Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 II 168



101 II 168

31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. März 1975 i.S. Jugomineral gegen
Grillo Werke AG. Regeste

    Berufung gegen einen Schiedsspruch.

    1. Schiedsabreden unterstehen dem kantonalen Verfahrensrecht (Erw. 1).

    2. Gegen eine Vorfrage des materiellen Rechts ist die Berufung nur
zulässig, wenn sie nach Bundesrecht zu beurteilen ist und der kantonale
Gesetzgeber darauf Rücksicht nehmen musste (Erw. 2).

    3. Befugnisse eines Stellvertreters, der eine Schiedsklausel für eine
juristische Person mit Sitz im Ausland unterzeichnet; anwendbares Recht
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Ein Vertrag vom 29. August 1969 zwischen der Jugomineral
Export-Import in Zagreb und der Grillo Werke AG in Duisburg-Hamborn
über Versuche zur Gewinnung von Nickel enthält eine Bestimmung, wonach
Streitigkeiten der Parteien über den Abschluss und die Abwicklung des
Vertrages von der Internationalen Handelskammer in Paris nach deren
Vergleichs- und Schiedsordnung zu entscheiden seien, und zwar nach
schweizerischem Recht. Als Sitz des Schiedsgerichtes wurde Bern vorgesehen.

    Im Jahre 1972 beantragte die Grillo Werke AG die Einleitung des
Schiedsverfahrens, und bezeichnete die Internationale Handelskammer
den einzigen Schiedsrichter. Vor diesem vereinbarten die Parteien, den
Sitz des Schiedsgerichtes nach Solothurn zu verlegen, um das Verfahren
unter die Bestimmungen des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit
vom 27. März/27. August 1969 zu stellen, dem der Kanton Solothurn seit
1971 angehört.

    B.- Die Grillo Werke AG klagte auf Zahlung von DM 145'321.--
nebst Zins.

    Die Jugomineral Export-Import beantragte, die Klage von der Hand zu
weisen, eventuell sie abzuweisen. Sie machte unter anderem geltend, der
Schiedsrichter sei nicht zuständig, weil Laco Kajganovic, Unterzeichner des
Vertrages vom 29. August 1969, als blosser Gehilfe des Generaldirektors
der Beklagten nicht ermächtigt gewesen sei, eine Schiedsklausel in den
Vertrag aufzunehmen.

    Der Schiedsrichter bejahte seine Zuständigkeit und hiess die Klage
am 6. November 1973 im Betrage von DM 136'000.-- nebst Zins gut.

    C.- Die Beklagte führte Nichtigkeitsbeschwerde. Sie machte im Sinne
von Art. 36 lit. b des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit
geltend, der Schiedsrichter habe sich zu Unrecht zuständig erklärt.

    Das Obergericht des Kantons Solothurn wies am 7. November 1974 die
Beschwerde ab und erklärte den Schiedsspruch als vollstreckbar.

    D.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichtes Berufung
("Beschwerde") eingelegt. Sie beantragt, es samt dem Schiedsspruch
aufzuheben und den Schiedsrichter unzuständig zu erklären.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Schiedsabreden sind prozessualer Natur und unterstehen daher
dem kantonalen Verfahrensrecht (BGE 41 II 537 ff., 59 I 179, 59 II 188,
60 II 60, 67 II 148, 71 II 116 und 179, 78 II 395, 85 II 150, 88 I
103). Dieses bestimmt insbesondere, unter welchen Voraussetzungen sie
gültig sind. Da die Berufung an das Bundesgericht nur bei Verletzung von
Bundesrecht und von Staatsverträgen des Bundes zulässig ist, kann deshalb
mit ihr grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, eine Schiedsabrede
sei nicht gültig zustande gekommen. Das trifft auch dann zu, wenn die
Abrede dem Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit untersteht, denn auch
interkantonale Konkordate enthalten kantonales Recht, nicht Bundesrecht
im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OG.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall wird die Gültigkeit der Schiedsklausel
allerdings nur bestritten, weil Kajganovic als Stellvertreter des
Generaldirektors der Beklagten nicht ermächtigt gewesen sei, den Weg des
Schiedsverfahrens zu vereinbaren.

