Standortes zu rechnen.

Erwägung 7

    7.- a) Die Interessen der Beschwerdeführerin und der Einwohnergemeinde
Aarwangen an der Rodung sind vorwiegend finanzieller Natur. Nach Art. 26
Abs. 3 VPolV gelten finanzielle Interessen, wie möglichst einträgliche
Nutzung des Bodens oder billige Beschaffung von Land, nicht als gewichtige
Bedürfnisse im Sinne von Abs. 2. Diese Richtlinie ist auch für die
Beurteilung von Rodungsgesuchen öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu
beachten (BGE 103 Ib 52 E. 5 b). Dass ein Gemeinwesen für bedeutende,
im öffentlichen Interesse liegende Werke wie Strassen, Kanalisationen,
Schulhäuser usw. Mittel braucht und mit ihrer Beschaffung auf dem
ordentlichen Weg Mühe hat, kann an sich kein Grund sein, durch Bewilligung
einer Rodung die weitere Ausbeutung einer Kiesgrube zu ermöglichen. Damit
würde das Walderhaltungsgebot in weitem Masse in Frage gestellt; denn für
die Gemeinden und Bürgergemeinden als Waldeigentümer wäre die Versuchung
gross, bedeutende Bauvorhaben mindestens teilweise durch Waldrodung zu
finanzieren. Aus grundsätzlichen Erwägungen ist wegen der Konsequenzen
für die gesamte Forstpolizei die Überlegung abzulehnen, eine Rodung dürfe
zur Beschaffung finanzieller Mittel bewilligt werden, wenn der Erlös für
die Erfüllung einer dringenden öffentlichen Aufgabe bestimmt sei (BGE
103 Ib 53 E. 5c). Ob allenfalls in Extremfällen, etwa bei Gemeinden, die
sich in einer Notlage befinden und ihre öffentlichen Aufgaben nicht mehr
richtig erfüllen können, eine Ausnahme von dieser Regel zu machen ist,
kann dahingestellt bleiben, denn die beiden Gemeinden befinden sich in
keiner solchen Situation.

    b) Die Burgergemeinde besitzt relativ viel Wald, nämlich ungefähr
295 Hektaren. Zur Zeit erwachsen ihr aus dem Unterhalt der Waldungen
Kosten, die sie aus dem Waldertrag allein nicht decken kann. Die von der
Einwohnergemeinde geleistete Entschädigung für die Kiesausbeute bildet
deshalb für die Burgergemeinde eine willkommene zusätzliche Einnahme. Nach
den eingehenden Berechnungen des Forstmeisters des Mittellandes wäre es
aber möglich, durch eine intensivere Bewirtschaftung des Waldes den Ausfall
zu decken, den sie erfährt, wenn die weitere Kiesausbeutung nicht mehr
möglich ist. Nach dem Wegfall dieser Einnahmen käme die Gemeinde daher
nicht in eine ausweglose Lage; sie verfügt übrigens über ein Vermögen
von ungefähr 3,6 Millionen Franken.

    Die Burgergemeinde hat aber darüber hinaus ein gewisses Interesse
daran, der Einwohnergemeinde entgegenzukommen, wenn sie ihr die Kieslager
zur Ausbeute überlässt; das kann zum erwünschten guten Einvernehmen
zwischen den beiden Gemeinwesen beitragen. Aber auch dieses Interesse
muss unter Umständen vor dem Gebot der Walderhaltung zurücktreten.

    c) Die Gemeinde Aarwangen hat aus der Kiesausbeute bisher einen
bedeutenden Nutzen gezogen. Sie hat demgemäss ihre Steuern verhältnismässig
niedrig halten können. Seit 1960 hat sie einen starken Bevölkerungszuwachs
zu verzeichnen. Im Jahre 1960 zählte sie rund 2500 Einwohner, 1975 bereits
rund 3500; der grösste Zuwachs ergab sich zwischen 1960 und 1970. Es ist
ohne weiteres anzunehmen, dass die Gemeinde, um mit dem Bevölkerungszuwachs
Schritt halten zu können, einen grossen Aufwand für die Verbesserung ihrer
Infrastruktur auf sich nehmen muss; das aufgenommene Fremdkapital soll
sich auf rund 13 Millionen Franken belaufen. Ihre Steueranlage liegt aber
mit 2,5 ungefähr im Durchschnitt der umliegenden Gemeinden mit Ausnahme der
ausgesprochenen Industriegemeinden wie Langenthal usw. Fallen die Einnahmen
aus der Kiesausbeute weg, wird die Gemeinde ihren Abgabensatz erhöhen
müssen. In eine Notlage gerät sie deswegen nicht. Es rechtfertigt sich
deshalb nicht, ihr die Fortsetzung der Kiesgewinnung durch Erteilung einer
weitern Rodungsbewilligung zu ermöglichen. Wenn die Gemeinde ihre Ausgaben
zur Hauptsache aus dem Steueraufkommen bestreiten muss, befindet sie sich
in keiner ungünstigeren Situation als die meisten Schweizer Gemeinden, die
zur Deckung ihrer Ausgaben auch nicht auf den Kiesverkauf zurückgreifen
können. Die Berufung auf die Finanzlage der beiden Gemeinden vermag die
Erteilung einer weitern Rodungsbewilligung nicht zu rechtfertigen.

