Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IV 177



101 IV 177

45. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichtes vom 21. Juni 1975 i.S.
Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Hans und Gisela Wolf Regeste

    Verbotener Nachrichtendienst.

    1. Zuständigkeit. Einrichten und Betreiben eines verbotenen
Nachrichtendienstes; Zweck des Verbotes. Mittäterschaft, fortgesetzte
Delikte (Erw. I).

    2. Militärischer Nachrichtendienst zum Nachteil fremder Staaten
(Art. 301 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und der Schweiz (Art. 274 Ziff. 1 StGB);
politischer Nachrichtendienst gegen die Schweiz und ihre Einwohner
(Art. 272 StGB); wirtschaftlicher Nachrichtendienst, Verhältnis
zwischen Art. 273 Abs. 1 und 2 StGB. Schwere Fälle verbotenen
Nachrichtendienstes. Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, Verhältnis
zwischen Art. 162 und 273 StGB (Erw. II/1-5).

    3. Urkundendelikte (Art. 251-253 StGB), Wahlfälschungen (Art. 282
Ziff. 1 StGB) und Widerhandlungen gegen das TVG (Art. 42 Abs. 1 lit. a)
und gegen das ANAG (Art. 23 Abs. 1), die zur Tarnung eines verbotenen
Nachrichtendienstes oder bei dessen Betreiben begangen wurden (Erw. II/6
und 7).

    4. Betrug (Art. 148 StGB): Unrechtmässige Bereicherung als unerwünschte
Nebenfolge eines verbotenen Nachrichtendienstes (Erw. II/8)?

    5. Strafzumessung (Art. 63 und 68 StGB). Anrechnung der
Untersuchungshaft (Art. 69 StGB). Landesverweisung (Art. 55
StGB). Einziehung von Gegenständen (Art. 58 StGB) und Verfall von
Zuwendungen (Art. 59 StGB), die zur Begehung strafbarer Handlungen bestimmt
waren oder diese fördern sollten (Erw. III).

Sachverhalt

    A.- Hans Wolf ist in Halle (DDR) aufgewachsen und zur Schule
gegangen. Die Ehe seiner Eltern wurde geschieden, als er vier Jahre
alt war. Im zweiten Weltkrieg leistete er als Panzergrenadier Dienst,
zuletzt im Grade eines Unteroffiziers. Nach Abschluss einer Schlosserlehre
arbeitete er in Halle, bis 1949 als technischer Sachbearbeiter in der
Bezirksverwaltung und dann bis 1966 als Leiter in einem volkseigenen
Betrieb, der Waggons herstellt. Durch Fernstudium wurde er
Maschinenbau-Ingenieur und Diplom-Wirtschaftler.

    Gisela Wolf stammt ebenfalls aus Halle, wo sie 1943 die Schule mit
der mittleren Reifeprüfung abschloss und bis 1966 lebte. Sie arbeitete
dort zunächst als Arztgehilfin, dann in der Bezirksverwaltung und in den
letzten vierzehn Jahren als Abteilungsleiterin und Redaktorin bei einer
Tageszeitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Im
Jahre 1953 studierte sie neben ihrer Berufsarbeit an der Universität
Leipzig Journalistik und 1959/60 besuchte sie die SED-Parteischule in
Ballenstedt.

    Hans und Gisela Wolf lernten sich während des Krieges an einer
Veranstaltung der Hitlerjugend kennen. Sie sind seit Mai 1949 miteinander
verheiratet, haben aber keine Kinder. Seit über 20 Jahren sind sie beide
SED-Mitglieder; Hans Wolf zählt sich selber zum Kader der Partei.

    B.- 1) Hans Wolf wurde Ende 1965 vom militärischen Nachrichtendienst
der DDR gefragt, ob er eine illegale Aufgabe im Ausland übernehmen
würde. Er erklärte sich hiezu bereit, wenn er seine Frau mitnehmen
könne. Anfangs 1966 erkundigten sich zwei Beamte der DDR-Spionagezentrale
auch bei Gisela Wolf nach ihrer Bereitschaft, sich im Ausland einsetzen
zu lassen. Sie erhielt einen Fragebogen, in dem sie darauf hingewiesen
wurde, dass der Einsatz illegal sei und dass sie und ihr Mann mit
einer Freiheitsstrafe, im Kriegsfall sogar mit der Todesstrafe rechnen
müssten, "wenn etwas schief ginge"; sie könnten sich die Sache noch
überlegen. Einige Zeit später wurden die Eheleute Wolf nach Ost-Berlin
eingeladen, wo sie sich in einer Wohnung mit dem für ihren Einsatz
verantwortlichen Führungsoffizier "Werner" und einem weiteren Vertreter
der Zentrale eingehend besprachen. Nach einem weiteren Tag Bedenkzeit
sagten beide zu und verpflichteten sich unterschriftlich für zehn Jahre,
wobei sie "unter Androhung einer hohen Strafe" versprechen mussten,
über ihren Einsatz zu schweigen. Erst jetzt wollen sie erfahren haben,
dass es sich um eine militärische Aufgabe handle.

    In der Folge wurden Hans und Gisela Wolf nach Ost-Berlin aufgeboten,
wo sie während 15 Monaten unter dem Namen Wagner für ihren Einsatz
ausgebildet wurden. Die Ausbildung bezog sich insbesondere auf das
Benehmen bei Treffen mit einem andern Agenten oder mit Angehörigen des
Geheimdienstes, das Anlegen von toten Briefkästen und Signalstellen, das
Ausforschen von Personen und auf das Verhalten bei Verhaftung. Sie umfasste
ferner Sprachkurse, Unterricht im Fotografieren, Funken, Verschlüsseln
und Entschlüsseln von Meldungen, Schreiben mit Kontaktpapier sowie
Studium westlicher Belletristik und Zeitungen. Gisela Wolf hatte zudem
Maschinenschreiben und Stenographie zu lernen.

    Die Eheleute Wolf erfuhren schon während der Ausbildungszeit, dass
sie für den Einsatz in der Schweiz vorgesehen waren; sie sollten hier
unter dem Deckmantel eines gut bürgerlichen Ehepaares "eine illegale
Residentur" aufbauen. Hans Wolf wurde darauf vorbereitet, unter dem Namen
des Schweizers Hans Franz Kälin, der seit seiner Geburt im Jahre 1922
in Ost-Deutschland lebt, in der Schweiz zu wohnen und zu arbeiten. Er
erhielt zu diesem Zwecke eine auf den Schweizer passende Legende sowie
zahlreiche auf Kälin lautende Papiere. Dazu gehörten insbesondere
drei Geburtsurkunden, ein Schweizerpass, ein Ehefähigkeitszeugnis,
eine Eheurkunde für Hans Kälin und Gisela Strach mit dem Vermerk, dass
deren Ehe seit 21. Juni 1966 rechtskräftig geschieden sei, ferner ein
Scheidungsurteil samt einer Vereinbarung über eine einmalige Abfindung,
ein Abgangszeugnis, mehrere Urkunden über bestandene Prüfungen, drei
Arbeitszeugnisse sowie verschiedene Führerscheine.

    Gisela Wolf hatte sich mit den persönlichen Verhältnissen der Ursula
Meissner vertraut zu machen, die am 25. Juli 1924 in Rosslau (Sachsen)
geboren wurde, 1952 in den Westen flüchtete und von der Bundesrepublik
Ausweispapiere erhielt, später aber wieder verschwand. Gisela Wolf bekam
auf diese Person lautende Papiere, insbesondere einen Personalausweis
der Bundesrepublik, eine Geburtsurkunde und ein Ehefähigkeitszeugnis,
eine Eheurkunde der Eltern Meissner, sieben Arbeitszeugnisse sowie
zahlreiche Bescheinigungen über Versicherungen, besuchte Schulen oder
bestandene Prüfungen.

    2) Am 11. Oktober 1966 reisten die Eheleute Wolf auf Weisung der
Zentrale für vier Tage nach Zürich, um schweizerische Lebensbedingungen
und Verhältnisse kennenzulernen. Sie verwendeten dabei falsche Ausweise.

    Im April 1967 bewarb Hans Wolf sich schriftlich bei einer
Stellenvermittlung in Zürich um eine "leitende Tätigkeit in Produktion oder
Technik, Betriebsorganisation einschliesslich Datenverarbeitung, Planung,
Entwicklung und Forschung auf Juni/Juli 1967". Gisela Wolf übersiedelte
im Juni 1967 auf Weisung der Zentrale, von der sie zunächst DM 3'000.--
und später monatlich DM 600.-- erhielt, nach Freiburg im Breisgau, um
sich dort als Ursula Meissner in westliche Verhältnisse einzuleben. Mit
einem auf diesen Namen lautenden Personalausweis fuhr sie im Sommer
1967 nach Zürich und erkundigte sich bei der Stellenvermittlung nach den
Arbeitsaussichten des Hans Kälin.

    Am 7. August 1967 reiste Hans Wolf mit einem gefälschten Schweizerpass
in die Schweiz ein und nahm in Zürich als Hans Kälin Wohnsitz. Einen Tag
später überbrachte ihm seine Frau im Auftrag "Werners" DM 500.-- sowie
Chiffrierunterlagen für den Funkverkehr mit der Zentrale. Von Freiburg
fuhr sie in der Folge noch mehrmals nach Zürich, wobei sie sich an der
Grenze jeweils als Ursula Meissner auswies. Als solche verlegte sie im
Februar 1968 den Wohnsitz zu ihrem Manne, der seit 1. Dezember 1967 in
Effretikon wohnte und bereits seit 21. August 1967 als Ingenieur bei der
Firma Sulzer in Winterthur arbeitete.

    Am 8. Februar 1968 meldeten sie beim Zivilstandsamt Illnau das
Eheversprechen an, wobei Hans Wolf sich mit einem Familienschein,
einem Scheidungsurteil und einem Schriftenempfangsschein als Hans Kälin
auswies. Gisela Wolf gab sich als Ursula Meissner aus und legte eine
Geburtsurkunde, eine Aufenthaltsbescheinigung der Stadt Freiburg i.Br., ein
von dieser Stadt ausgestelltes Ehefähigkeitszeugnis sowie eine Eheurkunde
der Eltern Meissner vor. Am 1. März 1968 liessen sie sich als Hans Kälin
und Ursula Meissner trauen.

    Als angebliche Schweizerbürger nahmen sie in der Folge an Wahlen
und Abstimmungen teil. Das Kreiskommando Zürich liess den Rückwanderer
"Hans Kälin" bereits am 14. November 1967 zur militärischen Aushebung
aufbieten. Er wurde für diensttauglich befunden und in eine HD-Truppe
eingeteilt, hatte aber keinen Dienst zu leisten, auch nicht beim
Zivilschutz, dem er nach seiner Entlassung aus der Wehrpflicht im Februar
1973 zugeteilt wurde.

    Auch Gisela Wolf interessierte sich für eine Stelle bei der Firma
Sulzer. Sie fand sie in der Abteilung "Information und Public Relations",
wo sie vom 1. April bis 1. August 1968 halb und dann ganztägig arbeitete.

    3) Hans und Gisela Wolf verfügten über zwei Kofferradios (PLATA
und BRAUN), mit denen sie Sendungen der Zentrale empfangen konnten. Im
September 1968 übernahmen sie von "Werner" in Jugoslawien ein erstes
Sende- und Empfangsgerät, das in einem Benzinkanister versteckt war. Da
sie damit angeblich keine Verbindungen mit der Zentrale herstellen
konnten, wollen sie es auf deren Weisung zerlegt und die Teile bei
Oberwies (ZH) in einen Wald geworfen haben. Im Herbst 1970 und 1971
erhielten sie vom Funker der Zentrale in Zürich je ein weiteres Gerät
(UNIT AN). Das zweite vergruben sie in einem Wald bei Winterberg (ZH)
als Reservefunkanlage; das dritte gaben sie dem Funker im Frühjahr 1972
in Zürich zurück, als er ihnen das vierte überbrachte. Dieses versteckten
sie im Doppelboden einer eigens hiefür hergerichteten antiken Truhe,
die Hans Wolf bereits am 4. Oktober 1970 an der Grenze abgeholt und im
Schlafzimmer seiner Frau aufgestellt hatte. Zusammen mit den Geräten
bekamen sie ferner eine Betriebsanleitung sowie verschiedene Decknamen-
und Schlüsseltabellen für den Funkverkehr. Für schriftliche Berichte
an die Zentrale verfügten sie über zwei Arten von Kontaktpapier, um den
Text unsichtbar zu machen. Erhielten sie solche Texte, so standen ihnen
als Aspirin getarnte Chemikalien zur Verfügung, um die Schrift sichtbar
zu machen.