    Ob er diese Vertretungsmacht hatte, sei es als Organ der Beklagten, wie
das Obergericht in erster Linie schliesst, sei es als rechtsgeschäftlich
bestellter Vertreter, wie es subsidiär annimmt, mag man als Frage des
materiellen Rechtes betrachten. Jedenfalls handelt es sich aber um
eine blosse Vorfrage zu der prozessualen Hauptfrage, ob die Beklagte
sich auf das Schiedsverfahren einzulassen habe. Blosse Vorfragen zu
kantonalrechtlichen Hauptfragen können indessen dem Bundesgericht
auf dem Wege der Berufung nur unterbreitet werden, wenn die Vorfrage
nach eidgenössischem Recht zu beurteilen ist und dieses dem kantonalen
Gesetzgeber ausserdem gebietet, dem Entscheid über die Vorfrage Rechnung
zu tragen (BGE 80 II 183, 84 II 133, 85 II 364, 96 II 63).

Erwägung 3

    3.- Ob Kajganovic Organ der Beklagten war und in dieser Eigenschaft
die umstrittene Vertretungsmacht besass, sind Fragen des die Beklagte
als juristische Person beherrschenden jugoslawischen Rechtes. Das ist
auch die Auffassung des Obergerichtes. Es wendet aber "aushilfsweise"
schweizerisches Recht (Art. 55 ZGB) an, weil das jugoslawische den
Abschluss eines Schiedsvertrages durch einen Bevollmächtigten nicht
regle. Das schweizerische Recht ist also nach Auffassung der Vorinstanz
bestimmt, eine fehlende ausländische Regelung zu ersetzen, eine Lücke
des ausländischen Rechtes auszufüllen.

    Dieser Fall lässt sich nicht ohne weiteres dem in BGE 92 II 115 ff.
beurteilten gleichsetzen, wo schweizerisches Recht angewendet wurde, weil
der Richter den Inhalt des ausländischen nicht kannte. Gegenteils kann
aus diesem Präjudiz geschlossen werden, dass ein zur Lückenausfüllung
beigezogener schweizerischer Rechtssatz zu ausländischem Recht wird,
gleich wie ein Satz des Bundesrechtes, der eine fehlende kantonale
Regelung ersetzt, als kantonales Recht gilt, wie öfters entschieden wurde
(BGE 71 II 117, 81 II 303/4, 83 II 355/6, 89 II 212) und auch BGE 92 II
126 betont. Die Frage, ob das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung
des Art. 55 ZGB überprüfen müsste, braucht jedoch nicht entschieden zu
werden. Denn weder diese Bestimmung noch eine andere bundesrechtliche
Norm verbietet, eine Schiedsabrede als gültig zu behandeln, wenn die sie
unterzeichnende Person nicht die Stellung eines Organs hatte oder als
solches nicht ermächtigt war, die Abrede zu treffen.

    Ob Kajganovic rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht besass,
hat das Obergericht nur subsidiär geprüft und ist daher nicht
prozessentscheidend. Es bejaht diese Vertretungsmacht in Anwendung des
deutschen Rechtes, das in Duisburg gilt, wo die Erklärung des Kajganovic
eintraf und wirksam wurde. Die Beklagte macht nicht geltend, es hätte
schweizerisches Recht anwenden sollen. Sie stellt sich auf den Standpunkt,
die Frage, ob Kajganovic von ihrem Generaldirektor bevollmächtigt worden
sei, beurteile sich nach jugoslawischem Recht. Welches von mehreren
in Frage kommenden ausländischen Rechten massgebend sei, ist indessen
nicht eine Frage des Bundesrechtes und kann daher vom Bundesgericht auf
Berufung hin nicht überprüft werden (BGE 63 II 308, 64 II 92, 77 II 92,
98 II 237). Im übrigen wäre auch die Frage nach der rechtsgeschäftlichen
Vertretungsmacht blosse Vorfrage zum Entscheid über die vom kantonalen
Recht beherrschte Zulässigkeit des Schiedsverfahrens und müsste daher
gesagt werden, das Bundesrecht gebiete den Kantonen nicht, welche
Anforderungen sie an die Vertretungsmacht des Unterzeichners einer
Schiedsklausel zu stellen haben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.