Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 V 152



102 V 152

35. Urteil vom 30. Juni 1976 i.S. IBM Schweiz gegen Ausgleichskasse des
Grosshandels und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 7 lit. c AHVV. Beitragsrechtliche Qualifikation von
Vergünstigungen, die Arbeitnehmern aus einem Aktienkaufplan gewährt werden.

Sachverhalt

    A.- Die IBM Schweiz ist eine Tochtergesellschaft der IBM World
Trade Corporation, die ihrerseits Tochter der IBM Corporation ist. Diese
Gesellschaft ermöglicht den IBM-Angestellten aller Landesgesellschaften,
durch Lohnabzüge ihre Aktien mit 15% Vergünstigung zu erwerben. Ein
Aktienkaufplan regelt die Bedingungen. Etwas mehr als die Hälfte
der Arbeitnehmer der IBM Schweiz machte von dieser Möglichkeit
Gebrauch. 1970-1973 wurden ca. 25 000 Aktien erworben. Die Vergünstigung
pro Aktie belief sich auf durchschnittlich Fr. 150.-- abzüglich Fr. 11.--
Verwertungsunkosten.

    Gestützt auf eine Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung
verpflichtete die Ausgleichskasse die IBM Schweiz, auf den in den Jahren
1970-1973 gewährten Nettovergünstigungen von annähernd 4 Millionen Franken
die paritätischen Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt Fr. 277'679.80
(inkl. Verwaltungskosten) nachzuzahlen (Verfügung vom 24. Januar 1975).

    B.- Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies durch Entscheid
vom 29. August 1975 eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde
im wesentlichen mit der Begründung ab, die beim Aktienkauf gewährten
Vergünstigungen stellten massgebenden Lohn dar.

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt
die IBM Schweiz beantragen, der kantonale Entscheid sowie die
angefochtene Kassenverfügung seien aufzuheben. Es wird geltend
gemacht, die IBM Corporation ermögliche es den Arbeitnehmern der
selbständigen IBM-Landesgesellschaften, sich an ihrem Kapital zu gewissen
Vorzugsbedingungen zu beteiligen. Es sei somit nicht der Arbeitgeber,
der seinem Arbeitnehmer eine Beteiligung an seinem Unternehmen zu
Vorzugsbedingungen ermögliche, sondern ein Dritter, der dem Arbeitnehmer
eines andern Unternehmens gewisse Vorteile einräume. Es lägen somit keine
Arbeitnehmeraktien im Sinne von Art. 7 lit. c AHVV vor, weshalb die durch
den Aktienkaufplan der IBM Corporation gewährte Vergünstigung nicht als
Bestandteil des massgebenden Lohnes betrachtet werden könne.

    Im übrigen sei es willkürlich, die IBM Schweiz für die Leistung eines
Dritten der Beitragspflicht zu unterstellen, während andere Firmen ihren
Arbeitnehmern direkte Einkaufsvorteile gewährten, ohne dafür paritätische
Beiträge bezahlen zu müssen. Sollten schliesslich die Aktien der IBM
Corporation als Arbeitnehmeraktien und deren Zuweisung zum massgebenden
Lohn nicht als willkürlich betrachtet werden, so liege - jedenfalls bei
jährlichen Einkommen unter Fr. 130'000.-- - der Fall der durch Nebenerwerb
erzielten geringfügigen Entgelte vor, die vom Einbezug in den massgebenden
Lohn auszunehmen seien.

    Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 7 lit. c AHVV gehört zum massgebenden Lohn, von
dem paritätische Beiträge entrichtet werden müssen, "der Wert von
Arbeitnehmeraktien, soweit dieser den Erwerbspreis übersteigt und der
Arbeitnehmer über die Aktie verfügen kann". Als massgebender Lohn gilt
dabei nach der Verwaltungspraxis die Differenz zwischen dem Erwerbspreis
und dem Verkehrswert der Aktie (= Mehrwert) in dem Zeitpunkt, da der
Arbeitnehmer den Mehrwert realisiert. Realisiert ist der Mehrwert dann,
wenn der Arbeitnehmer frei über die Aktie verfügen kann, nämlich entweder
schon mit dem Erwerb der Aktie oder erst nach einer gewissen Zahl von
Dienstjahren nach dem Erwerb, sofern eine Sperrfrist besteht. Diese in
der Wegleitung über den massgebenden Lohn (Rz. 53b und 53c) niedergelegte
Verwaltungspraxis entspricht der gesetzlichen Regelung.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall nehmen Verwaltung und Vorinstanz an, die
den Arbeitnehmern der IBM Schweiz aus dem Aktienkaufplan zukommenden
Vergünstigungen stellten massgebenden Lohn im Sinne von Art. 7 lit. c
AHVV dar.

