Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 211



102 Ia 211

34. Urteil vom 23. Juni 1976 i.S. Adams gegen Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Stadt und Strafgerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt.
Regeste

    Art. 4 BV; Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren.

    Ist die geschlossene Durchführung der Hauptverhandlung zum
Schutz von Geschäftsgeheimnissen geboten, so verletzt der Ausschluss
der Öffentlichkeit Art. 4 BV auch dann nicht, wenn ein derartiger
Ausschlussgrund im kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehen ist. Die
öffentliche Durchführung eines Strafverfahrens, in welchem dem Angeklagten
zur Last gelegt wird, er habe Geschäftsgeheimnisse verraten, kann mit
triftigen Gründen als widersprüchlich und mit dem Bundesrecht nicht
vereinbar bezeichnet werden.

Sachverhalt

    A.- Gegen Stanley George Adams wurde von der Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt Anklage erhoben wegen wirtschaftlichen
Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) und wegen Verletzung von
Geschäftsgeheimnissen (Art. 162 StGB). Adams wird vorgeworfen, den
Behörden der Europäischen Gemeinschaften (EG) Informationen (Fotokopien
von "Management Informations" der Firma Hoffmann-La Roche) übermittelt
zu haben, die als Geschäftsgeheimnisse dieser Firma zu gelten hätten.

    Die Hauptverhandlung vor dem Strafgericht Basel-Stadt wurde auf
den 28. Juni 1976 angesetzt. Mit Schreiben der Strafgerichtskanzlei vom
22. April 1976 wurde Adams folgende Verfügung des Strafgerichtspräsidenten
mitgeteilt:

    "2. ...

    3. Die Verhandlung wird geschlossen durchgeführt werden.

    4. ..."

    Die Verfügung enthält keine Begründung.

    In der staatsrechtlichen Beschwerde von Stanley George Adams wird
gerügt, Ziff. 3 der Verfügung des Strafgerichtspräsidenten verletze Art. 4
BV. Dem Beschwerdeführer sind die Vernehmlassungen der Staatsanwaltschaft
und des Strafgerichtspräsidenten gemäss Art. 93 Abs. 2 OG zur Ergänzung der
Beschwerde mitgeteilt worden. In der Beschwerdeergänzung wird zusätzlich
geltend gemacht, die angefochtene Verfügung verletze Art. 58 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 89 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde
binnen 30 Tagen von der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung
an gerechnet beim Bundesgericht schriftlich einzureichen. Sie hat neben
der Bezeichnung des angefochtenen Erlasses oder Entscheids die Anträge des
Beschwerdeführers sowie die wesentlichen Tatsachen und eine kurzgefasste
Darlegung darüber zu enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte und
inwiefern sie verletzt worden sind. Sofern sich die Entscheidungsgründe
erst aus der Vernehmlassung der kantonalen Behörde ergeben, kann dem
Beschwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde gesetzt werden
(Art. 93 Abs. 2 OG). Die Beschwerdeergänzung ist jedoch nur insoweit
statthaft, als die Erwägungen der kantonalen Behörde dazu Anlass geben;
hingegen dürfen keine neuen Anträge gestellt und keine neuen Rügen
vorgebracht werden, die schon in der Beschwerde selber hätten erhoben
werden können (BGE 99 Ia 366 E. 1; 98 Ia 494 E. 1b).

    Zur Rüge, die angefochtene Verfügung verletze Art. 58 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK, haben nicht erst die Erwägungen der kantonalen Behörde
Anlass gegeben. Da sie ohne weiteres schon in der Beschwerdeschrift
selber hätte erhoben werden können, ist sie in der Beschwerdeergänzung
nicht mehr zulässig.

