Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 352



102 Ia 352

50. Auszug aus dem Urteil vom 25. Oktober 1976 i.S. H. gegen Kanton
Schaffhausen Regeste

    Art. 4 BV. Kantonales Steuerrecht; Zwischenveranlagung.

    Es ist willkürlich, eine Zwischenveranlagung vorzunehmen:

    - auf einen Zeitpunkt, an dem sich kein Zwischentaxationsgrund
verwirklicht hat;

    - auf den Beginn einer Veranlagungsperiode.

Sachverhalt

    A.- H. ist Verwaltungsbeamter in Schaffhausen. Seine Ehefrau nahm
am 1. März 1970 eine Teilzeit-Arbeit auf. In seiner Steuererklärung
vom 31. März 1971 für die Staats- und Gemeindesteuern führte H. neben
seinem persönlichen Einkommen dasjenige seiner Ehefrau aus dem Jahre
1970 an. Auf Grund dieser Steuererklärung erhielt er am 4. Oktober
1971 eine als definitiv bezeichnete Steuerrechnung für die Staats- und
Gemeindesteuern 1971, in der sein steuerbares Einkommen auf Fr. 13'700.--
und die jährlich zu entrichtende Steuer auf Fr. 1'723.35 festgesetzt
war. Diese Steuerrechnung wie die gleichlautende für das Jahr 1972 blieben
unangefochten.

    Am 19. November erhielt H. neue Steuerrechnungen für die Jahre 1971
und 1972, die den Vermerk "Zwischenveranlagung 1971 Erwerbsaufnahme
Ehefrau ab 1.1.71 (Haupterwerb)" trugen und auf ein steuerbares Einkommen
von Fr. 17'700.-- bzw. einen jährlichen Steuerbetrag von Fr. 2'426.55
lauteten. Auf Einsprache hin entschied die kantonale Steuerkommission,
dass die Zwischentaxation wegen Erwerbsaufnahme der Ehefrau auf den
1.3.1970 vorzunehmen und die Veranlagung 1971/72 von Fr. 17'700.--
auf Fr. 15'300.-- herabzusetzen sei. Diesen Entscheid focht H. beim
Obergericht des Kantons Schaffhausen an. Das Obergericht hiess den Rekurs
am 31. Oktober 1975 teilweise gut, hob den Entscheid der Steuerkommission
auf, soweit er die Vornahme einer Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970
vorschrieb, und wies die Sache zur Vornahme einer Zwischenveranlagung
auf den 1. Januar 1971 an die Steuerkommission zurück. Gegen das Urteil
des Obergerichtes sowie die entsprechenden Steuerrechnungen vom 20. Juli
1976 hat H. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV
eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In seinem Urteil vom 31. Oktober 1975, das den angefochtenen
Taxationen zugrundeliegt, hat das Obergericht festgestellt, die
Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970 sei erst nach Ablauf der in
Art. 79 Abs. 5 des Schaffhauser Gesetzes über die direkten Steuern
vom 17. Dezember 1956 (StG) vorgesehenen dreijährigen Verwirkungsfrist
erfolgt und daher aufzuheben. Weiter wurde ausgeführt, es sei unrichtig,
dass die Zwischenveranlagung erst auf den 1. Januar 1971 vorgenommen
worden sei, obschon die Voraussetzungen dafür bereits am 1. März 1970
erfüllt gewesen seien. Daraus folge jedoch nicht ohne weiteres, dass
sie aufzuheben sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch, dass die erhöhten
Steuerfaktoren erst ab Anfang 1971 berücksichtigt worden seien, keinen
Schaden erlitten, sondern vielmehr einen Vorteil erzielt. Auch sei sein
Anspruch auf Rechtssicherheit nicht beeinträchtigt worden, da er bis Ende
1973 mit einer Zwischenveranlagung, und zwar mit einer solchen auf den
1. März 1970, habe rechnen müssen. Der Grundsatz der Unabänderlichkeit
der rechtskräftigen Veranlagung stehe einer Zwischentaxation nicht im Wege.

