Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IB 8



102 Ib 8

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Mai 1976 i.S. Hans
Hodel AG gegen Staat Luzern und Justizkommission des Obergerichts des
Kantons Luzern Regeste

    Grundbuch.

    1. Eintragung.

    Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters bei einer sich auf einen
richterlichen Entscheid stützenden Anmeldung:
   a) im allgemeinen (Erw. 2b und 2c);

    b) hinsichtlich eines Entscheides, mit dem eine - vom Grundbuchamt
bereits vollzogene - superprovisorische Verfügung bestätigt wird (Erw. 3).

    2. Löschung.

    Ein bestehender Grundbucheintrag kann nicht auf dem Beschwerdeweg
beseitigt werden (Erw. 3 a.E.).

Sachverhalt

    A.- Mit Gesuch vom 16. April 1975 stellte die Hans Hodel AG in
Konolfingen beim Amtsgerichtspräsidenten von Sursee das Begehren, es sei
das Grundbuchamt Sursee anzuweisen, auf der (im Eigentum des Staates Luzern
stehenden) Parzelle Sursee Nr. 754 (Bezirksspital Sursee) zu ihren Gunsten
ein Bauhandwerkerpfandrecht für einen Betrag von Fr. 10'272.40 nebst Zins
zu 7 1/2% seit 15. Februar 1975 vorläufig einzutragen. Dem Gesuch wurde
mit Verfügung vom 22. April 1975 superprovisorisch entsprochen. Nach
durchgeführtem Verfahren bestätigte der Amtsgerichtspräsident diesen
Entscheid - abgesehen vom Zinsfuss, den er auf 5% herabsetzte - mit
Verfügung vom 7. August 1975, wobei er der Hans Hodel AG gleichzeitig Frist
zur Klageeinleitung ansetzte und die vorläufige Eintragung entsprechend
befristete.

    B.- Die gestützt auf die richterliche Verfügung vom 7. August 1975
eingereichte Anmeldung zur vorläufigen Eintragung wies das Grundbuchamt
Sursee am 25. August 1975 ab. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf
BGE 95 I 97 ff. aus, das fragliche Grundstück könne nicht belastet werden,
da es zum staatlichen Verwaltungsvermögen gehöre; demzufolge sei aber
auch die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts unmöglich.

    Gegen diesen Entscheid beschwerte sich die Hans Hodel AG bei der
Justizkommission des Kantons Luzern, welche die Beschwerde abwies und
ausserdem die Löschung der bestehenden vorläufigen Eintragung anordnete.

    C.- Den Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 3. Oktober 1975 hat
die Hans Hodel AG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
angefochten. Sie beantragt, es sei der Entscheid der Justizkommission
aufzuheben und das Grundbuchamt Sursee anzuweisen, das richterlich
zuerkannte Bauhandwerkerpfandrecht in Bestätigung des rechtskräftigen
früheren Eintrages vorläufig im Grundbuch einzutragen.

    Im Namen des Staates Luzern stellte das kantonale Baudepartement den
Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten, sie allenfalls abzuweisen.

    Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement schliesst in seiner
Vernehmlassung von 16. März 1976 auf Gutheissung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend,
die Justizkommission habe dem Grundbuchamt zu weit gehende Befugnisse
zugestanden, indem sie dessen Abweisungsverfügung samt Begründung geschützt
habe. Gemäss Art. 17 GBV habe der Grundbuchverwalter im Falle der Anmeldung
durch eine Gerichtsbehörde lediglich deren Zuständigkeit zu prüfen. Darüber
hinaus könne er den Vollzug eines Gerichtsentscheides höchstens dann
verweigern, wenn dieser die Vornahme einer Handlung anordne, die einen
grundbuchrechtlich unmöglichen Inhalt habe. Dass dies hier der Fall sei,
werde jedoch auch vom Grundbuchamt Sursee nicht angenommen. Es sei denn
auch nicht einzusehen, auf welche grundbuchrechtliche Vorschriften sich
das Amt berufen könnte, um die vorläufige Eintragung eines gesetzlichen
Pfandrechts zu verweigern. Die Frage, ob ein Bauhandwerkerpfandrecht zu
Lasten eines dem Verwaltungsvermögen zuzuordnenden Grundstückes überhaupt
möglich sei, habe allein der ordentliche Richter im Hauptprozess zu prüfen.