Erwägung 2

    2.- Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art.
4 BV ist erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben (Art. 87 OG).

    a) § 153 Abs. 1 StPO bestimmt, dass der Strafgerichtspräsident nach
Eingang einer Anklage so rasch als möglich alle für die Durchführung
der Hauptverhandlung erforderlichen Anordnungen trifft. Insbesondere
stellt er gemäss § 153 Abs. 2 StPO das Verzeichnis der einzuladenden
Zeugen und Sachverständigen auf und bestimmt, welche Aktenstücke aus dem
Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung verlesen werden. Diese
Beweisliste ist den Parteien mitzuteilen. Gegen Anordnungen zur
Vorbereitung der Hauptverhandlung - zu denen nach Auffassung des
Präsidenten des Strafgerichts Basel-Stadt auch die hier zu beurteilende
zählt - ist kein eigentliches Rechtsmittel vorgesehen. § 159 Abs. 1 StPO
bestimmt jedoch, dass die Parteien beim Präsidenten Anträge auf Ergänzung
der Beweisliste stellen und dass sie Anträge, die vom Präsidenten
abgelehnt worden sind, in der Hauptverhandlung wiederholen können
(§ 159 Abs. 2 StPO). Dazu müssen sie auch dann befugt sein, wenn der
Präsident gestützt auf § 153 Abs. 1 StPO die geschlossene Durchführung
der Hauptverhandlung verfügt hat, bestimmt doch § 167 Abs. 2 StPO, dass
das Gericht die Öffentlichkeit beschränkt, sofern einer der in dieser
Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Weil § 167 Abs. 2
StPO den Entscheid über einen allfälligen Ausschluss der Öffentlichkeit in
die Hand des Gerichts selber legt (vgl. auch § 46 Abs. 3 GOG: "... kann die
Kammer..."), muss sogar gefolgert werden, dass das Gericht von Amtes wegen
und nicht nur auf Antrag einer Partei hin nochmals über den vom Präsidenten
aufgrund von § 153 Abs. 1 StPO verfügten Ausschluss der Öffentlichkeit
zu entscheiden hat. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Verfügung des
Präsidenten nicht lediglich den Ausschluss der Öffentlichkeit für die
Verhandlung über eben diese Frage betrifft. Soweit demgegenüber eine auf §
153 Abs. 1 StPO gestützte Verfügung des Präsidenten die Öffentlichkeit
einzig für die Verhandlung über die genannte Vorfrage ausschliesst,
kann sie als letztinstanzlich bezeichnet werden.

    Die angefochtene Verfügung bezieht sich auf die gesamte
Hauptverhandlung. Soweit sie mehr als nur die Verhandlung über die
Vorfrage betrifft, muss sie zwingend von einem Entscheid der Kammer
bestätigt werden. Insoweit liegt daher kein letztinstanzlicher Entscheid
vor (vgl. BGE 94 I 371 E. 4; 100 Ia 426 f.).

    b) Die angefochtene Verfügung ist kein End- sondern ein blosser
Zwischenentscheid. Soweit sie den Ausschluss der Öffentlichkeit für die
Verhandlung über die Vorfrage betrifft, hat sie für den Beschwerdeführer
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge.

Erwägung 3

    3.- Ob sich aus § 153 Abs. 1 StPO die Befugnis des
Strafgerichtspräsidenten ergibt, im Sinne einer vorbereitenden
Anordnung und unter Vorbehalt des späteren Entscheides der Kammer
die geschlossene Durchführung der ganzen Hauptverhandlung anzuordnen,
braucht nicht beurteilt zu werden, da auf die Beschwerde insoweit nicht
einzutreten ist. Auf jeden Fall aber lässt sich aus § 153 Abs. 1 StPO
ohne Willkür die Kompetenz des Strafgerichtspräsidenten entnehmen, den
Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung über diese Vorfrage zu
verfügen. Zur Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit kann plädiert
werden. Es müssen bereits in diesem Verfahrensstadium die Tatsachen
zur Sprache kommen, die möglicherweise Grund für die nicht öffentliche
Durchführung der Hauptverhandlung sind. Die Akten des Ermittlungs- und des
Überweisungsverfahrens werden den Richtern vor der Hauptverhandlung nicht
zur Kenntnis gebracht (§ 168 Abs. 2 StPO). Die Kammer kann aus diesem
Grunde nicht beurteilen, ob ein Ausschluss der Öffentlichkeit schon
für die Verhandlung über die Vorfrage erforderlich und gerechtfertigt
ist. Die hier in Frage stehende Befugnis des Strafgerichtspräsidenten
müsste daher auch bei einer freien Prüfung bejaht werden. Seine Verfügung
ist jedoch sinngemäss an die gleichen Voraussetzungen gebunden, die für den
Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung insgesamt gelten.

