Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 285



101 IV 285

65. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Oktober 1975 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Ob ein Gegenstand als gefährliches
Werkzeug im Sinne dieser Bestimmung zu gelten hat, entscheidet sich nach
der Art und Weise seiner Verwendung. Ein gezielt gegen den Kopf eines
Menschen geschleudertes Bierglas stellt ein gefährliches Werkzeug dar.

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- Nachdem X. ausgiebig dem Alkohol zugesprochen hatte, suchte er
am 29. Juni 1974 kurz nach Mitternacht auf dem Heimweg das Restaurant
"Spalenbrunnen" in Basel auf. Die Buffethilfe Frau S. machte X. klar,
dass ihm wegen seiner Betrunkenheit sowie infolge der eingetretenen
Polizeistunde keine Konsumation mehr gewährt werde. Es entstand
in der Folge ein Wortwechsel, in dessen Verlauf X. plötzlich ein
Halbliter-"Bierrugeliglas" ergriff und in einer Entfernung von ca. 4
Metern gezielt gegen die Buffethilfe schleuderte. Frau S. vermochte dem
Glas auszuweichen; dieses zerschellte ca. 20 Zentimeter vom Kopf der
Buffethilfe entfernt an der Wand.

    B.- Das Strafgericht Basel-Stadt sprach X. am 20. Juni 1975 schuldig
der versuchten einfachen Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug und
verurteilte ihn in Anwendung von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu zehn
Tagen Haft.

    Auf Appellation des Angeklagten hin bestätigte das Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt am 3. September 1975 das erstinstanzliche Urteil.

    C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung
von Schuld und Strafe.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

    Der Beschwerdeführer macht geltend, das von ihm verwendete "Bierrugeli"
stelle kein gefährliches Werkzeug gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
dar. Der Begriff "Werkzeug" sei im Sinne von "Handwerkzeug" zu verstehen
und umfasse bloss Gegenstände von der Art und Beschaffenheit beispielsweise
eines grossen Hammers oder einer Säge; ein Trinkglas falle nicht darunter.

    Im Gegensatz zu dieser Auffassung ist ein Werkzeug in einem weiteren
Sinn als Gegenstand aufzufassen, der auf Grund seiner Beschaffenheit
oder der konkreten Art und Weise der Benützung durch den Täter für
einen andern Menschen gefährlich werden kann. Die Eigenschaft, ein
"gefährliches Werkzeug" im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung zu sein,
kommt nach allgemeiner Auffassung demnach einem Gegenstand nicht von sich
aus zu. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Verwendungsart die
Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gemäss Art. 122 Ziff. 1 StGB
herbeiführt (STRATENWERTH, Bes. Teil I, S. 62). So kann beispielsweise
der Federhalter ein "gefährliches Werkzeug" sein, wenn mit der Federseite
auf das Gesicht eines andern eingestochen wird, aber nicht, wenn er als
"Schlag"instrument Verwendung findet. Dieselbe Auffassung vertritt
HAFTER, wenn er erklärt, Werkzeuge an sich seien weder gefährlich
noch ungefährlich. Es komme darauf an, ob die Art des Gebrauches eines
Gegenstandes die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung in sich berge
(HAFTER, Bes. Teil I, S. 37, insbesondere Anmerkung 5). Ebenso LOGOZ, der
ausführt, bei der Entscheidung der Frage, ob ein Werkzeug als gefährlich
zu gelten habe, sei ausschlaggebend, auf welche Weise dieses verwendet
werde. Als Beispiel erwähnt er u.a. einen Pflasterstein, der an sich
kein Werkzeug im engeren Sinn darstellt, der aber zu einem "gefährlichen
Werkzeug" werden kann, wenn er wuchtig gegen den ungeschützten Kopf eines
Menschen geworfen wird (LOGOZ I, S. 50 Ziff. 4). In gleicher Weise hat
das Bundesgericht kürzlich in BGE 101 IV 120 entschieden und gesagt,
ein 60 Zentimeter langer, schwerer Meissel könne zwar als gefährliches
Werkzeug bezeichnet werden; im zu beurteilenden Fall habe der Täter
den genannten Gegenstand aber nicht auf gefährliche Weise verwendet,
weil er seinem Widersacher damit bloss einen leichten Schlag auf den
Hinterkopf versetzt habe. Es komme nämlich auf die Art der Verwendung
des betreffenden Abwehrmittels an (vgl. BGE 79 IV 154 Erw. 4).

    Nach dem Gesagten kann es keinem Zweifel unterliegen dass im
vorliegenden Fall ein aus einer Entfernung von ca. 4 Metern gezielt
gegen den Kopf eines Menschen geschleudertes Bierglas ein gefährliches
Werkzeug im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB darstellt. Ob
der betreffende Gegenstand das Ziel treffen oder verfehlen werde,
konnte der Beschwerdeführer nicht zum voraus wissen. Dass dieser ferner
angetrunken war, ändert nichts, umsoweniger, als er nicht so stark unter
Alkoholeinfluss stand, dass er sich seiner Handlung nicht bewusst oder
dass seine Willensfreiheit vollständig aufgehoben gewesen wäre.

    Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe das Bierglas wohl an die
Wand, nicht aber gezielt gegen Frau S. geworfen kann nicht gehört werden,
da das Strafgericht in seinem Entscheid, auf den die Vorinstanz verweist,
auf Grund eingehender Beweiswürdigung verbindlich feststellt (Art. 277bis
Abs. 1 BStP), die Buffethilfe sei das Ziel des Glaswurfes gewesen.