Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IB 212



102 Ib 212

34. Urteil vom 9. April 1976 i.S. Britschgi gegen Regierungsrat des
Kantons Appenzell-Ausserrhoden Regeste

    Gewässerschutz; Baubewilligung für sog. "Ersatzbauten".

    Ausserhalb der Bauzonen resp. des GKP zu erstellende Ersatzbauten
sind gewässerschutzrechtlich analog zu behandeln wie Umbauten, sofern sie
nach Grösse und Nutzungsart dem zu ersetzenden Gebäude entsprechen. Ist
dies nicht der Fall, so sind sie als Neubauten zu behandeln und nur zu
bewilligen, wenn ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen ist.

Sachverhalt

    A.- Hans Britschgi ist Eigentümer der Liegenschaft Gasthof
"Trübli" in Waldstatt. Er reichte am 19. November 1973 das Gesuch
ein, es sei ihm zu bewilligen, die auf dem ausserhalb des Baugebietes
beziehungsweise des generellen Kanalisationsprojektes (GKP) liegenden
Grundstück vorhandenen Gebäulichkeiten abzubrechen und durch einen neuen
Landgasthof zu ersetzen. Mit Verfügung vom 24. März 1975 verweigerte die
Gewässerschutzkommission die Bewilligung, da der erforderliche Nachweis für
ein sachlich begründetes Bedürfnis nicht erbracht sei. Der Regierungsrat
des Kantons Appenzell-Ausserrhoden bestätigte diese Verfügung mit Entscheid
vom 30. September 1975. Er führte aus, nach den eingereichten Plänen sei
eindeutig ein Neubau projektiert; anstelle des bisherigen bescheidenen
Restaurants mit Nebengebäuden für einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb
sei ein wesentlich grösserer Gasthof mit Fremdenzimmern, aber ohne
landwirtschaftliche Dependenzen vorgesehen. Da dieser Neubau nicht
standortbedingt sei, könne die Bewilligung nicht erteilt werden.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Britschgi, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben, und es sei ihm die Bewilligung zu erteilen,
anstelle des baufälligen Restaurants "Trübli" einen Neubau (Ersatzbau)
zu erstellen, wobei die Auflage gemacht werden könne, dass der Ersatzbau
grössenmässig dem Volumen des Altbaues zu entsprechen habe.

    Der Regierungsrat des Kantons Appenzell-Ausserrhoden und das
Eidgenössische Departement des Innern schliessen auf Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 20 GSchG dürfen Baubewilligungen für Gebäude
und Anlagen ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt (GKP)
abgegrenzten Gebietes bzw. ausserhalb der Bauzone (vgl. BGE 101 Ib 66
E. 5a und 193 E. 2a) nur erteilt werden, sofern der Gesuchsteller ein
sachlich begründetes Bedürfnis nachweist. Wie es sich verhält, wenn eine
ausserhalb des GKP vorhandene Baute verändert, umgebaut oder durch einen
Neubau ganz oder teilweise ersetzt werden soll, ist dem Wortlaut der
gesetzlichen Bestimmung nicht zu entnehmen.

