Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IB 38



102 Ib 38

8. Urteil vom 30. Januar 1976 i.S. X. AG gegen Eidg. Steuerverwaltung
Regeste

    Stempelabgabe auf der Ausgabe von Aktien, Rückerstattung.

    Fall einer Aktiengesellschaft, welche die Emissionsabgabe nach
Massgabe des ursprünglich im Handelsregister eingetragenen, teilweise durch
Einlegung eines Grundstücks zu liberierenden Grundkapitals entrichtete,
dann aber, nach Einleitung einer Untersuchung auf Grund des BRB vom
26. Juni 1972 betreffend Verbot der Anlage ausländischer Gelder in
inländischen Grundstücken, den Sacheinlagevertrag annullierte und
demgemäss das Grundkapital niedriger festsetzte, worauf die Eintragung
im Handelsregister entsprechend "berichtigt" wurde.

Sachverhalt

    A.- Die X. AG wurde am 7. Juli 1972 gegründet. Das Aktienkapital sollte
Fr. 17'500'000.-- betragen. Es wurde im Betrage von Fr. 1'000'000.--
bar liberiert, während für Fr. 16'500'000.-- ein in der Schweiz
wohnender Gründer Y. ein inländisches Grundstück einbringen sollte; die
Erschliessung dieses Grundstücks sollte bis zu einem Höchstbetrag von Fr.
9'950'000.-- zu seinen Lasten gehen. Die Gesellschaft wurde am 20. Juli
1972 im Handelsregister eingetragen. Im Zusammenhang mit der Gründung
bezahlte sie auf Grund des BG über die Stempelabgaben vom 4. Oktober
1917 eine Emissionsabgabe von Fr. 350'000.-- (2% des Aktienkapitals von
Fr. 17'500'000.--).

    Als der Apportvertrag zur Eintragung ins Grundbuch angemeldet
wurde, unterrichtete die Grundbuchverwaltung das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement. Dieses erliess am 31. Juli 1972 gestützt auf den BRB
vom 26. Juni 1972 betreffend Verbot der Anlage ausländischer Gelder in
inländischen Grundstücken eine Verfügung, in der die X. AG aufgefordert
wurde, die Herkunft der von Y. für den Erwerb und die Erschliessung
des Grundstücks benötigten Mittel nachzuweisen; gleichzeitig wurde
die Eintragung der Gesellschaft als Eigentümerin der Liegenschaft im
Grundbuch einstweilen untersagt. Die X. AG focht diese Verfügung an. Sie
wartete jedoch den Ausgang des Beschwerdeverfahrens nicht ab, sondern
änderte innerhalb einer ihr vom Handelsregisterführer angesetzten Frist
zur Berichtigung der Eintragung am 9. Oktober 1972 ihre Statuten. Der
Apportvertrag wurde aufgehoben und demgemäss das Aktienkapital auf
Fr. 1'000'000.-- festgesetzt. Diese Änderung wurde am 13. Oktober 1972
unter dem Titel "Rectification" im Handelsregister eingetragen.

    Gestützt darauf ersuchte die X. AG am 8. November 1972 die Eidg.
Steuerverwaltung (EStV) um Rückerstattung eines Abgabebetrages von Fr.
330'000.-- (2% von Fr. 16'500'000.--). Die EStV lehnte das Begehren ab
und bestätigte ihren Standpunkt mit Einspracheentscheid vom 23. Juli
1975. Sie führte aus, im Zeitpunkt der ersten Eintragung der Gesellschaft
im Handelsregister sei die Stempelabgabe von 2% des Nennwerts der damals
ausgegebenen Aktien verfallen. Die spätere Änderung des Grundkapitals
gebe keinen Anspruch auf Rückerstattung der Abgabe. Anders verhielte
es sich, wenn die erste Anmeldung beim Handelsregister vor Abschluss
des Eintragungsverfahrens zurückgezogen oder von der Registerbehörde
zurückgewiesen worden wäre. Zwar habe der Grundbuchverwalter sich
geweigert, die Gesellschaft als Eigentümerin des einzubringenden
Grundstücks einzutragen, doch sei dieser Mangel durch die Eintragung
im Handelsregister geheilt worden. Demnach seien die in Frage stehenden
Aktien gültig ausgegeben worden.