Erwägung 4

    4.- Ein Verstoss gegen Art. 4 BV kann nicht darin erblickt werden, dass
die Verfügung des Strafgerichtspräsidenten keine Begründung enthält. Der
Beschwerdeführer nennt keine Bestimmung des kantonalen Rechts, die dies
fordern würde. Aus Art. 4 BV lässt sich eine Pflicht, eine prozessleitende
Verfügung der vorliegenden Art zu begründen, jedenfalls nicht ableiten. Der
aus dem Bundesrecht fliessende Gehörsanspruch ist in einem solchen Fall
gewahrt, wenn die Instanz, die den Entscheid gefüllt hat, ihre Erwägungen
in der Stellungnahme zu einem dagegen ergriffenen Rechtsbehelf darlegt
und der Betroffene sich dazu äussern kann (BGE 98 Ia 464 E. 5a; 101 Ia
48 E. 3). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Erwägung 5

    5.- § 46 des Gesetzes vom 27. Juni 1895 betreffend Wahl und
Organisation der Gerichte (GOG) bestimmt in den Abs. 1 und 3:

    "Die Verhandlungen der Parteien vor Gericht geschehen öffentlich,
   mündlich und in deutscher Sprache.

    ...

    Mit Ausschluss der Öffentlichkeit werden verhandelt die Scheidungs-,

    Ehenichtigkeits-, Verlöbnisbruch- und Vaterschaftsprozesse, ferner die

    Geschäfte der Überweisungsbehörde; in andern Prozessen kann die
Kammer den

    Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse der Sittlichkeit oder
aus andern
   wichtigen Gründen beschliessen."  § 167 der Strafprozessordnung vom
   15. Oktober 1931 lautet demgegenüber:

    "Die Hauptverhandlung ist öffentlich. Das Gericht schliesst jedoch von
   sich aus oder auf Antrag der Parteien die Öffentlichkeit für die ganze

    Verhandlung oder für einzelne Teile aus oder beschränkt sie, wenn zu
   befürchten ist, dass bei öffentlicher Verhandlung die Sicherheit des

    Staates oder die Sittlichkeit gefährdet oder die Kenntnis
verbrecherischer

    Praktiken verbreitet werden könnte."

    Durch die neue Strafprozessordnung vom 15. Oktober 1931 wurde in §
46 Abs. 3 GOG (damals § 41 Abs. 3) der Zusatz "ferner die Geschäfte
der Überweisungsbehörde" eingefügt. Im übrigen blieb die Bestimmung
unverändert. Insbesondere wurde sie durch die neue Strafprozessordnung
nicht formell aufgehoben. § 46 Abs. 3 GOG wurde durch die Revision der
Strafprozessordnung aber auch nicht materiell ausser Kraft gesetzt. Dies
hat seinen Grund darin, dass die Bestimmung nicht nur für den Strafprozess,
sondern auch für die Verhandlungen vor den Zivilgerichten von Bedeutung
ist. Für jenes Verfahren ist § 46 Abs. 3 GOG die allein massgebende Norm,
weil die baslerische Zivilprozessordnung vom 8. Februar 1875 noch vor dem
GOG erlassen wurde und über die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen
keine eigene Bestimmung enthält. Es fragt sich jedoch, ob § 46 Abs. 3 Satz
2 GOG auf die Hauptverhandlung im Strafverfahren Anwendung finden kann,
oder ob sich allein aufgrund von § 167 StPO beurteilt, wann in diesem Fall
die Öffentlichkeit auszuschliessen ist. Für die zweite Annahme spricht,
dass § 167 StPO die spätere und speziellere Bestimmung ist. Wollte man für
die Hauptverhandlung im Strafprozess auch auf § 46 Abs. 3 GOG abstellen,
so würde § 167 StPO wegen der in jener Norm enthaltenen Generalklausel
praktisch leerlaufen. Dies scheint kaum der Sinn der neueren Bestimmung
zu sein, die im Vergleich zur entsprechenden Vorschrift der alten
Strafprozessordnung wesentlich geändert und präzisiert wurde. § 77 Abs. 1
der Strafprozessordnung vom 5. Mai 1862 sah vor: "Die Hauptverhandlung
vor Gericht ist mündlich und öffentlich; das Gericht soll jedoch die
Öffentlichkeit ausschliessen oder beschränken, wenn die Verhandlungen
Ärgernis erregender Art sind oder wenn Ruhestörungen zu besorgen sind." Ob
die Annahme, § 46 Abs. 3 Satz 2 GOG finde auf die Hauptverhandlung im
Strafprozess subsidiär Anwendung, mit sachlichen Gründen schlechterdings
nicht vertretbar und deshalb mit Art. 4 BV unvereinbar ist, kann
hier jedoch dahingestellt bleiben, da der Strafgerichtspräsident die
Öffentlichkeit ohne Willkür gestützt auf § 167 StPO ausschliessen konnte.

