Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 II 256



102 II 256

38. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. September 1976 i.S. Goth &
Co. AG gegen Concord Watch Company S.A. Regeste

    Art. 439 und 447 bis 449 OR; Haftung des Spediteurs.

    1. Für Frachtgut, das auf dem Transport verloren geht, haftet
der Spediteur nach Art. 447 ff. OR. Schaden und Ausfall der
Versicherungsleistung sind auseinanderzuhalten (Erw. 1).

    2. Art. 447 Abs. 1 OR enthält eine Kausalhaftung, welche aber nicht
ausschliesst, dass der Frachtführer schon nach den Vorschriften über die
Verschuldenshaftung für den Schaden aufzukommen hat (Erw. 2a).

    3. Grobes Verschulden eines Spediteurs, der eine Sendung Golduhren
als gewöhnliche Luftfracht befördern lässt. Pflichten des Absenders gemäss
Art. 441 OR (Erw. 2b).

    4. Kausalzusammenhang zwischen der Fahrlässigkeit des Spediteurs und
dem Verlust der Sendung (Erw. 3).

    5. Art. 100 Abs. 1, 101 und 447 Abs. 3 OR. Ein Filialleiter ist
Organ, nicht Hilfsperson. Bei grober Fahrlässigkeit darf die Haftung
weder wegbedungen noch beschränkt werden (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 12. Oktober 1973 beauftragte die Concord Watch Company S.A. in
Biel die Transportfirma Goth & Co. AG, die am gleichen Ort einen Sitz
hat, mit dem Versand von 21 Golduhren im Werte von Fr. 84'150.--. Am
28. November 1973 erteilte sie ihr einen weiteren Auftrag über 14
Golduhren im Werte von Fr. 53'880.--. Die Uhren waren für einen Abnehmer
in St. Thomas-Virgin Islands (USA) bestimmt. Sie wurden von der Concord
S.A. jeweils in einer Kiste verpackt und der Goth & Co. AG zugestellt,
die den Kistenverschluss mit einem Stahlband verstärkte. Die Ware wurde
dann von der Schweiz auf dem Luftweg nach London und von dort über Antigua
nach St. Thomas befördert.

    Die erste Sendung kam in unversehrter Verpackung am Bestimmungsort
an. Beim Öffnen der Kiste zeigte sich aber, dass 11 Uhren im Werte von
Fr. 37'980.-- fehlten. Die zweite Sendung war aufgebrochen und bis auf
eine Uhr ausgeraubt, als sie in St. Thomas eintraf. Der Verlust betrug
Fr. 52'620.--.

    Die Schweizerische Nationalversicherung, bei der die Concord S.A. die
Sendungen hatte versichern lassen, lehnte die Deckung des Schadens ab,
weil die Goth & Co. AG die Uhren nicht gemäss den Versicherungsbedingungen
als "Valuable cargo" versandt hatte. Auch die Goth & Co. AG und ihre
Haftpflichtversicherung weigerten sich, den Schaden zu ersetzen.

    B.- Im Oktober 1974 klagte die Concord Watch Company S.A. gegen die
Goth & Co. AG auf Zahlung von Fr. 37'980.-- und Fr. 52'620.-- nebst Zinsen.

    Das Handelsgericht des Kantons Bern schützte am 10. Dezember 1975
die Forderung von Fr. 52'620.-- nebst 6% Zins seit dem 30. Oktober 1974,
wies die Klage im übrigen aber wegen Verjährung ab.

    C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie
beantragt, es aufzuheben und die Klage ganz abzuweisen, eventuell bloss
im Betrage von Fr. 25'000.-- gutzuheissen.

    Die Klägerin hat sich der Berufung angeschlossen, das Rechtsmittel
aber am 5. Mai 1976 zurückgezogen; sie hat sich mit der Abweisung der
Forderung von Fr. 37'980.-- abgefunden und beantragt, das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Handelsgericht versteht das Rechtsverhältnis zwischen den
Prozessparteien zutreffend als Speditionsvertrag. Für diesen bestimmt Art.
439 OR, dass der Spediteur als Kommissionär zu betrachten ist, aber in
bezug auf den Transport der Güter den Bestimmungen des Frachtvertrages
untersteht.

