Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 85



102 III 85

16. Entscheid vom 22. April 1976 i.S. B. Regeste

    Art. 230 SchKG; Kosten des geschlossenen Verfahrens.

    Da das Beschlagsrecht der Konkursgläubiger am Vermögen des
Gemeinschuldners dahinfällt, sobald das mangels Aktiven eingestellte
Verfahren geschlossen ist, haben für die Verfahrenskosten die
Gläubiger aufzukommen, die die Konkurseröffnung verlangt hatten. Die
konkursrichterliche Verfügung, wonach die Kosten aus dem Massavermögen
zu beziehen seien, ist in einem solchen Falle nichtig und darf vom
Betreibungsamt in einem späteren Arrestverfahren gegen den früheren
Gemeinschuldner nicht beachtet - z.B. in die Arresturkunde aufgenommen
- werden.

Sachverhalt

    A.- Nachdem der über A. in G. eröffnete Konkurs mangels Aktiven
eingestellt und innerhalb der am 24. Februar 1976 abgelaufenen Frist
von keinem Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens begehrt
worden war, erklärte der Gerichtspräsident von H. am 1. März 1976 das
Verfahren als geschlossen. Die Kosten legte er den Gläubigern auf, die die
Konkurseröffnung verlangt hatten. Mit Verfügung vom 9. März 1976 änderte
der Konkursrichter diesen Kostenspruch dahin ab, dass die entstandenen
Verfahrenskosten im Betrage von Fr. 4'100.-- aus dem Massavermögen zu
beziehen seien und die Konkursgläubiger nur für einen Ausfall aufzukommen
hätten.

    Inzwischen hatte B. für Forderungen gegen A. in der Höhe von
insgesamt Fr. 14'885.55 nebst Zins ein Arrestbegehren gestellt,
dem die Arrestbehörde von H. mit Arrestbefehl vom 4. März 1976
entsprochen hatte. Der Arrest war am 8. März 1976 vollzogen worden. In
die Arresturkunde vom 11. März 1976 nahm das Betreibungsamt H. die vom
Gerichtspräsidenten im Zusammenhang mit dem geschlossenen Konkurs über
den Arrestschuldner am 9. März 1976 erlassene Kostenverfügung auf.

    B.- Gegen die Wiedergabe dieser Verfügung in der Arresturkunde
beschwerte sich B. bei der kantonalen Aufsichtsbehörde, welche die
Beschwerde am 6. April 1976 abwies.

    C.- Diesen Entscheid hat der Arrestgläubiger mit Rekurs an das
Bundesgericht weitergezogen. Er stellt den Antrag, es sei die in
der Arresturkunde enthaltene Verfügung des Gerichtspräsidenten von
H. aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zur Begründung des Rekurses wird geltend gemacht, das
Betreibungsamt habe in der Arresturkunde nicht lediglich zur Orientierung
des Arrestgläubigers auf die Verfügung des Gerichtspräsidenten von
H. vom 9. März 1976 hingewiesen, wie von der kantonalen Aufsichtsbehörde
zu Unrecht angenommen worden sei. Aus dem Wortlaut der Wiedergabe
sei vielmehr zu schliessen, dass das Betreibungsamt gewillt sei, der
richterlichen Verfügung Folge zu leisten und aus dem Arresterlös vorab
den Betrag von Fr. 4'100.-- zur Deckung der Kosten im geschlossenen
Konkursverfahren an das Konkursamt weiterzuleiten. Materiell entbehre
die in der Arresturkunde wiedergegebene Verfügung jeglicher Grundlage; ein
privilegierter Pfändungsanschluss, wie er sich aus dem konkursrichterlichen
Entscheid ergebe, sei im Gesetz nirgends vorgesehen. Der Rekurrent ist
der Ansicht, dass er bei einem Vollzug jener Verfügung einen Eingriff in
seine Rechte erleiden würde, für den jede gesetzliche Grundlage fehle.