    a) Art. 19 und 20 GSchG dienen nicht nur dem Gewässerschutz, sondern
verfolgen bewusst auch raumplanerische Ziele, indem die Streubauweise
verhindert und eine gewisse Konzentration der Überbauung im erschlossenen
Gebiet erreicht werden soll. Dass der Gesetzgeber mit Art. 20 GSchG
aber den Unterhalt und die zweckmässige Erneuerung der ausserhalb des
GKP bereits vorhandenen Bauten durch das Erfordernis eines sachlich
begründeten Bedürfnisses ebenfalls habe erschweren wollen, ist auf Grund
des Gesetzestextes und der Entstehungsgeschichte nicht anzunehmen. Mit
dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber die Bewilligung neuer Streubauten
weitgehend verhindern; dagegen lässt sich aus Art. 20 GSchG nicht ableiten,
dass die Erneuerung der ausserhalb der Bauzonen stehenden Gebäude
baupolizeilich erschwert und deren Zahl dadurch allmählich vermindert
werden soll (BGE 100 Ib 91 E. 4). Anderseits darf natürlich die ratio
legis nicht dadurch umgangen werden, dass bestehende Bauten beliebig
erweitert und für andere Nutzungsarten umgebaut werden. Entsprechend
dem Sinn und Zweck von Art. 20 GSchG ist für die in der gesetzlichen
Bestimmung nicht erwähnten Umbauten durch Art. 25 AGSchV eine ausdrückliche
Regelung getroffen worden. Danach untersteht die bauliche Veränderung
eines ausserhalb des GKP liegenden Gebäudes der Bewilligungspflicht
gemäss Art. 20 GSchG, wenn dadurch die einer bestimmten Nutzung (Wohnen,
Landwirtschaft, Gewerbe und dergleichen) dienenden Räumlichkeiten um
mehr als einen Viertel vergrössert werden oder im gleichen Verhältnis
anders genutzt oder gebraucht werden können. Nach dieser gesetzeskonformen
Regelung ist somit die bauliche Erneuerung von Häusern ausserhalb des GKP
ohne besondern Nachweis eines sachlich begründeten Bedürfnisses zulässig,
sofern dabei nicht eine Erweiterung oder Nutzungsänderung erfolgt, welche
die festgelegte Toleranzmarge überschreitet.

    b) Wird ein bestehendes Gebäude weitgehend oder vollständig abgebrochen
und durch einen Neubau ersetzt, so fällt dieser Vorgang nicht ohne weiteres
unter den Begriff der "baulichen Veränderungen", mit welchem in Art. 25
AGSchV der Umbau umschrieben wird. Nach allgemeinem Sprachgebrauch setzt
ein Umbau voraus, dass das bestehende Gebäude im wesentlichen erhalten
bleibt. Man kann nicht annehmen, dass die Schöpfer von Art. 25 AGSchV
mit der gewählten Formulierung bewusst auch die Frage der Ersatzbauten,
d.h. der an Stelle abgebrochener Objekte neu errichteten Gebäude hätten
regeln wollen. Ferner darf daraus, dass Art. 25 AGSchV nicht direkt auf
Ersatzbauten anwendbar ist, nicht geschlossen werden, solche Objekte
seien nach Art. 20 GSchG gleich zu behandeln wie irgendwelche Neubauten
ausserhalb des GKP, und die Tatsache, dass eine bestehende Baute zu
ersetzen ist, spiele keine Rolle oder sei höchstens sekundär bei der
Beurteilung des sachlichen Bedürfnisses zu berücksichtigen. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass die Zulässigkeit von Ersatzbauten weder im Gesetz
noch in der Verordnung ausdrücklich geregelt ist. Daher ist zu untersuchen,
ob derartige Bauvorhaben nach dem Grundgedanken von Art. 20 GSchG rechtlich
als Neubau oder als Umbau zu behandeln sind.

    c) Da Art. 20 GSchG nicht bezweckt, bestehende Gebäude ausserhalb
des GKP zum Verschwinden zu bringen, und da Art. 25 AGSchV folgerichtig
deren Erneuerung und - in gewissem Umfang - sogar deren Erweiterung durch
Umbau gestattet, ohne dass die Standortbedingtheit des Objektes im Sinne
von Art. 27 AGSchV zu prüfen wäre, liegt es nahe, in analoger Anwendung
von Art. 25 AGSchV auch Ersatzbauten als zulässig zu betrachten, soweit
dadurch nach Umfang und Nutzungsart lediglich ein bisher vorhandenes
Gebäude durch ein neues ersetzt wird.