    Hans und Gisela Wolf besassen ausserdem eine vielseitige
Photoausrüstung. Dazu gehörten insbesondere zwei Apparate,
wovon einer Kleinstaufnahmen ermöglichte, ein Belichtungsmesser, ein
Elektronen-Blitzgerät, je zwei Nahlinsen, Sonnenblenden und Draht-Auslöser,
ein Stativ, Entwicklungsmaterial sowie Sicherheitsfilme, die nur etwas
ergeben, wenn sie nach einem geheimen Verfahren entwickelt werden. Um
auf Mikrofilmen aufgenommene Texte lesen zu können, kauften sie je ein
Taschen- und ein Tisch-Mikroskop.

    Die Zentrale lieferte den Eheleuten Wolf zahlreiche
Gebrauchsgegenstände mit geheimen Fächern oder Behältern, nämlich die
bereits erwähnte Truhe, einen Tennisschläger, zwei Schmuckkassetten, je
eine Schachtel für ein Massagegerät, Schönheitsartikel und für Zigaretten,
zwei Schreibmappen, ein Intarsienbild aus Holz, eine Sporttasche und einen
Plattenspieler. Sie liess ihnen ferner eine Anzahl Verschlüsse übergeben,
um weitere Geheimfächer oder -behälter anfertigen zu können. Im Geheimfach
der Truhe hielten sie, ausser der Funkanlage, insbesondere auf den Namen
Friedl lautende Pässe, Personalausweise und Führerscheine versteckt, welche
ihnen die Flucht erleichtern sollten. Für den Fall einer unmittelbaren
Gefahr hatte die Zentrale mit ihnen zudem zwei verschiedene Alarmsysteme
vereinbart.

    Zu Beginn ihres gemeinsamen Aufenthaltes in der Schweiz erhielten
die Eheleute Wolf von der Zentrale mindestens Fr. 10'000.-- womit sie
insbesondere Möbel und einen gebrauchten Personenwagen kauften. Am
28. Februar 1968 eröffnete Frau Wolf unter dem Namen Ursula Kälin bei
der Zürcher Kantonalbank in Effretikon ein laufendes Konto, auf das sie
Fr. 2'000.-- einzahlte und später auch ihre Guthaben bei einer Sparkasse in
Freiburg i.Br. von insgesamt Fr. 3'257.29 überweisen liess. Das Konto wurde
am 10. Februar 1969 aufgehoben. Vom 11. Dezember 1968 an unterhielten sie
als Eheleute Kälin-Meissner beim Schweizerischen Bankverein in Winterthur
das Einlagekonto Nr. 728.028, das sie nur mit Lohngeldern gespiesen haben
wollen. Es wies am 21. September 1973 einen Saldo von Fr. 9'155.-- auf.
Darin inbegriffen war angeblich ein Guthaben der Zentrale, die ihnen für
den Kauf eines neuen Toyota-Personenwagens ein Darlehen von Fr. 7'000.--
gewährte. Bei der Bank für Handel und Effekten in Zürich liess die
Zentrale am 25. Februar 1969 durch einen Dritten ein Nummernkonto
10775 mit dem Kennwort Sonntag errichten, über das u.a. auch Hans Wolf
verfügen durfte. Mittels Checks hob seine Frau unter dem Namen Berger von
diesem Konto zwischen Mitte Januar 1970 und 21. Februar 1971 insgesamt
Fr. 32'909.-- ab, die sie teilweise für nachrichtendienstliche Zwecke
verwendeten. Seit ihrer Ausreise im Jahre 1967 erhielten Hans und Gisela
Wolf von der Zentrale ferner für ihre Tätigkeit im Ausland monatlich je
600 Ostmark, die sie ihrem Gehaltskonto in der DDR gutschreiben liessen.

    Ihr Jahresgehalt bei der Firma Sulzer betrug 1968 zusammen
Fr. 28'830.--, 1972 Fr. 64'400.-- und 1973 noch Fr. 47'950.--. Da Hans
Wolf als Hans Kälin angeblich seit 17. Mai 1966 geschieden und Vater von
drei Kindern war, zahlte ihm die Firma Sulzer von 1967 bis 1972 insgesamt
Fr. 2'480.-- Kinderzulagen.

    4) Hans und Gisela Wolf sollten sich in der Schweiz einrichten,
um in Krisenzeiten insbesondere militärische Nachrichten aus der
Bundesrepublik und aus andern Nato-Staaten weitergeben zu können. Sie
hatten aber auch militärische, politische und wirtschaftliche Nachrichten
über die Schweiz zu senden. Nach einem schriftlichen Auftrag, den
sie zusammen mit zahlreichen andern Papieren in der Truhe versteckt
hielten, verlangte die Zentrale von ihnen eine "kontinuierliche
Informationslieferung" über die Planung, Organisation und praktische
Erprobung der schweizerischen Landesverteidigung, die Entwicklung neuer
Waffen, das Rüstungswesen sowie über die militärische Zusammenarbeit mit
neutralen oder Nachbarstaaten. Die Zentrale interessierte sich ferner
für Massnahmen zur Wahrung der Neutralität, die Haltung der Schweiz
zur europäischen Sicherheitskonferenz und zur Anerkennung der DDR,
für innenpolitische Entwicklungen, das Meldewesen, die Überwachung
der Ausländer und die Grenzkontrolle, für Forschungsunterlagen über
den Motorenbau des Sulzer-Konzerns, dessen Zusammenarbeit mit der
Bundesrepublik sowie für marktstrategische Hinweise. Ein weiterer
schriftlicher Auftrag mit zahlreichen Einzelfragen, welche angeblich "für
die ständige Diskussion mit Lindner" (= Firma Sulzer) von Interesse waren,
betrafen die elektronische Datenverarbeitung (EDV), die "Materialökonomie",
den Einsatz von Werkstoffen und aussenwirtschaftliche Probleme.

    Hans Wolf empfing mit dem Kofferradio PLATA schon kurz nach der
Einreise Funksprüche seiner Auftraggeber. Die Zentrale übermittelte
ihm zu vereinbarten Zeiten und auf wechselnden Frequenzen Sendungen
in Morsezeichen, die er mit Hilfe der Schlüssel in einen Text zu
übertragen hatte. Später benutzte er den Kofferradio BRAUN für den
Empfang der chiffrierten Funksprüche, die teils Aufträge oder dienstliche
Weisungen enthielten, teils bloss der Übung dienten und die Eheleute
Wolf an die ständige Anwesenheit der Zentrale erinnern sollten. Mit
den UNIT AN-Geräten konnte Hans Wolf Sendungen nicht bloss empfangen,
sondern auch selber durchgeben, selbst im Freien, wo er die Geräte an die
Autobatterie anschloss. Um der Überwachung möglichst zu entgehen, hatte er
die Funksprüche zunächst in Morsezeichen auf Tonband aufzunehmen und dann
in wenigen Sekunden zu übermitteln. Hans Wolf hat von dieser Möglichkeit
wiederholt Gebrauch gemacht, angeblich aber nur zu Übungszwecken, da die
Geräte vor allem für Krisenzeiten bestimmt gewesen seien.

    Gisela Wolf liess der Zentrale im Einvernehmen mit ihrem Mann
mindestens alle vier bis sechs Wochen Briefe zukommen, die sie mit
Deckadressen in Ost-Berlin und mit beliebig aus dem Telephonbuch
gegriffenen Absendern versah. Auf Dienstreisen sandte sie ihr über solche
Adressen Kartengüsse als Zeichen dafür, dass die Reise gut verlaufe. Mit
Karten unterrichtete sie auch ihren Mann, wenn sie sich allein auf Reisen
befand. Deckadressen benutzte sie ferner für Telegramme, insbesondere wenn
sie kurzfristig einen Termin z.B. für eine Reise in die DDR, ein Treffen
mit dem Instrukteur oder Kurier oder für eine besondere Funksendung zu
bestätigen hatte. Im schriftlichen Verkehr mit der Zentrale verwendeten
die Eheleute Wolf oft Kontaktpapier, das ihnen unsichtbare Mitteilungen
ermöglichte.

    Während ihres Aufenthaltes in der Schweiz kamen Hans und Gisela
Wolf, sei es einzeln oder miteinander, zudem wiederholt mit Angehörigen
der Zentrale, namentlich mit dem Führungsoffizier, dem Funker und dem
Instrukteur zusammen, um mündlich zu berichten, technisches Material oder
Aufträge entgegenzunehmen. Solche Treffen fanden auch im Ausland statt,
vor allem in Ost-Berlin. Auf Weisung der Zentrale legten sie in Zürich
und Radolfzell drei tote Briefkasten mit je einer Ausweich- und einer
Signalstelle an. Einen weitern in Konstanz hatten sie im Auftrage der
Zentrale auf seine Zweckmässigkeit zu prüfen. Eine der beiden Ablagen
in Zürich haben sie wiederholt mit Berichten auf Mikrofilmen bedient,
die für die Zentrale bestimmt waren. Sie haben dort auch schriftliche
Meldungen entgegengenommen. Über den Zeitpunkt, an dem die Ablage zu
bedienen oder zu leeren war, wurden sie über Funk unterrichtet. Die
Zentrale sandte ihnen ferner direkt Briefe mit scheinbar harmlosen Texten,
die sie gemäss Code-Tabellen auszulegen hatten. Verschleierte Mitteilungen,
z.B. über Objekte von besonderem Interesse, liess ihnen die Zentrale auch
durch den Kurier auf Mikrofilmen zukommen.

    C.- Am 12. September 1973 wurden Hans und Gisela Wolf in Winterthur
festgenommen und in Untersuchungshaft gesetzt. Im gerichtspolizeilichen
Ermittlungsverfahren, das daraufhin gegen sie eingeleitet wurde,
liess der Bundesanwalt zahlreiche Beweisgegenstände sicherstellen und
insbesondere die Guthaben auf dem Nummernkonto 10775 von DM 9'585.--
und Fr. 10'907.-- sowie den Saldo von Fr. 9'155.-- auf dem Einlagekonto
Nr. 728.028 beschlagnahmen. Der Untersuchungsrichter beschränkte diese
Massnahme beim Saldo auf Fr. 5'000.--, hielt sie im übrigen aber aufrecht.

    Die Firma Sulzer stellte am 2. November 1973 gegen Hans und Gisela
Wolf Strafantrag wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, machte im
Verfahren jedoch keine Schadenersatzforderungen geltend.

    Am 3. Juli 1974 ermächtigte der Bundesrat die Strafbehörden, die
Eheleute Wolf wegen politischen, Wirtschaftlichen und militärischen
Nachrichtendienstes, militärischen Nachrichtendienstes gegen fremde
Staaten und Wahlfälschung zu verfolgen (Art. 105 BStP und Art. 302
StGB). Er vereinigte zudem die Verfahren in der Hand der Bundesbehörden
(Art. 344 Ziff. 1 StGB).

    Nach Abschluss der Voruntersuchung erhob der Bundesanwalt am
20. Februar 1975 Anklage. Er beschuldigte:

    Hans und Gisela Wolf des fortgesetzten Nachrichtendienstes gegen
   fremde Staaten im Sinne von Art. 301 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, des
   fortgesetzten militärischen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 274
   Ziff. 1

    Abs. 1 und 4 StGB, des fortgesetzten politischen

    Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 272 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2
StGB,
   des fortgesetzten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes im Sinne von Art.

