Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 123



104 Ib 123

22. Urteil vom 30. August 1978 i.S. A. gegen Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement Regeste

    Art. 99 lit. e OG; Art. 81 Abs. 4 Verordnung des Bundesrates über
Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge vom 27. August 1969 (BAV).

    1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid
über die Befreiung von der Typenprüfung für Fahrzeuge gemäss Art. 81
Abs. 4 BAV (E. 1).

    2. Weiter Ermessensspielraum der Eidg. Polizeiabteilung bei der
Prüfung eines Gesuchs um Befreiung von der Typenprüfung (E. 2).

Sachverhalt

    A.- K. und M. A. stellten der Eidg. Polizeiabteilung am 7.  Juli 1977
das Gesuch um Befreiung zweier von ihnen in die Schweiz eingeführter
Kleinmotorräder der Marke Puch-Maxi von der Typenprüfung. Ihrem Gesuch
wurde nicht entsprochen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das
Eidg. Justiz- und Polizeidepartement am 5. Oktober 1977 ab. Gegen diesen
Entscheid legten K. und M. A. beim Bundesrat Beschwerde ein.

    Ein Meinungsaustausch zwischen Bundesrat und Bundesgericht (Art. 96
Abs. 2 OG) ergab, dass nicht der Bundesrat, sondern das Bundesgericht
zur Beurteilung der Beschwerde zuständig war. Durch Beschluss des
Bundesrates vom 26. Mai 1978 wurde deshalb die Beschwerde dem Bundesgericht
übergeben. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragt die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde richtet sich gegen einen gestützt auf Art.
81 Abs. 4 der Verordnung des Bundesrates über Bau und Ausrüstung der
Strassenfahrzeuge vom 27. August 1969 (BAV) erlassenen Beschwerdeentscheid
des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes. Es handelt sich dabei um eine
Verfügung im Sinne von Art. 97 OG/Art. 5 VwVG, welche von einer Behörde
gemäss Art. 98 lit. b OG getroffen wurde. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist demnach grundsätzlich zulässig, sofern nicht ein Ausschlussgrund
gemäss Art. 99 ff. OG vorliegt. In Betracht fällt einzig die Ausnahme
von Art. 99 lit. e OG, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
die Erteilung oder Verweigerung von Bau- und Betriebsbewilligungen für
technische Anlagen oder für Fahrzeuge unzulässig ist.

    a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann aus Art. 99 lit
e OG zwar nicht abgeleitet werden, dass Verfügungen in Angelegenheiten
technischer Natur nie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen. Diese
Bestimmung ist aber zumindest dann anwendbar, wenn es um das Ergebnis
einer Typenprüfung geht, womit in abstrakter Weise über das technische
Genügen einer Anlage befunden wird (BGE 103 Ib 152; 100 Ib 222). Danach
besteht kein Zweifel daran, dass die Erteilung bzw. Verweigerung der
Typengenehmigung aufgrund der Typenprüfung unter Art. 99 lit. e OG
fällt. Es fragt sich, ob der Entscheid über die Befreiung von der
Typenprüfung dem eigentlichen Bewilligungsentscheid gleichgestellt
werden kann. Der Wortlaut von Art. 99 lit. e OG spricht nur von der
Erteilung oder Verweigerung einer Betriebsbewilligung, nicht auch von
der Gewährung bzw. Nichtgewährung einer Befreiung vom Erfordernis der
Betriebsbewilligung. Vom Zweck der Bestimmung und von der Sache her
erscheint indessen eine Gleichstellung geboten, wenn für die Befreiung
von der Typenprüfung analog wie bei der Typenprüfung technische Fragen
massgebend sind, die für eine gerichtliche Beurteilung ungeeignet sind.
Falls hingegen für die materielle Beurteilung des Befreiungsgesuchs
technische Aspekte keine oder bloss eine untergeordnete Rolle spielen,
ist der in Art. 99 lit. e OG genannte Ausschlusstatbestand nicht erfüllt.
   b) Art. 81 Abs. 4 BAV lautet wie folgt:

    "Die Eidg. Polizeiabteilung kann auf Gesuch hin eine Fahrzeug- oder

    Bestandteilserie von der Typenprüfung befreien, wenn kein öffentliches

    Interesse daran besteht, namentlich wenn die Serien sehr klein, die

    Fahrzeuge nicht für den Verkehr auf öffentlichen Strassen bestimmt
oder von
   geringer Verkehrsbedeutung sind."

