Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 340



101 IV 340

81. Urteil des Kassationshofes vom 2. Oktober 1975 i.S. Vögele gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Regeste

    1. Art. 1 Abs. 1 AO.

    Der Umstand, dass die angepriesene Ware (hier: Pelze) saisonbedingten
Preisschwankungen unterliegt, gibt keinen Anspruch auf Sonderbehandlung
(Erw. I).

    2. Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1972 betreffend Überwachung der
Preise, Löhne und Gewinne; bundesrätliche Verordnung vom 12. Juni 1973
über Anschrift der Detailpreise.

    Art. 9 der Verordnung, der mehrere Preisangaben verbietet, ist durch
die Delegationsnorm des Art. 1 des Bundesbeschlusses gedeckt (Erw. II).

Sachverhalt

    A.- Das Kantonsgericht St. Gallen erklärte am 9. Mai 1975 Karl
Leo Vögele, einziges Verwaltungsratsmitglied und Geschäftsführer der
Charles Vögele AG, Rapperswil, wegen den 1973 und 1974 durchgeführten
Verkaufsaktionen "Übergangsbekleidung zu neu angesetzten Tiefpreisen",
"Unser Fehler - Ihr Vorteil", "CV-Restenmarkt" und "Discountpreise für
echte Pelze" der wiederholten Übertretung von Art. 20 Abs. 1 lit. a
der Ausverkaufsordnung und, weil er im Januar 1974 auf nahezu allen
Waren seiner Filiale Bern zwei Preise tragende Etiketten anbrachte, der
Übertretung von Art. 9 der Verordnung über Anschrift der Detailpreise
schuldig und büsste ihn mit Fr. 2'000.--.

    B.- Vögele führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf
Freisprechung hinsichtlich der Verkaufsaktion "Discountpreise für echte
Pelze" und bezüglich des Anbringens von Etiketten mit zwei Preisen.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen verzichtet auf
Gegenbemerkungen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I.

Erwägung 1

    I.1.- Für die Verkaufsaktion "Discountpreise für echte Pelze" liess
der Beschwerdeführer vom 19. Juli bis 3. August 1973 in über 30 Zeitungen
in rund 20 Städten 2/3seitige Inserate erscheinen mit den Schlagwörtern:
"Discountpreise für echte Pelze", "Helfen Sie unseren Pelzumsätzen
über das 'Sommerloch'. Wir vergelten es Ihnen mit 20% Discount". In
mehreren Rechenbeispielen wurden die derzeit gültigen Preise erklärt,
z.B. Fr. 849.-- ./. 20% Fr. 169.80 = Fr. 679.20. In den Schaufenstern
zeigte der Beschwerdeführer grosse Tafeln und Plakate mit den Aufschriften:
"Pelze (bzw. Echt Leder) zu Sommer-Discount-Preisen 20%".

Erwägung 2

    I.2.- Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen, die einer behördlichen
Bewilligung bedürfen, sind Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei
denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt
wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht
gewährte Vergünstigungen zukommen werden (Art. 1 Abs. 1 AO). Ob in
einer öffentlichen Ankündigung befristete Sondervergünstigungen in
Aussicht gestellt werden, ist nicht Tat-, sondern Rechtsfrage, die
der Kassationshof frei überprüfen kann. Bei ihrer Beurteilung ist
der Eindruck massgebend, den die Ankündigung auf das Publikum macht,
d.h. ob die angesprochene Käuferschicht in den Glauben versetzt wird, die
angepriesene Ware später nicht mehr so günstig erwerben zu können wie zur
Zeit des Sonderangebots, wobei den nach Landesgegend und Geschäftszweig
verschiedenen Werbegepflogenheiten Rechnung zu tragen ist (BGE 95 IV 158).

Erwägung 3

    I.3.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, einen zeitlich
beschränkten Preisvorteil in Aussicht gestellt zu haben. Hingegen macht
er geltend, ein Sommerrabatt von 20% für Pelze sei nicht eine besondere,
sonst nicht gewährte Vergünstigung. Von der gesamten Pelzbranche würden,
gestützt auf derogierendes Gewohnheitsrecht, in den Sommermonaten
Preisvorteile gewährt. Die Sommerpreise für Pelze entsprächen lediglich
der saisonalen Preisschwankung dieser Waren.

    Indessen kommt es allein auf den Eindruck an, den die Anpreisung
macht (BGE 82 IV 114 E. 2, 95 IV 160). Der Beschwerdeführer hat sich
nicht damit begnügt, Sommerpreise anzusetzen. Er hat grosse Inserate
mit auffälligen Schlagwörtern erscheinen lassen, in denen er anhand
von Rechenbeispielen den alten und den neuen Preis bekanntgab, so wie
das bei Ausverkäufen üblich ist. In den Schaufenstern zeigte er Plakate,
auf denen in grosser Aufmachung der Rabattsatz von 20% angegeben war, was
nach der Feststellung der Vorinstanz eindeutig über den allgemein üblichen
Rahmen einer Schaufensterwerbung hinausging. Sowohl die Inserate wie die
Schaufensteraufmachung mussten zwangsläufig den Eindruck erwecken, es
werde ein Ausverkauf durchgeführt. Das ist unzulässig. Die Werbetätigkeit
muss im Rahmen des Erlaubten bleiben. Einen Anspruch auf Sonderbehandlung
besitzen Pelzhändler für ihre im Sommer billigeren Waren ebensowenig
wie Modegeschäfte für ihre modeabhängigen Sommerartikel (vgl. BGE 95
IV 159). II.

