Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 26



104 Ia 26

8. Auszug aus dem Urteil vom 15. März 1978 i.S. Dr. X. gegen Regierungsrat
und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft Regeste

    Art. 4 BV; Begriff der Verfügung.

    Der Beschluss über die Nichtwiederwahl eines Lehrers ist nach
basellandschaftlichem Verwaltungsprozessrecht eine anfechtbare Verfügung.

Sachverhalt

    A.- Dr. X. wurde 1971 zum Hauptlehrer für Geschichte und Französisch
am Gymnasium Münchenstein gewählt. Die Subkommission Münchenstein der
Aufsichtskommission der Gymnasien und des Lehrerseminars beschloss am 17.
November 1976, ihn für die im Frühjahr 1977 beginnende neue fünfjährige
Amtsdauer dem Regierungsrat mangels Berufseignung nicht mehr zur
Wiederwahl vorzuschlagen, und sie bestätigte dies nach einem erweiterten
Lehrerkonvent am 4. Januar 1977. Darauf beschloss der Regierungsrat des
Kantons Basel-Landschaft am 25. Januar 1977 folgendes:

    "1. Der Regierungsrat nimmt von den Ausführungen und dem

    Beschluss der Subkommission Münchenstein der Aufsichtskommission
   der Gymnasien und des Lehrerseminars Kenntnis und sieht davon ab,

    Herrn Dr. X. als Hauptlehrer am Gymnasium Münchenstein wiederzuwählen.

    2. ..."

    Auf die von Dr. X. hiegegen eingereichte Beschwerde trat das
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft nicht ein. Diesen Entscheid
ficht Dr. X. mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
BV an.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Mit der Beschwerde wird vor allem gerügt, das Verwaltungsgericht
habe § 6 Absatz 1 des Gesetzes über die Rechtspflege in Verwaltungs-
und Sozialversicherungssachen vom 22. Juni 1959/25. September 1972
(VRG) willkürlich ausgelegt, indem es angenommen habe, der Beschluss des
Regierungsrates vom 25. Januar 1977 stelle keinen Verwaltungsakt dar,
der auf Grund der genannten Gesetzesbestimmung beim Verwaltungsgericht
angefochten werden könnte.
   a) § 6 Abs. 1 VRG lautet wie folgt:

    "Das Verwaltungsgericht ist zuständig zur Beurteilung von Beschwerden
   gegen Verfügungen und Entscheide des Regierungsrates, die ihm durch
   dieses oder andere Gesetze nicht ausdrücklich entzogen sind."

    Die Wiederwahl von Lehrern ist unter den in § 7 VRG umschriebenen
Ausnahmen von der Weiterziehbarkeit an das Verwaltungsgericht nicht
genannt. Somit kommt es ausschliesslich auf die Auslegung der angeführten
Gesetzesbestimmung an. Dabei kann der Begriff der Verfügung nicht
unmittelbar dem Bundesrecht entnommen werden, da Art. 5 VwVG allein für
die vom eidgenössischen Recht geregelten Gebiete gilt und Art. 84 OG
nur die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde regelt. Indessen
kann die Begriffsbestimmung in Art. 5 VwVG in Verbindung mit Lehre
und Rechtsprechung immerhin als Auslegungshilfe für das kantonale Recht
herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht hat denn auch den Text dieses
Artikels im angefochtenen Entscheid wiedergegeben und ausgeführt, er
enthalte alle Elemente des Begriffes des Verwaltungsaktes im Sinne der
Lehre und könne deshalb auch im kantonalen Recht Anwendung finden.

    b) Das Verwaltungsgericht hat sich vorerst mit der Frage der
Bedeutung der Amtsdauer der Lehrer befasst. Es hat festgestellt, nach
allgemeiner Auffassung und nach der Regelung des Kantons Basel-Landschaft
im besonderen habe der Beamte nach Ablauf der Amtsdauer keinen Anspruch auf
Wiederwahl. Es bedürfe daher keines Verwaltungsaktes, um sein Ausscheiden
aus dem Staatsdienst zu bewirken. Ferner hat das Gericht aus dem Wortlaut
des Regierungsratsbeschlusses abgeleitet, es handle sich dabei um eine
blosse Mitteilung des Inhaltes, der Regierungsrat gedenke nicht, einen
Verwaltungsakt vorzunehmen. Eine blosse Mitteilung erzeuge aber keinerlei
Rechtswirkungen, so dass kein Verwaltungsakt vorliege.

    Diese Auffassung erweckt Bedenken. Zunächst kann der Auslegung des
Regierungsratsbeschlusses durch das Verwaltungsgericht nicht beigepflichtet
werden. Zwar enthält das Dispositiv einleitend eine blosse Kenntnisnahme
von den Ausführungen und dem Antrag der zuständigen Subkommission der
Aufsichtskommission über die Gymnasien; doch folgt im zweiten Satzteil
die Wendung, der Regierungsrat sehe davon ab, den Beschwerdeführer als
Hauptlehrer wiederzuwählen. Das ist schon rein sprachlich etwas anderes als
die blosse Mitteilung, der Regierungsrat gedenke nicht, den Verwaltungsakt
der Wiederwahl zu erlassen. Es handelt sich nicht um eine Voranzeige oder
Absichtserklärung, der später ein formeller Beschluss über Wahl oder
Nichtwiederwahl folgen sollte, sondern die vom Regierungsrat gewählte
Formulierung ist gleichbedeutend mit der ebenfalls denkbaren Fassung:

    "Dr. X. wird als Hauptlehrer am Gymnasium Münchenstein nicht
   wiedergewählt."

