Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 306



101 Ib 306

55. Urteil vom 17. Oktober 1975 i.S. Pri * Molk A.G. gegen Schweizerische
Käseunion und Abteilung für Landwirtschaft (AfL) Regeste

    Käsemarktordnung; Abschluss eines Zwischenhändler-Rahmenvertrages.

    1. Die Feststellung der Käseunion, dass ein Gesuchsteller
den Anforderungen, welche die Grundsätze der Käsevermarktung an
einen Zwischenhändler stellen, nicht genügt, ist eine von einer
Behörde im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG erlassene Verfügung
nach Art. 5 VwVG, die im Beschwerdeverfahren durch die AfL auf ihre
Bundesrechtmässigkeit überprüft werden kann. Gegen den Entscheid der AfL
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (E. 1 und 2).

    2. Es gehört zum Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 ff. VwVG,
dass sich der Beschwerdeführer zur Vernehmlassung der verfügenden Instanz
muss äussern können, wenn die angefochtene Verfügung nur kurz begründet
ist, die Vernehmlassung dagegen über die Gründe, welche zum angefochtenen
Entscheid führten, ausführlich Stellung nimmt (E. 3).

    3. Der Abschluss eines Zwischenhändler-Rahmenvertrages setzt unter
anderem voraus, dass der Gesuchsteller sowohl von den Mitgliedfirmen der
Käseunion als auch von den Importfirmen, welche unionsähnlichen Käse aus
dem Ausland einführen, unabhängig ist (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Pri * Molk AG, Luzern, Beschwerdeführerin, reichte bei der
Schweizerischen Käseunion AG, Bern, Beschwerdegegnerin, ein Gesuch um
Abschluss eines Rahmenvertrages ein. Das Gesuch wurde abgelehnt und
festgestellt, dass die Pri * Molk AG, Luzern, die Voraussetzungen für
den Abschluss eines Rahmenvertrages nicht erfülle. Die Beschwerdeführerin
wandte sich daraufhin an das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement, welches
die Sache als Verwaltungsbeschwerde an die Aufsichtsbehörde über die
Schweizerische Käseunion AG, nämlich an die Abteilung für Landwirtschaft
(AfL) übermittelte. Nach Abschluss des Instruktionsverfahrens wies die
AfL die Beschwerde ab. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht beurteilt nach Massgabe von Art. 97 OG
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 5 VwVG; als solche gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall,
die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen.

    Der angefochtene Entscheid zählt zu derartigen Verfügungen. Er
erging von einer Bundesbehörde in Anwendung der Bundesgesetzgebung
über die Käsevermarktung (Käsemarktordnung). Die AfL handelte
formell als Beschwerdeinstanz nach Art. 47 Abs. 1 lit. c VwVG;
die Käsemarktordnung bezeichnet nämlich keine Beschwerdeinstanz und
verweist bezüglich des Rechtsschutzes auf die Bestimmungen des VwVG
(Art. 13 Käsemarktordnung). Die AfL als Aufsichtsbehörde gemäss Art. 10
der Käsemarktordnung in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesrates vom
24. November 1969 hatte somit als Beschwerdeinstanz zu handeln. Gegen
diesen Beschwerdeentscheid steht keine vorgängige Beschwerdemöglichkeit
an eine eidgenössische Rekurskommission offen. Er kann somit mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden
(Art. 98 lit. c OG).

Erwägung 2

    2.- Die Käseunion wirft die Frage auf, ob auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde deshalb nicht eingetreten werden kann,
weil die AfL auf die bei ihr eingereichte Beschwerde der Pri * Molk AG gar
nicht hätte eintreten dürfen. Über diese Frage ist jedoch nicht im Rahmen
des Eintretens zu entscheiden. Nachdem die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen den Beschwerdeentscheid der AfL formell zulässig ist, muss im Rahmen
der Sachprüfung beurteilt werden, ob die AfL durch Eintreten auf das bei
ihr eingereichte Rechtsmittel Bundesrecht verletzt hat.