    b) Die Rechte und Rechtsverhältnisse, die ins Grundbuch
aufgenommen werden können, sind im Gesetz (vgl. Art. 958 ff. ZGB)
abschliessend aufgezählt (vgl. HOMBERGER, N. 39 zu Art. 965 ZGB; AUER,
Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1932, S. 59/60;
SCHATZMANN, Eintragungsfähigkeit der dinglichen Rechte und Prüfungspflicht
des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1939, S. 96). Dem Grundbuchverwalter
kommt daher im Rahmen seiner Kontrollpflicht (Vorhandensein eines
genügenden Rechtsgrundes, Verfügungsrecht des Anmeldenden u.a.m.) in
jedem Fall von Amtes wegen auch die Aufgabe zu, die Eintragungsfähigkeit
der angemeldeten Rechte und Rechtsverhältnisse zu prüfen.

    Stützt sich die Anmeldung - wie im vorliegenden Fall - auf einen
richterlichen Entscheid, so hat das Grundbuchamt lediglich zu untersuchen,
ob der betreffende Richter zuständig war und die Massnahme gegen die
gemäss Grundbuch legitimierte Person ergriffen wurde, nicht aber, ob
der Entscheid materiell stichhaltig sei. Eine Prüfungsbefugnis unter dem
Gesichtspunkt des materiellen Rechts ist dem Grundbuchverwalter immerhin
insofern zuzugestehen, als er zur Verweigerung des Grundbucheintrages
befugt sein muss, wenn sich aus dem Urteil eindeutig ergibt, dass
gesetzliche Voraussetzungen des einzutragenden Rechts offensichtlich
nicht erfüllt sind, oder wenn die richterliche Massnahme zur Rechtsordnung
offensichtlich im Widerspruch steht (vgl. JENNY, Das Legalitätsprinzip im
schweizerischen Grundbuchrecht, in ZBGR 11/1930, S. 235 Anm. 48 am Ende;
dazu auch BGE 84 I 126 ff. = Pr. 1959 Nr. 36 S. 108 ff.). In jedem Fall hat
der Grundbuchverwalter sodann auch bei der sich auf einen Gerichtsentscheid
stützenden Anmeldung die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen insoweit
zu prüfen, als er die Eintragung eines nicht eintragungsfähigen Rechts
zu verweigern hat (HOMBERGER, N. 39 zu Art. 965 ZGB; AUER, aaO S. 32/33;
SCHATZMANN, aaO S. 97; JENNY, aaO S. 235; DESCHENAUX, SJK 1278, S. 5;
vgl. dazu auch das Kreisschreiben der Justizdirektion des Kantons
Bern an die Grundbuchverwalter über Urteil und Urteilssurrogat als
Rechtsgrundausweis für Eintragungen im Grundbuch vom 29. November 1968,
abgedruckt in ZBGR 51/1970, S. 126 ff.).

    c) In seiner Abweisungsverfügung führte das Grundbuchamt Sursee unter
Hinweis auf BGE 95 I 97 ff. aus, das mit dem Bauhandwerkerpfandrecht zu
belastende Grundstück stelle Verwaltungsvermögen des Staates Luzern dar;
da solches nicht pfandrechtlich belastet werden könne, sei auch die
vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nicht zulässig.

    Es trifft zwar zu, dass sich das Bundesgericht in dem von
Grundbuchamt und Vorinstanz angeführten Entscheid - allerdings nur
unter dem Gesichtspunkt der willkürlichen Rechtsanwendung - mit der
grundpfandrechtlichen Belastung eines zum Verwaltungsvermögen einer
Gemeinde gehörenden Grundstückes auseinanderzusetzen hatte. Das Gericht
schützte dabei die Auffassung des solothurnischen Obergerichts, wonach
in Anbetracht von Art. 9 des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung
gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen
Rechts (SchGG) Verwaltungsvermögen einer Gemeinde auch nicht mit einem
(gesetzlichen) Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden könne (BGE
95 I 101 oben). Damit wurde indessen nicht eine grundbuchrechtliche
Frage entschieden, sondern - in Anwendung vollstreckungsrechtlicher
Bestimmungen - eine solche des materiellen Grundpfandrechts. Auch
wenn nun die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten jenem Entscheid
widersprach, war das Grundbuchamt daher nicht berechtigt, deren Vollzug zu
verweigern. Grundbuchtechnisch gesehen steht denn auch der vorläufigen
Eintragung des der Beschwerdeführerin einstweilen zugesprochenen
Bauhandwerkerpfandrechts nichts entgegen. Es kann aber andererseits auch
nicht gesagt werden, dieses Pfandrecht stehe offensichtlich im Widerspruch
zum Vollstreckungs- bzw. zum materiellen Grundpfandrecht, zumal das zu
verpfändende Grundstück nicht zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde,
sondern zu jenem des Kantons gehört, so dass weder § 102 des luzernischen
EG zum ZGB noch die Bestimmungen des SchGG ohne weiteres Anwendung finden
(vgl. namentlich Art. 1 Abs. 2 SchGG). Grundbuchamt und Vorinstanz haben
somit die ihnen im Rahmen der Prüfungspflicht zustehenden Befugnisse
überschritten.