    273 Abs. 1, 2
   und 3 StGB sowie des fortgesetzten unvollendeten und in einem Falle
   des vollendeten Versuchs dazu (Art. 273 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit

    Art. 21 Abs. 1 und 22 Abs. 1 StGB), der Verletzung des Fabrikations-
und

    Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 Abs. 1 StGB) sowie des
   fortgesetzten unvollendeten und in einem Fall vollendeten Versuchs dazu
   (Art. 162 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und 22

    Abs. 1 StGB), der fortgesetzten Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1

    Abs. 1, 2 und 3 und teilweise Ziff. 2 StGB), der fortgesetzten

    Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art. 253 Abs. 1 und 2
StGB), der

    Fälschung von Ausweisen (Art. 252 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB), der
   fortgesetzten Wahlfälschung (Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2 StGB), der
   fortgesetzten

    Widerhandlung gegen Art. 42 Abs. 1 lit. a des Telegraphen- und

    Telephonverkehrsgesetzes (TVG), der fortgesetzten Widerhandlung
   gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und
   Niederlassung der Ausländer (ANAG);

    Hans Wolf ferner des Betruges (Art. 148 Abs. 1 StGB) und Gisela

    Wolf der Fälschung von Ausweisen im Sinne von Art. 252 Ziff. 1

    Abs. 4 StGB.

    Die Anklagekammer des Bundesgerichtes liess am 26. März 1975 die
Anklage gegen beide Beschuldigte im vollen Umfange zu.

    Zu Beginn der Hauptverhandlung ergänzte der Bundesanwalt die
Anklageschrift dahin, dass er Hans und Gisela Wolf bezüglich der von
ihnen verwendeten Ausweisschriften, Zeugnissen und Bescheinigungen
eventualiter der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3
StGB beschuldigte; er fügte bei, dass diese Sachverhalte bereits verjährt
wären, wenn man sie bloss als Fälschungen von Ausweisen im Sinne des
Art. 252 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB würdigen wollte.

    D.- Der Bundesanwalt beantragt:

    1.- Die beiden Angeklagten im Sinne der Anklage und deren

    Ergänzung schuldig zu sprechen.

    2.- Hans Wolf unter Anrechnung von 555 Tagen Untersuchungshaft
   zu acht Jahren Zuchthaus, Gisela Wolf unter Anrechnung von 645

    Tagen Untersuchungshaft zu sieben Jahren Zuchthaus zu verurteilen.

    3.- Beide Angeklagten für fünfzehn Jahre des Landes zu verweisen.

    4.- Die gemäss besonderen Verzeichnissen beschlagnahmten

    Beweisgegenstände in Anwendung von Art. 274 Ziff. 2, 301 Ziff. 2 und

    Art. 58 StGB einzuziehen und der Bundesanwaltschaft zu
Instruktionszwecken
   zu überlassen.

    5.- Die Guthaben von Fr. 10'968.-- und DM 7'550.-- auf dem

    Nummernkonto 10775 bei der Bank für Handel und Effekten in

    Zürich sowie den Saldo von Fr. 5'000.-- auf dem Einlagekonto

    Nr. 728.028 beim Schweizerischen Bankverein in Winterthur in Anwendung
   von Art. 59 Abs. 1 StGB der Eidgenossenschaft als verfallen zu erklären.

    E.- Der Verteidiger beantragt:

    1.- Beide Angeklagten von der Anklage des fortgesetzten militärischen
   und politischen Nachrichtendienstes gegen die Schweiz, Hans

    Wolf zudem von der Anklage des Betruges freizusprechen.

    2.- Dem Verfahren wegen Fälschung von Ausweisen keine weitere

    Folge zu geben.

    3.- Die Angeklagten Hans und Gisela Wolf schuldig zu sprechen
   des fortgesetzten Nachrichtendienstes gegen fremde Staaten, des
   fortgesetzten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes sowie des Versuchs
   dazu, der fortgesetzten Urkundenfälschung, der fortgesetzten
   Erschleichung einer falschen Beurkundung, der fortgesetzten
   Wahlfälschung, der fortgesetzten Widerhandlung gegen das Telegraphen-
   und

    Telephonverkehrsgesetz, der fortgesetzten Widerhandlung gegen das

    Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer.

    4.- Hans und Gisela Wolf zu einer gleich langen Freiheitsstrafe
   von höchstens drei Jahren, unter voller Anrechnung der

    Untersuchungshaft, sowie zu Landesverweisung und zu den Kosten des

    Verfahrens zu verurteilen.

    5.- Die beschlagnahmten Gegenstände in Anwendung von Art. 58

    StGB einzuziehen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesstrafgericht hat erwogen:

    I

Erwägung 1

    I.1.- Verbotener Nachrichtendienst im Sinne von Art. 272 bis 274 und
301 StGB sowie Fälschungen bei eidgenössischen Wahlen oder Abstimmungen im
Sinne von Art. 282 StGB unterstehen gemäss Art. 340 Ziff. 1 Abs. 5 StGB
der Bundesgerichtsbarkeit. Dieser Gerichtsbarkeit unterliegen ferner die
Verletzungen des Fernmelderegals (Art. 42 und 43 TVG). Zuständig ist das
Bundesstrafgericht (Art. 342 StGB).

    Im übrigen ist im vorliegenden Fall nach Auffassung der Bundesbehörden
kantonale Gerichtsbarkeit gegeben, insbesondere auch für alle den
Angeklagten vorgeworfenen Urkundendelikte. Mit Bezug auf gefälschte,
verfälschte oder erschlichene Urkunden, die tatsächlich oder angeblich von
einer Behörde oder einem Beamten des Bundes ausgestellt worden sind (wie
z.B. der Schweizerpass Nr. 0187716 und teilweise auch das Dienstbüchlein),
trifft das freilich nicht zu (vgl. BGE 96 IV 163 Erw. 1 und dort angeführte
Urteile). Das ändert an der Zuständigkeit des Bundesstrafgerichtes jedoch
nichts, da der Bundesrat durch Beschluss vom 3. Juli 1974 die Verfolgung
und Beurteilung aller Straftaten, die Gegenstand der Anklage sind,
gemäss Art. 344 Ziff. 1 StGB in der Hand des Bundesgerichtes vereinigt
hat. Die Parteien haben in der Hauptverhandlung denn auch ausdrücklich
erklärt, dass sie gegen die Zuständigkeit des Bundesstrafgerichtes nichts
einzuwenden haben.

Erwägung 2

    I.2.- Nach Art. 272 und 274 wie auch nach Art. 301 StGB wird
insbesondere bestraft, wer einen im Sinne dieser Bestimmungen verbotenen
Nachrichtendienst einrichtet oder betreibt.

    Unter Einrichten sind alle Vorbereitungen zu verstehen, die den
geheimen Nachrichtendienst ermöglichen und ihn nach aussen sichern
sollen. Solche Vorbereitungen trifft insbesondere, wer wie die Angeklagten
sich als Agent ausbilden und einsetzen lässt, in der Schweiz "eine
illegale Residentur" aufbaut und sich die Mittel, die dafür notwendig
oder nützlich sind, verschafft und sie zum Gebrauch bereithält. Dazu
gehörten im vorliegenden Falle namentlich die Empfangs- und Sendegeräte
samt den zugehörigen Anleitungen und Code-Tabellen, die umfassende
Photoausrüstung und die chemischen Mittel, um Schriften unsichtbar und
sichtbar zu machen, ferner die Zahlreichen Gebrauchsgegenstände mit
geheimen Fächern oder Behältern, die Legenden samt den falschen oder
erschlichenen Ausweisschriften, Zeugnissen usw. sowie die Vorschüsse
der Zentrale. Die Angeklagten haben sich mit all diesen Mitteln für ihre
geheime Nachrichtentätigkeit vorbereitet, sich in ihrer Wohnung für die
sichere Übermittlung und Entgegennahme von Meldungen eingerichtet.

    Verbotenen Nachrichtendienst im Sinne der angeführten Bestimmungen
betreibt, wer die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten
benützt, um Meldungen weiterzugeben oder entgegenzunehmen. Das kann über
Radio, Funk und tote Briefkästen, aber auch durch Wechsel von Briefen oder
Karten im gewöhnlichen Postverkehr und bei Treffen mit andern Angehörigen
des Geheimdienstes geschehen. Unter den Begriff des Betreibens fallen
ferner das Ausforschen von Tatsachen, das Sammeln, Sichten und Auswerten
von Meldungen sowie alle notwendigen Begleithandlungen. Nicht erforderlich
ist, dass diese Tätigkeiten sich auf Geheimnisse beziehen. Es genügt, dass
die vermittelten oder zu vermittelnden Meldungen Tatsachen betreffen,
die nicht allgemein bekannt sind. Gegenstand des Nachrichtendienstes
können sogar Tatsachen sein, die einer örtlich begrenzten Öffentlichkeit
bekannt sind, von Aussenstehenden, insbesondere von fremden Staaten,
jedoch nur durch einen besonderen Erkundungs- oder Meldedienst zu erfahren
sind. Ebenso kann ein Nachrichtendienst auf die Ermittlung und Meldung
einer Gesamtheit von Tatsachen ausgehen, die zwar einzeln bekannt sind,
insgesamt aber nur durch besondere Vorkehren miteinander verglichen,
überprüft und ausgewertet werden können (BGE 61 I 412, 80 IV 83 Erw. 1,
82 IV 163).

    Dem Betreiben brauchen nicht notwendig Vorbereitungen im Sinne des
Einrichtens vorauszugehen. Das Gesetz behandelt die beiden Arten von
Handlungen als selbständige Tatbestände, die freilich eng zusammenhangen
oder ineinander übergehen, aber auch unabhängig voneinander erfüllt
werden können. Das Gesetz ergänzt sie zudem, indem es wegen verbotenen
politischen und militärischen Nachrichtendienstes auch bestraft, wer
für solche Dienste anwirbt oder ihnen Vorschub leistet. Hiefür genügt
nach ständiger Rechtsprechung, dass das Verhalten des Beteiligten sich
irgendwie in die Kette der Handlungen einreihen lässt, die gesamthaft das
Einrichten oder den Betrieb des Nachrichtendienstes ausmachen. Darunter
fallen selbst Handlungen, die unter dem Gesichtspunkt des angestrebten
Enderfolges bloss Vorbereitung, Versuch, Anstiftung oder Beihilfe wären;
sie gelten als vollendete Delikte (BGE 61 I 414, 65 I 332, 66 I 113, 74
IV 202, 80 IV 82, 82 IV 163 und zahlreiche nicht veröffentlichte Urteile
des Bundesstrafgerichtes).

    Diese Rechtsprechung entspricht dem Zweck der Art. 272, 274 und 301
StGB. Er besteht darin, den im verbotenen Nachrichtendienst liegenden
Übergriff fremder Behörden, Parteien oder ähnlicher Organisationen in
schweizerische Gebietshoheit abzuwehren, die Spitzeltätigkeit in allen
Stadien und Formen zu bekämpfen (BGE 74 IV 204; vgl. ferner BGE 71 IV
218; Botschaft des Bundesrates zum sog. Spitzelgesetz vom 21. Juni 1935,
BBl 1935 I 742 ff.; THILO, JdT 1935 I 516). Eine besonders gefährliche
Form nimmt der Übergriff an, wenn eine ausländische Behörde, wie hier,
ausgebildete Agenten unter falschen Namen in die Schweiz einschleust
und technisch ausrüstet, damit sie sich hier als angebliche Schweizer
für ihre Aufgabe einrichten, von einem Grossunternehmen anstellen lassen
und eine auf die Dauer geplante, geheime Nachrichtentätigkeit entfalten.
Richtet sich der verbotene Nachrichtendienst gegen die Schweiz (Art. 272
bis 274 StGB), so ist gemäss Art. 4 StGB auch die im Ausland begangene
Tat strafbar.

Erwägung 3

    I.3.- Die Angeklagten wurden zusammen nicht bloss auf ihre
Agententätigkeit vorbereitet und von der Zentrale während Jahren betreut,
sondern handelten auch nach gemeinsamen Aufträgen. Laut ihren eigenen
Angaben teilten sie zudem die Arbeit unter sich auf. Zur Aufgabe des
technisch begabten Angeklagten gehörte insbesondere, dass er Sendungen
der Zentrale mit den Radioapparaten empfing, die Funkanlage bediente,
Dokumente fotografierte und Geheimfächer oder -behälter öffnete, wenn es
etwas zu verstecken gab. Die als Journalistin ausgebildete Mitangeklagte
hatte dagegen vor allem die schriftlichen Berichte zu verfassen und
weiterzugeben. Soweit die Tätigkeit des einen mit den Vorstellungen des
anderen sich im wesentlichen deckte, sie also bewusst zusammenarbeiteten,
sind sie daher nach den ihnen zukommenden Rollen und Aufgaben als Mittäter
zu behandeln, ohne dass ihre Beteiligung im einzelnen ausgeschieden zu
werden braucht (vgl. BGE 96 IV 169 Erw. 7).