Erwägung 6

    6.- a) § 167 Abs. 2 StPO sieht den Ausschluss der Öffentlichkeit
unter drei alternativen Voraussetzungen vor; wenn zu befürchten ist,
dass bei öffentlicher Verhandlung die Sicherheit des Staates oder die
Sittlichkeit gefährdet oder die Kenntnis verbrecherischer Praktiken
verbreitet würde. Von diesen Ausschlussgründen fallen die beiden zuletzt
genannten, wie das auch der Strafgerichtspräsident angenommen hat,
zum vorneherein ausser Betracht. Die angefochtene Verfügung kann nach
dem Wortlaut der Vorschrift aber auch nicht auf den ersten Grund, die
Gefährdung der Sicherheit des Staates gestützt werden. Diese gebietet
den Ausschluss der Öffentlichkeit vorab dann, wenn militärische oder
diplomatische Geheimnisse den Verhandlungsgegenstand bilden. Eine
Gefährdung der Sicherheit des Staates kann auch in Verfahren wegen
wirtschaftlichen Nachrichtendienstes vorliegen. Dass unter diesem eng
gefassten Ausschlussgrund jedoch allgemein die Gefährdung staatlicher
Interessen und unter diesen insbesondere der Schutz der Staatsangehörigen
als Individuen verstanden werden solle, lässt sich mit dem Wortlaut nicht
in Einklang bringen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit im Strafverfahren
gegen den Beschwerdeführer bezweckt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen
der Firma Roche und damit zugleich der Interessen der schweizerischen
Volkswirtschaft (BGE 98 IV 210 E. 1b). Von einer Gefährdung der
staatlichen Sicherheit durch eine Veröffentlichung der hier in Frage
stehenden Geheimnisse kann jedoch nicht gesprochen werden. Der Ausschluss
der Öffentlichkeit wegen der Beeinträchtigung geschäftlicher Geheimnisse
vermag sich daher nicht auf den Wortlaut von § 167 Abs. 2 StPO zu stützen.

    b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die rechtsanwendende
Behörde ohne Verletzung von Art. 4 BV vom klaren Gesetzeswortlaut nur
dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den
wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der
Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der Vorschrift oder aus dem
Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 99 Ia 575 E. 3
mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Fall sind aus der Entstehungsgeschichte von § 167
StPO keine hinreichende Gründe für ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut
ersichtlich. Doch ergeben sich solche aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift
sowie aus dem Zusammenhang mit den Bestimmungen des materiellen Rechts,
die den privat- und strafrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse zum
Gegenstand haben. Es ist mit dem Bundesrecht und mit der Funktion des
Prozessrechts nicht vereinbar, wenn die Durchsetzung des materiellen
Rechts zu einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter führt,
die möglicherweise noch schwerer wiegt als die Verletzung durch die
verfolgte strafbare Handlung selbst (vgl. auch GULDENER, Bundesprivatrecht
und kantonales Zivilprozessrecht, ZSR 80/1961, Il S. 51; GULDENER,
Schweizerisches Zivilprozessrecht, II. Supplement, S. 41). Hieran
vermag auch der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens nichts
zu ändern. Dieses Prinzip bedeutet eine Absage an jede Form geheimer
Kabinettsjustiz. Es soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem
Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte
und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll
darüberhinaus ermöglicht werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das
Recht verwaltet und wie die Rechtspflege ausgeführt wird (vgl. SCHULTZ,
Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 69/1973, S. 129
ff.). Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung dieses Grundsatzes
verbietet einen Ausschluss der Öffentlichkeit dort, wo dies nicht durch
überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und
Sittlichkeit oder durch schutzwürdige Interessen Privater vordringlich
gefordert wird. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall ein Strafverfahren
die Frage zum Gegenstand hat, ob Geschäftsgeheimnisse verraten und ob
sie einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation
zugänglich gemacht wurden, so verstösst der Ausschluss der Öffentlichkeit
nicht gegen Art. 4 BV, selbst wenn dabei vom Wortlaut der kantonalen
Prozessvorschriften abgewichen wird. Die öffentliche Durchführung
eines Strafverfahrens, in welchem dem Angeklagten zur Last gelegt wird,
er habe Geschäftsgeheimnisse verraten, kann mit triftigen Gründen als
widersprüchlich und mit dem Bundesrecht nicht vereinbar bezeichnet werden.

