Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 186



102 IV 186

42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1976
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 234 Abs. 2 StGB. Die in Art. 37 der Verordnung zum Schutze der
Gewässer gegen Verunreinigung durch wassergefährdende Flüssigkeiten vom
19. Juni 1972 sowie Anhang 11 der Verfügung des Eidg. Departementes des
Innern über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung durch flüssige
Brenn- und Treibstoffe vom 27. Dezember 1967 genannten Pflichten eines
Öltankrevisors zum Reinigen und zur eingehenden Kontrolle der Anlage
auf einwandfreien und funktionstüchtigen Zustand beschränken sich nicht
auf die Druckprobe. Sichtbare Teile der Anlage und Leitungen sind auch
visuell auf allfällige schadhafte Stellen zu kontrollieren.

Sachverhalt

    A.- Am 21. November 1973 wurde auf dem Grundstück der Firma
H. in Littau ein Ölunfall festgestellt. Aus schadhaften Stellen im
Leitungssystem der Tankanlage gelangten ungefähr 10'000-12'000 Liter
Heizöl in das Erdreich und verschmutzten das Grundwasser. Die in der
Nähe gelegene Grundwasserfassung, die zwei Drittel des Wasserbedarfs der
Gemeinde Littau deckt, musste sofort stillgelegt werden.

    Auf dem genannten Grundstück H. speist der Öltank vor der Werkstatt
zwei Ölbrenner, einen in der Werkstatt und einen im Wohnhaus. Erst nach
der Ölpumpe und einem Druckreduzier-Ventil, die sich in der Werkstatt
befinden, verzweigen sich die Leitungen zu den Brennern in der Werkstatt
und im Wohnhaus. Die Leitung zum Brenner "Wohnhaus" verlässt gemeinsam
mit einer parallel laufenden Luftleitung an der gleichen Stelle den
Keller der Werkstatt, wo die Saug- resp. Rücklaufleitung in das
Gebäude eintritt. Sie geht ausserhalb der Werkstatt zum Teil durch
ein Schutz-Zementrohr (Innen-Durchmesser 70 cm) bis zu einem Vorbau
des Wohnhauses, dann offen durch diesen Vorbau zum Heizungskeller des
Wohnhauses. Der Vorbau ist durch den Heizungskeller des Wohnhauses
zugänglich durch eine rechteckige Öffnung von 80 x 45 cm Lichtweite,
die normal mittels Deckel und 4 Schrauben abgeschlossen ist.

    Die letzte Tankrevision vor dem Ölunfall führte am 5. Dezember 1972
X. als verantwortlicher Equipenchef der Firma Y. mit zwei Gehilfen
durch. Seit dieser Revision bis zur Entdeckung des Ölunfalls wurden
ca. 13'500 Liter mehr Heizöl verbraucht verglichen mit dem Konsum der
Vorjahre.

    B.- Das Amtsgericht Luzern-Land sprach X. am 1. Juli 1975 der
fahrlässigen Verunreinigung von Trinkwasser nach Art. 234 Abs. 2 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--, bei Bewährung
in 2 Jahren löschbar.

    Das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte am 27. November 1975
diesen Entscheid.

    C.- Eine vom Gebüssten gegen dieses Urteil gerichtete staatsrechtliche
Beschwerde hat der Kassationshof des Bundesgerichts am 3. Juni 1976
abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

    D.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt
Freisprechung von Schuld und Strafe.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Als für die Trinkwasserverschmutzung kausale Pflichtverletzung
hält die Vorinstanz den Umstand fest, dass der Beschwerdeführer die
Leitungen im Vorraum zum Wohnhaus nicht einer visuellen Prüfung unterzogen
hat. Im angefochtenen Urteil wird ausgeführt, der Beschwerdeführer wäre
zu dieser Kontrolle verpflichtet gewesen. Hätte er die visuelle Prüfung
durchgeführt, hätte er gesehen, dass diese Leitungen vollständig verrostet
und ein derartiger Zustand zumindest auf latente Perforationen schliessen
liessen. Wäre der Beschwerdeführer dieser Kontrollpflicht nachgekommen
und hätte er das Gewässerschutzamt unverzüglich über die schadhaften
Leitungen benachrichtigt, so hätte der Schaden mit Sicherheit abgewendet
werden können.