Erwägung 3

    3.- Der angefochtene Entscheid ist sodann aber auch
verfahrensrechtlich unhaltbar. Gestützt auf die superprovisorische
Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten trug das Grundbuchamt das
Bauhandwerkerpfandrecht am 20. Mai 1975 vorläufig ein. Nach Durchführung
des Verfahrens, in welchem der Beschwerdegegner die Frist zur Stellungnahme
ungenützt hatte verstreichen lassen, bestätigte der Gerichtspräsident
die superprovisorische Anweisung an das Grundbuchamt mit Entscheid vom
7. August 1975. Die auf dieser Verfügung beruhende Grundbuch-Anmeldung
wies der Grundbuchverwalter am 25. August 1975 ab.

    Mit Ausnahme der zusätzlichen Fristansetzung zur Klageanhebung
und der entsprechenden zeitlichen Begrenzung der vorläufigen
Eintragung enthielt die zweite richterliche Verfügung (abgesehen
von der Herabsetzung des Zinsfusses) nichts anderes als die erste.
Daraus ergibt sich aber, dass dem Grundbuchamt bei der zweiten Anmeldung
hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit des Pfandrechts keine selbständige
Prüfungsbefugnis mehr zukommen konnte. Hatte das Amt das vom Richter durch
die superprovisorische Verfügung zuerkannte Pfandrecht nach pflichtgemässer
Prüfung als eintragungsfähig erachtet und die richterliche Anordnung
einmal vollzogen, so konnte es nach Erhalt der zweiten Verfügung nicht
mehr auf die Vormerkung zurückkommen. Ohne gleichzeitige Löschung des
vorläufig eingetragenen Pfandrechts, die das Grundbuchamt ohnehin nicht
von sich aus hätte vornehmen können, musste dessen Entscheid denn auch
wirkungslos bleiben.

    Diese Löschung hat nun aber die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid
angeordnet. Ein bestehender Grundbucheintrag - wozu in diesem Zusammenhang
auch die vorläufige Eintragung zu zählen ist (vgl. BGE 98 Ia 186) - kann
indessen nur mit Zustimmung des daraus Berechtigten oder - gestützt
auf eine entsprechende Klage - durch gerichtliches Urteil in einem
Grundbuchberichtigungsprozess beseitigt werden. Als Aufsichtsbehörde über
die Grundbuchämter hat die mit Grundbuchbeschwerde angerufene Vorinstanz
somit in die allein dem Richter vorbehaltenen Befugnisse übergegriffen
(vgl. BGE 98 Ia 186 mit Hinweisen). Sie hat aber auch insofern Bundesrecht
verletzt, als sie die Löschung von Amtes wegen anordnete, obschon das
vorläufig eingetragene Pfandrecht nicht etwa als nichtig zu betrachten
ist. Der angefochtene Entscheid ist demnach auch aus diesem Grunde
aufzuheben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der
Entscheid der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom
3. Oktober 1975 aufgehoben. Das Grundbuchamt Sursee wird angewiesen,
die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für den Betrag von
Fr. 10'272.40 nebst Zins seit 15. Februar 1975 zu Gunsten der Hans Hodel
AG und zu Lasten des Grundstückes Nr. 754 in Sursee unter Abänderung des
Zinsfusses auf 5% bestehen zu lassen und ihr die sich aus der Verfügung des
Amtsgerichtspräsidenten von Sursee vom 7. August 1975 ergebende zeitliche
Befristung beizufügen. Im übrigen wird die Sache zur neuen Entscheidung
über die Kosten- und Entschädigungsfolgen im kantonalen Verfahren an die
Vorinstanz zurückgewiesen.