    Die X. AG erhebt gegen den Einspracheentscheid
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in der sie das Begehren um Rückerstattung
erneuert.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die EStV stützt ihren Entscheid auf Art. 18 Abs. 1 sowie Art. 23
Abs. 1 und 2 des BG vom 4. Oktober 1917 über die Stempelabgaben (StG).
Dieses Gesetz wurde zwar mit Wirkung ab 1. Juli 1974 durch das BG vom
27. Juni 1973 ersetzt, bleibt jedoch gemäss Art. 53 Abs. 2 des neuen
Gesetzes auch nach dessen Inkrafttreten anwendbar auf Abgabeforderungen,
Tatsachen und Rechtsverhältnisse, die vorher entstanden oder eingetreten
sind. Der vorliegende Tatbestand ist daher nach altem Recht zu beurteilen.

Erwägung 2

    2.- Es ist unbestritten, dass gemäss Art. 18 Abs. 1 StG die
Abgabeforderung im Zeitpunkt und nach Massgabe der Eintragung der
Gründung der Gesellschaft im Handelsregister entsteht. Zu entscheiden
ist, welche Bedeutung der Eintragung der X. AG mit einem Grundkapital
von Fr. 17'500'000.-- am 20. Juli 1972 zukommt.

    Dem Standpunkt der Beschwerdeführerin, diese Eintragung beruhe darauf,
dass es der zuständige Handelsregisterführer an der pflichtgemässen
Sorgfalt habe fehlen lassen, kann nicht beigepflichtet werden. Der
Handelsregisterführer hat nichts anderes als das eingetragen, was
die durch einen Rechtsanwalt und Notar vertretene X. AG in Gründung
beantragt hatte. Wieweit er den der Gründung einer Aktiengesellschaft
zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalt zu überprüfen hat,
ergibt sich aus Art. 78 ff. HRegV. Bei Sacheinlagen hat er gemäss
Art. 81 HRegV zu prüfen, "ob die Gesellschaft von Aktionären oder
Dritten Vermögenswerte übernimmt oder unmittelbar nach der Gründung oder
Kapitalerhöhung übernehmen soll", und ob die Statuten den in Art. 628
OR vorgesehenen Inhalt aufweisen. Werden Grundstücke eingebracht, so
hat er zu prüfen, ob der Bestimmung von Art. 633 Abs. 4 OR Genüge getan
sei, d.h. ob die Gesellschaft einen bedingungslosen Anspruch besitze,
die Grundstücke nach Abschluss des Gründungsvorganges im Grundbuch auf
ihren Namen übertragen zu lassen. An diese Prüfungspflicht dürfen jedoch
nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden. Der Handelsregisterführer
kann nicht untersuchen, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für die
Eigentumsübertragung erfüllt seien; vielmehr wird er sich im allgemeinen
an die zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen zu halten haben
(F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl.,
S. 112). Der beschränkten Prüfungsmöglichkeit des Handelsregisterführers
hat denn auch der BRB vom 26. Juni 1972 betreffend Verbot der Anlage
ausländischer Gelder in inländischen Grundstücken dadurch Rechnung
getragen, dass er zwar die Grundbuchverwalter, die Steuerbehörden und
die öffentlichen Urkundspersonen zur Meldung von Verstössen gegen den
Beschluss oder des Verdachts auf solche Verstösse verpflichtet, nicht
aber den Handelsregisterführer (Art. 5 Abs. 1). Die etwas abweichende,
für den Grundbuchverwalter wie auch für den Handelsregisterführer geltende
Ordnung des seit 1. Februar 1974 in Kraft stehenden Art. 21 des BB vom
23. März 1961/21. März 1973 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen
im Ausland ist hier nicht anwendbar. Somit kann keine Pflichtverletzung
darin gesehen werden, dass der Handelsregisterführer im vorliegenden Fall
nicht untersucht hat, ob das vom Gründer Y. einzubringende Bauland von
diesem selbst, von anderen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz oder von
solchen mit Wohnsitz im Ausland finanziert worden sei.

    Unbegründet ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der
Handelsregisterführer hätte die Gründung mit der erwähnten Sacheinlage
deshalb nicht eintragen dürfen, weil ein Teil des Apports im Werte
von Fr. 9'950'000.-- auf künftige Leistungen des Y. entfallen sei. Ihr
Standpunkt widerspricht dem klaren Wortlaut des Art. 3bis der Statuten vom
7. Juli 1972, wo der Preis des Grundstücks selbst auf Fr. 16'500'000.--
festgesetzt wird. Der gleiche Betrag wird im öffentlich beurkundeten
Sachübernahmevertrag vom nämlichen Datum genannt ("L'apport est accepté
pour le prix total de Fr. 16'500'000.--"). Abklärungen darüber, ob diesem
Wert Gegenverpflichtungen des Y. gegenüberstanden und, wenn ja, in welchem
Betrage, hätten die Prüfungspflicht des Registerführers überschritten. Auch
in dieser Hinsicht liegt somit kein Versehen und keine Pflichtverletzung
des Handelsregisterführers vor.