    Die auf den Wortlaut des Regierungsratsbeschlusses gestützte Erwägung
zum Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichtes lässt sich somit
mit sachlichen Gründen nicht aufrechterhalten.

    c) Das Verwaltungsgericht hat allerdings das Hauptgewicht nicht
auf diese äussere Frage gelegt, sondern darauf, dass nach Auffassung
des Gesetzgebers des Kantons Basel-Landschaft ein Beamtenverhältnis
mit dem Ablauf der Amtsdauer von selbst zu Ende gehe, weshalb dessen
Nichterneuerung keines Verwaltungsaktes mehr bedürfe. Damit hat es
das rein formale Problem, ob hier eine Verfügung vorliegt oder nicht,
mit dem materiellen vermengt, ob dem Beamten ein Anspruch auf Wiederwahl
zusteht. Das Verwaltungsgericht hat mit anderen Worten zu wenig beachtet,
dass der Verfügungscharakter einer behördlichen Anordnung nicht von
deren Notwendigkeit abhängt und ebensowenig davon, ob und gegebenenfalls
in welchem Umfange sie anfechtbar ist. Die Anfechtbarkeit ist nach der
Gesetzgebung des Kantons Basel-Landschaft die regelmässige Folge des
Vorliegens einer Verfügung. Sie kann daher nicht gleichzeitig Voraussetzung
für deren Bestand sein.

    d) Das Bundesgericht hat in BGE 101 Ia 74 E. 3a den Verwaltungsakt
bzw. die Verfügung definiert als "individuellen, an den einzelnen
gerichteten Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche
Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher
und erzwingbarer Weise geregelt wird." Es verweist dazu auf einige
ältere Entscheide sowie auf die damals vorliegenden Standardwerke zum
schweizerischen Verwaltungsrecht, zu denen nun zusätzlich das seither neu
erschienene Werk von FLEINER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen
Verwaltungsrechtes, angeführt zu werden verdient (vgl. besonders
S. 143 f.). Für das Bundesverwaltungsrecht umschreibt Art. 5 VwVG den
Begriff der Verfügung in einer mehr ins Einzelne gehenden, jedoch im
Grundsätzlichen nicht von der vorstehenden Umschreibung abweichenden
Weise. Das Verwaltungsgericht hat diese Begriffsbestimmung in E. 2a
(am Ende) ausdrücklich als für den Kanton Basel-Landschaft anwendbar
bezeichnet. Geht man hievon aus, so ergibt sich, dass der Beschluss des
Regierungsrates vom 25. Januar 1977 sämtliche Voraussetzungen einer
Verfügung erfüllt. Es handelt sich um einen Hoheitsakt insofern, als
der Regierungsrat definitiv erklärt, von seiner Befugnis zur Wiederwahl
eines Lehrers im negativen Sinne Gebrauch zu machen. Der Hoheitsakt ist
individuell, d.h. an die Person des Beschwerdeführers allein gerichtet. Er
ist auch verbindlich und erzwingbar, da auf Grund dieses Beschlusses die
Schulleitung allenfalls den weiteren Unterricht des Beschwerdeführers
zwangsweise hätte verhindern müssen.

    Geht man von den Typen der Verfügung aus, wie sie vor allem in Art. 5
VwVG umschrieben sind, so liegt es am nächsten, den fraglichen Beschluss
des Regierungsrates als Feststellungsverfügung zu betrachten: es wird darin
hoheitlich festgestellt, dass dem Beschwerdeführer ab Sommersemester 1977
nicht mehr die Stellung eines Hauptlehrers am Gymnasium Münchenstein
zukommt (Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG). Denkbar wäre aber auch, ihn zu
den abweisenden Verwaltungsakten zu zählen. Nach Lehre und Praxis wird
nämlich für die Wiederwahl eines Beamten keine ausdrückliche Bewerbung
gefordert, sondern sein Stillschweigen wird ohne weiteres als Bewerbung
betrachtet (JUD, Besonderheiten öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse
nach schweizerischem Recht, insbesondere deren Beendigung aus nicht
disziplinarischen Gründen, S. 220 und S. 224; PLOTKE, Die Wahl,
insbesondere die Wiederwahl der Beamten einschliesslich der Lehrer,
in ZBl 77/1976, S. 532 und S. 538). Wird aber eine stillschweigende
Bewerbung der im Dienste stehenden Beamten angenommen, so lässt sich sehr
wohl die Auffassung vertreten, in der Nichtwiederwahl liege die Abweisung
dieser Bewerbung, also eines Gesuches. Übrigens entspricht es keineswegs
schweizerischer Praxis, dass ein Beamter ohne vorgängigen Beschluss der
Wahlbehörde einfach durch Zeitablauf von seinem Amte entbunden wird. Liesse
es eine Behörde hierauf ankommen, so hätte sie im Gegenteil damit zu
rechnen, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dem Beamten während einer
gewissen Zeit über die Amtsdauer hinaus sein Gehalt entrichten zu müssen,
wenn man nicht sogar so weit gehen will, eine stillschweigende Wiederwahl
anzunehmen (vgl. dazu JUD, aaO S. 236, und PLOTKE, aaO S. 539).

    Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es habe sich beim Beschluss
des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 25. Januar
1977 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt, erscheint daher als mit
sachlichen Gründen nicht vertretbar, und der angefochtene Entscheid ist
demgemäss wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben. Die Frage, ob dem
Beschwerdeführer in der Sache selber die Legitimation zur Anfechtung
der Verfügung zusteht, ist damit nicht entschieden, sondern bei der
Neubeurteilung vom Verwaltungsgericht zu beantworten.