    Streitig ist nur noch die Haftung für den Verlust aus der zweiten
Sendung, deren Inhalt, was unbestritten ist, auf dem Transport bis auf
eine Uhr abhanden gekommen ist. Das Handelsgericht hält gleichwohl
Kommissionsrecht für anwendbar, weil der Spediteur den Transport
vorbereiten, vereinbaren und veranlassen müsse und weil auch das Ausfüllen
der dazu nötigen Transportpapiere, insbesondere des Luftfrachtbriefes,
zu seinen Vorbereitungen gehöre. Es untersucht deshalb, ob die Beklagte
ihre Sorgfaltspflichten bei der Aufgabe der zweiten Sendung dadurch
verletzt habe, dass sie die Uhren als gewöhnliche statt als Wertfracht
(Valuable cargo) spedieren liess.

    a) Das Handelsgericht übernimmt dabei den Vorwurf der Klägerin,
die Beklagte habe die Wertfracht-Klausel pflichtwidrig nicht in den
Frachtbrief aufgenommen; deswegen habe die Nationalversicherung sich
denn auch geweigert, den Verlust zu decken. Ähnlich argumentiert das
Handelsgericht in einer anderen Erwägung, in der es die Unterlassung
der Beklagten als grobfahrlässig bezeichnet und beifügt, es könne offen
bleiben, ob die Uhren bei Aufnahme der Klausel in den Frachtbrief nicht
gestohlen worden wären; denn die Klägerin verlange nur die Deckung des
Schadens, den die Nationalversicherung wegen der Unterlassung der Beklagten
nicht ersetzen wollte.

    Die Beklagte wendet mit Recht ein, dass das Handelsgericht damit
Versicherungs- und Haftpflichtansprüche vermengt, von denen es an anderer
Stelle selber sage, dass sie streng zu trennen seien. Die Abreden
der Parteien ergeben sich auch nach der Auffassung der Vorinstanz
aus dem zwischen ihnen abgeschlossenen Speditionsvertrag. Indem das
Handelsgericht annimmt, die fehlende Wertfracht-Klausel sei für den
Ausfall der Versicherungsleistung kausal gewesen, macht es die Beklagte
aber für eine ausserhalb des Speditionsvertrages eingetretene Folge
verantwortlich. Das Nichtanbringen der Klausel auf dem Frachtbrief
lässt sich zudem im Verhältnis zur Versicherungsgesellschaft nicht
als Schadensursache, sondern bloss als Grund dafür ausgeben, dass die
Gesellschaft sich geweigert hat, den Schaden zu decken.

    b) Die Auffassung des Handelsgerichtes ist auch im Ausgangspunkt
richtigzustellen. Die Klägerin fordert Ersatz des Schadens, der ihr durch
den fast völligen Verlust der zweiten Lieferung entstanden ist und der
unbestrittenermassen dem Wert der gestohlenen Uhren entspricht. Dieser
Schaden ereignete sich nach der Feststellung des Handelsgerichtes auf dem
Transport nach St. Thomas. Für Transportschaden aber haftet der Spediteur
gemäss Art. 439 OR nach den in Art. 447 bis 449 OR enthaltenen Bestimmungen
über den Frachtvertrag.

Erwägung 2

    2.- Geht ein Frachtgut verloren, so haftet der Frachtführer gemäss
Art. 447 Abs. 1 OR für den vollen Wert des Gutes, sofern er nicht beweist,
dass der Verlust durch ein Verschulden oder eine Anweisung des Absenders
oder des Empfängers verursacht sei oder auf Umständen beruhe, die durch die
Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten.

    a) Diese Bestimmung enthält eine durch die Möglichkeit des
Entlastungsbeweises gemilderte Kausalhaftung (BGE 93 II 349). Der
Frachtführer haftet unabhängig davon, ob ihn persönlich ein
Verschulden trifft. Seine Haftung setzt auch kein Verschulden der für
ihn handelnden Personen voraus; es genügt, dass eine von ihnen sich
objektiv widerrechtlich verhalten hat. Der Frachtführer entgeht der
Haftung im Falle eines Verlustes von Frachtgut nur, wenn er beweist,
dass der Schaden nach den Umständen auch bei Anwendung der Sorgfalt
eines ordentlichen Frachtführers eingetreten wäre oder dem Verhalten des
Absenders oder Empfängers zuzuschreiben ist (vgl. BECKER, N. 2 zu 447 OR;
GAUTSCHI, N. 4 lit. c zu Art. 447 OR; VON BÜREN, OR Bes. Teil S. 199 und
201; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, S. 374).

