Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 40



102 IV 40

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1976 i.S. X
gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Vereitelung der Blutprobe (Art. 91 Abs. 3 SVG).

    1. Wer nach einem Selbstunfall sein schwer beschädigtes Fahrzeug
stehen lässt, muss mit einer polizeilichen Untersuchung rechnen, bei der
auch eine Blutprobe durchgeführt wird. (Erw. 2a).

    2. Abs. 1 und 3 von Art. 91 SVG können realiter konkurrieren (Erw. 2b).

Sachverhalt

    A.- Am 23. Oktober 1974 ging X. dem Viehhandel in Allenwil nach. Um
12.30 Uhr nahm er die letzte Mahlzeit zu sich und trank dazu ein Glas
sauren Most. Am Abend hielt er sich zwischen 20 und 21 Uhr geschäftlich im
Restaurant Bären Schüpberg auf, wo er zwei Kaffee mit Schnaps konsumierte.

    Auf dem Heimweg gelangte X. mit seinem Personenwagen um ca. 21.10 Uhr
beim Kreuzen einer stehenden Militärkolonne in der letzten Linkskurve
vor dem Ende des Schüpbergerwaldes zu weit nach rechts und über den
rechten Fahrbahnrand hinaus, worauf das Auto kippte und gegen zwei
Tannen prallte. Die anwesenden Soldaten bargen den Verunfallten. Dieser
entfernte sich nach Angabe von Name und Adresse und trank zu Hause ein Glas
Cognac. Als der herbeigerufene Motorfahrer-Offizier an der Unfallstelle
eintraf, befand sich X. nicht mehr dort.

    B.- Der Gerichtspräsident von Aarberg sprach X. mit Urteil vom 25. Juni
1975 u.a. der Vereitelung der Blutprobe schuldig und verurteilte ihn zu
fünf Tagen Gefängnis.

    Auf Appellation beider Parteien hin sprach am 12. Dezember 1975
das Obergericht des Kantons Bern X. des Führens eines Motorfahrzeuges in
angetrunkenem Zustand, der Vereitelung einer Blutprobe sowie der Verletzung
von Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe
von 20 Tagen.

    C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, ihn freizusprechen
hinsichtlich Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand und
der Vereitelung einer Blutprobe; das Urteil sei aufzuheben und die Sache
zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Gemäss ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes bezieht sich
Art. 91 Abs. 3 SVG auf alle Fälle, in denen eine Blutprobe vereitelt wird,
selbst wenn eine amtliche Anordnung derselben nicht erfolgt ist. Es genügt,
dass der Täter nach den Umständen des Falles mit einer Blutprobe rechnete
oder rechnen musste (BGE 100 IV 262 mit Hinweisen).

    a) Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer keine Drittperson
geschädigt hat und es sich um einen Selbstunfall handelte. Trotzdem musste
X. die Möglichkeit einer Blutprobe voraussehen. Denn wer nach einem Unfall
sein Fahrzeug, das Totalschaden erlitten hat, stehen lässt, muss damit
rechnen, dass von der Polizei Untersuchungen über die Unfallursachen
und die Fahrfähigkeit des Fahrzeugführers vorgenommen werden. Da nun
der Beschwerdeführer sich vom Unfallort entfernt und zu Hause Alkohol
konsumiert hatte, bevor die Polizei eintraf, ist der Tatbestand von
Art. 91 Abs. 3 SVG erfüllt.

    b) Der Beschwerdeführer kritisiert ferner, dass er sowohl wegen
Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand als auch wegen
Vereitelung der Blutprobe verurteilt worden sei. Könne nämlich die
Blutalkoholkonzentration zur Zeit des Unfalles beweiskräftig ermittelt
werden, so habe der Täter die Blutprobe im Sinne des Gesetzes nicht
vereitelt. Diese Argumentation ist jedoch verfehlt. Da Abs. 1 und 3 des
Art. 91 SVG unterschiedliche Rechtsgüter schützen, nämlich die Sicherheit
des Verkehrs einerseits und den geordneten Gang der Rechtspflege
andererseits, können die beiden Bestimmungen miteinander realiter
konkurrieren (H. SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über
den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958, Bern 1964, S. 207; SJZ 61/1975,
S. 43). Die Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustande aufgrund
der Durchführung einer Blutprobe schliesst somit eine Bestrafung wegen
(vollendeter) Vereitelung der Blutprobe nicht aus.