    Gemäss Art. 11 Abs. 1 SVG darf der Fahrzeugausweis nur erteilt werden,
wenn das Fahrzeug den Vorschriften entspricht und verkehrssicher ist. Der
Feststellung dieser Voraussetzungen dienen die in Art. 12 SVG erwähnte
Typen- und die in Art. 13 SVG genannte Einzelprüfung. In Art. 13 Abs. 2
SVG wird der Bundesrat ermächtigt, den Verzicht auf die Einzelprüfung
von typengeprüften Fahrzeugen vorzusehen. Sowohl die Typen- wie auch
die Einzelprüfungen bezwecken somit die Prüfung der Fahrzeuge auf ihre
vorschriftskonforme Ausführung und Verkehrssicherheit hin. Der gesetzlichen
Regelung ist auch zu entnehmen, dass kein Fahrzeug zum Verkehr zugelassen
werden darf, wenn nicht mindestens eine der beiden Prüfungen vorgenommen
worden ist. Dabei werden Fahrzeuge, bei denen mittels der Typenprüfung
die Übereinstimmung der Serie mit den Vorschriften und ihrer Eignung
für den vorgesehenen Gebrauch festgestellt worden ist (Art. 80 Abs. 1
BAV), entweder von der Einzelprüfung befreit (Art. 82 Abs. 2 und 3 BAV)
oder einer bloss einschränkenden Einzelprüfung unterworfen (Art. 82
Abs. 4 erster Satz BAV). Nicht typengeprüfte Fahrzeuge sind hingegen
einer umfassenden Einzelprüfung zu unterziehen, d.h. sie sind darauf
hin zu kontrollieren, ob sie den Vorschriften entsprechen und für den
beabsichtigten Gebrauch betriebssicher sind (Art. 82 Abs. 4 letzter
Satz BAV).

    Demnach unterstehen die nicht typengeprüften Fahrzeuge ausnahmslos der
umfassenden Einzelprüfung, deren Inhalt mit der Typenprüfung identisch ist.
Daraus erhellt, dass bei der Beurteilung eines Gesuchs um Befreiung von
der Typenprüfung nicht ein Risiko abzuschätzen ist, das sich aus der
Beschaffenheit und dem vorgesehenen technischen Gebrauch des Fahrzeugs
ergeben kann. Die Risikoabschätzung, welche unzweifelhaft Gegenstand
technischen Ermessens ist, obliegt nicht dem über das Befreiungsgesuch
Verfügenden, sondern dem Experten, der nach erfolgter Befreiung von der
Typenprüfung anlässlich der Einzelprüfung darüber zu befinden hat, ob das
Fahrzeug den Vorschriften entspricht und für den vorgesehenen Gebrauch
betriebssicher ist.

    Auch die vom Gesuchsteller für die Befreiung von der Typenprüfung
verlangten technischen Angaben dienen nicht einer technischen Beurteilung
bezüglich der Beschaffenheit und der Eignung des Fahrzeugs zum vorgesehenen
Gebrauch, sondern der Abklärung über die Einteilung des Fahrzeugs in
eine bestimmte Kategorie sowie zur Feststellung, ob nicht ein und
dieselbe Person in verschiedenen Gesuchen für identische Fahrzeuge
die Befreiung verlangt. Im Rahmen des Befreiungsverfahrens wird einzig
die Übereinstimmung mit den Abgasvorschriften kontrolliert. Für diese
Kontrolle bedarf es indessen keiner technischen Kenntnisse und technisches
Ermessen ist nicht im Spiel. Es geht dabei einzig um die Feststellung, ob
die in den ausländischen Unterlagen oder im Bericht der EMPA aufgeführten
Werte, welche in absoluten Zahlen aufgeführt werden, die vorgeschriebenen
Höchstwerte überschreiten oder nicht.

    Die Kriterien, welche bei der materiellen Beurteilung eines Gesuchs
um Befreiung von der Typenprüfung entscheidend sind, sind demgegenüber
verwaltungsökonomischer Art. Serien mässig hergestellte Fahrzeuge weisen
alle dieselben Grundelemente auf (Form, Abmessungen, Gewicht usw.). Aus
diesem Grund ist es überflüssig, jedes einzelne Fahrzeug der Serie in allen
Punkten zu überprüfen. Es genügt in diesen Fällen die eingehende Prüfung
eines einzigen Fahrzeugs. Bei allen anderen Fahrzeugen desselben Typs
genügt dann eine Kontrolle der wesentlichsten Punkte. Dieses Vorgehen hat
den Vorteil, dass die Typenprüfung angesichts der zur Verfügung stehenden
Zeit und der Anzahl von Experten viel eingehender durchgeführt werden kann,
als dies bei der Vornahme einer umfassenden Einzelprüfung aller Fahrzeuge
möglich wäre (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines BG über
den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II S. 19 f.). Mit der
Einführung der verbindlichen Typenprüfung durch das SVG und dem dadurch
ermöglichten Verzicht auf die Einzelprüfung bzw. der damit möglich
werdenden Beschränkung des Umfangs der Einzelprüfung für typengeprüfte
Fahrzeuge wurden Fachleute freigesetzt. Sie konnten eingesetzt werden
für eingehendere Einzelprüfungen nicht typengeprüfter Fahrzeuge sowie für
die periodischen Fahrzeugkontrollen. Der Zweck der Typenprüfung besteht
somit darin, durch die Entlastung von Experten bei den Einzelprüfungen die
vorhandenen Kontrollmittel im Dienst der Verkehrssicherheit effizienter
einzusetzen (vgl. Botschaft aaO und S. 21).

