Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 238



102 Ia 238

37. Auszug aus dem Urteil vom 9. September 1976 i.S. Dr. X gegen Kanton
Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht.

    § 19 des zürcherischen Steuergesetzes; Begriff der Erwerbstätigkeit,
Abgrenzung gegenüber der privaten Vermögensverwaltung. Auch eine mit
privaten Mitteln und auf privates Risiko durchgeführte Spekulation kann
Teil der Erwerbstätigkeit bilden, wenn sie mit dem gewerbsmässigen Betrieb
eines Unternehmens, das dem betreffenden Privaten gehört oder an dem er
massgeblich beteiligt ist, in engem Zusammenhang steht. Besteuerung des
Gewinnes, den der Geschäftsführer und praktische Alleininhaber einer mit
Vermittlungsgeschäften sich befassenden AG beim Kauf und Wiederverkauf
von Aktien erzielt.

Sachverhalt

    A.- Dr. X besitzt 99% der Aktien der im Juni 1970 gegründeten,
in Zürich domizilierten Dr. X-AG und ist Verwaltungsratspräsident und
Geschäftsführer dieser Firma, deren Zweck im Handelsregister wie folgt
umschrieben ist: "Unternehmensberatung bezüglich Produktionsentwicklung,
Einführung neuer Produkte, Marketing usw." Im Briefkopf wird als
Tätigkeitsgebiet angegeben: "Industrieberatung, Fusionen, Führungskräfte,
Lizenzverwertungen."

    Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Dr. X-AG erfuhr Dr. X, dass
sämtliche Aktien der Y-Apparatefabriken AG zu verkaufen waren. Er erhielt
hiefür einen Vermittlungsauftrag, der ordnungsgemäss über die Dr. X-AG
abgewickelt wurde. Es gelang ihm, die Z-Holding AG für das Geschäft zu
interessieren, für die er im gleichen Jahre schon den Verkauf einer
Metallgiesserei erfolgreich durchgeführt hatte. Am 29. August 1970
übernahm die Z-Holding AG sämtliche 1000 Aktien der Y-Apparatefabrik
AG. Am 1. September 1970 verkaufte sie ihrerseits 262 dieser Aktien im
Nennwert von je Fr. 1'000.-- an Dr. X zum Preise von Fr. 1'325'000.--,
zahlbar bis 31. Dezember 1971, wobei u.a. ausbedungen wurde, dass diese
Aktien bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises als Pfand im Besitze
der Z-Holding AG bleiben sollten. Am 12. November 1970 verkaufte Dr. X
der Z-Holding AG 250 seiner 262 Y-Aktien zum Preise von Fr. 7'500.-- pro
Stück oder total Fr. 1'875'000.--. Die Tilgung erfolgte durch Verrechnung
mit der vorstehend erwähnten Schuld von Fr. 1'325'000.-- sowie durch
Barzahlung der Differenz von Fr. 550'000.--.

    Die zürcherischen Steuerbehörden setzten in der Folge das Reineinkommen
von Dr. X für die Staats- und Gemeindesteuern 1971 auf Fr. 901'400.--
fest, wobei der aus dem dargelegten Aktienverkauf resultierende Gewinn
von Fr. 586'800.-- als Einkommen behandelt wurde.

    Dr. X führt im Anschluss an den letztinstanzlichen Entscheid des
zürcherischen Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV. Er macht geltend, dass es sich beim erwähnten
Gewinn von Fr. 586'800.-- um einen Kapitalgewinn aus einer privaten
Wertschriftentransaktion handle, der nach zürcherischem Recht nicht der
Einkommenssteuer unterliege.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, im wesentlichen aus
folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss § 19 des zürcherischen Steuergesetzes (StG) sind bei
natürlichen Personen "die gesamten Einkünfte" steuerbar, insbesondere

    "a) der Arbeitslohn mit sämtlichen Lohnzulagen, Nebenbezügen,

    Gratifikationen, Tantièmen und allen weiteren in Zusammenhang mit dem

    Arbeitsverhältnis empfangenen Leistungen;

    b) Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit, insbesondere aus der

    Bewirtschaftung von Grund und Boden, dem Betrieb eines Geschäftes oder

    Gewerbes oder der Ausübung eines freien Berufes, einschliesslich der

    Gewinne bei Veräusserung von Geschäftsvermögen oder bei Übernahme
in das

    Privatvermögen."

    Daneben galt bis zum Jahre 1970 für die Besteuerung von Kapitalgewinnen
§ 23, wonach der realisierte Kapitalgewinn auf beweglichem Privatvermögen
als Einkommen zu besteuern war, wenn er innert sieben Jahren seit
Erwerb der Vermögenswerte erzielt wurde und den Betrag von Fr. 1'000.--
im Jahr überstieg. Diese Bestimmung wurde indessen am 5. Juli 1970
aufgehoben. Die Neufassung des Steuergesetzes findet erstmals auf die
Einschätzungen für das Steuerjahr 1971 Anwendung. Es ist nicht streitig,
dass § 23 für den vorliegenden Fall nicht mehr gilt. Der Beschwerdeführer
leitet hieraus ab, er dürfe für den von ihm privat durch Kauf und
Wiederverkauf von 250 Aktien der Y-Apparatefabriken AG erzielten Gewinn
nicht besteuert werden. Das Verwaltungsgericht nahm demgegenüber an,
das fragliche Geschäft sei "Teil eines einheitlichen Dienstleistungs-
und Handelsgeschäftes im Wechselbereich unselbständiger und selbständiger
Erwerbstätigkeit" und demgemäss steuerpflichtig. Der Beschwerdeführer
ist der Auffassung, die Unterstellung von Kapitalgewinnen unter die
Steuerpflicht sei seit der Aufhebung von § 23 StG willkürlich. Er rügt
die Begründung des Verwaltungsgerichts gesamthaft wegen Willkür und macht
solche auch hinsichtlich einzelner Erwägungen geltend, die indessen in
engem Zusammenhang stehen, so dass es sich rechtfertigt, die Sache vom
Ergebnis her auf Willkür zu überprüfen.