    Die Beschwerdeführerin wendet dagegen zunächst ein, nicht sie als
Arbeitgeberin, sondern die IBM Corporation gebe die Aktien ab. Die
Arbeitnehmer erhielten die Aktien von einem Dritten, weshalb keine
Arbeitnehmeraktien gemäss der erwähnten Bestimmung vorlägen.

    Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden. Zwar
trifft rein formal gesehen der Einwand zu, die IBM Corporation sei
nicht Arbeitgeberin der Angestellten der IBM Schweiz. Entscheidend sind
indessen die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Bei dieser Betrachtungsweise
ist wesentlich, dass die IBM Corporation allen Arbeitnehmern der
IBM-Landesgesellschaften - und nur diesen - die Möglichkeit einräumt, sich
an ihrem Aktienkaufplan zu Vorzugsbedingungen zu beteiligen. Abgestellt
wird somit auf ein Arbeitsverhältnis. Welches im einzelnen die Beziehungen
der IBM Corporation zur IBM World Trade Corporation bzw. zur IBM Schweiz
sind und in welcher Absicht den Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin dieser
Vorteil gewährt wird, braucht daher nicht näher geprüft zu werden. Die
von der beherrschenden Gesellschaft den Arbeitnehmern der rechtlich
selbständigen Tochtergesellschaft durch den Aktienkaufplan eingeräumten
Vorteile, die nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz unter
Art. 7 lit. c AHVV fallen, sind AHV-rechtlich als Lohnbestandteil zu
qualifizieren.

Erwägung 3

    3.- Stellen die den Arbeitnehmern der IBM Schweiz aus dem von der
IBM Corporation angeordneten Aktienkaufplan gewährten Vergünstigungen
massgebenden Lohn dar, so hat die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin die
sich aus der Durchführung dieses Planes ergebenden beitragsrechtlichen
Konsequenzen zu tragen. Unerheblich ist dabei, wer für die ihren
Arbeitnehmern eingeräumten Vorteile sowie für die daraus fliessende
Beitragspflicht intern belastet wird.

    Dies gilt auch dann, wenn es die Beschwerdeführerin nur zulassen
würde, dass ein Dritter ihren Arbeitnehmern beitragspflichtige Leistungen
gewährt. Erhalten nämlich Arbeitnehmer von einem Dritten Vergünstigungen,
die ihrer Natur nach als Arbeitgeberleistungen zu qualifizieren sind,
so ist ihr Arbeitgeber dafür beitragspflichtig. Würde anders entschieden,
d.h. nicht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten abgestellt,
so leistete man auch hier einer möglichen Umgehung der Beitragspflicht
Vorschub.

    Daraus folgt, dass sich die Beschwerdeführerin auch nicht darauf
berufen könnte, es fehle ein der Beitragspflicht unterstellter Arbeitgeber
(Art. 14 Abs. 2 AHVG), weshalb die am Aktienkaufplan beteiligten
Arbeitnehmer auf Grund von Art. 6 AHVG allein beitragspflichtig seien.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Gesagten braucht auf die Behauptung der
Beschwerdeführerin, es liege der Fall von Art. 8bis Abs. 1 AHVV vor,
nicht eingegangen zu werden.

    Ebensowenig ist auf den Einwand der Beschwerdeführerin einzutreten,
die Vergünstigung, die ihren Arbeitnehmern mit der Beteiligung am
Aktienkaufplan eingeräumt werde, unterscheide sich nicht von denjenigen
- nicht beitragspflichtigen - Vorteilen, die andere Firmen ihren
Arbeitnehmern gewährten. Die Erhebung von Beiträgen auf Vorteilen
im Zusammenhang mit Arbeitnehmeraktien ist gesetzmässig. Das Eidg.
Versicherungsgericht hat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen,
welche übrigen Vergünstigungen, die weder im Gesetz noch in der Verordnung
erwähnt sind, zu Recht oder zu Unrecht beitragsfrei bleiben.

Erwägung 5

    5.- Die Bemessung und Berechnung sowie die Höhe der verfügten Beiträge
sind nicht angefochten.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.