    Ihre verbotene Agententätigkeit samt den Vorbereitungen beruhte
ausserdem auf einheitlichen Willensentschlüssen. Die Angeklagten
kamen in die Schweiz, um hier die der Zentrale gegenüber eingegangene
Verpflichtung zu erfüllen. Da ihre strafbaren Handlungen sich ferner gegen
gleiche Rechtsgüter richteten, ist fortgesetzte Begehung anzunehmen. Im
Fortsetzungszusammenhang verübte Taten werden rechtlich ohne Rücksicht
auf die Einzelhandlungen wie eine Straftat behandelt. Dass sämtliche
Einzelhandlungen unter die gleiche Strafandrohung fallen, ist für die
Annahme eines fortgesetzten Deliktes nicht erforderlich; es genügt, dass
sie den gleichen gesetzlichen Tatbestand erfüllen oder Begehungsformen
desselben Verbrechens oder Vergehens darstellen (BGE 91 IV 66 Erw. a
und dort angeführte Urteile). Im vorliegenden Fall erübrigt sich daher,
zwischen unvollendetem und vollendetem Versuch sowie vollendeter Tat zu
unterscheiden. Das gilt nicht bloss für die Delikte des politischen und
militärischen Nachrichtendienstes, sondern grundsätzlich auch für die
übrigen Straftaten, Der Bundesanwalt wirft den Angeklagten denn auch
durchwegs fortgesetzte Begehung vor.

    II

Erwägung 1

    II.1.- Gemäss Art. 301 Ziff. 1 StGB wird unter anderem mit Gefängnis
oder mit Busse bestraft, wer im Gebiete der Schweiz für einen fremden
Staat zum Nachteil eines andern fremden Staates einen militärischen
Nachrichtendienst einrichtet.

    Die Angeklagten hatten nach ihren eigenen Angaben in der Schweiz eine
"Residentur für Verbindung und Versorgung" aufzubauen, um in Krisen-
oder Kriegszeiten insbesondere Nachrichten militärischer Natur aus der
Bundesrepublik Deutschland oder andern Nato-Staaten an ihre Auftraggeber
in der DDR weitergeben zu können. Der Angeklagte hätte diesfalls den
Funkverkehr übernommen, seine Frau den Kurierdienst besorgt. Sie sind
zu diesen Zwecken nicht bloss ausgebildet und in die Schweiz geschickt
worden, sondern haben mit den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln,
wozu namentlich Unterlagen über die Nato-Streitkräfte und die deutsche
Bundeswehr gehörten, sich in Effretikon auch bewusst und gewollt auf ihre
Aufgabe vorbereitet.

    Dadurch haben sie im Gebiete der Schweiz für einen fremden Staat,
nämlich die DDR, zum Nachteil von Nato-Staaten einen militärischen
Nachrichtendienst im Sinne von Art. 301 StGB eingerichtet, einen Tatbestand
dieser Bestimmung somit objektiv und subjektiv erfüllt. Die Angeklagten
geben dies denn auch zu. Ob sie gewusst haben, dass ihre Handlungen die
Beziehungen der Schweiz zum Ausland stören und fremden Staaten schaden
könnten, ist unerheblich; Art. 301 StGB setzt weder eine solche Störung
noch einen Schaden, folglich auch kein entsprechendes Wissen oder Wollen
voraus (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesstrafgerichtes vom
5. November 1953 i.S. Roessler und Schnieper Erw. 5 und 8).

    Dass die Angeklagten einen militärischen Nachrichtendienst im Sinne
von Art. 301 StGB betrieben haben, wird ihnen nicht vorgeworfen. Der
Bundesanwalt macht ihnen namentlich keinen besonderen Vorwurf daraus,
dass sie vom Instrukteur angeblich ohne nähere Begründung ersucht worden
sind, sich unter Decknamen, die sie notierten, an zwei Personen in
der Bundesrepublik zu wenden und dass sie diesem Gesuch in einem Falle
entsprochen haben.

Erwägung 2

    II.2.- Wer für einen fremden Staat zum Nachteil der Schweiz
militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst
einrichtet, wird gemäss Art. 274 Ziff. 1 StGB mit Gefängnis oder mit
Busse bestraft; in schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden.

    Die Angeklagten bestreiten, sich im Sinne dieser Bestimmung schuldig
gemacht zu haben. Sie machen geltend, weder ihre Aufgabe noch die bereits
getroffenen Vorbereitungen seien gegen die Schweiz gerichtet gewesen,
da sie bloss Nachrichten aus Nato-Staaten weiterleiten sollten. Was sie
über schweizerische Belange berichteten, habe den Rahmen eines zulässigen
Nachrichtendienstes nicht überschritten und zudem nur der Übung gedient.

    a) Dass der besondere Erkundungs- und Meldedienst der Angeklagten
samt deren Vorkehren sich auch gegen die Schweiz richtete, kann indes
schon nach dem allgemeinen Auftrag, den sie in der Truhe versteckt
und offensichtlich von der Zentrale erhalten haben, nicht zweifelhaft
sein. Laut diesem Schriftstück interessierten ihre Auftraggeber sich
für "eine kontinuierliche Informationslieferung" aus der Schweiz,
und zwar vorweg für Meldungen über militärische und militärpolitische
Sachfragen. Dazu gehörten insbesondere Angaben über die Planung,
Organisation und die praktische Erprobung der Landesverteidigung, über
die Entwicklung der Waffentechnik, das Rüstungswesen, die Artillerie,
die Fliegerabwehr, die Führung von Kampfhandlungen durch Computer sowie
über den Rüstungspool und die sonstige militärische Zusammenarbeit mit
andern neutralen Staaten.

    Die Angeklagte charakterisierte den schriftlichen Auftrag in
der Untersuchung zutreffend als Rahmenkonzept der Zentrale für ihnen
Meldedienst, und zwar nicht bloss auf militärischem, sondern auch auf
politischem und wirtschaftlichem Gebiet. Im Gegensatz zum Mitangeklagten,
der sich aufs Leugnen verlegte oder nach Ausreden suchte, gab sie
im Verfahren ferner zu, dass der Auftrag ihnen von "Werner" oder dem
Instrukteur übergeben worden sei, dass er sich auch auf schweizerische
Verhältnisse bezogen habe und dass seine handschriftlichen Ergänzungen
von ihrem Manne stammen könnten. In der Hauptverhandlung schloss sie
sich dagegen der Behauptung des Mitangeklagten an, der Auftrag sei ihnen
wahrscheinlich von Dritten unterschoben worden. Diese Behauptung verdient
jedoch keinen Glauben, zumal aus weiteren Schriftstücken klar erhellt, dass
die Schweiz in die Aufgabe der Angeklagten miteinbezogen worden ist, diese
auch über schweizerische Militärverhältnisse berichten sollten. Das ergibt
sich namentlich aus den Code-Tabellen zu den Objekten in Zell (= Kaspar
Escher-Haus Zürich, wo sich u.a. die kantonale Militärdirektion befindet)
und Bremen (= EMD Bern) sowie aus dem vom Angeklagten selber notierten
Decknamen Waldemar für WK (Wiederholungskurs). Die Angeklagte machte
in der Untersuchung kein Hehl daraus, dass mehrere Abteilungen dieser
Tabellen ausschliesslich militärische Belange der Schweiz betrafen. Der
Angeklagte seinerseits anerkannte, dass sie für ihn bestimmt waren. Er
machte sich davon denn auch eigenhändig Abschriften, weil die Mikrofilme
mit den Code-Tabellen für seine Augen Gift gewesen seien.

    b) Nach dem Beweisergebnis haben die Angeklagten einen militärischen
Nachrichtendienst zum Nachteil der Schweiz nicht bloss eingerichtet,
sondern bewusst und gewollt auch betrieben. Freilich kann ihnen das
Betreiben nur in beschränktem Umfange nachgewiesen werden. Das liegt
in der Natur des Falles begründet, ändert aber nichts daran, dass die
Angeklagten nach ihren eigenen Angaben für eine militärische Aufgabe
ausgebildet und eingesetzt worden sind, dass sie unbekümmert um ihre
Tätigkeit im Kriegs- oder Krisenfall periodisch zu berichten hatten
und während rund 5 1/2 Jahren über schweizerische Verhältnisse auch
regelmässig berichtet haben, dass ihre Auftraggeber zum militärischen
Nachrichtendienst der DDR gehörten, sich folglich vorweg für militärische
Belange interessierten. Dieses Interesse erhellt z.B. daraus,
dass sie von der Zentrale schon 1968 angewiesen worden sind, mit dem
Militärpublizisten Oberst X. womöglich in Verbindung zu bleiben und näher
an ihn heranzukommen.

    Ob schon die Übermittlung von angeblich belanglosen Meldungen zu
Übungszwecken als Betreiben eines Nachrichtendienstes zu werten ist,
kann offen bleiben. Die Angeklagten haben nicht bloss "Spielmaterial",
wie Frau Wolf sich in der Hauptverhandlung ausdrückte, für ihre Meldungen
verwendet. Das Studium und das Auswerten westlicher Zeitungen und
Zeitschriften, auch schweizerischer, gehörte zu ihrer Ausbildung. Sie
mussten solche lesen, um ihr Wissen zu erweitern. Sie haben in der
Schweiz denn auch mehrere Blätter und Schriften abonniert, teils
sogar auf ausdrückliche Weisung der Zentrale; dies traf z.B. auf die
"Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift" zu. Die Berichte, welche
die Angeklagte "meist nach Absprache" mit ihrem Mann alle 4-6 Wochen an
die Zentrale schrieb, beruhten nach Aussagen von Frau Wolf freilich zum
Teil auf Wissen, das sie sich durch das Zeitungsstudium erwarben, teils
aber auch auf eigenen Feststellungen. Die Angeklagte erklärte dies in der
Untersuchung zutreffend damit, wenn man lange Zeit in einem Lande lebe,
lerne man die Dinge mit den Augen dieses Landes zu sehen, und das sei
(von der Zentrale) als wichtig erachtet worden. Wenn etwas Besonderes
vorlag, sollte sie öfter schreiben. Sie räumte übrigens ein, dass ihre
Berichte für die DDR "nicht unwichtig" gewesen seien.

    In diesem Sinne berichtete die Angeklagte im Einvernehmen mit ihrem
Manne, "der sehr viel Zeitung las", regelmässig u.a. über militärische
Verhältnisse in der Schweiz. Die Berichte umfassten jeweils 2-4 Seiten und
gaben "überwiegend Stimmungen und Ideologien wieder". Sie betrafen Themen
wie z.B. "Kriegsdienstverweigerer", "Der Schweizer und seine Armee"
und enthielten Angaben über Linkstendenzen in der Armee, Massnahmen
gegen Dienstverweigerer und bei Disziplinarverstössen, ferner über
Besonderheiten der Milizarmee, die persönliche Ausrüstung, die Zahl und
Dauer der Wiederholungskurse und deren administrative Vorbereitung, über
die Offiziersausbildung und die soziale Stellung des Offiziers. Andere
Meldungen, die anhand des verwendeten Kohlepapiers teilweise ermittelt
werden konnten, bezogen sich auf den neuen Rüstungschef, auf "erregte
Diskussionen" über das Zivilverteidigungsbuch und "Ansätze einer
beginnenden Autoritätskrise" beim Militär, wobei auf beiliegende "Proben
und Artikel" verwiesen wurde. Weitere Meldungen lauteten dahin, dass
die Jugend in der äusserst harten Ausbildung, die oft aus preussischem
Schliff bestehe, keinen Sinn mehr sehe, dass Bekannte unzufrieden aus
dem WK zurückkehrten und Z. der Kopf der harten Linie zu sein scheine.

