Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 425



104 Ia 425

63. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1978 i.S. Anderes und
Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Zürich Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Finanzreferendum.

    In welchem Umfang sind nachträgliche Projektänderungen ohne erneute
Kreditbewilligung zulässig?

    In welchem Umfang darf eine Ausgabe in Teile oder Etappen aufgegliedert
werden?

Sachverhalt

    A.- Im Kanton Zürich wurden die Ausgaben für den Bau von
Hochleistungsstrassen mit der Annahme der "Initiative für Demokratie
im Strassenbau" dem Finanzreferendum unterstellt, dem sie nach der
zuvor geltenden gesetzlichen Ordnung entzogen waren. Am 21. August 1977
reichten Albert Anderes und Mitbeteiligte beim Regierungsrat des Kantons
Zürich das Begehren ein, der Kredit für die Umfahrung von Uster sei der
Volksabstimmung zu unterbreiten. Der Regierungsrat wies dieses Begehren
mit Beschluss vom 1. Februar 1978 ab, im wesentlichen mit der Begründung,
die mit der Annahme des Volksbegehrens getroffene Neuregelung gelte
nur für Ausgaben, die nach Inkrafttreten der neuen Ordnung beschlossen
würden. Das sei beim Kredit für die Umfahrung von Uster nicht der Fall,
da er noch unter dem alten Recht bewilligt worden sei. In der gegen
den Regierungsratsbeschluss erhobenen Stimmrechtsbeschwerde wird unter
anderem geltend gemacht, zwischen dem Bauvorhaben, das jetzt zur Ausführung
gelange, und dem Projekt, für das seinerzeit ein Kredit bewilligt worden
sei, bestehe keine Identität. Für das nunmehr in Frage stehende Bauvorhaben
sei deshalb keine gültige Kreditbewilligung vorhanden. Ferner wird geltend
gemacht, der Entscheid über ein Teilstück einer Strasse könne keine
Endgültigkeit haben, solange nicht über das ganze Vorhaben entschieden
sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- ...

    a) Die Annahme der dem Finanzreferendum unterstellten Vorlage bedeutet
im Kanton Zürich - wie auch in den übrigen Kantonen - grundsätzlich
die Bewilligung eines Kredites, nicht die Gutheissung eines bestimmten
Projekts. Das dem Kreditbeschluss zugrundeliegende Vorhaben wird durch
die Abstimmung nur mittelbar genehmigt. Das Referendum bedeutet nicht,
dass die Verwaltung nach der Kreditgenehmigung in allen Einzelheiten
an das Projekt gebunden wäre, das ihrer Kreditvorlage zugrundelag. Die
Ausführung bleibt vielmehr nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung
ihre Sache; sie ist lediglich insoweit gebunden, als der Kredit nicht
seinem ursprünglichen Zweck entfremdet werden darf und als die Mittel,
die zur Erreichung dieses Zwecks eingesetzt werden, sich nicht in
grundsätzlicher Weise von denjenigen unterscheiden dürfen, die der
Kreditvorlage zugrundelagen. Weiterzugehen und zu verlangen, dass ein
Projekt gegenüber der Abstimmungsvorlage in keiner Weise verändert werden
dürfe, wäre nicht gerechtfertigt. Es besteht kein zureichender Grund, der
Verwaltung verwehren zu wollen, bei Hoch- oder Tiefbauten nachträglich
in Erscheinung tretende Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art
(z.B. die Natur des Baugrundes oder die erschwerte Erhältlichkeit
bestimmter Grundstücke) zu berücksichtigen und dementsprechend wünschbare
Projektanpassungen vorzunehmen. Von einer Verletzung der politischen
Rechte kann bei solchen Projektanpassungen im Rahmen des unverändert
bleibenden Zwecks des Bauvorhabens keine Rede sein (vgl. dazu LAUR, Das
Finanzreferendum im Kanton Zürich, S. 100 ff.; NEF, Gutachten, in: Das
Finanzreferendum im Kanton Aargau, S. 76; OESTER, Das Finanzreferendum
im Kanton St. Gallen, S. 104). Das Gesagte gilt naturgemäss auch dann,
wenn ein Kredit nicht vom Volk, sondern vom kantonalen Parlament oder
von der Regierung selbst zu bewilligen ist: auch in diesem Falle bleibt
die Kreditbewilligung gültig, so lange der Zweck, für den der Kredit
vorgesehen ist, in seinen Grundzügen nicht ändert und auch die dafür
vorgesehenen Mittel in grossen Zügen die nämlichen bleiben.

    Eine in diesen Zusammenhang gehörende besondere Frage ist die, ob
und gegebenenfalls unter welchen Umständen eine Vorlage in Teile oder
Etappen aufgegliedert werden dürfe. Es herrscht in Lehre und Rechtsprechung
Einigkeit darüber, dass eine solche Aufteilung unzulässig ist, wenn sie
der Umgehung einer Kreditgrenze dient, also insbesondere dann, wenn sie
erfolgt, um das Referendum auszuschalten (BGE 77 I 114 f.; GIACOMETTI,
Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 534; NEF, aaO S. 70 f.;
ESCHER, Das Finanzreferendum in den schweizerischen Kantonen, S. 148 ff.;
LAUR, aaO S. 95 f.; OESTER, aaO S. 100; RÖTHELI, Das Finanzreferendum im
Kanton Solothurn, in: Festgabe Max Obrecht, S. 77 f.). Dagegen bestehen
gegen eine Aufteilung grosser Bauvorhaben keine rechtlichen Bedenken, wenn
die Zuständigkeit dadurch nicht verschoben wird und wenn die Ausführung
der einzelnen Teile für sich allein gesehen einen vernünftigen Sinn
ergibt, so dass die Freiheit der Stimmberechtigten oder der Mitglieder
des Parlamentes, sich für oder gegen die späteren Etappen auszusprechen,
durch den ersten Entscheid nicht aufgehoben wird.

    (Es folgen Ausführungen darüber, dass weder eine zu weit gehende
Projektänderung vorgenommen noch die Ausgabe in unzulässiger Weise
unterteilt wurde.)