Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 209



102 Ia 209

33. Auszug aus dem Urteil vom 23. April 1976 i.S. Firma X. AG und Y.,
Verwaltungsrat, gegen Stiftung Z. Regeste

    Art. 4 BV; Richterliche Einberufung einer ausserordentlichen
Generalversammlung der Aktionäre gemäss Art. 699 Abs. 4 OR.

    Anforderungen an die Berechtigung zum Begehren um Einberufung einer
Generalversammlung bei Inhaberaktien.

Sachverhalt

    A.- Die X. AG unterhielt bei der Basler Kantonalbank ein Safe, zu
dem Q. kraft Vollmacht der Firma unbeschränkten Zugang hatte. Im Safe
befanden sich u.a. die Zertifikate für 49 der 50 Inhaberaktien der X. AG.
Nachdem Q. am 11. Januar 1976 gestorben war, händigte Y., einziger
Verwaltungsrat der X. AG, der Witwe und zwei Söhnen des Verstorbenen
die 49 bei der Basler Kantonalbank deponierten Aktientitel der X. AG
aus. Am 30. Januar 1976 verlangte der Vertreter der Stiftung Z. gestützt
auf Art. 699 Abs. 3 OR von Y. die Einberufung einer ausserordentlichen
Generalversammlung der X. AG zwecks Abberufung und Neuwahl der Verwaltung
und Kontrollstelle. Als Y. dem Begehren nicht entsprach, beantragte
die Stiftung Z. gemäss Art. 699 Abs. 4 OR die richterliche Einberufung
einer Generalversammlung der X. AG, welcher der Bezirksgerichtspräsident
Unterlandquart mit Entscheid vom 17. März 1976 entsprach. Hiegegen führen
die X. AG und Y. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
BV. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, u.a. aus folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer erachten den angefochtenen Entscheid als
willkürlich, weil ihrer Meinung nach gewichtige Anhaltspunkte bestehen,
dass die Stiftung Z. nicht berechtigt ist, über die Inhaberaktien zu
verfügen und es ihr daher auch nicht zusteht, aufgrund von Art. 699 Abs. 3
und 4 OR die Einberufung einer Generalversammlung zu verlangen.

    Für das Begehren um Einberufung einer Generalversammlung im Sinne
von Art. 699 Abs. 4 OR genügt es, wenn der Gesuchsteller dem Richter
glaubhaft macht, dass er Aktionär ist (Urteil des Bundesgerichts vom
8. November 1938 i.S. Dimtza in SemJud 61/1939, S. 425 f.; V. STEIGER,
Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. A., Zürich 1970,
N. 27, S. 188). Bei Inhaberaktien gilt der Inhaber des Titels als
zur Einberufung legitimiert, wobei der Gesellschaft der Gegenbeweis
offensteht (BÜRGI, N. 20 zu Art. 699 OR). Aufgrund einer Bescheinigung
der Schweiz. Kreditanstalt Buchs/SG vom 2. Februar 1976 befinden sich
die 49 Inhaberaktien der Firma X. AG, welche Y. der Witwe und zwei Söhnen
des verstorbenen Q. ausgehändigt hatte, im Depot der Stiftung Z., und
diese ist somit Inhaberin der Titel. Die Beschwerdeführer streiten ihr
jedoch die Berechtigung an diesen Titeln ab. Sie wenden vor allem ein,
Y. sei für das Gesuch um Einberufung einer Generalversammlung keine
Erbbescheinigung der Familienangehörigen von Q. vorgelegt worden, woran
sie verschiedene Vermutungen hinsichtlich einer fehlenden Erbberechtigung
der Familienmitglieder des Verstorbenen knüpfen. Aus diesen Vermutungen
und aus der Tatsache, dass die Inhaberaktien durch eine unbekannte
Stiftung Z. vorgelegt wurden, schliessen die Beschwerdeführer auf eine
mangelnde Berechtigung der Titelinhaberin an den Aktien der X. AG. Der
Bezirksgerichtspräsident erblickte in diesen Vermutungen und den Schlüssen,
die die Beschwerdeführer daraus zogen, keinen Gegenbeweis dafür, dass die
Stiftung Z. nicht berechtigt war, über die Inhaberaktien zu verfügen und
die richterliche Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung
gemäss Art. 699 Abs. 4 OR zu verlangen.

    Diese Auffassung des Bezirksgerichtspräsidenten kann nicht als
unhaltbar bezeichnet werden. Wie das Bundesgericht bereits im angeführten
Urteil i.S. Dimtza hervorgehoben hat, entspricht Art. 699 Abs. 4 OR
den praktischen Bedürfnissen und soll eine dringliche Einberufung einer
Generalversammlung ermöglichen. Danach ist der Richter nicht verpflichtet,
die Besitzfrage der Aktien endgültig zu klären oder zu entscheiden, da
in diesem Fall kaum mit der nötigen Schnelligkeit vorgegangen werden
könnte. Die streitigen Sachfragen können an der Generalversammlung
vorgebracht werden (aaO S. 426). Die eingewendeten Bedenken und
Vermutungen gegenüber der Berechtigung der Stiftung Z. verlieren zudem
durch das Verhalten der Beschwerdeführer selbst an Gewicht. So hat die
nun geltendgemachte mangelnde Erbbescheinigung Y. seinerzeit jedenfalls
nicht gehindert, die Aktientitel überhaupt herauszugeben. Ferner sind die
Beschwerdeführer, die angesichts der Vorweisung der Aktien durch eine
unbekannte Stiftung Z. zur Vorsicht mahnen, in der Vernehmlassung zum
kantonalen Verfahren selbst davon ausgegangen, dass hinter der Stiftung
die Familienangehörigen des Verstorbenen stehen. Schliesslich fehlt jeder
Hinweis darauf, welche Personen nach Auffassung der Beschwerdeführer die
wirklichen Berechtigten an den Aktien sind.

    Der Vorwurf der Willkür erweist sich somit als unbegründet.