    Dass die Berichte sich teilweise auf Zeitungsartikel oder andere
Veröffentlichungen stützten, befreit die Angeklagten nicht. Es entsprach
durchaus ihrer Aufgabe und der Meinung ihrer Auftraggeber, dass sie z.B.
Artikel wie "Die Konzeption der militärischen Landesverteidigung"
(NZZ vom 9. November 1971) oder die NZZ-Broschüre "Schweizerische
Gesamtverteidigung - Beiträge zu einem strategischen Konzept 1971"
studierten, sie mit anderen Publikationen oder eigenen Erkundigungen
und Beobachtungen verglichen. Zu einer Änderung der Rechtsprechung
besteht umsoweniger Anlass, als sie insbesondere auch einen Vortrag,
Flugblätter von Extremisten und Schriften berücksichtigten, die wegen
ihrer bloss lokalen oder fachtechnischen Bedeutung auf einen kleinen
Personenkreis beschränkt blieben. Aus den auf diese Weise gewonnenen
Eindrücken verfasste die Angeklagte nach Besprechung mit ihrem Mann
aber selbständige Berichte, die auf die Interessen ihrer Auftraggeber
zugeschnitten waren, wie die Auswertung der Kohlepapiere zeigt,
jedoch sehr verschiedene Einzelheiten enthielten. Darin sind besondere
Vorkehren im Sinne der Rechtsprechung (BGE 80 IV 83 Erw. 1 und 82 IV 163
mit Zitaten) zu erblicken, mit denen die Angeklagten eine ausländische
Amtsstelle über nicht allgemein bekannte Tatsachen unterrichteten. Dadurch
unterscheidet der verbotene Nachrichtendienst sich denn auch vom erlaubten
internationalen Pressedienst, der in der Regel offen betrieben wird,
jedermann unterrichten will und nicht auf ein planmässiges Ausforschen
im Interesse eines fremden Staates ausgerichtet ist (vgl. BGE 74 IV
204 sowie nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesstrafgerichtes vom 5.
November 1953 i.S. Roessler und Schnieper Erw. 2 und 4).

    c) Ob ein schwerer Fall im Sinne von Art. 274 Ziff. 1 StGB vorliegt,
hängt von den dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen sowie von den
gesamten Tatumständen ab, die bei der Abwägung des Verschuldens zu
berücksichtigen sind (BGE 73 IV 113; vgl. ferner BGE 95 IV 26 Erw. c).

    Die Wertungen des Gesetzes ergeben sich aus dem geschützten Rechtsgut
und dem weitgespannten Strafrahmen, der von Busse bis zu zwanzig Jahren
Zuchthaus reicht, obschon sich die Strafnorm nicht auf die Verletzung
militärischer Geheimnisse erstreckt (vgl. Art. 86 MStG); auch bei
schweren Fällen genügt, dass der Nachrichtendienst militärischer Natur
ist (BGE 97 IV 122 und dort angeführte Urteile). Die Angeklagten und ihre
Auftraggeber interessierten sich freilich auch für solche Geheimnisse; das
muss insbesondere nach dem allgemeinen Auftrag und der handschriftlichen
Notiz des Angeklagten über das "SLAR-Seitensichtfunkmessgerät" und
die "Harrier-Entwicklung" angenommen werden. Ein Verrat militärischer
Geheimnisse konnte den Angeklagten jedoch nicht nachgewiesen werden
und wird ihnen auch nicht vorgeworfen. Die Schwere des Falles ist
denn auch nicht im Wert der übermittelten Nachrichten, sondern in den
Vorbereitungen und im Vorgehen der Angeklagten zu erblicken. Diese wurden
für ihre Tätigkeit allseitig ausgebildet und umfassend ausgerüstet,
von einer ausländischen Behörde während Jahren betreut und finanziell
unterstützt und schreckten selber vor keinem Mittel zurück, um andere über
ihre Identität und Agententätigkeit zu täuschen. Es liegt ein besonders
schwerer Übergriff in schweizerische Gebietshoheit vor, der nicht bloss
von langer Hand vorbereitet und auf lange Sicht geplant war, sondern im
Falle kriegerischer Ereignisse die Sicherheit und Interessen des Landes
in hohem Masse gefährden konnte.

Erwägung 3

    II.3.- Nach Art. 272 StGB wird insbesondere mit Gefängnis bestraft,
wer im Interesse eines fremden Staates zum Nachteil der Schweiz oder ihrer
Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst
betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet (Ziff. 1). In schweren
Fällen ist die Strafe Zuchthaus. Ein solcher Fall ist z.B. anzunehmen,
wenn der Täter falsche Berichte erstattet, die geeignet sind, die innere
oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden (Ziff. 2).

    a) Die Wendungen "im Interesse eines fremden Staates" und "zum
Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen" haben sowenig wie beim
militärischen Nachrichtendienst den Sinn, dass die gemeldeten oder
zu meldenden Tatsachen den ausländischen Behörden tatsächlich nützen
und der Schweiz oder Inländern schaden. Sie bedeuten bloss, dass der
verbotene Nachrichtendienst für einen fremden Staat betrieben und gegen
die Schweiz, ihre Angehörigen, Einwohner oder Organisationen gerichtet sein
muss. Auch aus eigenem Antrieb gelieferte Nachrichten kommen in Betracht;
es genügt, dass sie für ausländische Stellen bestimmt sind und nicht
bloss offenkundige Tatsachen betreffen. Das können Stimmungsberichte
über allgemeine politische Verhältnisse und Entwicklungen, aber auch
Mitteilungen über Einzelpersonen, insbesondere über deren politische
Tätigkeit oder Einstellung sein (BGE 74 IV 203, 80 IV 88, 82 IV 163/4;
Geschäftsbericht des Bundesrates 1942 S. 182, 1943 S. 212).

    b) Die Angeklagten haben neben dem militärischen auch einen politischen
Nachrichtendienst gegen die Schweiz eingerichtet. Das ergibt sich vorweg
aus ihrem allgemeinen Auftrag, den sie sich in diesem Zusammenhang
ebenfalls vorhalten lassen müssen. Danach interessierte die Zentrale
sich insbesondere für die Rolle und Haltung der Schweiz zur europäischen
Sicherheitskonferenz, für die inoffizielle Beurteilung von Krisenherden
durch schweizerische Politiker und Militärs, für die Anerkennung der DDR
durch die Schweiz und die dabei zu erwartenden Auswirkungen sowie für
innenpolitische Entwicklungen.

    Dass die Tätigkeit der Angeklagten gegen die Schweiz gerichtet
war, erhellt ferner aus ihren Berichten, deren politische Themen
übrigens weitgehend dem schriftlichen Auftrag entsprachen. So schrieb
die Angeklagte im Einvernehmen mit ihrem Manne z.B. an die Zentrale,
dass die Sulzer-Giesserei zu mehr als 90% aus Fremdarbeitern bestehe
und in dieser Firma im Zusammenhang mit der Schwarzenbach-Initiative
eine Fremdenfeindlichkeit aufgetreten sei, die sie wegen ihrer Sprache
ebenfalls zu spüren bekommen habe, dass der Ausländeranteil aus politischen
Gründen nicht mehr gesteigert werden solle, dass die DDR alte Schulden
begleichen müsse, wenn sie mit der Anerkennung durch die Schweiz rechnen
wolle, dass die Einstellung zur DDR dem beigefügten Artikel aus der
Lokalpresse entspreche, dass die Schweiz starke Sympathien für Israel
hege und die gängige Meinung zu Helsinki dahin laute, "nur dem Osten
nicht trauen", dass das Misstrauen gegen alles Fremde zunehme und die
proisraelische Stimmung komplett sei, dass man in Zürich einen neuen
Spionagefall aufgedeckt habe, dass das Büro A. die grösste Agentur für
Public Relations in der Schweiz, aber nicht überall beliebt sei, weil es
zum Meinungsmanipulator werden könne. Die Angeklagte stützte sich dabei
vor allem auf eigene Wahrnehmungen und Hauszeitungen der Firma Sulzer
oder Unterlagen, die sie von ihrem Vorgesetzten erhielt.

    c) Angaben dieser Art, welche die Angeklagten der Zentrale in
"Lageberichten über aktuelle Geschehnisse" zukommen liessen, sind
strafrechtlich freilich nicht von besonderer Bedeutung. Schwerer wiegt
dagegen, dass die Angeklagten über Einzelpersonen berichteten. Das
Betreiben des politischen Nachrichtendienstes ist daher vorwiegend
darin zu erblicken, dass beide Angeklagten die Zentrale über persönliche
Verhältnisse, insbesondere von Angestellten der Firma Sulzer und deren
Angehörigen, einlässlich unterrichteten. Auffallend ist dabei, dass sie
sich durchwegs über Leute äusserten, die entweder als Flüchtlinge aus
dem Osten kamen, mit Oststaaten geschäftlich zu tun hatten, beruflich
oder militärisch besondere Stellungen einnahmen oder charakterliche
Schwächen zeigten. Das ist kein Zufall. Die Erfahrung lehrt, dass östliche
Geheimdienste gerade solche Umstände auszuforschen oder auszunützen
pflegen. Die Angeklagten wurden im Ausforschen persönlicher Verhältnisse
denn auch ausgebildet, weil die Zentrale sich "für wichtige Leute",
namentlich deren Stellung, politische Gesinnung und Privatleben besonders
interessierte (es folgen Bespiele).

    Die Angeklagten wollen die Zentrale über Bekannte, Vorgesetzte und
Mitarbeiter allerdings nur aus Vorsicht und im Interesse der eigenen
Sicherheit unterrichtet haben. Diese Behauptung verdient indes keinen
Glauben, zumal die Angeklagte in der Untersuchung zugegeben hat, dass
sie sich bei jedem Treffen mit "Werner" erneut über alle Personen
äussern musste, um neue Erkenntnisse zu melden. Dazu kommt, dass die
meisten Personen von der Zentrale Decknamen erhielten. Unglaubwürdig ist
ferner der Einwand, dass die Angeklagten ihre Aufgabe, über bekannte
Personen zu berichten, angeblich nur widerwillig erfüllten, mag die
sog. "Personenabschöpfung", wie sie der Bundesanwalt ihnen vorhält,
auch zu den verabscheuungswürdigsten Tätigkeiten eines Spions gehören.
Der Einwand wird insbesondere widerlegt durch einen Satz, der in einem
Bericht der Angeklagten aus dem Jahre 1969 enthalten war und dem dabei
verwendeten Kohlepapier entnommen werden konnte. Die Angeklagte schrieb
damals der Zentrale, dass sie und ihr Mann sich immer wieder den Kopf
zerbrächen, wie sie aus ihren Kontakten mit interessanten Personen mehr
Nutzen ziehen könnten.

    d) Die Schwere des Falles im Sinne von Art. 272 Ziff. 2 StGB ergibt
sich, wie beim militärischen Nachrichtendienst gegen die Schweiz, vor allem
aus den Vorbereitungen und dem Vorgehen der Angeklagten. Es kann daher
auf bereits Gesagtes verwiesen werden (hiervor Ziff. II/2/c). Ergänzend
hervorzuheben ist, dass die Ausbildung der Angeklagten und deren
Ausrüstung, insbesondere mit falschen Papieren, zum vorneherein auch auf
politischen Nachrichtendienst ausgerichtet waren. Als angebliche Schweizer
haben die Angeklagten das Vertrauen Ahnungsloser zudem bedenkenlos
ausgenützt, um über Bekannte, Vorgesetzte und Mitarbeiter Einzelheiten
zu erfahren, für die ihre Auftraggeber sich interessierten.

Erwägung 4

    II.4.- Gemäss Art. 273 StGB wird bestraft, wer ein Fabrikations- oder
Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es insbesondere einer fremden
amtlichen Stelle oder ihren Agenten zugänglich zu machen (Abs. 1),
ferner wer ihnen ein solches Geheimnis zugänglich macht (Abs. 2). Die
Freiheitsstrafe lautet auf Gefängnis, in schweren Fällen auf Zuchthaus
und kann mit Busse verbunden werden (Abs. 3).

    a) Die Tatbestände des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes
sind erheblich enger gefasst als diejenigen des politischen und
militärischen. Es ist darin weder von Einrichten, Anwerben oder
Vorschubleisten, noch von Betreiben überhaupt, sondern bloss von
Auskundschaften und Zugänglichmachen die Rede. Diese Tätigkeiten
müssen sich zudem auf Geheimnisse beziehen. Der Begriff des
Geschäftsgeheimnisses ist nach der Rechtsprechung zu Art. 273 StGB
freilich weit auszulegen, da er nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung
alle Tatsachen des wirtschaftlichen Lebens erfasst, an deren Geheimhaltung
nach schweizerischer Auffassung ein schutzwürdiges Interesse besteht und
die deshalb dem Auslande gegenüber geschützt werden sollen (BGE 98 IV 210
Erw. a mit Zitaten). Er unterscheidet sich dadurch vom gleichlautenden
Ausdruck in Art. 162 StGB und Art. 13 lit. f UWG.