    Die Durchführung der Typenprüfung obliegt der Typenprüfungsstelle
der Eidg. Polizeiabteilung (Art. 98 Abs. 1 der Verordnung des Bundesrates
über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom
27. Oktober 1976 (VZV)), diejenige der Einzelprüfung den kantonalen
Behörden (Art. 105 Abs. 3 VZV). Nach erfolgter Typenprüfung meldet
die Eidg. Typenprüfungsstelle die anlässlich der Kontrolle gemachten
Feststellungen allen kantonalen Motorfahrzeugkontrollen, damit sie
sich bei der Zulassung von seriengleichen Fahrzeugen zum Verkehr darauf
stützen können. Diese administrativen Umtriebe rechtfertigen sich nun
nicht, wenn von einer im Ausland gefertigten Serie bloss eines oder ganz
wenige Fahrzeuge eingeführt werden und für die Zukunft keine weiteren
Einfuhren dieses Fahrzeugtyps zu erwarten sind. In diesen Fällen ist es
verwaltungsökonomischer, wenn bloss im betroffenen Kanton die Einzelprüfung
durchgeführt wird.

    Zur irrtümlichen Annahme, für den Entscheid über die Befreiung von
der Typenprüfung seien auch technische Aspekte massgebend, kann der etwas
unglücklich formulierte Text des Art. 81 Abs. 4 BAV verleiten, insoweit
er ein öffentliches Interesse an der Typenprüfung verneint, wenn Fahrzeuge
nicht für den Verkehr auf öffentlichen Strassen bestimmt oder von geringer
Verkehrsbedeutung sind. Die Fahrzeuge, welche nicht für den Verkehr auf
öffentlichen Strassen bestimmt sind, unterstehen indessen dem SVG nicht
(Art. 1 SVG) und bedürfen vor ihrem Gebrauch weder einer Typen- noch
einer Einzelbewilligung. Art. 81 Abs. 4 BAV hat somit in bezug auf diese
Fahrzeuge ohnehin kein Anwendungsfeld. Was andererseits die Fahrzeuge von
geringer Verkehrsbedeutung anbelangt, so kann es sich nach dem erwähnten
Zweck der Befreiung von der Typenprüfung bloss um solche handeln, die
angesichts ihrer Anzahl von geringer Verkehrsbedeutung sind.

    Aufgrund dieser Überlegungen rechtfertigt es sich deshalb nicht,
Entscheide über die Befreiung von der Typenprüfung dem Ausnahmetatbestand
des Art. 99 lit. e. OG zu unterstellen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist somit zulässig.

Erwägung 2

    2.- Art. 81 Abs. 4 BAV ist eine blosse Kann-Vorschrift. Sie räumt
der Eidg. Polizeiabteilung dementsprechend für die Prüfung eines Gesuchs
um Befreiung von der Typenprüfung einen weiten Spielraum des Ermessens
ein. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann zudem die Rüge,
die Verweigerung der Befreiung von der Typenprüfung sei unangemessen,
nicht erhoben werden (Art. 104 lit. c OG). Die Überprüfung durch das
Bundesgericht beschränkt sich demnach nachfolgend auf die Frage, ob
die Vorinstanz das ihr gemäss Art. 81 Abs. 4 BAV eingeräumte Ermessen
überschritten oder missbraucht hat (Art. 104 lit. a OG).

    Die von den Beschwerdeführern eingeführten Motorräder gehören zu einer
Serie von 90 gleichzeitig eingeführten Fahrzeugen des gleichen Typs. Es
werden also, gesamthaft betrachtet, nicht bloss ganz wenige Fahrzeuge einer
Serie in Verkehr gebracht, für die sich die Vornahme einer Typenprüfung
nicht lohnen würde. Es wäre daher gestützt auf das öffentliche Interesse
an einer effizienten Verwaltungstätigkeit nicht zu verantworten, durch
die Befreiung von der Typenprüfung 90 umfassende Einzelprüfungen gemäss
Art. 82 Abs. 4 letzter Satz BAV zu veranlassen. Die Vorinstanz hat mit der
Ablehnung der Befreiung von der Typenprüfung das ihr zustehende Ermessen
klarerweise nicht überschritten oder missbraucht. Die Beschwerde ist
daher offensichtlich unbegründet und deshalb abzuweisen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.