Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 113



104 Ia 113

21. Auszug aus dem Urteil vom 25. Januar 1978 i.S. Geiser und Konsorten
gegen Erziehungsrat und Regierungsrat sowie Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 4 BV, Gewaltentrennung; Delegation der Befugnis an den
Regierungsrat zur Erhebung von Kollegiengeldern an der Universität.

    Anforderungen an die gesetzliche Grundlage und die Gesetzesdelegation
bei der Erhebung einer Benützungsgebühr.

Sachverhalt

    A.- Thomas Geiser, Reinhard Zweidler und Beat Wirz studierten
im Jahre 1975 an der Universität Basel. Sie stellten dem Rektorat
das Begehren, es sei ihnen im Wintersemester 1975/1976 das Belegen
der Vorlesungen als immatrikulierte Studenten ohne Entrichtung des
Kollegiengeldes in der Höhe von je Fr. 150.- zu gestatten. Den dieses
Begehren abweisenden Entscheid des Rektorats haben die Genannten erfolglos
an die Kuratel und den Erziehungsrat weitergezogen, schliesslich auch an
den Regierungsrat, mit dem Antrag, die inzwischen einbezahlten Beträge
seien zurückzuerstatten. Der Regierungsrat überwies die Rekurse ohne
eigenen Entscheid an das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht,
das sie mit Urteil vom 17. Mai 1977 abwies.

    Geiser, Zweidler und Wirz erheben mit Eingabe vom 15. August 1977
staatsrechtliche Beschwerde gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil,
im wesentlichen mit der Begründung, der in Frage stehenden Abgabe fehle
bezüglich ihrer Höhe eine formellgesetzliche Grundlage.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach § 39 Universitätsgesetz des Kantons Basel-Stadt (UG, vom
14. Januar 1937) werden die von den Studierenden zu entrichtenden Gebühren
und Beiträge durch Verordnung des Regierungsrates bestimmt. Gestützt auf
diese Ermächtigung hat der Regierungsrat die "Verordnung betreffend die
Erhebung und Verwendung des Kollegiengeldes an der Universität Basel" (vom
9. September 1975) erlassen, die in § 1 bestimmt, "jeder immatrikulierte
Studierende habe neben den Semestergebühren eine Kollegiengeldgebühr von
Fr. 150.- pro Semester zu entrichten, sofern er nicht beurlaubt ist". -
Subsidiär beruft sich das Verwaltungsgericht noch auf das "Gesetz über
die Verwaltungsgebühren" (vom 9. März 1972), dessen Normen nur insoweit
gelten, "als nicht einschlägige Gesetze ausdrücklich andere Vorschriften
aufstellen" (§ 1 Abs. 3). § 1 Abs. 1 zufolge findet dieses Gesetz Anwendung
u.a. auf Gebühren für die "Benützung öffentlicher Einrichtungen". Der
Regierungsrat hat sich bei deren Bemessung an das Kostendeckungs- sowie
das Äquivalenz- und Interessenprinzip zu halten (§ 2-4).

    Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, durch die zitierten
Bestimmungen sei die Kollegiengeldgebühr "dem Grundsatz nach" im Gesetz
verankert. Bezüglich der Höhe bestehe eine gewohnheitsrechtliche
Grundlage: Kollegiengelder würden seit anfangs des 19. Jahrhunderts
von Hunderten, später von Tausenden von Studenten bezahlt, ohne dass je
die Praxis angefochten oder die Kollegiengelder als zu hoch bezeichnet
worden wären. Daraus sei auf die Rechtsüberzeugung der Betroffenen
zu schliessen. Die Rechtsüberzeugung der Behörden andererseits
ergebe sich aus dem Erlass der verschiedenen, die Materie regelnden
Verordnungen. Auch sei eine Lücke im Universitätsgesetz zweifellos
vorhanden; dieses ordne zwar die Erhebung der Kollegiengelder an, lasse
aber deren Höhe offen. Schliesslich lasse sich anhand der Akten des
Staatsarchivs ermitteln, dass die seit dem Jahre 1821 kontinuierlich
erhobenen Kollegiengelder stets einen Betrag erreichten, der einer
höheren Kaufkraft entspreche als die heutigen Fr. 150.- pro Semester.
Damit sei auch die ununterbrochene Dauer und Regelmässigkeit der Erhebung
von Kollegiengeldern in einem der Kaufkraft von mindestens Fr. 150.-
entsprechenden Betrag gegeben.