Erwägung 1

    II.1.- Weil der Beschwerdeführer im Januar 1974 in der Filiale
Bern praktisch an allen Waren Etiketten mit zwei Preisen, einem früheren
durchgestrichenen und einem neuen, hatte anbringen lassen, erklärte ihn die
Vorinstanz der Widerhandlung gegen Art. 9 der bundesrätlichen Verordnung
vom 12. Juni 1973 über Anschrift der Detailpreise (VADP) schuldig und
bestrafte ihn gemäss Art. 8 des Bundesbeschlusses vom 20. Dezember 1972
betreffend Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne (BB).

Erwägung 2

    II.2.- Art. 1 BB bestimmt:

    "Der Bundesrat ist befugt, die Entwicklung der Preise von Waren
   und Dienstleistungen zu überwachen. Dies erfolgt zur Verhinderung von
   Missbräuchen und zur Orientierung der Öffentlichkeit". (Abs. 1).

    "Der Bundesrat kann die Anschrift oder den Aufdruck der Detailpreise
   der Waren anordnen". (Abs. 3).

    Art. 9 VADP schreibt vor:

    "Es ist unzulässig, neben dem massgebenden Detailpreis weitere

    Preise aufzuführen, sei es dass sie durchgestrichen, sei es dass
sie mit

    Hinweisen auf frühere Gültigkeit versehen werden. Vorbehalten bleiben

    Herabsetzung marktüblicher Richtpreise, Preisherabsetzungen im

    Rahmen von Verkaufsaktionen sowie die Sonder- und Ausverkäufe."

Erwägung 3

    II.3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Verbot mehrerer
Preisangaben in Art. 9 VADP sei unzulässig, weil der Bundesrat damit die
ihm übertragene Verordnungskompetenz gemäss Art. 1 Abs. 3 BB überschritten
habe. Zweck der Massnahmen zur Überwachung der Preise und damit der
Pflicht zur Preisanschrift sei gemäss Art. 1 Abs. 1 BB die Verhinderung
von Missbräuchen und die Orientierung der Öffentlichkeit. Demgegenüber
richte sich das Verbot mehrerer Preisangaben gegen die Anschrift von
Phantasiepreisen als angebliche frühere Preise, um beim Käufer den
Eindruck zu erwecken, er tätige aufgrund der angeblichen Herabsetzung einen
besonders günstigen Kauf. Selbst wenn aber Art. 9 VADP rechtsgültig sei,
sei er nicht verletzt worden. Es habe sich in der Filiale Bern um eine
Anschrift von Doppelpreisen im Rahmen einer Verkaufsaktion gehandelt,
nämlich der Aktion "CV-Restenmarkt", Verkaufsaktionen seien jedoch in
Art. 9 VADP vom Verbot ausgenommen.

Erwägung 4

    II.4.- Bei der Prüfung der Frage, ob Art. 9 VADP dem von Art.  1 BB
vorgeschriebenen Zwecke dient; darf der Richter nicht sein eigenes Ermessen
an die Stelle jenes des Bundesrates setzen. Er hat sich auf die Prüfung zu
beschränken, ob sich der Bundesrat mit dem Erlass von Art. 9 VADP eines
Mittels bedient hat, das objektiv dem durch Art. 1 BB verfolgten Zweck
dient, d.h. ob das Verbot mehrerer Preisangaben zur Verhinderung von
Missbräuchen und zur Orientierung der Öffentlichkeit überhaupt geeignet
ist (BGE 98 IV 135, 92 IV 109).

Erwägung 5

    II.5.- Wenn der Beschwerdeführer sagt, das Verbot mehrerer Preise
richte sich gegen die Angabe von Phantasiepreisen als angebliche frühere
Preise, um beim Käufer den Eindruck zu erwecken, er tätige aufgrund der
angeblichen Herabsetzung einen besonders günstigen Kauf, bringt er selber
zutreffend zum Ausdruck, dass Art. 9 VADP die Verhinderung von Missbräuchen
und damit die richtige Orientierung der Öffentlichkeit verfolgt. Dass das
mit einem geeigneten Mittel geschieht, springt in die Augen. Art. 9 VADP
wird daher durch die Delegationsnorm des Art. 1 BB gedeckt.

    Der Einwand, die Anschrift von Doppelpreisen sei im Rahmen
der Aktion "CV-Restenmarkt", also einer vom Verbot der Doppelpreise
ausgenommenen Verkaufsaktion erfolgt, verfängt schon deshalb nicht, weil
der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz
nicht nur in der "Restenecke", sondern praktisch im ganzen Haus bei allen
waren die Etiketten mit zwei Preisen hat anschreiben lassen.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.