Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 63



102 III 63

12. Entscheid vom 25. Februar 1976 i.S. M. GmbH. Regeste

    Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG. Betreibungsurkunden, in denen die Person
des Schuldners nicht klar und unzweideutig genannt ist, sind grundsätzlich
nichtig. Lässt hingegen die mangelhafte Schuldnerbezeichnung den wirklichen
Schuldner ohne weiteres erkennen, ist die Urkunde zu berichtigen und die
Betreibung weiterzuführen.

Sachverhalt

    A.- Die M. GmbH betrieb die Firma F. + E. AG, Autokranbetrieb, Sch.,
für eine Forderung von Fr. 1'700.-- nebst 6% Zins seit 13. September
1974. Im Zahlungsbefehl Nr. 131/1975 des Betreibungsamtes Sch. wurde als
Schuldnerin die Firma F. + E., Autokranbetrieb, Sch., aufgeführt. Die
Schuldnerin erhob Rechtsvorschlag, worauf die Gläubigerin beim
Amtsgerichtspräsidenten am 16. Oktober 1975 die provisorische Rechtsöffnung
für den Betrag von Fr. 1'700.-- nebst 5% Zins seit 8. August 1975 erwirkte.

    B.- Die Firma F. + E. AG reichte am 23. Oktober 1975 beim
Amtsgerichtspräsidenten als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde ein. Sie beantragte, die unter
der Schuldnerbezeichnung "F. + E." eingeleitete Betreibung vom 8. August
1975 und demzufolge auch der Rechtsöffnungsentscheid vom 16. Oktober
1975 seien nichtig zu erklären, weil die Schuldnerbezeichnung die
gesetzlichen Vorschriften des Art. 67 SchKG nicht erfülle; eine Firma F. +
E. existiere nämlich nicht. Mit Entscheid vom 21. November 1975 hob der
Amtsgerichtspräsident die Betreibung Nr. 131/1975/BA Sch. auf.

    Die M. GmbH zog diesen Entscheid an die obere kantonale
Aufsichtsbehörde weiter. Diese wies die Beschwerde am 12. Januar 1976
ab und erklärte den am 8. August 1975 in der Betreibung Nr. 131/1975/BA
Sch. ausgestellten Zahlungsbefehl für nichtig.

    C.- Die Firma M. GmbH führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, der Entscheid der obern
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 12. Januar 1976 sei aufzuheben und der
am 8. August 1975 in der Betreibung Nr. 131/1975 des Betreibungsamtes Sch.
ausgestellte Zahlungsbefehl sei zu bestätigen.

    Die Firma F. + E. AG beantragt in der Rekursantwort, den Rekurs
abzuweisen und den Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen.