    Nach Auffassung der Beschwerdeführer sind die Kollegiengelder nach Art
und Umfang keine Kanzleigebühren und auch nicht ausgesprochen technische
Gebühren im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Sie bedürften
deshalb einer Grundlage in einem formellen Gesetz. Weder § 39 UG noch
das Verwaltungsgebührengesetz (VGG) bildeten diese Grundlage, da sie die
Höhe der Kollegiengelder in keiner Weise festlegten. Das UG lege nicht
einmal die Richtlinien fest. - Von einer gewohnheitsrechtlichen Grundlage
bezüglich der Höhe könne keine Rede sein. Eine langjährige Übung bestehe
nicht, da das jetzige Bemessungssystem, wonach die Gebühr pauschal und
völlig unabhängig von der individuellen Benützung der staatlichen Anstalt
festgesetzt wird, erst seit 1966 bestehe. Eine Lücke im Gesetz sei nicht
vorhanden, und das Verlangen des Staates, seine Einnahmen zu mehren,
genüge nicht als Nachweis für das Bedürfnis, eine solche zu füllen.

Erwägung 3

    3.- Gebühren müssen grundsätzlich in einem Gesetz im formellen
Sinne verankert sein (BGE 101 Ib 75 E. 4b). Eine Ausnahme galt seit
jeher für die sog. Kanzleigebühren. Darunter sind Abgaben für einfache
Tätigkeiten der Verwaltung zu verstehen, die ohne besonderen Prüfungs-
und Kontrollaufwand erbracht werden und sich in ihrer Höhe in einem
bescheidenen Rahmen halten (BGE 101 Ib 77 E. 4d, 97 I 203 f. E. 5b, 93
I 634 E. 3, 82 I 28 E. 3a; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 120;
IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Nr. 110 S. 778
Ziff. II, Nr. 113 S. 798 Ziff. I). In jüngster Zeit hat das Bundesgericht
zuweilen auf das Erfordernis der formellgesetzlichen Grundlage verzichtet,
wenn die in Frage stehende Gebühr einen stark technischen Charakter
aufwies oder rasch wandelnden Verhältnissen unterworfen war. Der
Vorbehalt wurde auch damit begründet, dass der Betroffene mit Rücksicht
auf das Wesen der Gebühr sich stets auf das Kostendeckungsprinzip und
den Grundsatz der Verhältnismässigkeit berufen und geltend machen könne,
die Gesamteinnahmen aus einer Gebühr überstiegen die Gesamtkosten der
entsprechenden Amtshandlungen oder die einzelne Gebührenforderung stehe
in keinem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung oder verletze
den Grundsatz der Rechtsgleichheit (BGE 99 Ia 701 E. 3b, 100 Ia 138 E. 6,
101 Ib 75 E. 4b und c).

    In BGE 100 Ia 140 E. 6c hat das Bundesgericht gewisse
Einschränkungen des Gesetzmässigkeitserfordernisses auch bei gewissen
Benützungsgebühren, d.h. Abgaben für die Inanspruchnahme öffentlicher
Einrichtungen, in Betracht gezogen, und zwar bei Gleichwertigkeit der
gegenüberstehenden Leistungen sowie Anzahl und Vielfältigkeit der zu
regelnden Fälle, Notwendigkeit rechtzeitiger Anpassung bei Änderung
der Verhältnisse. Das Bundesgericht liess sich dabei von Erwägungen
des Zürcher Verwaltungsgerichtes leiten, das in einem in ZBl 73 1972
S. 353 ff. publizierten Urteil die Auffassung vertreten hatte, in solchen
Fällen eigne sich die Benützungsgebühr nicht für eine Regelung in einem
formellen Gesetz. Der Gesetzgeber müsse die Ordnung dieser Materie dem
Verordnungsgeber überlassen. Es müsse dabei genügen, dass der Gesetzgeber
die Delegation in allgemeiner Weise ausspreche. Den Gesetzgeber zu
einer genaueren Umgrenzung der delegierten Befugnisse anzuhalten,
bestehe kein Anlass, da dies in der Regel auf eine Wiederholung
des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und des Kostendeckungs- oder
Äquivalenzprinzips hinausliefe, an die der Verordnungsgeber ohnehin
schon aufgrund der Verfassung gebunden sei (S. 355 E. 3b). - In
der Regel entzieht sich aber die Benützungsgebühr einer Überprüfung
unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung. Nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung darf ihre Bemessung - im Gegensatz zur Verwaltungsgebühr -
die Höhe der dem Staat auferlegten Last übersteigen, und einen Überschuss
ergeben (BGE 100 Ia 140 f. E. 6c mit Hinweisen). In solchen Fällen ist
am Erfordernis der formellgesetzlichen Grundlage ohne Einschränkung
festzuhalten (vgl. BGE 99 Ia 702 f., 100 Ia 140 E. 6c, 102 Ia 403 E. 5b;
HÖHN, Aspekte verfassungsmässiger Besteuerung, ASA 45 1976 S. 214 f.;
VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgabenrechts, S. 73, 152 ff.).