    Das heisst nicht, dass das Verschulden für die Haftung des
Frachtführers keine Rolle spiele. Das wäre namentlich dann nicht zu
verstehen, wenn die Parteien sich, wie hier, gegenseitig vorwerfen, den
Verlust der Ware mitverschuldet zu haben. Dazu kommt, dass das Verschulden
des Absenders zu den Entlastungsgründen des Frachtführers gehört. Ist die
Ersatzpflicht wegen Umständen, für die der Geschädigte einzustehen hat, zu
ermässigen, so verlangt schon die Billigkeit, dass auch das Verhalten des
Frachtführers und der für ihn handelnden Personen unter dem Gesichtspunkt
des Verschuldens gewürdigt werde. Diese Umstände können das Mass der
Haftung nach Art. 44 OR beeinflussen. Sie haben aber mehr Gewicht, wenn
dem Belangten und seinen Untergebenen kein Verschulden zur Last füllt,
als wenn dem einen oder anderen Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (vgl. BGE
95 II 97 unten und dort angeführte Urteile). Trifft letzteres zu, so
bleibt für einen Entlastungsbeweis zum vorneherein kein Raum, und der
Frachtführer hat für den Schaden schon nach den Vorschriften über die
Verschuldenshaftung aufzukommen, die durch die strengere Kausalhaftung
gemäss Art. 447 Abs. 1 OR nicht ausgeschlossen wird.

    b) Die Beklagte sieht ein Mitverschulden der Klägerin darin, dass diese
sie nicht angewiesen habe, die Uhren als "Valuable cargo" zu spedieren. Die
Klägerin hält dem entgegen, das der Wertfracht-Klausel zugrunde liegende
Sicherheitssystem sei von den Luftfahrtgesellschaften gerade zur Vermeidung
von Diebstählen an Wertsendungen eingeführt worden. Das System sei der
Beklagten, insbesondere ihrem Prokuristen Turatti, der den Frachtbrief
unterzeichnet habe, bekannt gewesen. Die Beklagte habe ferner gewusst, dass
die 6,3 kg wiegende Sendung vom 28. November 1973 18-karätige Golduhren
im Fakturawert von Fr. 53'880.-- enthielt, was sie auch ohne Weisungen
und weitere Angaben zu besonderer Vorsicht hätte veranlassen müssen. Ihr
Mitverschulden am Diebstahl sei als grob zu bezeichnen.

    Nach dem angefochtenen Urteil lässt der Luftfrachtführer den Spediteur
darüber entscheiden, ob Wertsachen wie Golduhren als gewöhnliche oder
Wertfracht zu befördern sind. Als "Valuable cargo" steht die Ware unter
Versicherungsschutz und reist praktisch diebstahlsicher. Die Wertsendungen
müssen am Flughafen in einem besonderen Annahmeraum abgeliefert werden,
gelangen auf einem sichern Weg ins Flugzeug und werden vom Flugkapitän
in einem eigens dafür vorgesehenen Raum oder Behälter verwahrt. Die
Bestimmungsorte und allfällige Zwischenstationen werden durch Fernschreiben
über den Standort der Sendungen unterrichtet. Dieses System von
Sicherheitsmassnahmen steht dem Absender für Wertsachen bis 10 Mio. Franken
kostenlos zur Verfügung und gilt für alle Luftfahrtgesellschaften, die
der IATA angeschlossen sind. Vom Absender wird bloss verlangt, dass er
die Wertfracht-Klausel in den Frachtbrief aufnimmt.