    b) Die Aufhebung von § 23 StG bedeutet nicht, dass im Kanton
Zürich Kapitalgewinne vorbehaltlos steuerfrei seien. Es kann daraus
nur gefolgert werden, dass sie nicht erfasst werden, wenn keine andere
steuerrechtliche Bestimmung auf sie zutrifft, also insbesondere, wenn
sie nicht das Ergebnis selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen. Das
Verwaltungsgericht hat demgemäss untersucht, ob der Beschwerdeführer
den Kapitalgewinn lediglich als Verwalter seines privaten Vermögens
oder in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit, ohne
eine eigentliche, auf Verdienst ausgerichtete Tätigkeit, erzielt
habe. Träfe eine dieser Voraussetzungen zu, so wäre der Kapitalgewinn
nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes nach der Aufhebung von § 23
StG nicht als Einkommen steuerbar. Dies entspricht der Rechtsprechung,
die das Bundesgericht zum eidgenössischen Wehrsteuerrecht entwickelt
hat, dessen Einkommensbegriff ähnlich umschrieben ist wie derjenige
des zürcherischen StG (BGE 96 I 658 mit Verweisungen). Auch vereinzelte
Geschäfte werden jedoch als gewerbsmässig betrachtet, wenn sie mit einer
anderen auf Erwerb gerichteten Tätigkeit in Verbindung stehen (BGE 97 I
173/174, E. 4b mit Verweisungen).

    Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Beschwerdeführer hat selbst
ausgeführt, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit in der Firma Dr. X-AG
den Auftrag erhalten, für die Gesamtheit der Y-Aktien einen Käufer
zu suchen. In Ausführung dieses Auftrages sei er an die Z-Holding AG
herangetreten, die sich schliesslich unter verschiedenen Voraussetzungen
und Bedingungen zum Kauf entschlossen habe. Zu diesen Bedingungen habe als
wesentliche gehört, dass er, der Beschwerdeführer, sich persönlich zu rund
einem Viertel am Kauf beteilige. Damit steht zweierlei fest: Einmal wäre
das offenbar für die Firma gewinnbringende Vermittlungsgeschäft nicht
zustandegekommen, wenn der Beschwerdeführer sich daran nicht persönlich
beteiligt hätte, und zum andern hätte der Beschwerdeführer keine
Gelegenheit gehabt, die Aktien zu erwerben, wenn die von ihm geleitete
Firma keinen Vermittlungsauftrag erhalten hätte. Die Wechselbeziehung
zwischen dem Anteil der AG und demjenigen des Beschwerdeführers persönlich
am gesamten Geschäftsvorgang ist derart eng und unauflöslich, dass sie
schon für sich allein die Annahme ausschliesst, das Verwaltungsgericht
sei bei der Verneinung des Vorliegens eines Privatgeschäftes in Willkür
verfallen. Daran ändern die Einwendungen des Beschwerdeführers darüber,
dass Wertschriftenhandel nicht zum Geschäftsbereich der AG gehöre und dass
er selbst nicht Wertschriftenhändler sei, nichts. Es kommt im Steuerrecht
nicht darauf an, welche Zwecke eine Firma nach dem Handelsregistereintrag
verfolgt, sondern darauf, welche sie tatsächlich durchführt, und auch eine
mit privaten Mitteln und auf privates Risiko durchgeführte Spekulation
kann Teil der Erwerbstätigkeit bilden, wenn sie mit einem gewerbsmässigen
Betrieb eng verknüpft ist, der dem betreffenden Privaten gehört oder an
dem er massgeblich beteiligt ist.

    Ergänzend sei bemerkt, dass zusätzlich folgende Momente gegen das
Vorliegen eines Geschäftes der privaten Vermögensverwaltung sprechen:

    aa) die im Kaufvertrag enthaltene Klausel, wonach dem Beschwerdeführer
der Kaufpreis in vollem Umfange gestundet wurde, die Aktien bei der
Verkäuferin verblieben und von ihr sogar weiterverpfändet werden durften;

    bb) die Höhe des Kaufpreises, der ungefähr dem gesamten Vermögen des
Beschwerdeführers entsprach.

    Der Schluss drängt sich auf, dass der Aktienkauf nicht zum Zwecke der
Kapitalanlage erfolgte. Vielmehr handelt es sich um nichts anderes als
darum, dass der Beschwerdeführer der von ihm geleiteten und ihm zu 99%
gehörenden AG die Durchführung eines bedeutenden Vermittlungsgeschäftes
dadurch ermöglichte, dass er persönlich einen Viertel des Risikos
übernahm. Es hat zwar als Selbständigerwerbender gehandelt, jedoch
nicht als Privatmann, sondern durchaus im Rahmen seiner Funktion als
Leiter eines sich mit Vermittlungen befassenden Unternehmens. Wenn das
Verwaltungsgericht diese Tätigkeit als Erwerbstätigkeit im Sinne von §
19 StG (und nicht als Verwaltung von Privatvermögen) betrachtete, so
hat es aus den dargelegten Gründen die Grenzen seines Ermessens nicht
überschritten und nicht willkürlich entschieden. Vor allem hat es auch
nicht in willkürlicher Weise die wirtschaftliche an Stelle der juristischen
Betrachtungsweise treten lassen; denn für die Qualifizierung des streitigen
Einkommensteiles als Erwerbseinkommen genügen die dargelegten rechtlichen
Gesichtspunkte durchaus. Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet
abzuweisen.