    Aus dem Gesetzesvorbehalt in Verbindung mit andern
verfassungsrechtlichen Grundsätzen (insbesondere dem
Gewaltenteilungsprinzip) folgt, dass auch die Delegation rechtsetzender
Befugnisse im Bereich der Erhebung einer Gebühr, von den genannten
Ausnahmen abgesehen, bestimmten verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügen muss. Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichts ist
die Delegation rechtsetzender Befugnisse an die Exekutive zulässig, wenn
sie nicht durch das übergeordnete Recht ausgeschlossen wird, wenn sie
auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt wird und der delegierende Erlass,
d.h. die Verfassung oder ein formelles Gesetz, die Grundzüge der Regelung
- im Abgaberecht also insbesondere Objekt und Höhe der Leistung - selbst
enthält (BGE 101 Ib 75 E. 4b mit Hinweisen; zur Publikation bestimmte
Entscheide i.S. Wäffler E. II, Beeli E. 3b bb).

Erwägung 4

    4.- Aus der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich,
dass im Abgaberecht bei den Anforderungen an die gesetzliche Grundlage nach
der Natur der in Frage stehenden Leistung an den Staat differenziert werden
muss. Dabei sind nicht einmal innerhalb der einzelnen Gebührenkategorien
einheitliche Massstäbe durchgehend möglich, wie die Erörterungen zur
Benützungsgebühr zeigen. Es ist daher der Einzelfall zu betrachten.

    Die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage dürfen dort herabgesetzt
werden, wo dem Bürger die Überprüfung der Gebühr auf ihre Rechtmässigkeit
anhand anderer verfassungsrechtlicher Prinzipien ohne weiteres offen steht,
nicht aber, wenn spezifisch der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion
erfüllt. Das Legalitätsprinzip darf dabei weder seines Gehaltes entleert,
noch auf der andern Seite in einer Weise überspannt werden, dass es mit
der Rechtswirklichkeit und dem Erfordernis der Praktikabilität in einen
unlösbaren Widerspruch gerät.

    Im vorliegenden Fall sind unter diesem Gesichtspunkt die folgenden
Überlegungen massgebend:

    a) Es ist unbestritten, dass es sich bei den fraglichen
Kollegiengeldern um eine Gebühr für die Benützung einer öffentlichen
Einrichtung (Benützungsgebühr) handelt. Sie werden in Form einer Pauschale,
d.h. für alle immatrikulierten Studierenden in gleicher Höhe - unabhängig
von der individuellen Belegung der Vorlesungen -, erhoben.

    b) Die Kollegiengelder von Fr. 150.- decken nur einen verschwindend
geringen Teil der tatsächlichen Aufwendungen, die dem Kanton Basel-Stadt
durchschnittlich in einem Semester pro Studierender erwachsen (gemäss
Angaben des Erziehungsrates ca. Fr. 11'000.-). Auch bei verhältnismässig
einschneidender Erhöhung der Gebühr würde sich das Bedürfnis nach einer
Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des Kostendeckungsprinzips gar nicht
stellen, weil der Betrag noch immer weit entfernt von einem kostendeckenden
Entgelt wäre. Das gleiche gilt für eine Beurteilung nach Massgabe des
Äquivalenzprinzips (BGE 103 Ia 89 E. 5b): Auch bei wesentlicher Erhöhung
wäre die Gebühr noch in einem angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung
des Staates. Bei dieser Sachlage ist das Schutzbedürfnis des Einzelnen
von vornherein nicht gleich intensiv, wie wenn die geforderte Gebühr
kostendeckend oder sogar mehr als kostendeckend wäre.