    Bei dieser Sachlage wirft das Handelsgericht der Beklagten mit Recht
vor, eine wichtige Sorgfaltspflicht des Spediteurs leichtfertig missachtet
zu haben, indem sie die Uhren als gewöhnliche Fracht transportieren
liess. Die Anwendung des Wertfrachtsystems gehört zum Fachwissen des
Spediteurs, der den Luftfrachtführer bestimmt, die Papiere vorbereitet
und den Transportweg kennt. Er hat die Interessen des Auftraggebers
als dessen Vertrauens- und Mittelsmann nach seinem besonderen Wissen zu
wahren. Das tut er aber nur, wenn er Wertsendungen unter möglichst sicheren
Bedingungen befördern lässt. Die Beklagte hätte daher von sich aus das
Wertfrachtsystem wählen müssen, das von den Luftfahrtgesellschaften gerade
wegen der Häufung von Diebstählen an Wertsendungen eingeführt worden ist,
und über das die Spediteure laufend unterrichtet werden. Das Verhalten
der Beklagten ist umso weniger zu verstehen, als ihr Vertreter Turatti
die Sicherheitsvorschriften gekannt und nach seinen eigenen Angaben auch
gewusst hat, dass eine Wertsendung nur unter Versicherungsschutz steht,
wenn eine Wertfracht-Klausel angebracht ist; seine Unterlassung entbehrt
jeder Rechtfertigung und ist der Beklagten als grobe Fahrlässigkeit
anzurechnen.

    Von einem Mitverschulden der Klägerin kann dagegen nicht die Rede
sein. Die Klägerin hat der Beklagten die nach Art. 441 OR notwendigen
Auskünfte erteilt, insbesondere über den Inhalt und den Wert der Sendung
genaue Angaben gemacht. Damit hat sie ihrer eigenen Sorgfaltspflicht
genügt; sie war nicht gehalten, der Beklagten Weisungen darüber zu
erteilen, wie der Transport vorbereitet, mit dem Luftfrachtführer
vereinbart und ausgeführt werden sollte; eine gegenteilige Übung konnte
die Beklagte nach der Feststellung des Handelsgerichtes denn auch nicht
nachweisen. Nach der besonderen Natur des Geschäftes und den Aufgaben
der Beteiligten durfte die Klägerin sich vielmehr darauf verlassen,
dass die Beklagte als internationales Transportunternehmen, das seit
Jahren Uhren spediert, sich pflichtgemäss für die sichere Transportart
entscheiden werde. Dies gilt umso mehr, als das Wertfrachtsystem sich
nach den Umständen aufdrängte.

Erwägung 3

    3.- Das Handelsgericht übergeht die Frage, ob der Diebstahl an der
zweiten Sendung bei Anbringen der Wertfracht-Klausel auf dem Frachtbrief
"mit Sicherheit oder grösster Wahrscheinlichkeit" unterblieben wäre,
weil es annimmt, die Klägerin verlange nur die Deckung des Schadens,
der ihr durch den Ausfall der Versicherungsleistung entstanden sei. Damit
lässt es offen, ob die pflichtwidrige Unterlassung der Beklagten Ursache
des Schadens sei, welcher der Klägerin durch den Diebstahl der Uhren
erwachsen ist.

    In der Erwägung über die möglichen Transportarten bejaht es den
natürlichen Kausalzusammenhang aber wenigstens sinngemäss, indem es
gestützt auf eine Zeugenaussage feststellt, als "Valuable cargo" reise
eine Ware "praktisch diebstahlsicher". Diese Feststellung kann nur
dahin verstanden werden, dass die streitige Uhrensendung mit grösster
Wahrscheinlichkeit unversehrt am Bestimmungsort eingetroffen wäre, wenn die
Beklagte sie als Wertfracht spediert hätte. Mehr verlangt der Begriff des
natürlichen Kausalzusammenhanges in Fällen wie dem vorliegenden nicht. Wo
ein zwingender Beweis der Natur der Sache nach nicht geführt werden kann,
genügt, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten
Verlauf der Dinge spricht (vgl. BGE 32 II 674, 45 II 97/8, 53 II 425/6,
57 II 209 ff.).

    Zu bejahen ist auch die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges
zwischen der Fahrlässigkeit der Beklagten und dem Verlust der Uhren. Das
Wertfrachtsystem wurde von den Luftfahrtgesellschaften eingeführt,
um Diebstähle an Wertsendungen zu verunmöglichen, die Eigentümer des
Frachtgutes also vor Schaden zu bewahren. Die Unterlassung der Beklagten
war deshalb nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen
Lebenserfahrung geeignet, eine Schädigung von der Art der eingetretenen
zu begünstigen (BGE 96 II 396 Erw. 2 und dort angeführte Urteile).