Erwägung 2

    2.- Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung fällt das Beschlagsrecht
der Konkursgläubiger am Vermögen des Gemeinschuldners dahin, sobald
das mangels Aktiven gestützt auf Art. 230 Abs. 1 SchKG eingestellte
Konkursverfahren geschlossen ist (BGE 90 II 253 mit Hinweisen). Davon
geht übrigens auch das Gesetz aus, wenn es in Art. 230 Abs. 3 SchKG dem
Gläubiger die Möglichkeit einräumt, den Schuldner nach der Einstellung des
Konkursverfahrens während zwei Jahren auch auf Pfändung zu betreiben. Ein
Massavermögen, aus dem die im Konkurs über den heutigen Arrestschuldner
erwachsenen Kosten bezogen werden könnten, besteht somit seit Ablauf der
Frist für ein allfälliges Begehren um Durchführung des Konkursverfahrens
und für die entsprechende Sicherstellung der Kosten nicht mehr. Für die
bis zum 24. Februar 1976 entstandenen Kosten haben daher - wie dies im
richterlichen Entscheid vom 1. März 1976 zutreffend verfügt worden war -
nach Art. 169 SchKG die Gläubiger aufzukommen, die das Konkursbegehren
gestellt hatten (vgl. dazu auch BGE 55 III 93 und 64 III 169 E. 1). Etwas
anderes ergibt sich auch aus den von der Vorinstanz angeführten
Literaturstellen (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, 3. A., N. 2 zu
Art. 169 und N. 1 Abs. 3 zu Art. 230 SchKG) nicht, bezieht sich doch
die dort geäusserte Auffassung, die Haftung der Gläubiger sei gegenüber
jener des Massavermögens subsidiär, allein auf jene Fälle, in denen der
Konkurs durchgeführt wird bzw. das Verfahren noch nicht geschlossen ist.

    War aber nach dem 24. Februar 1976 ein Massavermögen nicht mehr
vorhanden, fiel die richterliche Anweisung vom 9. März 1976, die bis zur
Schliessung des Verfahrens erwachsenen Kosten seien aus der Konkursmasse zu
beziehen, ins Leere. Die Verfügung kann gar nicht vollzogen werden, weil
sie etwas Unmögliches anordnet. Dieser Mangel ist derart offensichtlich
und schwerwiegend, dass sie als nichtig zu betrachten ist (vgl. IMBODEN,
Der nichtige Staatsakt, S. 138/139; IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen
BlSchK 8/1944, S. 133 ff.; GULDENER, Zwangsvollstreckung und Zivilprozess,
ZSR 74 I S. 55; WEISS, Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Widerruf
von Betreibungshandlungen, Zürcher Diss. 1957, S. 19 ff. und 31 ff.,
insbes. S. 33).

    Nun können die kantonalen Aufsichtsbehörden und das Bundesgericht
im Rekursverfahren nach den Art. 78 ff. OG/19 SchKG allerdings nur
nichtige Verfügungen eines Betreibungs- und Konkursamtes jederzeit
von Amtes wegen aufheben (vgl. BGE 96 III 118/119 E. 4b), nicht aber
Entscheide des Konkursrichters. Indessen sind auch konkursrichterliche
Verfügungen in einem weiteren Sinne als Betreibungshandlungen zu betrachten
(vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes,
S. 203 ff.; WEISS, aaO S. 1/2). Sind derartige Verfügungen mit einem
Nichtigkeitsgrund behaftet, so sind die Betreibungsbehörden befugt und
verpflichtet, sie unbeachtet zu lassen, ebenso wie andere Behörden nichtige
Anordnungen der Betreibungsämter grundsätzlich als nicht bestehend zu
betrachten haben und lediglich dort, wo es die Rechtssicherheit erfordert,
gehalten sind, vorerst einen Entscheid der Betreibungsbehörden über
die Frage der Nichtigkeit herbeizuführen (BGE 78 III 51, 96 III 119),
wozu indes im vorliegenden Fall kein Anlass besteht. Die Verfügung des
Gerichtspräsidenten von H. vom 9. März 1976 hätte demnach unbeachtet
bleiben sollen und in der Arresturkunde nicht erwähnt werden dürfen. Das
Betreibungsamt H. ist daher anzuhalten, den entsprechenden Hinweis zu
streichen.