Erwägung 3

    3.- Es fragt sich indessen, welche Bedeutung der weiteren, mit
"Rectification" bezeichneten Eintragung im Handelsregister vom 13. Oktober
1972 zukomme, die am 30. Oktober 1972 im Schweiz. Handelsamtsblatt
veröffentlicht wurde. Ihr wesentlicher Inhalt besteht darin, dass
festgestellt wird, das Grundkapital der X. AG betrage Fr. 1'000'000.-- und
sei voll liberiert. Misst man dem formalen Vorgang der Eintragung einer
neugegründeten Aktiengesellschaft im Handelsregister für die Entstehung
des Stempelsteueranspruchs entscheidende Bedeutung zu, so darf diese
"Rectification" nicht ausser acht gelassen werden. Sie hat dieselbe
formelle Kraft wie die ursprüngliche Eintragung. Es ist daher zu prüfen,
ob diese zweite Eintragung die erste rückwirkend aufgehoben oder aber
sie nur mit Wirkung ex nunc abgeändert habe.

    Der Wortlaut der Eintragung spricht dafür, dass der
Handelsregisterführer ihr rückwirkende Kraft beilegen wollte. Der Ausdruck
"Rectification" ("Berichtigung") wird ganz allgemein so verstanden,
dass eine frühere, mit einem Fehler behaftete Amtshandlung als nicht
erfolgt und durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt gelten soll. Gerade
dadurch unterscheidet sich die Berichtigung von der Änderung. Im übrigen
fehlt in der Eintragung jeder Hinweis auf eine Kapitalherabsetzung im
Sinne der Art. 732 ff. OR. Wollte aber der Handelsregisterführer weder
eine Neugründung noch eine Kapitalherabsetzung eintragen, so kann sein
auch nach aussen erkennbarer Wille nur darauf gerichtet gewesen sein,
den Gründungsakt so zu berichtigen, dass die Gesellschaft als von Anfang
an mit einem voll liberierten Grundkapital von Fr. 1'000'000.-- errichtet
gelten sollte.

    Die EStV bezweifelt zwar die Zulässigkeit einer solchen Berichtigung,
die in der Tat weder im OR noch in der HRegV vorgesehen ist. Allein darauf
kann es heute nicht ankommen. Das Eidg. Amt für das Handelsregister
hatte die neue Eintragung gemäss Art. 115 und 117 HRegV auf ihre
Übereinstimmung mit Gesetz und Verordnung zu prüfen. Die Veröffentlichung
im Schweiz. Handelsamtsblatt zeigt, dass bei dieser Prüfung nichts
beanstandet worden ist. Da die Eintragung einen gestaltenden Verwaltungsakt
darstellt, ist die "Berichtigung" für andere Verwaltungsbehörden wie
auch für das Bundesgericht, das hier nicht als Verwaltungsgericht in
Registersachen angerufen ist, verbindlich geworden. Die Bindungswirkung des
rechtskräftigen Verwaltungsaktes lässt für die vorfrageweise Überprüfung
seiner Rechtsbeständigkeit in einem anderen Verfahren keinen Raum (vgl. BGE
74 I 164 ff., 79 I 284 ff.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 94;
IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3./4 Aufl., Bd. II,
S. 600). Die EStV muss daher die vom Eidg. Amt für das Handelsregister
stillschweigend gebilligte "Berichtigung" als auch für sie verbindlich
anerkennen.

    Hat demnach die Beschwerdeführerin als bereits mit einem Aktienkapital
von bloss Fr. 1'000'000.-- gegründet zu gelten, so ist die von ihr
entrichtete Emissionsabgabe nur im Betrage von Fr. 20'000.-- geschuldet;
der bezahlte Mehrbetrag von Fr. 330'000.-- ist ihr zurückzuerstatten.

Erwägung 4

    4.- Man könnte sich fragen, ob es nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen
überhaupt angehe, dass der Bund einen wirtschaftlichen Vorgang -
Einbringung eines mit ausländischem Geld finanzierten Grundstückes
in eine Aktiengesellschaft - besteuert, den er selber auf Grund der
Bestimmungen zum Schutz der Währung verhindern musste. Die Frage kann indes
offengelassen werden, da die Beschwerde sich ohnehin als begründet erweist.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Eidg. Steuerverwaltung
verpflichtet, der Beschwerdeführerin von der anlässlich ihrer Gründung
geleisteten Emissionsabgabe einen Teilbetrag von Fr. 330'000.--
zurückzuerstatten.