    d) Die Einwohnergemeinde macht weiter geltend, sie habe in die
technischen Anlagen für die Kiesgewinnung erhebliche Summen investiert. Aus
den Gemeinderechnungen ergibt sich jedoch, dass die Anlagen auf einen
pro-memoria-Wert abgeschrieben worden sind, so dass ihr wirtschaftlicher
Wert rechnungsmässig ausser Betracht fällt. Die Gemeinde wendet gegen die
Betrachtungsweise ein, in Wirklichkeit habe zwar eine Abschreibung, aber
keine Amortisation der Investitionen stattgefunden. Diese Auffassung ändert
aber nichts daran, dass die Anlagen abgeschrieben sind. Im übrigen kann die
Tatsache, dass erhebliche Investitionen erfolgt sind, nicht dazu führen,
dass deswegen eine Rodungsbewilligung erteilt werden müsste. Andernfalls
könnte eine Gemeinde eine Rodungsbewilligung erzwingen, indem sie kurz
vor Stellung des Rodungsgesuches erhebliche Investitionen tätigt. Ist die
Weiterführung eines Betriebes davon abhängig, dass eine Rodungsbewilligung
erteilt wird, muss die Gesuchstellerin berücksichtigen, dass für die Rodung
eine Bewilligung vorliegen muss, auf die sie keinen Rechtsanspruch hat,
und muss ihr Verhalten danach einrichten. Das gilt sowohl für private
Unternehmen (nicht veröffentlichtes Urteil Société gravière de Châtillon
S.A. vom 2. März 1973 E. 5) als auch für Unternehmen der öffentlichen
Hand. Es kann deshalb auch nicht entscheidend darauf ankommen, dass die
Anlagen noch funktionstüchtig sind und an sich einen erheblichen Wert
besitzen, obwohl sie rechnungsmässig abgeschrieben sind.

    Aus grundsätzlichen Überlegungen kann auch nicht darauf Rücksicht
genommen werden, dass bei einer Stillegung der Anlage die Arbeiter, die zur
Zeit mit der Kiesausbeutung in der Grube beschäftigt sind, dort nicht mehr
weiter beschäftigt werden können. Es dürfte nicht allzu schwer sein, ihnen
neue Arbeitsplätze zu verschaffen, eventuell im Gemeindedienst selbst.

Erwägung 8

    8.- a) Die Beschwerdeführerin und die Einwohnergemeinde Aarwangen
machen darüber hinaus geltend, der Kiesabbau in der "Risi"-Grube sei
notwendig, um eine sinnvolle Kiesversorgung in der Region zu sichern.

    Vom technischen Standpunkt aus ist die Grube für den Kiesabbau
geeignet. Es ist davon auszugehen, dass sie nicht in einem für die
Versorgung mit Grundwasser nötigen Areal liegt. Sie befindet sich ferner
abseits bewohnter Gebiete und auch nicht so weit von den Hauptverkehrsadern
entfernt, dass sich übermässig lange Zu- und Abfahrtswege ergeben. Im
weitern ergibt sich aus den Akten, dass der Kundenkreis, der Kies aus der
Grube kauft, recht gross ist. Die Abnehmer befinden sich zum grössten Teil
im Raume Langenthal und dem angrenzenden Kanton Luzern. Der eine oder
andere Kunde hat seinen Geschäftssitz auf der linken Aareseite. Gemäss
der Stellungnahme der Einwohnergemeinde Aarwangen zur Vernehmlassung des
Schweizerischen Bundes für Naturschutz scheint zwischen den Kieslieferanten
in der Gegend eine Art Gebietskartell zu bestehen. Für die Belieferung der
meisten Kunden ist die "Risi"-Grube günstig gelegen. Es kann aber darauf
allein nicht ankommen. Dagegen wäre von erheblichem Gewicht der Umstand,
dass die Kiesversorgung der Region nicht mehr gewährleistet wäre, sofern
der Kiesabbau in der "Risi"-Grube eingestellt werden müsste. In dieser
Hinsicht liegen Schätzungen von Seiten der kantonalen Behörden vor. Danach
gibt es im Umkreis von 5 km Luftlinie noch fünf weitere Kiesgruben,
nämlich in Berken, Walliswil, Niederbipp, Bannwil und Oesingen und eine
weitere, die Grube der Firma König AG, in Aarwangen selbst. Insgesamt
wird die abbaufähige Menge auf 6,2 Millionen Kubikmeter geschätzt. Im
Umkreis von 5 bis 10 km sind 10 weitere, grössere Kiesgruben zu finden mit
einer abbaufähigen Menge von rund 12 Millionen Kubikmeter. Die bernischen
Behörden schätzen, dass auch bei Stillegung der "Risi"-Grube der Kiesbedarf
in der Region noch etwa 15-20 Jahre lang gedeckt werden könne.

    Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass das rechts der Aare liegende
Gebiet zusammen mit dem angrenzenden Teil des Kantons Luzern eine
eigene, mehr oder weniger geschlossene Wirtschaftsregion bilde, die auch
aus der Region mit Kies beliefert werden sollte. Von den angeführten
Kiesausbeutungen liege die "Risi"-Grube am günstigsten. Das Material
aus der Grube sei qualitativ hochstehend. Die ebenfalls rechts der
Aare liegende Kiesgrube der König AG diene lediglich dem firmeneigenen
Bedarf, zähle also nicht voll mit. Ausserdem werde für die Infrastruktur
des geplanten Atomkraftwerkes Graben enorm viel Kies verwendet werden
müssen. Auch sei dem Interesse an der Weiterführung des bestehenden
Betriebes Rechnung zu tragen. Die in der weitern Umgebung auf bernischem
Gebiet liegenden Gruben lägen zum grössten Teil in den Grundwasserzonen A,
eine in der Zone S 2, so dass früher oder später die Kiesausbeutung dort
auf gewässerschutzrechtliche Schranken stossen werde. Schliesslich macht
die Beschwerdeführerin geltend, Transporte aus den Gruben links der Aare
würden wegen der prekären Verkehrssituation bei der Aarebrücke Aarwangen
auf grosse Schwierigkeiten stossen.

    Eine Würdigung der Lage der Gruben zeigt, dass ein erheblicher
Teil davon jenseits der Aare liegt und dass die Gegend um Langenthal
verhältnismässig wenig Gruben aufweist. Der Kies muss für eine richtige
Versorgung deswegen z.T. über die Aare transportiert werden. Es trifft
auch zu, dass die dem Raume Langenthal zunächst liegende Aarebrücke
in Aarwangen schmal ist und ein Hindernis für den flüssigen Verkehr
bildet. Zwar ist beabsichtigt, den Aareübergang zu sanieren, doch wird das
noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Dagegen ist auf der andern Seite
ungewiss, wann das geplante Kernkraftwerk Graben gebaut werden wird,
so dass nicht anzunehmen ist, die Bedarfsschätzung durch die kantonale
Behörde sei unrealistisch. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass das
Wirtschaftswachstum sich verlangsamt hat und damit auch die Kiesnachfrage
nicht mehr wesentlich über den bisherigen Stand steigen wird.

    Die Ausdehnung des Kiesabbaus in der "Risi"-Grube bietet gegenüber
andern Beschaffungsarten zweifellos Vorteile für die Region. Ihnen steht
der Umstand gegenüber, dass der Kiesbedarf der Region auch ohne die
Erweiterung der "Risi"-Grube für die nächsten 15-20 Jahre gesichert
ist und bei der weitern Erschliessung dieser Grube ein wertvolles
Waldgrundstück geopfert werden muss. Es ist auch zu berücksichtigen,
dass anders als bei der Erweiterung des Kieswerkes Gunzgen (BGE 103 Ib
54 ff.) keine kantonale Planung der künftigen Kiesausbeutung vorliegt,
die darauf verweisen würde, dass die Kiesgewinnung unter Einbezug der
"Risi"-Grube in der Gegend von Aarwangen konzentriert werden müsste.

    c) Bei gesamthafter Beurteilung kann nicht gesagt werden,
die Vorinstanz habe bei der Interessenabwägung Bundesrecht
verletzt. Hinsichtlich der für und gegen die Rodung sprechenden Gründe
kann ihr nicht vorgeworfen werden, sie habe für ihren Entscheid nicht
alle Gesichtspunkte berücksichtigt. Ferner überschreitet die Gewichtung
der konkreten Interessen jedenfalls den im Rahmen von Art. 26 FPolV zu
berücksichtigenden Beurteilungsspielraum nicht. Mit Rücksicht auf die vom
Bundesgericht in dieser Beziehung zu übende Zurückhaltung (vgl. vorne E.
5a) führt die gerichtliche Überprüfung zum Ergebnis, dass die Auffassung
der Vorinstanz, das öffentliche Interesse an der dauernden, integralen
Erhaltung des betroffenen Waldes überwiege das öffentliche Interesse
an der Weiterführung der Kiesausbeutung am vorgesehenen Ort, auf einer
sachlich überzeugenden Abwägung beruht und deshalb mit Art. 26 FPolV im
Einklang steht.

    Vorbehalten bleibt zudem eine allfällige erneute Prüfung eines
Rodungsgesuchs bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse,
wie insbesondere beim Vorliegen eines entsprechenden kantonalen
Kiesausbeutungskonzepts und beim allfälligen Bau des geplanten
Kernkraftwerks Graben.