Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 161



102 III 161

30. Entscheid vom 1. November 1976 i.S. Konkursamt X. Regeste

    Rekurslegitimation des Konkursamtes (Art. 19 SchKG).

    Als Organ des Kantons ist das Konkursamt befugt, auf dem Beschwerdeweg
fiskalische Interessen geltend zu machen (E. 1).

    Abrechnung und Auszahlung des Erlöses aus der Pfandverwertung
(Art. 219 Abs. 1 SchKG).

    1. Der gegen das Konkursamt gerichtete Anspruch auf Auszahlung des
Verwertungserlöses ist vollstreckungsrechtlicher Natur und kann daher
auf dem Beschwerdeweg durchgesetzt werden (E. 2a).

    2. Das Konkursamt, das für die Verwertung von Pfandobjekten sich der
Dienste eines Dritten bedient, ist für die Weiterleitung des mit seinem
Einverständnis an diesen geleisteten Zuschlagspreises an die Gläubiger
verantwortlich; gegebenenfalls hat es den Erlös vorzuschiessen (E. 2b, c).

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der H. AG beauftragte das Konkursamt mit
fast einstimmiger Billigung der Gläubiger ein Auktionshaus, 18
Eigentumswohnungen "auktionsmässig zu verkaufen". Die Versteigerung fand
am 20. Februar 1976 statt, wobei drei Wohnungen veräussert wurden. Weitere
zehn sollen dem Grundpfandgläubiger W. zugeschlagen worden sein, der dies
allerdings bestreitet.

    Es war festgelegt worden, dass die den Schuldbriefen im zweiten Rang
zugrunde liegenden Forderungen (für zwei der veräusserten Grundstücke je
Fr. 30'000.-- und für das dritte Fr. 25'000.--) dem Grundpfandgläubiger,
W., zurückbezahlt und die Pfandrechte gelöscht werden sollten. Vom
Gesamtbetrag von Fr. 85'000.-- gingen lediglich Fr. 20'000.-- direkt beim
Konkursamt ein. Den andern Teil leisteten die Erwerber - mit Zustimmung des
Amtes - an das Auktionshaus. Dieses zog die gesamten Werbekosten und das
Honorar für den Verkauf von 14 Wohnungen ab und überwies nur den Saldo an
das Konkursamt. Das Amt teilte dem Auktionshaus mit, es anerkenne einen
Abzug lediglich in der Höhe des Honorars für die Veräusserung von drei
Wohnungen sowie des auf diese entfallenden Anteils an den Werbekosten,
und verlangte eine entsprechende Nachzahlung, die das Auktionshaus
indessen verweigerte.

    B.- Nachdem W. den Anspruch auf den Verwertungserlös aus den drei
Schuldbriefen an eine Bank abgetreten hatte und Zedent wie Zessionarin
das Konkursamt mehrfach zur Auszahlung gemahnt hatten, erhob jener mit
Eingabe vom 24. Juli 1976 Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs.

    In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wies die Aufsichtsbehörde das
Konkursamt mit Entscheid vom 17. September 1976 an, die Pfandverwertung
abzurechnen und dem Beschwerdeführer oder dem von ihm bezeichneten
Zessionar den entsprechenden Erlös auszuzahlen.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat das Konkursamt mit Eingabe vom
24. September 1976 an das Bundesgericht rekurriert.

    W. schliesst auf Abweisung des Rekurses und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Konkursamt widersetzt sich einer sofortigen Abrechnung mit
dem Rekursgegner, weil ein bedeutender Teil der von diesem beanspruchten
Summe von ihm bzw. der Staatskasse vorgeschossen werden müsste. Solche
fiskalischen Interessen auf dem Beschwerdeweg geltend zu machen, ist es -
als Organ des Kantons - befugt (vgl. BGE 53 III 148 E. 1). Auf den Rekurs
ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Pfandgesicherte Forderungen werden aus dem Ergebnis der
Verwertung der Pfänder vorweg bezahlt (Art. 219 Abs. 1 SchKG). Der sich
daraus gegenüber dem Betreibungs- bzw. Konkursamt ergebende Anspruch
des Pfandgläubigers ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts
vollstreckungsrechtlicher Natur und kann mithin - im Gegensatz etwa zu
Verantwortlichkeitsansprüchen (Art. 5-7 SchKG) - auf dem Beschwerde- und
Rekursweg durchgesetzt werden (vgl. BGE 76 III 85; 73 III 89; 59 III 212;
50 III 74; 44 III 89/90 E. 1; 42 III 115 E. 3 mit Hinweisen).

    Das rekurrierende Amt scheint der Auffassung zu sein, ein derartiger
Anspruch sei im Falle des Rekursgegners noch nicht entstanden, da der
Verwertungserlös bei ihm noch nicht vollumfänglich eingegangen sei. Solange
es nicht über das erforderliche Geld verfüge, könne es zu einer Zahlung
an den Grundpfandgläubiger nicht verpflichtet werden.

    b) Fest steht, dass die Erwerber der drei hier allein in Frage
stehenden Eigentumswohnungen die zur Rückzahlung der Schuldbriefe im
zweiten Rang bestimmten Beträge - im Einverständnis mit dem Konkursamt
zum grösseren Teil an das Auktionshaus - bezahlt und sich so von ihrer
Verpflichtung gültig befreit haben. Damit aber ist das Verwertungsverfahren
abgeschlossen und der sich gegen das Konkursamt richtende Anspruch des
Rekursgegners auf Ausrichtung des Verwertungserlöses begründet worden. Dass
das Auktionshaus das Geld bisher nicht in der vom Amt beanspruchten Höhe
weitergeleitet hat, vermag daran nichts zu ändern.

    c) Es ginge nun nicht an, den Rekursgegner, der auf seine Pfandrechte
verzichten musste, damit die Handänderungen grundbuchlich vollzogen werden
konnten, bis zum Abschluss der Auseinandersetzung zwischen Konkursamt und
Auktionshaus vertrösten zu wollen. Die - immerhin recht aussergewöhnliche
- Übertragung der Verwertung des gemeinschuldnerischen Grundvermögens
an ein privates Unternehmen darf nicht dazu führen, dass die Gläubiger
schlechter gestellt sind, als wenn die Veräusserung durch das Konkursamt
selber durchgeführt worden wäre. Die Einwilligung der überwiegenden
Gläubigermehrheit in das von diesem eingeschlagene Vorgehen vermochte
selbstverständlich nicht, dem Amt das damit verbundene Inkassorisiko
abzunehmen. Bedient sich das Konkursamt für die Verwertung der Dienste
eines Dritten, so ist der Eingang des Verwertungserlöses bei diesem
dem Eingang beim Konkursamt gleichzustellen, und dafür, dass die vom
Ersteigerer geleisteten Zahlungen - nach Abzug der Verwertungskosten, aber
natürlich nur jener, die aus der Verwertung des betreffenden Objektes
resultieren - vollumfänglich an die Gläubiger weitergeleitet werden,
hat das Amt einzustehen, unabhängig davon, ob der von ihm beauftragte
Dritte die einkassierten Beträge ganz oder zum Teil oder aber überhaupt
nicht abgeliefert hat.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.