    Das Auskundschaften im Sinne von Abs. 1 muss in der Absicht geschehen,
das Geheimnis einer fremden amtlichen Stelle oder ihren Agenten zugänglich
zu machen. Der Vorsatz des Verrates gemäss Abs. 2 ist somit bereits
im Tatbestand des Abs. 1 enthalten. Es fragt sich, ob deswegen das
Zugänglichmachen als blosse Nachtat zu betrachten, ein Täter folglich
einzig nach Abs. 1 zu bestrafen ist, wenn er ein Geheimnis nicht nur
auskundschaftet, sondern auch weitergibt.

    Gegen eine Realkonkurrenz spricht, dass das Gesetz beide Straftaten
mit der gleichen Strafe bedroht. Dass es sie, wie im nicht veröffentlichten
Urteil des Bundesstrafgerichtes vom 30. Juni 1949 i.S. Vitianu ausgeführt
worden ist, als verschiedene Tatbestände behandelt, die unabhängig
voneinander erfüllt werden können, steht dem nicht entgegen; Abs. 2 war
nötig, weil es auch Fälle ohne vorgängiges Auskundschaften geben kann
(BGE 85 IV 141). Tut der gleiche Täter jedoch beides, so handelt er im
Fortsetzungszusammenhang, der eine Realkonkurrenz zwischen Abs. 1 und 2
ausschliesst. Zuzugeben ist, dass dieser Zusammenhang unterbrochen werden,
der Täter z.B. die Absicht des Verrates vorübergehend aufgeben kann. Das
darf bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, rechtfertigt aber noch
keine Bestrafung nach beiden Bestimmungen, zumal diese bloss verschiedene
Begehungsformen desselben Deliktes enthalten. Diese Auffassung deckt
sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu den Tatbeständen der
Urkundenfälschung und des Gebrauchs einer falschen Urkunde, bei denen es
sich ähnlich verhält (BGE 95 IV 73 Erw. b und c, 96 IV 167). Sie entspricht
zudem der im Schrifttum vorherrschenden Meinung (vgl. insbes. HAFTER,
Festgabe Fleiner S. 213, Strafrecht Bes. Teil S. 674; THORMANN/OVERBECK,
N. 8 zu Art. 273 StGB; anderer Auffassung: LOHNER, ZStR 1967 S. 155/6).

    b) Die Angeklagte hat nach eigenen Angaben im Frühjahr 1973 an ihrem
Arbeitsplatz die Listen über die sog. erwähnenswerten Bestellungen des
ersten Quartals in mehreren Malen entwendet, sie zuhause vom Ehemann
auf einen Sicherheitsfilm aufnehmen lassen und diesen an die Zentrale
weitergegeben. Da der Film sich als unbrauchbar erwies, wiederholte
sie die Tat. In der gleichen Absicht eignete sie sich im Sommer 1973
die Listen des zweiten Quartals an und liess sie vom Mitangeklagten
fotografieren, konnte den Film wegen der Verhaftung aber nicht mehr
der Zentrale zugänglich machen. Die Angeklagte hat ferner zugegeben, im
Juli oder August 1973 im Büro ihres Vorgesetzten einen Protokollentwurf,
der vertrauliche Beschlüsse der Sulzer-Konzernleitung über die laufende
Geschäftsführung enthielt, weggenommen und fotokopiert zu haben. Sie
liess die Kopie zuhause vom Ehemann in einem Geheimfach verstecken,
konnte sie wegen ihrer Verhaftung aber nicht mehr der Zentrale übergeben.

    Bei der Haussuchung wurden in einem Geheimfach zwei Zettel gefunden,
auf denen der Angeklagte im Sommer 1973 Angaben über drei Grossaufträge
der Firma Sulzer aufgezeichnet hatte. Er musste sich damals an seinem
Arbeitsplatz angeblich mit diesen Aufträgen befassen und wollte, wie er
in der Hauptverhandlung zugab, die Zentrale darüber unterrichten. Seine
Aufzeichnungen betrafen einen vom Sulzer-Konzern zu erwartenden Auftrag für
ein Kernkraftwerk in Westdeutschland, einen Lizenzvertrag mit Bulgarien
für den Bau einer Dieselmotorenfabrik sowie einen Planungsauftrag über
den Bau einer Turbinenfabrik in China.

    c) Nach den Zeugenaussagen muss angenommen werden, dass der Entwurf des
Sitzungsprotokolls als geheim galt, weil er über wichtige Geschäfte und
Beschlüsse des Konzerns Auskunft gab und nur für dessen Leitung bestimmt
war. Dass der Vorgesetzte der Angeklagten eine Kopie erhielt, ändert
nichts; er durfte von deren Inhalt nur im Rahmen seiner Aufgabe Gebrauch
machen und musste die Kopie nachher vernichten. Als Geschäftsgeheimnisse
sind auch die Angaben in den Bestell-Listen zu werten, die nach einem
darauf angebrachten Vermerk einzig für den internen Gebrauch aufgestellt,
bloss in etwa 70 Exemplaren ausgefertigt und in Winterthur nur an
Abteilungsleiter abgegeben wurden. Dass die Listen auch auswärtigen
Sulzer-Gesellschaften zugestellt wurden, um sie über die Tätigkeit des
Konzerns zu unterrichten, steht der Annahme von Geheimnissen nicht im
Wege. Die Listen durften auch auswärts nicht beliebig weitergegeben werden,
sondern waren überall vertraulich zu behandeln (vgl. BGE 97 IV 119/20).
Die Angeklagte hat in der Hauptverhandlung übrigens anerkannt, dass die
Listen vertraulichen Charakter hatten und dass sie sich dessen bewusst war.

    Grossaufträge werden nach dem Beweisergebnis bei der Firma Sulzer vor
allem im Vorbereitungs- und Planungsstadium, wo geschäftspolitische Fragen
abzuklären sind, geheim behandelt. Das war gemäss den Zeugenaussagen auch
bei den Anfragen aus Deutschland, Bulgarien und China der Fall. Im Jahre
1973 wussten nur wenige Leute um diese geplanten Geschäfte; sie waren
insbesondere auch von der Abteilung "Organisation und Datenverarbeitung",
mit welcher der Angeklagte damals eng zusammenarbeitete, vertraulich
zu behandeln. Der Angeklagte war sich dessen offensichtlich bewusst,
da er sich die Geschäfte heimlich notierte und die Zettel zuhause in
einem Geheimfach versteckte, um sie bei nächster Gelegenheit an die
Zentrale weiterzugeben. Mit Rücksicht auf ihre geschäftspolitischen
Angaben muss übrigens angenommen werden, dass sowohl die Unterlagen über
die Grossaufträge wie die Bestell-Listen und das Sitzungsprotokoll nicht
bloss Geschäftsgeheimnisse gemäss Art. 273 StGB, sondern im engen Sinne
des Art. 162 enthalten haben.

    d) Indem die Angeklagte sich an ihrem Arbeitsplatz rechtswidrig
die Bestell-Listen des ersten und zweiten Quartals 1973 sowie ein
Sitzungsprotokoll aneignete, um deren Inhalt der Zentrale zukommen zu
lassen, machte sie sich, wie sie im Verfahren und in der Hauptverhandlung
anerkannte, des verbotenen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 273 StGB
schuldig. Sie ist für ihre Handlungen, die sie im Fortsetzungszusammenhang
begangen hat, nach Abs. 1 dieser Bestimmung zu bestrafen. In einem
Fall blieb der Erfolg der Handlung deshalb aus, weil der Film sich
als unbrauchbar erwies, und in einem weiteren weil sie die Kopie des
Protokolls wegen ihrer Verhaftung nicht mehr an die Zentrale weiterleiten
konnte; in diesem Fall ist unvollendeter (Art. 21 Abs. 1 StGB), in jenem
vollendeter Versuch gegeben (Art. 22 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte wirkte
beim versuchten und erfolgten Verrat der Geschäftsgeheimnisse bewusst
und gewollt mit, indem er die Schriftstücke teils auf Mikrofilme aufnahm
und diese versteckte, teils bloss in einem Geheimfach versorgte. Er
ist als Mittäter nach Art. 273 Abs. 2 StGB zu bestrafen. Dass er sich
dem von seiner Frau geplanten Verrat widersetzt habe, ist als Ausrede zu
werten, zumal er von Anfang an mitmachte und selber ähnliche Gelegenheiten
ausnützte, um seinen Auftraggebern Geschäftsgeheimnisse der Firma Sulzer
zu verschaffen.

    Bei den Grossaufträgen ist nicht erwiesen, dass der Angeklagte sich
die Unterlagen unrechtmässig aneignete. Er will damit als Angestellter
der Firma Sulzer zu tun gehabt haben, was ihm nicht widerlegt werden
konnte. Da er zudem seine Aufzeichnungen wegen der Verhaftung nicht mehr
weitergeben konnte, ist er bloss wegen versuchten Zugänglichmachens zu
bestrafen (Art. 273 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 StGB). Der
Bundesanwalt legt diesen Versuch auch der Mitangeklagten zur Last,
weil sie von der beabsichtigten Weitergabe Kenntnis gehabt habe und
damit einverstanden gewesen sei. Das trifft nach dem Beweisergebnis
zu. Die Angeklagte weigerte sich in der Hauptverhandlung, darüber nähere
Angaben zu machen, räumte aber ein, dass sie die Informationen über die
Grossaufträge zusammen bereitgestellt haben. Das Vorgehen ihres Mannes
entsprach übrigens nicht nur dem gemeinsamen Willen, sondern auch den
ihnen von der Zentrale erteilten Aufträgen. Die Angeklagte ist daher in
diesem Punkte als Mittäterin zu behandeln.

    e) Der von den Angeklagten betriebene wirtschaftliche Nachrichtendienst
zugunsten einer ausländischen Behörde ist als schwerer Fall im Sinne
von Art. 273 Abs. 3 StGB zu würdigen. Sie haben beide als Schweizer
getarnt nicht nur ihre berufliche Stellung, sondern auch das Vertrauen von
Vorgesetzten und Mitarbeitern grob missbraucht, um der Zentrale bedeutende
Geschäftsgeheimnisse ihres Arbeitgebers verschaffen zu können. Nach ihrer
Aufgabe und der Erfahrung muss zudem angenommen werden, dass sie von
Anfang an darauf ausgingen, bei einem schweizerischen Grossunternehmen in
Schlüsselstellungen unterzukommen, und dass sie von ihren Auftraggebern
auch darauf hin vorbereitet und ausgerüstet worden sind. Das Stellengesuch
des Angeklagten vom April 1967 um "eine leitende Tätigkeit in Produktion
oder Technik, Betriebsorganisation einschliesslich Datenverarbeitung"
hat viel Ähnlichkeit mit dem Auftrag "Linder" (= Sulzer), der "ein
grosses Interesse an einer laufenden und vertieften Information"
über alle Fragen der elektronischen Datenverarbeitung verrät. Dazu
kommt, dass der Angeklagte wiederholt versucht hat, die Leitung einer
Fachstelle in der Abteilung "Organisation und Datenverarbeitung" zu
erhalten und vom Spezialisten der Firma Einzelheiten über Datenerfassung,
Datenfernübertragung und Kleincomputer zu erfahren. Die Angeklagte fand
bei Sulzer ebenfalls eine Stelle, die ihren besonderen Interessen und
ihrer Aufgabe entsprach. Das machte sie zu besonders gefährlichen Agenten.
Untersuchungsrichter und Bundesanwalt wiesen mit Recht auf ähnliche Fälle
aus jüngster Zeit hin, welche von den Gerichten ebenfalls als schwer
qualifiziert worden sind. Im übrigen ist auch hier auf bereits Gesagtes
zu verweisen (hiervor Ziff. II/2/c).