    Gegen diese Argumentation wendet der Beschwerdeführer in erster Linie
sinngemäss ein, die allein massgebliche Bundesgesetzgebung verlange
lediglich eine Prüfung der Leitungen durch Druckprobe. Eine visuelle
Kontrolle sei nicht vorgeschrieben. Mangels einer klaren Vorschrift und
entsprechendem Lehrgang über Korrosion treffe ihn bei dieser Unterlassung
kein Verschulden.

    a) Die Verordnung zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung durch
wassergefährdende Flüssigkeiten vom 19. Juni 1972 (VWF; SR 814.226.21)
umschreibt in Art. 37 den Umfang der Revisionsarbeiten von Tankanlagen
für flüssige Brenn- und Treibstoffe. Abs. 1 lit. a-c und e der genannten
Vorschrift lauten:

    "Die Revision einer Anlage sowie der zugehörigen Einrichtungen umfasst:

    a) das Reinigen der Anlage;

    b) die eingehende Kontrolle der Anlage einschliesslich der

    Gewässerschutzmassnahmen auf einwandfreien und funktionstüchtigen
Zustand;

    c) das Instandstellen, Ergänzen und Ausbessern der Anlage, soweit dies
   durch angelerntes Personal fachgerecht ausgeführt werden kann;

    e) das Ausfüllen des Revisionsrapportes".

    b) Diese Verordnung wird durch die Verfügung des Eidg. Departementes
des Innern über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung durch
flüssige Brenn- und Treibstoffe sowie andere wassergefährdende
Lagerflüssigkeiten vom 27. Dezember 1967 (Technische Tankvorschriften,
TTV, SR 814.226.211) ergänzt. Bedeutsam ist Anhang 11 der Verfügung,
welcher das "Pflichtenheft für Unternehmungen, die Revisionsarbeiten an
Tankanlagen für Mineralprodukte ausführen", enthält. Dessen Ziffer 8,
Abs. 9 lautet:

    "Sämtliche Leitungen von und zum Tank, insbesondere die Füll-,
Rücklauf-
   und Entnahmeleitungen sowie die zugehörigen Einrichtungen, sind
   zu kontrollieren und zu reinigen. Die Füll- und Rücklaufleitungen
   sind durch eine Druckprobe von 3 kp/cm2 auf ihre Dichtheit zu
   prüfen. Allfällige

    Mängel sind zu beheben."

    c) Unbestritten zählen zu den der Anlage "zugehörigen Einrichtungen"
im Sinne von Art. 37 Abs. 1 VWF (vgl. Art. 36, Abs. 1, Al. 1) auch die
Leitungen vom Tank zum Brenner und zurück. Die in dieser Norm genannte
Pflicht zum "Reinigen" und zur "eingehenden Kontrolle der Anlage auf
einwandfreien und funktionstüchtigen Zustand" bezieht sich daher auch auf
diese Leitungen. Der Anhang 11 der Technischen Tankvorschriften setzt
dies ausser Zweifel. Wenn die Vorinstanz unter "eingehender Kontrolle"
auch die visuelle Prüfung der sichtbaren Leitungen verstand, so war
das eine sinngemässe Auslegung. Würde die Druckprobe als Kontrolle als
ausreichend angesehen, hätte es genügt, wenn in Abs. 9 von Ziffer 8 des
Pflichtenheftes hinsichtlich der Füll- und Rücklaufleitungen gesagt
worden wäre, sie seien durch eine Druckprobe auf ihre Dichtheit zu
prüfen. Zusätzlich von Kontrolle im allgemeinen zu sprechen, hätte sich
erübrigt. Ein Reinigen der Leitung, was ebenfalls vorgeschrieben wird, ist
übrigens nicht möglich, ohne dass die sichtbaren Leitungen in Augenschein
genommen werden. Wenn das Pflichtenheft die Reinigung der Leitungen
vorschreibt, so verfolgt es damit nicht ästhetische Zwecke. Die Befreiung
der Leitungen von Schmutz usw. kann gerade nötig sein, um die Rohre auf
ihren einwandfreien und funktionstüchtigen Zustand zu kontrollieren. Wie
der vorliegende Fall zeigt, können auch stark verrostete Leitungen der
vorgeschriebenen Druckprobe standhalten, kann doch hierzu nach dem von
der Vorinstanz beigezogenen Gutachten eine sehr geringe Wandstärke eines
Rohres aus Stahl St 37 ausreichen (Stärke von 0,0073 mm).