    Die obere kantonale Aufsichtsbehörde stellt ebenfalls Antrag auf
Abweisung des Rekurses.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Amtsgerichtspräsident hat mit seinem Entscheid vom 21. November
1975 die Betreibung Nr. 131/1975 des Betreibungsamtes Sch. als nichtig
aufgehoben. Mit Recht hat die Vorinstanz hiezu ausgeführt, da der Erlass
des Zahlungsbefehls die einzige Betreibungshandlung darstelle, sei nicht
die Betreibung als solche aufzuheben; vielmehr genüge es, die Nichtigkeit
des Zahlungsbefehls festzustellen. Trotzdem hat dann die Vorinstanz in
Ziffer 1 des Dispositivs zum angefochtenen Entscheid die Beschwerde
vollumfänglich abgewiesen und damit den erstinstanzlichen Entscheid,
der die Betreibung als solche aufgehoben hatte, bestätigt. In Ziffer 2
des Dispositivs hat sie hingegen den Zahlungsbefehl nichtig erklärt. Das
Dispositiv des angefochtenen Entscheides ist somit widersprüchlich. Da
sich im vorinstanzlichen Verfahren ergeben hatte, dass die Gläubigerin
im Betreibungsbegehren die Schuldnerbezeichnung mit F. + E. AG
zutreffend formuliert hatte, hätte die Vorinstanz richtigerweise nur
den Zahlungsbefehl aufheben und das Betreibungsamt anweisen sollen,
kostenlos (Art. 16 GebT) einen neuen Zahlungsbefehl mit richtiger
Schuldnerbezeichnung auszufertigen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 67
Ziff. 2 SchKG sind im Zahlungsbefehl Name und Wohnort des Schuldners
aufzuführen. Wird als Schuldner eine nicht existierende Person
angegeben, ist der Zahlungsbefehl nichtig (BGE 80 III 77; SCHWANDER,
Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1954, S. 8, und SCHWARTZ,
Die Bezeichnung der Parteien in den Betreibungsurkunden, BlSchK 1955,
S. 2). Hingegen ist nicht jede Ungenauigkeit in der Bezeichnung des
Schuldners seiner Nichtexistenz gleichzusetzen. Lässt die mangelhafte
Bezeichnung den wirklichen Schuldner ohne weiteres erkennen, so besteht
kein Anlass zur Anordnung einer derart schwerwiegenden Massnahme, wie
es die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls darstellt. Bestehen nämlich über
die tatsächliche Person des Schuldners keine Zweifel, so wird weder der
Gläubiger noch der Schuldner durch die Aufrechterhaltung der Betreibung
in seinen Interessen geschädigt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht
bezüglich einer mangelhaften Gläubigerbezeichnung entschieden (BGE 98
III 24 ff.). Es hat dabei festgehalten, dass die formellen Anforderungen
an die Parteibezeichnung im Betreibungsverfahren nicht überspannt werden
dürfen. Es besteht kein Grund, diese Praxis nicht auch auf den Fall einer
ungenauen Schuldnerbezeichnung anzuwenden. Auch SCHWARTZ, aaO S. 16,
hat gestützt auf die Rechtsprechung mit Grund die Auffassung vertreten,
dass eine ungenaue Parteibezeichnung in einer Betreibungsurkunde, die eine
Unsicherheit über die Identität der fraglichen Partei zu schaffen geeignet
ist, nur dann die Nichtigkeit der betreffenden Betreibungshandlung zur
Folge haben solle, wenn sie die Beteiligten auch tatsächlich irregeführt
hat. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Beteiligten über
die Identität einer ungenau bezeichneten Partei Gewissheit verschaffen
mussten.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall wurde die Schuldnerin im Zahlungsbefehl
als Firma "F. + E., Autokranbetrieb, Sch." anstatt mit "F. + E. AG,
Autokranbetrieb, Sch." bezeichnet. Im Zahlungsbefehl fehlte somit lediglich
der Zusatz "AG". Es liegt damit eine zwar nicht ganz korrekte Bezeichnung
vor, die aber die wirklich gemeinte Schuldnerin klar erkennen lässt. Der
Auffassung der Rekursgegnerin, dass mit der im Zahlungsbefehl aufgeführten
Firma F. + E. eine Personengesellschaft oder eventuell eine einfache
Gesellschaft und damit eine nicht existierende Person betrieben worden
sei, was schlechthin Nichtigkeit zu Folge habe, kann nicht gefolgt
werden. Die Schuldnerin übersieht dabei, dass Nichtigkeit nach der
dargelegten Rechtsprechung dann nicht eintritt, wenn die mangelhafte
Parteibezeichnung die Beteiligten tatsächlich nicht irregeführt hat. Dass
eine solche Irreführung im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat, geht
schon aus der Tatsache hervor, dass sich das Betreibungsverfahren bis und
mit Erteilung der Rechtsöffnung vollständig richtig und unter Beteiligung
der wirklich gemeinten Schuldnerin abgewickelt hat. Weder in Sch. noch in
einer andern Gemeinde besteht eine Firma, wie sie im Zahlungsbefehl genannt
worden ist. Ob früher eine Kollektivgesellschaft F. + E. bestanden habe,
wie die Schuldnerin behauptet, ist unerheblich; denn es liegt auf der Hand
und war auch allen Beteiligten klar, dass die Gläubigerin und Rekurrentin
nicht eine seit mindestens 1962, dem Gründungsjahr der AG, nicht mehr
existierende Firma betreiben wollte. Natürliche Personen konnten mit der
Bezeichnung "F. + E., Autokranbetrieb, Sch.", zum vorneherein nicht gemeint
sein. Zudem Wohnt der Geschäftsführer Franz E. in E. und hätte daher in
dieser Gemeinde betrieben werden müssen. Somit kam allein die Firma F. +
E. AG als Schuldnerin in Frage. Eine Verwechslung war weder möglich,
noch ist sie in Wirklichkeit vorgekommen. Auch für die Einreichung einer
Aberkennungsklage erwuchsen der Schuldnerin entgegen ihrer Behauptung
keinerlei Schwierigkeiten oder Risiken. Selbstverständlich hätte sie
nur unter ihrer richtigen Firmenbezeichnung eine solche Klage einreichen
können. Wenn sie die Frist zur Klageerhebung versäumt hat, so hat sie dies
offensichtlich ihrer eigenen Nachlässigkeit und nicht etwa der Unklarheit
über die Schuldnerbezeichnung zuzuschreiben. Dasselbe gilt auch für die
verpasste Teilnahme an der Rechtsöffnungsverhandlung. Nach der eigenen
Darstellung der Schuldnerin wurde die Vorladung zu dieser Verhandlung von
der Sekretärin der Firma F. + E. AG entgegengenommen, mit der Absicht,
sie dem Verwaltungsratspräsidenten der Firma zu übergeben, was dann wegen
dessen Ferienabwesenheit erst verspätet geschah. Der Zahlungsbefehl
wurde hingegen dem Geschäftsführer der betriebenen Firma, Franz E.,
persönlich übergeben. Dabei handelt es sich entgegen der Darstellung
in der Rekursantwort nicht um eine neue Tatsache; denn dies ergab sich
bereits aus der Vernehmlassung des Betreibungsamtes an die Vorinstanz.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid
aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der vom Betreibungsamt Sch. am
8. August 1975 erlassene Zahlungsbefehl Nr. 131/1975 gültig ist.