    Wollte man die Ersatzbaute einem Neubau gleichstellen, so hätte
dies zur Folge, dass alle jetzt ausserhalb des GKP liegenden Gebäude,
für die die Standortgebundenheit gemäss Art. 27 AGSchV verneint wird,
im Falle einer Vernichtung durch Brand oder Naturkatastrophe nicht mehr
am bisherigen Ort aufgebaut werden dürften. Dass in solchen Fällen aus
subjektiven Gründen mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geschädigten je
nach den Umständen des Einzelfalles ein Ersatzbau eventuell doch bewilligt
werden könnte, wie in der Vernehmlassung des EDI angedeutet wird, erscheint
nach der zutreffend auf die objektive Standortbedingtheit abstellenden
Fassung des heute geltenden Art. 27 AGSchV als ausgeschlossen. Entweder
bedarf es bei Ersatzbauten des Nachweises der Standortbedingtheit,
oder es ist in diesen Fällen in analoger Anwendung von Art. 25 AGSchV
grundsätzlich darauf zu verzichten.

    Die Gleichstellung der Ersatzbaute mit einem Neubau hätte überdies zur
Folge, dass ein Grundeigentümer zwar gemäss Art. 25 AGSchV ein bestehendes
Haus vollständig erneuern könnte, aber auf jeden Fall den Eindruck eines
Abbruchs verhindern müsste, wobei je nach dem konkreten Vorgehen die
Abgrenzung zwischen einem Umbau und einem Ersatzbau recht schwierig sein
dürfte. Für eine Regelung, welche ausserhalb des GKP die Erhaltung und
den vollständigen Umbau einer nicht standortbedingten Baute im Rahmen
von Art. 25 AGSchV erlaubt, aber den Ersatz eines veralteten oder durch
Brand zerstörten Gebäudes durch einen Neubau von gleicher Grösse und
Nutzungsmöglichkeit verbietet, fehlt ein tragfähiges planerisches oder
gewässerschutzrechtliches Motiv. Aus Art. 20 GSchG lässt sich nicht
ableiten, dass derjenige, der sein Haus durch ein neues ersetzen will
oder - im Brandfall - muss, grundsätzlich anders behandelt werden soll
als derjenige, der sein Gebäude durch Umbau erneuert.

    d) Aus diesen Erwägungen erscheint es gerechtfertigt, Ersatzbauten
gewässerschutzrechtlich analog zu behandeln wie Umbauten, und sie demnach
nur dann den Vorschriften von Art. 19 und 20 GSchG zu unterstellen,
wenn bezüglich Grösse und Nutzungsart erhebliche Abweichungen von dem zu
ersetzenden Gebäude vorgesehen sind.

Erwägung 2

    2.- Aus den vorangehenden grundsätzlichen Erwägungen ergibt sich,
dass dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 20 GSchG nicht verwehrt
werden kann, sein ausserhalb des GKP liegendes Gebäude - Restaurant
mit kleinem Landwirtschaftsbetrieb - zu erneuern oder allenfalls durch
einen nach Grösse und Nutzungsart den vorhandenen Gebäulichkeiten
ungefähr entsprechenden Neubau zu ersetzen. Die Bewilligung eines in
diesem Rahmen bleibenden Bauvorhabens könnte nicht von der Prüfung
der Standortgebundenheit abhängig gemacht werden; es würde sich um
die zeitgemässe Erhaltung und Modernisierung einer bereits vorhandenen
Baute handeln, also um ein Vorhaben, dem Art. 20 GSchG in Verbindung
mit Art. 25 AGSchV nicht entgegensteht. Dass ein blosser Umbau wegen
der Vernachlässigung des Gebäudeunterhalts in den vorangegangenen Jahren
kaum mehr in Frage kommt und ein Ersatzbau sich offenbar aufdrängt, kann
nicht zu einer andern Lösung führen; denn es besteht kein Anhaltspunkt
dafür, dass aufgrund des Gewässerschutzrechts die Vernachlässigung des
Gebäudeunterhalts nachher mit dem Verbot von baulichen Veränderungen
oder des Ersatzbaus zu "bestrafen" wäre. Hingegen ist durch die strikte
Anwendung der Regel, dass ein Ersatzbau nach Nutzungsart und Grösse
dem zu ersetzenden Bau entsprechen muss, der Umgehung von Art. 20 GSchG
durch irgendwelche Neubauten an Stelle von Abbruchobjekten konsequent
entgegenzutreten.