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 447 OR haftet der Frachtführer für den vollen Wert des
verlorenen Frachtgutes (Abs. 1). Die Parteien können jedoch vereinbaren,
dass er auch ein den vollen Wert übersteigendes Interesse oder weniger
als den vollen Wert zu ersetzen hat (Abs. 3). Der schweizerische
Spediteurenverband hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem
er in Art. 8 Abs. 2 seiner "Allgemeinen Bedingungen" (AB) die Haftung
insbesondere auf Fr. 25.-- je Kilo brutto und auf Fr. 25'000.-- je
Schadenereignis beschränkt wissen will.

    Das Handelsgericht hält eine summenmässige Beschränkung der Haftung im
vorliegenden Fall für unzulässig, weil sie dem Sinn und Zweck des Art. 100
OR widerspreche. Die Beklagte meint dagegen, die teilweise Wegbedingung
der Haftung sei hier nicht nach Art. 100, sondern nach Art. 101 Abs. 2 OR
zu prüfen, da Prokurist Turatti als Hilfsperson gehandelt habe; gestützt
auf die letztere Bestimmung dürfe die Haftung für Hilfspersonen aber für
jedes Verschulden wegbedungen werden.

    Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass Turatti nicht als Hilfsperson im
Sinne von Art. 101 OR ausgegeben werden darf, gleichviel ob die Beklagte
in Biel bloss einen Filialbetrieb unterhält und solchen Betrieben
Weisungen zu erteilen pflegt. Turatti vertrat die Zweigniederlassung
als Prokurist nach aussen, führte Einzelunterschrift und besorgte die
Geschäfte des Filialbetriebes weitgehend selber. Dadurch beteiligte er
sich massgebend an der Willensbildung der Beklagten, hatte folglich die
Stellung eines Organs (vgl. BGE 72 II 65/6, 81 II 226, 87 II 187). Er hat
den Gerichtsverhandlungen denn auch als das "mit der Sache vertraute Organ"
der Gesellschaft beigewohnt. Damit ist der Berufung auf Art. 101 Abs. 2
OR der Boden entzogen. In Art. 8 Abs. 1 AB wird übrigens die Haftung des
Spediteurs für grobes Verschulden auch seiner Hilfspersonen ausdrücklich
anerkannt.

    Nach Art. 100 Abs. 1 OR sodann ist eine zum voraus vereinbarte
Wegbedingung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit als nichtig zu
betrachten. Liegt wie hier eine solche Fahrlässigkeit vor, so ist auch
eine vertragliche Beschränkung der Ersatzsumme ungültig (vgl. nicht
veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Februar 1957
i.S. Bigler gegen Schlittler & Cie; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 407;
BECKER, N. 4 zu Art. 100 OR; VON TUHR/ESCHER, OR S. 120). Das widerspricht
dem Art. 447 Abs. 3 OR nicht. Ein Widerspruch ergäbe sich vielmehr, wenn
man annehmen wollte, diese Bestimmung schliesse die allgemeine Regel des
Art. 100 OR über die vertragliche Haftung aus, da diesfalls die Haftung
des Frachtführers zugleich verschärft und erleichtert würde. Das kann
nicht der Sinn von Art. 447 Abs. 3 sein. Das Gesetz kann nicht für den
Frachtvertrag anstelle der gewöhnlichen Verschuldenshaftung eine strengere
Kausalhaftung vorsehen, gleichzeitig aber die Wegbedingung der Haftung
in einem weiteren Masse als Art. 100 OR zulassen. In diesem Sinne wird
Art. 447 Abs. 3 OR auch im Schrifttum ausgelegt, obschon man darin die
Haftung des Frachtführers nicht durchwegs als Kausalhaftung ansieht
(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 zu Art. 447 OR; BECKER, N. 12 zu Art. 447 OR;
VON TUHR/ESCHER, OR S. 120 und Anm. 42; GAUTSCHI, N. 8 lit. a und 10
lit. f zu Art. 447 OR).

    War eine summenmässige Beschränkung der Haftung wegen grober
Fahrlässigkeit des Spediteurs im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen,
so hat das Handelsgericht die Beklagte mit Recht zum vollen Ersatz des
Schadens verpflichtet, welcher der Klägerin bei der zweiten Lieferung
entstanden ist. Das angefochtene Urteil ist daher im Ergebnis nicht
zu beanstanden.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des
Kantons Bern vom 10. Dezember 1975 bestätigt.