    So stark vom Rost angefressene Leitungen, wie sie sich im Vorraum
befanden, waren aber nicht mehr einwandfrei und funktionstüchtig im
Sinne der zitierten Vorschriften. Sie liessen befürchten, dass die
Korrosion oder andere Einwirkungen die Leitung in kurzer Zeit leck
werden liess. Stellt der Tankrevisor an sichtbaren Leitungen so starke
Korrosionen fest, so muss er dies unverzüglich den zuständigen Behörden
melden und deren Entscheid über das weitere Vorgehen abwarten, wie es
nicht zur Ziff. 8 Abs. 8 des Pflichtenheftes für Stahltanks, sondern
Art. 38 VWF allgemein vorschreibt. Wenn eine solche visuelle Kontrolle
an im Erdreich verlegten Leitungen nicht möglich ist, heisst das nicht,
sie dort nicht durchzuführen, wo sie möglich ist. Sie ist neben der
Druckprobe auszuführen, weil sie Mängel aufdecken kann, welche die
Druckprobe nicht offenbart.

    d) Im vorliegenden Fall waren nach der verbindlichen Feststellung der
Vorinstanz die Leitungen im Vorraum des Wohnhauses vollständig verrostet
und die Korrosionsanfressungen liessen zumindest auf latente Perforation
schliessen. Auch das Gutachten W., auf welches das angefochtene Urteil
verweist, führt im einzelnen aus: "Die Rohrleitungen, welche in Bodennähe
horizontal verlaufen, sowie das untere Drittel der Rohrleitungen,
welche vertikal verlaufen, waren stark verrostet; die Rohrleitungen,
die horizontal in der Nähe der Decke des Vorbaues verlaufen, sowie der
obere Teil der vertikalen Rohre waren stark angerostet."

    e) Der Beschwerdeführer kann auch nicht einwenden, er wäre gemäss
seiner Ausbildung und den durch die Praxis üblichen Anforderungen an
den Tankrevisor nicht in der Lage gewesen, aus dem Zustand der Leitungen
auf eine naheliegende Perforationsgefahr zu schliessen. Aus Ziffer 8 des
Pflichtenheftes, insbesondere Alinea 4-8, folgt, dass die Tankrevisoren
über gewisse Korrosionskenntnisse zu verfügen haben. So müssen sie Tiefe
und Ausmass allfälliger Rostanfressungen messen können, was übrigens der
Verband Schweizer Unternehmungen für Tankreinigungen und Revisionen in
einem Schreiben vom 19. März 1975 an den Experten bestätigt hat. Starke
Korrosionen oder sogar Perforationen sind unverzüglich den zuständigen
Behörden zu melden, die dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Diese
Vorschriften des Pflichtenheftes beziehen sich zwar unmittelbar auf den
Tank selber. Sie sind aber auch zur Interpretation der Pflichten bei der
Prüfung der zugehörenden Leitungen heranzuziehen, wie der Beschwerdeführer
richtig vermerkt, da auch Lecks in den Leitungen zur Gewässerverschmutzung
führen können. Ein Tankrevisor, der starke Verrostungen an Tank oder
sichtbaren Leitungen nicht erkennt und daraus die notwendigen Folgerungen
nicht zieht, verletzt die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach
seinen persönlichen Verhältnissen als Tankrevisor verpflichtet ist. Er
handelt damit fahrlässig.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer wusste nicht, dass sich nicht nur in der
Werkstatt, sondern auch im Wohnhaus ein Brenner befindet, welcher dem von
ihm revidierten Tank angeschlossen ist. Deshalb hat er auch den Brenner
im Wohnhaus nicht besichtigt. Diese Unkenntnis lässt die Vorinstanz
nicht als Entschuldigung gelten. Es verstehe sich von selbst, dass, wer
sämtliche Leitungen zu kontrollieren habe, über deren Verlauf genauestens
im Bild sein müsse. Denn wer eine Anlage nicht zu überblicken vermöge,
sei auch nicht in der Lage, sie vorschriftsgemäss zu kontrollieren. Zudem
handle es sich vorliegend um ein relativ einfaches und überschaubares
System. Schliesslich hätte der Beschwerdeführer beim Eigentümer der Anlage
entsprechende Erkundigungen einziehen können, was er unverständlicherweise
unterlassen habe.

    Der Einwand der Beschwerde, das Abpressen der Leitungen, wobei auch
die Leitungen zum Brenner im Wohnhaus unter Druck gelangt seien, genüge
den gesetzlichen Anforderungen, wurde schon widerlegt. Eine Druckprobe
macht bei sichtbaren Leitungen die visuelle Prüfung nicht überflüssig.