    Der Beschwerdeführer rügt als willkürlich, dass die kantonalen Behörden
die definitive Veranlagung für die Jahre 1971/72 abgeändert hätten. Dadurch
würden Art. 79 StG sowie § 67 der entsprechenden Vollziehungsverordnung
verletzt. Nach diesen Bestimmungen sei dann, wenn eine definitive
Einschätzung mangels zuverlässiger Unterlagen nicht möglich sei,
zunächst eine provisorische Veranlagung vorzunehmen. Eine definitive und
rechtskräftige Veranlagung könne nachträglich nicht mehr abgeändert werden.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 79 Abs. 1 StG ist eine Zwischenveranlagung
durchzuführen, wenn sich Einkommen und Vermögen in der Veranlagungsperiode
aus bestimmten Gründen, zu denen namentlich die Aufnahme oder Aufgabe
der Erwerbstätigkeit gehören, dauernd verändern. Sie erfolgt für den
Rest der Veranlagungsperiode. Diese Regelung ist eindeutig und deckt
sich inhaltlich mit derjenigen des Bundes und der meisten übrigen Kantone
(vgl. beispielsweise KÄNZIG, Komm. zur Wehrsteuer, N. 4 zu Art. 96 WStB;
HÖHN, Steuerrecht, S. 174/175; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar
zum Zürcher Steuergesetz, Bd. III, N. 1 ff. zu § 59; ZIMMERMANN,
Die Zwischentaxation nach basellandschaftlichem Steuerrecht, in:
Basellandschaftliche Steuerpraxis IV, S. 148).

    Im vorliegenden Fall ist nicht mehr streitig, dass der Anspruch
des Staates auf eine Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970 infolge
Zeitablaufs untergegangen ist. Daraus folgt, dass eine Zwischenveranlagung
aus dem Grunde, der sich an diesem Tage verwirklicht hat (Aufnahme der
Berufstätigkeit der Ehefrau), nicht mehr erfolgen durfte. Durch die
Zwischenveranlagung auf den 1. Januar 1971 wurde der gemäss ständiger
bundesgerichtlicher Praxis gewährleistete Grundsatz der Gesetzmässigkeit
der Steuern (BGE 97 I 303, E. 5b; 347 E. 2a mit zahlreichen Verweisungen)
in doppelter Hinsicht verletzt. Zum einen soll die Zwischenveranlagung
von einem Zeitpunkt an gelten, an dem sich unbestrittenermassen kein
Zwischentaxationsgrund im Sinne des Gesetzes verwirklicht hat; zum
andern ist eine Zwischentaxation auf den Beginn der Veranlagungsperiode
begrifflich überhaupt nicht möglich, da dann auf jeden Fall eine
Haupteinschätzung zu erfolgen hat und demgemäss eine Veranlagung
"für den Rest der Veranlagungsperiode", wie sie in Art. 79 Abs. 1 StG
vorgeschrieben ist, zum vornherein ausser Betracht fällt (vgl. dazu
für das zürcherische Recht REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, aaO, N. 12 zu
§ 61 StG). Das Vorgehen gemäss Urteil des Obergerichtes läuft darauf
hinaus, dass unter der unzutreffenden Bezeichnung "Zwischenveranlagung"
eine rechtskräftige Hauptveranlagung nachträglich ohne gesetzlichen Grund
abgeändert wird. Fehlt aber der nachträglich erhobenen zusätzlichen Steuer
die gesetzliche Grundlage, so ist die Frage des Vertrauensschutzes nicht
mehr von Bedeutung. Die angefochtenen Steuerveranlagungen erscheinen als
willkürlich im Sinne von Art. 4 BV und sind zusammen mit dem Urteil des
Obergerichtes vom 31. Oktober 1975 aufzuheben.