Erwägung 7

    7.- Es liegen auch keine hinreichenden Gründe vor, die den Vorwurf
rechtfertigen, der Strafgerichtspräsident habe willkürlich angenommen,
die Durchführung der Hauptverhandlung hinter geschlossenen Türen und
demzufolge auch die geschlossene Verhandlung über den entsprechenden
Vorentscheid sei zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geboten.

    Der Strafgerichtspräsident hat darauf abgestellt, dass die Firma Roche
den "Management Informations", die in der Hauptverhandlung verlesen und
darauf hin beurteilt werden müssen, ob sie Geschäftsgeheimnisse im Sinne
der Art. 162 und 273 StGB sind, vertraulichen Charakter zugemessen
hat und dass die entsprechenden Dokumente Angaben über Preise,
die allgemeine Geschäftspolitik, Kundenprofile und Informationen
über Konkurrenzfirmen zum Inhalt haben, die nicht nur den EG-Raum
betreffen. Die Management-Information vom 29. März 1972 beispielsweise
wird mit dem Satz eingeleitet, dass in diesem Dokument "vertraulich" auf
einen kürzlich abgeschlossenen Vertrag eingegangen werde. Es wird ferner
darauf hingewiesen, dass davon nur einem absoluten Minimum von Personen
Kenntnis gegeben werden solle. Das Dokument enthält abschliessend eine
Liste der direkten Empfänger, welche die Entgegennahme des Dokuments
mit ihrer Unterschrift zu bestätigen hatten. Es ist nicht erwiesen,
dass sämtliche Unterlagen, die möglicherweise Geschäftsgeheimnisse der
Firma Roche enthalten und die einen Hauptgegenstand der Verhandlung vor
dem Strafgericht Basel-Stadt bilden, bereits allgemein bekannt und daher
im jetzigen Zeitpunkt keine Geheimnisse mehr sind. Es kann aus diesem
Grunde nicht gesagt werden, dass sich die Annahme, die Hauptverhandlung
müsse hinter geschlossenen Türen durchgeführt werden, nicht auf ernsthafte
sachliche Gründe stützen lasse.

    Der Aushändigung von internen Dokumenten der Firma Roche an Amtsstellen
der EG und dem Verfahren, das in der Folge von den Gemeinschaften
gegen diese Firma durchgeführt wurde, ist in der schweizerischen
und ausländischen Öffentlichkeit sehr grosse Aufmerksamkeit zuteil
geworden. Auch das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer hat erhebliche
und zum Teil kritische Beachtung gefunden. Es ist aus diesem Grunde ohne
Zweifel ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit vorhanden, vom Gang
des Strafprozesses im einzelnen Kenntnis zu nehmen. Es kann auf eine
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV hin aber nicht gesagt werden,
dass die vom Präsidenten zwischen den in Frage stehenden Interessen
getroffene Abwägung willkürlich, also in einer Weise ausgefallen sei,
die mit sachlichen Gründen schlechterdings nicht vertretbar ist.

    Die Dokumente, die möglicherweise Geschäftsgeheimnisse der Firma
Roche enthalten, müssen schon in der Verhandlung über den Ausschluss
der Öffentlichkeit zur Sprache kommen. Soweit die angefochtene Verfügung
dieses Verfahrensstadium betrifft, kann sie aus den dargelegten Gründen
nicht als willkürlich bezeichnet werden. Ob es gerechtfertigt ist,
die weitere Hauptverhandlung in vollem Umfang hinter geschlossenen
Türen durchzuführen, oder ob der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit
lediglich einen teilweisen Ausschluss der Öffentlichkeit zulässt, hat
das Bundesgericht auf die jetzige Beschwerde hin nicht zu beurteilen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.