Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 138



102 III 138

25. Auszug aus dem Entscheid vom 29. September 1976 i.S. A. Regeste

    Art. 17, 92 und 283 SchKG.

    Befugnis des unter Verwaltungsbeiratschaft stehenden Schuldners,
wegen angeblicher Verletzung von Art. 92 SchKG (Retention unpfändbarer
Gegenstände) selbständig Beschwerde zu führen; Fristenlauf.

Sachverhalt

    A.- Als Vermieter der von A. gemieteten Fabrik- und Büroräume
in X. stellte B. am 8. Juni 1976 das Begehren um Aufnahme einer
Retentionsurkunde. Das Betreibungsamt gab dem Gesuch am 9. Juni 1976 statt.
Noch am gleichen Tag händigte es ein Exemplar der Retentionsurkunde G. aus,
der am 29. Oktober 1974 von der Vormundschaftsbehörde K. zum vorläufigen
Vormund des Schuldners ernannt worden war.

    B.- Mit Eingabe vom 29. Juli 1976 erhob Dr. M. für den sich in
Untersuchungshaft befindenden A., zu dessen neuem vorläufigen Vormund er
durch Beschluss der Vormundschaftsbehörde Y. vom 20. Juli 1976 bestimmt
worden war, gegen die aufgenommene Retentionsurkunde Beschwerde. Es
wurde geltend gemacht, verschiedene der mit Retentionsbeschlag belegten
Gegenstände seien als Kompetenzstücke zu qualifizieren. Die kantonale
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs stellte mit Entscheid
vom 30. August 1976 fest, die Beschwerde sei verspätet, und trat daher
auf diese nicht ein.

    C.- Diesen Entscheid hat A. mit Rekurs vom 17. September 1976 beim
Bundesgericht angefochten.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Zur Begründung ihres Entscheides führte die kantonale
Aufsichtsbehörde aus, die Retentionsurkunde sei dem Schuldner mit ihrer
Übergabe an G. am 9. Juni 1976 rechtsgültig zugestellt worden; die erst
Ende Juli erhobene Beschwerde sei daher verspätet. Zwar hat die Vorinstanz
nicht übersehen, dass die am 29. Oktober 1974 errichtete vorläufige
Vormundschaft durch eine vom Bezirksgericht Bülach am 21. Januar 1976
angeordnete Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft abgelöst wurde,
ohne dass freilich je ein Beirat ernannt worden wäre. Unter Hinweis auf
Art. 444 ZGB gelangte sie jedoch zum Schluss, G. habe als ehemaliger
Vormund die Pflicht gehabt, bis zur Ablösung durch den zu bestimmenden
Beirat die notwendigen Geschäfte des A. weiterzuführen. Auch nach
Errichtung der kombinierten Beiratschaft sei er daher zuständig gewesen,
die Retentionsurkunde für den Schuldner entgegenzunehmen.

    Diese Auffassung der Vorinstanz ist zumindest nicht über alle
Zweifel erhaben. Doch mag die Frage nach den Vertretungsverhältnissen
offen bleiben, da sie für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der von
Dr. M. erhobenen Beschwerde bedeutungslos ist.

    b) Gewiss schränkt eine Verwaltungsbeiratschaft, wie sie hier neben
der Mitwirkungsbeiratschaft angeordnet worden war, die Handlungsfähigkeit
des von der Massnahme Betroffenen ein (vgl. BGE 80 II 17/18) und ist der
Beirat insofern als gesetzlicher Vertreter im Sinne von Art. 47 SchKG zu
betrachten (BGE 58 III 87). Indessen steht dem urteilsfähigen verbeirateten
Schuldner auch dort, wo ihm die Handlungsfähigkeit entzogen ist, das Recht
zu, sich selbständig gegen eine Verletzung von Art. 92 SchKG (Retention
unpfändbarer Gegenstände) zur Wehr zu setzen (vgl. BGE 68 III 116, wo
die Befugnis zur selbständigen Beschwerdeführung einem Arrestschuldner
zugestanden wurde, der sogar bevormundet war; in gleichem Sinne auch
BGE 72 III 2 und 75 III 80). Um eine solche Beschwerde des Schuldners
handelte es sich bei der Eingabe von Dr. M., der ja nicht gestützt auf
Art. 47 Abs. 1 SchKG von der Retentionsurkunde Kenntnis erhalten hatte.

    Für die Rechtzeitigkeit einer Beschwerde, die vom oder für den in
seiner Handlungsfähigkeit Eingeschränkten persönlich erhoben wird,
ist nun aber der Zeitpunkt massgebend, da dieser selbst von der
betreibungsamtlichen Verfügung Kenntnis erlangt hat. Ob und wann dies
hier der Fall war, geht aus den Akten nicht hervor. Der angefochtene
Entscheid der Aufsichtsbehörde ist daher aufzuheben und diese einzuladen,
hiezu nähere Abklärungen zu treffen. Sollte sich herausstellen, dass
Dr. M. die Retentionsurkunde übergeben wurde, ohne dass der Rekurrent von
ihr je Kenntnis erhalten hätte, so müsste die von jenem erhobene Beschwerde
ohne weiteres als rechtzeitig betrachtet werden. Sollte der Rekurrent
dagegen von der Retentionsurkunde und ihrem Inhalt schon vorher gewusst
haben, so wäre zu prüfen, ob die mit dem Tag der Kenntnisnahme beginnende
Frist eingehalten wurde. Der Vorinstanz bleibt freilich unbenommen, die
Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde offen zu lassen, falls sie zur
Ansicht gelangt, diese wäre aus materiellen Gründen ohnehin abzuweisen.