Erwägung 3

    3.- Bei dem vom Beschwerdeführer eingereichten Bauprojekt, das
von der Gewässerschutzkommission und vom Regierungsrat nicht bewilligt
wurde, handelt es sich offensichtlich nicht um eine Ersatzbaute im eben
umschriebenen Sinn, sondern um einen Neubau, der mit den bestehenden
Gebäulichkeiten nur gemeinsam hat, dass darin ebenfalls ein - wenn auch
viel grösseres - Restaurant vorgesehen ist. Die herkömmliche Verbindung
mit einem Landwirtschaftsbetrieb ist im Projekt nicht vorgesehen, sondern
erst im Laufe des Verfahrens als Möglichkeit erwähnt worden. Dagegen
wurde neu ein kleiner Hotelbetrieb mit Gästezimmern geplant.

    Dass dieses Projekt eines grossen Landgasthofs mit Gästezimmern an
Stelle des kleinen Restaurants mit Landwirtschaft von den kantonalen
Instanzen als Neubau behandelt wurde, ist nicht zu beanstanden. Ein
solches Bauvorhaben kann ausserhalb des GKP nur bewilligt werden,
sofern es als standortgebunden betrachtet werden muss. Im Gegensatz zu
den Bergrestaurants, die in Art. 27 Abs. 2 AGSchV ausdrücklich erwähnt
werden, sind Passantenrestaurants an Durchgangsstrassen in der Regel nicht
auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen. Im vorliegenden
Fall wird vom Regierungsrat in der Vernehmlassung geltend gemacht, ein
Landgasthof an diesem Strassenstück könnte in geringer Entfernung unter
Wahrung der gewässerschutzrechtlichen Vorschriften erstellt werden. Der
Beschwerdeführer bringt - ausser dem für das eingereichte Projekt nicht
stichhaltigen Argument der Ersatzbaute - nichts vor, was den Standort
ausserhalb des GKP zu begründen vermöchte.

    Die angefochtene Verweigerung der Baubewilligung entspricht somit
dem Bundesrecht. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen.

Erwägung 4

    4.- Wird die Bewilligung für einen nach Nutzung und Grösse nicht als
Ersatzbaute in Frage kommenden Neubau verweigert, so ist es nicht Sache der
Bewilligungsbehörde, gleichzeitig darüber zu befinden, ob und in welcher
Weise vorhandene Gebäulichkeiten allenfalls erneuert bzw. ersetzt werden
dürften. Die Rüge, der Regierungsrat sei auf die verbindliche Erklärung
des Beschwerdeführers, er sei bereit, "das Restaurationsvolumen zu
reduzieren", nicht eingetreten, ist unbehelflich. Zu entscheiden war
über das eingereichte Bauprojekt, nicht über die Frage, welche andere
bauliche Veränderung allenfalls bewilligt werden könnte.

    Es steht dem Beschwerdeführer frei, ein Gesuch für die Bewilligung
einer eigentlichen Ersatzbaute zu stellen, sofern er bereit ist, seine
Pläne - im Rahmen der Erweiterungsmöglichkeiten nach Art. 25 AGSchV -
auf die Dimension und Nutzungsart der bestehenden Gebäulichkeiten zu
reduzieren. Ob einem solchen Vorhaben Hindernisse entgegenstehen, die
sich aus dem kantonalen Recht, namentlich dem Planungsrecht, ergeben,
ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.