Erwägung 5

    II.5.- Wer ein Geschäftsgeheimnis verrät, das er infolge einer
gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, wird gemäss Art.
162 Abs. 1 StGB auf Antrag mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. Da die
von den Angeklagten gemeldeten oder nach ihrer Absicht noch zu meldenden
Tatsachen über Vorgänge in der Firma Sulzer Geschäftsgeheimnisse im
Sinne von Art. 273 und 162 StGB betrafen, fragt sich, ob sie nach
beiden Bestimmungen zu bestrafen sind, was vom Bundesanwalt bejaht,
vom Verteidiger dagegen verneint wird.

    Der Verteidiger begründet seine Auffassung damit, die engere Bestimmung
des Art. 162 gehe in der weiteren des Art. 273 StGB auf, weshalb Konsumtion
gegeben sei. Solche wäre indes nur anzunehmen, wenn der Tatbestand
des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes denjenigen der Verletzung des
Geschäftsgeheimnisses in allen Teilen in sich schlösse, ihn folglich auch
wertmässig, dem Verschulden und dem Unrecht nach (BGE 91 IV 213), erfassen
würde. Das trifft nicht zu. Die beiden Bestimmungen schützen verschiedene
Interessen und Rechtsgüter, weshalb der Begriff des Geschäftsgeheimnisses
im Sinne von Art. 273 sich denn auch nicht notwendig mit demjenigen des
Art. 162 deckt. Dazu kommt, dass der Täter nach dieser Bestimmung eine
gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungspflicht verletzen muss. Wer
wie die Angeklagten mit dem Verrat eines Geschäftsgeheimnisses ans Ausland
zugleich gegen seine Treuepflicht als Arbeitnehmer verstösst, der vergeht
sich aber schwerer als derjenige, der ein Geheimnis preisgibt, ohne zu
dessen Geheimhaltung vertraglich verpflichtet zu sein. Sein strafbares
Verhalten ist nur dann allseits erfasst und seine Schuld im vollen Umfange
abgegolten, wenn neben Art. 273 auch Art. 162 StGB angewendet wird. Die
Angeklagten sind daher nach beiden Bestimmungen zu bestrafen.

    Die Angeklagten haben zusammen und fortgesetzt gehandelt, weshalb
sich auch hier erübrigt, ihre Teilnahme in subjektiver Hinsicht im
einzelnen festzustellen. Ein Vorbehalt ist einzig bei der Angeklagten
anzubringen. Diese war mit der geplanten Weitergabe der Aufzeichnungen über
die Grossaufträge einverstanden. Dass sie im Zeitpunkt der Verletzung des
Arbeitsvertrages durch ihren Ehemann davon Kenntnis hatte oder sich dessen
bewusst war, konnte ihr indes nicht nachgewiesen werden. Das schliesst
eine Bestrafung wegen Teilnahme an dem von ihrem Mann versuchten Verrat
von Geschäftsgeheimnissen gemäss Art. 162 StGB aus. Die Angeklagte ist
daher in diesem Punkte ohne Entschädigung freizusprechen. Anders verhält
es sich mit der Teilnahme des Angeklagten an den von seiner Ehefrau
begangenen Verletzungen, da er ihr deswegen Vorwürfe gemacht haben will.

Erwägung 6

    II.6.- Die Angeklagten sind geständig, die ihnen in der Anklageschrift
zur Last gelegten Urkundenfälschungen begangen und von gefälschten,
verfälschten oder inhaltlich unrichtigen Urkunden fortgesetzt Gebrauch
gemacht zu haben, um in der Schweiz zugunsten ihrer Auftraggeber
einen geheimen Nachrichtendienst einzurichten und ihre Aufgaben zu
erfüllen, sich oder einem andern also einen unrechtmässigen Vorteil zu
verschaffen. Mit Ausnahme der Dienstverträge handelte es sich dabei um
öffentliche Urkunden gemäss Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2 und 251 Ziff. 2 StGB,
was sie nicht zu widerlegen suchen. Sie sind daher im Sinne der Anklage
schuldig zu sprechen.

    Beide Angeklagten sind ferner geständig, im Sinne von Art. 253 StGB
zahlreiche falsche Beurkundungen erschlichen (Abs. 1) und daraufhin
erhaltene Papiere gebraucht zu haben, um andere über darin beurkundete
Tatsachen zu täuschen (Abs. 2). Sie haben die Anklage in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht anerkannt, sind daher auch in diesem Punkte im
Sinne der Anklageschrift schuldig zu sprechen.

    Der Bundesanwalt wirft dem Angeklagten vor, seinem Stellengesuch
vom April 1967 eine gefälschte Urkunde über eine von Hans Kälin
angeblich bestandene Ingenieurprüfung beigelegt zu haben; ähnlich habe
die Angeklagte im März 1968, als sie sich bei der Firma Sulzer um eine
Stelle bewarb, verschiedene gefälschte oder verfälschte Ausweisschriften,
Zeugnisse und Bescheinigungen vorgelegt; dadurch hätten beide sich des
Gebrauchs gefälschter Ausweise im Sinne von Art. 252 StGB, eventuell
der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
schuldig gemacht. Mit der Verwendung der gefälschten oder verfälschten
Schriften verfolgten die Angeklagten indes nicht bloss eine unmittelbare
Erleichterung ihres persönlichen Fortkommens, sondern vor allem den
Zweck, andere über ihre Identität zu täuschen, um ihre Agentenaufträge
erfüllen zu können. Darin ist, wie bei den übrigen Urkundenfälschungen, ein
unrechtmässiger Vorteil im Sinne von Art. 251 StGB zu erblicken, was eine
Bestrafung nach der Sonderbestimmung des Art. 252 StGB ausschliesst. Die
Angeklagten haben auch für den ihnen zur Last gelegten Gebrauch von
falschen oder gefälschten Ausweispapieren, Zeugnissen und Bescheinigungen
nach Art. 251 StGB einzustehen, womit der Einrede der Verjährung der
Boden entzogen ist.

Erwägung 7

    II.7.- Beide Angeklagten haben während ihres Aufenthaltes in der
Schweiz mehrmals als die im Stimmregister der Gemeinde Illnau-Effretikon
eingetragenen Schweizerbürger Hans und Ursula Kälin-Meissner an
eidgenössischen und kantonalen Wahlen und Abstimmungen teilgenommen. Dass
sie diese Straftaten bloss begangen haben wollen, um nicht aufzufallen
oder weil sie angeblich nicht anders handeln konnten, befreit sie
nicht, spricht aber für fortgesetzte Begehung. Die ihnen vorgeworfenen
Wahlfälschungen, die sie im übrigen nicht bestreiten, gehörten zur Tarnung
ihrer Agententätigkeit. Sie sind deswegen nach Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2
StGB zu verurteilen.

    Der Bundesanwalt wirft beiden Angeklagten fortgesetzte
Widerhandlung gegen Art. 42 Abs. 1 lit. a TVG vor, weil der Angeklagte
konzessionspflichtige Sende- und Empfangseinrichtungen im Einverständnis
mit der Mitangeklagten benützt oder betrieben habe. Dieser Vorwurf und
seine Begründung sind zutreffend. Die Angeklagten haben dagegen mit
Recht nichts einzuwenden; sie sind daher im Sinne der Anklage schuldig
zu sprechen.

    Dem Vorwurf des Bundesanwaltes, dem Art. 23 Abs. 1 Satz 4 ANAG
fortgesetzt zuwidergehandelt zu haben, indem sie mehrmals mit falschen
Papieren in die Schweiz einreisten und sich hier während Jahren unter
falschen Namen aufhielten, versuchen die Angeklagten ebenfalls nicht zu
entgehen. Sie machen insbesondere nicht geltend, die Tat sei verjährt
(vgl. BGE 91 IV 66). Sie sind auch in diesem Punkte im Sinne der
Anklageschrift schuldig zu sprechen.

Erwägung 8

    II.8.- Der Bundesanwalt beschuldigt den Angeklagten des Betruges,
weil er am 16. August 1967, als er wegen seiner Anstellung bei der Firma
Sulzer vorsprach, in einem Fragebogen entsprechend seiner Legende angab,
er sei seit dem 17. Mai 1966 geschieden und Vater von Kindern im Alter von
12, 15 und 16 Jahren; dadurch habe er die Firma arglistig irregeführt und
veranlasst, ihm bis 1972 insgesamt Fr. 2'480.-- Kinderzulagen zu bezahlen.

    Der Angeklagte bestreitet diesen Sachverhalt nicht, sondern bloss
die zum Betrug gehörende Bereicherungsabsicht. Er macht geltend, er habe
sich zunächst gesträubt, Kinderzulagen anzunehmen, sei vom zuständigen
Angestellten der Firma aber aufmerksam gemacht worden, dass der Arbeitgeber
die Zulagen ausrichten müsse. Er habe diese in der Folge einzig deshalb
entgegengenommen, um seine Legende nicht zu gefährden, habe sich also
nicht bereichern wollen.

    Der als Zeuge einvernommene Personal-Chef der Firma Sulzer konnte sich
nicht an Einwände des Angeklagten gegen die Auszahlung von Kinderzulagen
erinnern. Er fügte bei, dass die Firma 1967 bei Scheidungen noch auf die
Angaben des Bewerbers abstellte, dass der Angeklagte von der Möglichkeit,
für das jüngste Kind Zulagen bis zu dessen 18. Altersjahr zu beziehen,
aber keinen Gebrauch machte; er habe darauf verzichtet, die hiefür
notwendige Bestätigung zurückzuschicken. Dieser Verzicht und sein
angebliches Sträuben sprechen eher für die Darstellung des Angeklagten,
er habe die Zulagen einzig wegen seiner Legende angenommen, als für eine
Bereicherungsabsicht. Eine solche Absicht scheint auch nicht zu seiner
Persönlichkeit zu passen.

    Nach der Rechtsprechung genügt freilich schon eine bloss mitgewollte
oder in Kauf genommene Bereicherung (BGE 69 IV 80, 72 IV 125, 74 IV
45). Auch diese Rechtsprechung setzt aber voraus, dass die Absicht des
Täters selbst dann, wenn er die Bereicherung bloss für möglich hält,
auf Erlangung des Vorteils gerichtet ist; er will die Bereicherung
für den Fall, dass sie eintritt. Anders verhält es sich, wenn die
Erlangung des Vorteils nur eine notwendige, dem Täter vielleicht höchst
unerwünschte Nebenfolge eines von ihm erstrebten anderen Erfolges ist
(Komm. SCHÖNKE-SCHRÖDER, 14. Aufl. N. 129 zu § 263 des deutschen StGB). Da
im vorliegenden Fall Zweifel darüber bestehen, ob der Angeklagte den
Vorteil zur Zeit der Anstellung tatsächlich gewollt habe, ist zu seinen
Gunsten zu entscheiden, Hans Wolf folglich von der Anklage des Betruges
freizusprechen.

    Eine Entschädigung ist ihm nicht auszurichten, da er ein Strafverfahren
wegen Betruges durch sein Benehmen verschuldet hat (Art. 122 Abs. 1 und
176 BStP).

    III

Erwägung 1

    III.1.- Die Strafe ist nach dem Verschulden des Täters zuzumessen,
wobei die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse
des Schuldigen zu berücksichtigen sind (Art. 63 StGB). Hat der Täter
durch eine oder mehrere Handlungen mehrere Freiheitsstrafen verwirkt,
so ist er zu der Strafe der schwersten Tat zu verurteilen und ist deren
Dauer angemessen zu erhöhen (Art. 68 Ziff. 1 Satz 1 StGB).