    Auf der andern Seite ist in Betracht zu ziehen, dass dem Regierungsrat
aufgrund des tatsächlichen Kostenaufwandes an sich ein verhältnismässig
grosser Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Gebühr zusteht,
was eine Verankerung der Höhe im formellen Gesetz wiederum als wünschbar
erscheinen lassen könnte. Es wird jedoch in den folgenden Ausführungen zu
zeigen sein, dass sich der Regierungsrat bei der quantitativen Festlegung
der Gebühr nicht als frei, sondern durch die bisherige Übung gebunden
betrachtet.

    c) Die Darstellung des Verwaltungsgerichtes ist unbestritten
geblieben, dass Kollegiengelder seit anfangs des 19. Jahrhunderts, real
in annähernd unveränderte Höhe, erhoben werden, ohne dass diese Praxis
bisher je angefochten worden wäre. Geändert hat nur das Bemessungssystem,
indem 1966 von der individuellen Festsetzung nach der Intensität der
Benützung der Bildungseinrichtung zur Pauschale übergegangen wurde. Diese
administrative Änderung und Vereinfachung fällt neben der Tatsache,
dass der Grundsatz der Gebührenpflicht durch Gesetz und die Höhe des
Entgelts weitgehend durch eine langjährige Übung bestimmt sind, wenig
ins Gewicht. - Es kann offen bleiben, ob die Praxis bezüglich der Höhe
der Gebühr geradezu gewohnheitsrechtlichen Charakter hat (vgl. BGE 96 I
228 E. 6c, 96 V 51 E. 4, 84 I 97; IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 7, S. 41 ff.;
GRISEL, aaO, S. 36 ff.). Massgebend ist in diesem Zusammenhang nur,
dass sich der Regierungsrat bei der ihm durch das Gesetz übertragenen
Kompetenz zur quantitativen Festlegung der Gebühr in einem weitgehenden
Masse als durch die bisherige Übung gebunden betrachtet. Wird aber diese
Bindung anerkannt, so ist das Bedürfnis nach einer formellgesetzlichen
Verankerung weniger dringlich.

    d) Anlässlich der Totalrevision des baselstädtischen
Universitätsgesetzes im Jahre 1937 wollte der Gesetzgeber an der bisherigen
Gebührenordnung (mit der Erhebung der Kollegiengelder von den Studierenden)
nichts Grundsätzliches ändern, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien
ergibt. Die bisherige regierungsrätliche Praxis fand damit, auch
bezüglich der Höhe der Gebühr, dessen stillschweigende Zustimmung. Auch
hier lässt sich dem nicht entgegenhalten, der Gesetzgeber habe damals
einer Ordnung zugestimmt, die seit 1966 nicht mehr bestehe. Der Übergang
zur Kollegiengelderpauschale bedeutet keine Abweichung vom Grundsatz
der Gebührenpflicht der Studierenden und der nach herkömmlicher Übung
bestimmten Höhe des Entgeltes.

    e) Das Erziehungsdepartement hat in seiner Vernehmlassung nachgewiesen,
dass an andern Universitäten der Deutschschweiz (Bern, Zürich, ETH
Zürich) Gebühren in ähnlichem Ausmass von den Studierenden erhoben
werden, und dass auch hier jeweils nur der Grundsatz der Gebührenpflicht
in einem formellen Gesetz festgehalten wird, während die quantitative
Ausgestaltung der Exekutive obliegt. Die Ordnung entspricht also einer
allgemeinen Rechtsauffassung über die Grenzen des Kantons Basel-Stadt
hinaus. Sie hat ferner die Vermutung der Praktikabilität für sich. Unter
diesen Umständen müssten gewichtige Gründe für eine strengere Handhabung
des Gesetzesvorbehaltes sprechen. Solche haben die Beschwerdeführer nicht
namhaft gemacht.

    Aus den dargelegten Gründen erweist sich die in Frage stehende
Gebührenordnung, wonach die Leistungspflicht der Studierenden nur dem
Grundsatz nach in einem formellen Gesetz verankert ist, während der
Regierungsrat die weitere Ausgestaltung auch in quantitativer Hinsicht
nach Massgabe der bisherigen Übung zu vollziehen hat, als mit dem
Verfassungsrecht vereinbar. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.