Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 52



101 IV 52

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. März 1975
i.S. X. gegen Y. und Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. Regeste

    Art. 217 StGB.

    Böser Wille bei Vernachlässigung der Unterstützungspflicht gegenüber
der geschiedenen Ehefrau kann auch dann vorliegen, wenn das Einkommen
des Zahlungspflichtigen den Notbedarf der zweiten Familie nicht deckt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Mit dem Merkmal des bösen Willens verlangt das Strafgesetzbuch
mehr, als dass der Unterhaltspflichtige vorsätzlich seine Pflicht nicht
erfülle. Der böse Wille liegt in der pflichtwidrigen Zurückstellung
der Beitragsberechtigten hinter die Glieder der engeren Familie (BGE
74 IV 156 ff. und 79 IV 112 f.). Die Pflichtwidrigkeit entfällt nicht
schon dann, wenn das Einkommen nur knapp den Notbedarf der zweiten
Familie deckt. Nicht ganz zutreffend ist allerdings die Behauptung der
Vorinstanz - im Anschluss an STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht,
BT II, S. 396) -, das Bundesgericht anerkenne ausser der völligen
Leistungsunfähigkeit keinerlei Gründe als zureichend, die Zahlung der
Alimente zu verweigern. Zuzumuten ist dem Pflichtigen die Leistung bloss
in dem Umfange, in welchem er sein Einkommen bei einer Betreibung pfänden
lassen müsste (BGE 79 IV 113). Gewiss kann dabei unter Umständen das
Existenzminimum unterschritten werden, doch kommt es dann zu einer bloss
teilweisen Pfändung, d.h. es wird nur ein proportional herabgesetzter
Teil des Unterhaltsbeitrages eingetrieben. Würde das Existenzminimum des
Beschwerdeführers und seiner zweiten Frau seine Einkünfte übersteigen, so
könnte zugunsten der geschiedenen Ehegattin nur so viel gepfändet werden,
dass sie verhältnismässig gleich viel an ihren Unterhaltsanspruch erhält,
wie dem Schuldner an sein Existenzminimum verbleibt (BGE 68 III 27 und
ständige Praxis). Demnach entfällt der Vorwurf des bösen Willens, wenn der
Schuldner von sich aus einen entsprechenden Teil des Unterhaltsbeitrages
zahlt.