    Vorliegend ist vom Strafrahmen auszugehen, den das Gesetz für schwere
Fälle verbotenen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 272 bis 274 StGB
vorsieht; er reicht von einem bis zu zwanzig Jahren Zuchthaus. Innerhalb
dieses Rahmens ist vorweg dem Verschulden und der Dauer der Verfehlungen
Rechnung zu tragen. Das Verschulden der beiden Angeklagten wiegt
schwer. Sie erfuhren schon bei ihrer Anwerbung, dass es um eine illegale
Tätigkeit ging und dass sie im Falle einer Entdeckung mit harten Strafen
rechnen mussten. Dennoch erklärten beide sich ohne jeden äussern Zwang
bereit, sich als Spione ausbilden und für zehn Jahre einsetzen zu
lassen. Sie haben ihre Aufgaben sodann mit den verfügbaren Mitteln der
Täuschung und der Technik beharrlich zu erfüllen versucht und sich während
Jahren nicht bloss als willige, sondern auch als sehr gefährliche Agenten
erwiesen. Wie sehr sie sich den Absichten ihrer Auftraggeber unterziehen
und wie hinterhältig sie handeln konnten, erhellt namentlich aus ihrem
Vorgehen bei der Übersiedlung in die Schweiz. Der Angeklagte liess sich
als biederer Schweizer Rückwanderer einschleusen, der angeblich wegen
seiner Kritik am DDR-Regime Schwierigkeiten bekommen hatte, während die
Mitangeklagte sich als Flüchtling ausgab und Bedenken Dritter dadurch
vorzubeugen suchte, dass sie ihre "Flucht" aus der DDR schilderte.

    Die Schwere des Verschuldens ergibt sich ferner aus der Vielzahl der
Verfehlungen, insbesondere dem hemmungslosen Gebrauch falscher Urkunden,
welche die Angeklagten zur Tarnung ihrer Tätigkeit von der Zentrale
erhielten. Sie haben damit Behörden, Beamte und Vorgesetzte während
Jahren planmässig getäuscht und zahlreiche weitere falsche Papiere oder
Beurkundungen erschlichen. Um unter dem Decknamen eines gutbürgerlichen
Ehepaars als Agenten wirken zu können, scheuten sie sich nicht, in der
Schweiz unter falschem Namen nochmals die Ehe einzugehen und mit Hilfe
der Zentrale den Personenstand eines Schweizers, von dem sie wussten,
dass er in Ostdeutschland lebt und eine Familie mit drei Kindern hat,
bedenkenlos für ihre Zwecke zu missbrauchen. Die Auswirkungen dieses
Missbrauchs auf das Selbstbestimmungsrecht des Auslandschweizers und
seiner Familie konnten ihnen schlechterdings nicht entgehen, störten sie
aber offensichtlich nicht.

    Die strafbaren Handlungen der Angeklagten richteten sich vor allem
gegen die schweizerische Staatshoheit und Landesverteidigung, mag ihre
Hauptaufgabe auch erst für einen Kriegs- oder Krisenfall geplant gewesen
sein. Das ändert an ihrem Verschulden nichts, zumal sie diesfalls für die
Schweiz noch gefährlicher werden konnten. Zu berücksichtigen ist ausserdem,
dass die Angeklagten für ihre Tätigkeit entlohnt und mit erheblichen
finanziellen Mitteln unterstützt worden sind und nach Aufdeckung ihrer
Straftaten weder Einsicht noch Reue gezeigt haben. Sie versuchten, ihre
Agententätigkeit gegen die Schweiz womöglich abzustreiten oder als Spiel
oder blosse Übung zu verharmlosen. Von besonderer Hartnäckigkeit zeugt,
dass die Angeklagte in der Hauptverhandlung erklärte, sie würde den Auftrag
der Zentrale selbst nach 22 Monaten Untersuchungshaft wieder übernehmen.

    Dass die Angeklagten aus politischer Überzeugung und aus Pflichtgefühl
ihrem Lande gegenüber gehandelt haben wollen, entlastet sie nicht. Von
einem neutralen Staate aus gesehen entbehrt ihre geheime Agententätigkeit
in der Schweiz so oder anders jeder Rechtfertigung. Die Angeklagte will
denn auch "schockiert" gewesen sein, als sie von ihren Auftraggebern
erfuhr, wo sie eingesetzt werde. Von einem Schuldminderungsgrund kann
umsoweniger die Rede sein, als die Angeklagten im Falle einer Weigerung
keinerlei Nachteile zu befürchten hatten und durch ihren Einsatz in der
Schweiz in den Genuss erheblicher Vorteile kamen. Dass sie durch ihre
allgemeine Lebensführung in der Schweiz zu keinen Klagen Anlass gaben,
mindert ihr Verschulden ebenfalls nicht. Nicht aufzufallen und ein nach
aussen geordnetes Leben zu führen, gehört zur Tarnung eines Agenten. Zugute
gehalten werden kann ihnen, dass aus ihrem Vorleben nichts Nachteiliges
bekannt ist, der Angeklagte eine schwierige Jugend und dass beide unter
den Kriegswirren zu leiden hatten.

    Das Verschulden der Angeklagten ist als gleich schwer zu werten,
rechtfertigt folglich keinen Unterschied im Strafmass. Sie haben aus
ähnlichen Motiven gehandelt, den Auftrag der Zentrale gemeinsam übernommen
und ihn bis zu ihrer Verhaftung zusammen erfüllt. Schliesslich sind bei
derartigen Delikten generalpräventive Überlegungen am Platz; andere sollen
gewarnt und von ähnlichen Straftaten abgehalten werden.

    Die Angeklagten haben ihre Schuld mit je sieben Jahren Zuchthaus
zu sühnen.

Erwägung 2

    III.2.- Der Bundesanwalt beantragt, der Angeklagten die ausgestandene
Untersuchungshaft im vollen Umfang, dem Mitangeklagten dagegen bloss zu
555 Tagen anzurechnen, weil er die Haft durch hartnäckiges Leugnen und
Verweigern von Antworten verlängert habe.

    Gemäss Art. 69 StGB und Art. 171 BStP ist dem Verurteilten die
Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, soweit er sie
nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert
hat. Die Bestimmungen erfordern einen klaren Zusammenhang zwischen
dem Benehmen des Täters im Verfahren und der Dauer der Haft. An diesem
Zusammenhang ist hier zu zweifeln, weil die Haft, wie der Bundesanwalt
einräumt, wegen Fluchtgefahr nicht bloss angeordnet, sondern während des
ganzen Verfahrens aufrechterhalten werden musste; diese Gefahr besteht
übrigens heute noch. Dass das Verhalten des Angeklagten die Dauer der
Untersuchung und damit der Haft in erkennbarer Weise verlängerte, ist
nicht nachgewiesen. Beiden Angeklagten ist daher die Untersuchungshaft
voll anzurechnen. Es sind bis und mit heute 648 Tage.

    Die Sicherheitshaft ist wegen des noch zu verbüssenden Teils der
Zuchthausstrafe sowie wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten. Die Strafen
sind vom Kanton Zürich in den Anstalten Regensdorf und Hindelbank zu
vollziehen (Art. 241 Abs. 1 BStP). Die kantonale Vollzugsbehörde darf davon
nur abweichen, wenn eine andere Anstalt sich gleich oder besser eignet.

Erwägung 3

    III.3.- Die Angeklagten sind in Anwendung von Art. 55 Abs. 1 StGB des
Landes zu verweisen. Gemäss Antrag des Bundesanwaltes ist dabei wegen
der Art und Schwere der Verfehlungen auf die höchstzulässige Dauer von
fünfzehn Jahren zu erkennen.

Erwägung 4

    III.4.- Der Untersuchungsrichter hat zahlreiche Gegenstände gemäss
besonderen Verzeichnissen beschlagnahmt. Es steht fest, dass sie der
nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Angeklagten gedient haben, was
diese denn auch nicht zu widerlegen suchen. Sie sind daher gemäss Antrag
des Bundesanwaltes gestützt auf Art. 58 Abs. 1 StGB einzuziehen. Gegen
ihre Abgabe an die Bundesanwaltschaft, welche sie zu Instruktionszwecken
benutzen will, ist nichts einzuwenden. Diese Befugnis des Richters ist
als das Mindere in der anderen eingeschlossen, eingezogene Gegenstände
unbrauchbar machen oder vernichten zu lassen (Art. 58 Abs. 2 StGB).

    Das Nummernkonto 10775 mit dem Kennwort Sonntag bei der Bank
für Handel und Effekten in Zürich ist von der Zentrale eröffnet und
gespiesen worden, um die Angeklagten, die darüber verfügen durften,
in ihrer Agententätigkeit zu unterstützen. Die Angeklagten haben davon
zwischen Mitte Februar 1970 und 21. Februar 1972 über Fr. 32'000.--
abgehoben und insbesondere für Reisen oder andere Kosten, die mit ihren
Aufgaben zusammenhingen, verwendet. Das Konto wies am 14. September 1973
noch Guthaben von Fr. 10'907.-- und DM 7'585.-- auf, die vom Bundesanwalt
und am 29. November 1974 auch vom Untersuchungsrichter gesperrt und
beschlagnahmt worden sind. Da damit die Tätigkeit der Angeklagten gefördert
werden sollte, sind diese Guthaben samt den inzwischen angefallenen Zinsen
gestützt auf Art. 59 Abs. 1 StGB als dem Staate verfallen zu erklären.

    Das gleiche gilt für den Saldo von Fr. 5'000.-- auf dem Einlagekonto
Nr. 728.028, das die Angeklagten beim Schweizerischen Bankverein in
Winterthur unterhielten. Die Angeklagten wollen dieses Konto freilich nur
mit Lohngeldern gespiesen haben. Es enthielt zur Zeit ihrer Verhaftung
jedoch ein Darlehen der Zentrale von Fr. 7'500.--, das für den Ankauf
eines neuen Personenwagens bestimmt war, von den Angeklagten aber, wie sie
zugaben, mit künftigen Spesen verrechnet werden durfte; es diente somit der
Unterstützung ihrer Agententätigkeit, ist folglich ebenfalls als Zuwendung
im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB zu betrachten. Eine Rückforderung des
Darlehens durch die Zentrale ist wegen des rechtswidrigen Erfolges,
der damit verfolgt wurde, nach Art. 66 OR ausgeschlossen (BGE 99 Ia 418
ff. und dort angeführte Entscheide).

    Die eingezogenen Gelder fallen gemäss Art. 381 Abs. 2 StGB an die
Bundeskasse.

Entscheid:

    Aus diesen Gründen hat das Bundesstrafgericht erkannt:

    1. Hans Wolf wird von der Anklage des Betruges, angeblich begangen
zum Nachteil der Firma Sulzer, freigesprochen.

    2. Gisela Wolf wird im Falle der sog. Grossaufträge von der Anklage
der versuchten Verletzung von Geschäftsgeheimnissen freigesprochen.

    3. Hans und Gisela Wolf werden schuldig erklärt:

    a) der fortgesetzten, teilweise versuchten, teilweise vollendeten
Verletzung von Geschäftsgeheimnissen im Sinne von Art. 162 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und 22 Abs. 1 StGB;

    b) der fortgesetzten Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
und 2 StGB;

    c) der fortgesetzten Erschleichung von falschen Beurkundungen im
Sinne von Art. 253 Abs. 1 StGB;

    d) des fortgesetzten politischen Nachrichtendienstes im Sinne von
Art. 272 Ziff. 1 Abs. 1 sowie Ziff. 2 StGB;,

    e) des fortgesetzten, teilweise versuchten, teilweise vollendeten
Wirtschaftlichen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 273 Abs. 2 bzw. 1
und 3 StGB;

    f) des fortgesetzten militärischen Nachrichtendienstes im Sinne von
Art. 274 Ziff. 1 Abs. 1 und 4 StGB;
   g) der fortgesetzten Wahlfälschung im Sinne von Art. 282 Ziff. 1
   Abs. 2 StGB;

    h) des fortgesetzten Nachrichtendienstes gegen fremde Staaten im
Sinne von Art. 301 Ziff. 1 Abs. 1 StGB;
   i) der fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 42 Abs. 1 lit. a TVG;
   k) der fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 ANAG.

    4. Hans und Gisela Wolf werden zu je sieben Jahren Zuchthaus, unter
Anrechnung von 648 Tagen Untersuchungshaft, sowie zu fünfzehn Jahren
Landesverweisung verurteilt.

    5. Die im Verfahren beschlagnahmten Beweisgegenstände gemäss den
Verzeichnissen A 3/25 und 25a werden eingezogen.

    6. Die bei der Bank für Handel und Effekten in Zürich auf Konto
Nr. 10775 bestehenden Guthaben von Fr. 10'907.-- und DM 7'585.-- nebst
Zinsen sowie das beim Schweizerischen Bankverein in Winterthur auf Konto
728.028 bestehende Guthaben von Fr. 5'000.-- nebst Zins werden als der
Schweizerischen Eidgenossenschaft verfallen erklärt.