    Die Käseunion bezweifelt in ihrer Vernehmlassung, dass ihr
Schreiben, in dem sie das Gesuch der Beschwerdeführerin um Abschluss eines
Rahmenvertrages abwies, als beschwerdefähige Verfügung im Sinne von Art. 5
VwVG zu qualifizieren sei; vielmehr sei anzunehmen, die Käseunion könne
im Rahmen ihrer privatrechtlichen Autonomie entscheiden, ob und mit wem
sie einen Rahmenvertrag abschliessen wolle.

    Die Käseunion ist eine Aktiengesellschaft im Sinne des
Obligationenrechts, für die jedoch von Bundesrechts wegen
(Käsemarktordnung) eine Reihe von Sondernormen gelten, weil den in der
Käseunion zusammengeschlossenen Firmen und Verbänden öffentlichrechtliche
Aufgaben im Bereiche der Käsevermarktung zugewiesen sind. Anders als eine
sich einzig auf der Ebene des Privatrechts bewegende Aktiengesellschaft
muss die Käseunion eine Politik der offenen Tür für die Neuaufnahme von
Mitgliedern betreiben und alle Mitglieder rechtlich gleich behandeln
(Art. 2 der Käsemarktordnung). Verweigert die Käseunion einem Bewerber
die Mitgliedschaft, kann dieser seinen tatsächlichen oder vermeintlichen
Anspruch mit verwaltungsrechtlicher Klage vor Bundesgericht geltend machen
(Art. 11 des vom Bundesrat genehmigten Reglements der Schweizerischen
Käseunion in Verbindung mit Art. 116 lit. c OG und Art. 5 Abs.
3 VwVG). Die Rechtsstellung der Zwischenhändler ist jedoch - anders
als jene der Mitglieder der Käseunion - in der Käsemarktordnung nicht
geordnet. Mit ihr befassen sich die von der Käseunion gestützt auf Art. 6
der Käsemarktordnung erlassenen Grundsätze der Käsevermarktung. Wiewohl
nun zwar das Verhältnis zwischen der Käseunion und den einzelnen
Inlandgrossisten durch einen Vertrag geordnet wird, der alle Merkmale eines
privatrechtlichen Vertrages aufweist (vgl. Botschaft zur Käsemarktordnung
in BBl 1968 I 1041), findet doch auch die vertragliche Bindung zwischen
Käseunion und Zwischenhändler ihre Grundlage im öffentlichen Recht;
sie stellt eine der geeigneten Massnahmen dar, die im Rahmen der
Zielsetzungen der Käsemarktordnung im Blick auf eine zweckmässige
Käsevermarktung getroffen werden. Die Privatautonomie der Käseunion,
die bis zum Inkrafttreten der Käsemarktordnung im Jahre 1969 umstritten
war, doch im neuen Recht unter entsprechenden Vorbehalten anerkannt wird
(Art. 1 Abs. 3 der Käsemarktordnung) ist nicht nur durch das umfassende
Weisungsrecht des Bundes (Art. 10 der Käsemarktordnung) eingeengt,
sondern auch durch die den Zielsetzungen der Käsemarktordnung immanenten
Grundsätze selbst. Hat die Käseunion einmal gestützt auf Art. 6 der
Käsemarktordnung die Grundsätze der Käsevermarktung aufgestellt, so ist
sie nicht mehr frei, diese gegenüber den verschiedenen Bewerbern, die um
Abschluss eines Rahmenvertrages ersuchen, unterschiedlich anzuwenden. Die
Käseunion bindet sich durch die aufgestellten Grundsätze selbst. Gründen
demnach die materiellen Voraussetzungen der vertraglichen Bindung zwischen
Käseunion und Zwischenhändler im öffentlichen Recht des Bundes, nämlich
in der Käsemarktordnung und den gestützt darauf erlassenen Grundsätzen
der Käsevermarktung, so bildet auch die Feststellung der Käseunion,
dass ein Gesuchsteller den Anforderungen dieser Grundsätze nicht genügt,
eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG und die Käseunion handelt dabei
als Behörde im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG. Diese Verfügung
kann verwaltungsintern im Beschwerdeverfahren durch die AfL auf ihre
Bundesrechtmässigkeit überprüft werden.

    Die AfL hat demnach Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie auf
die Beschwerde der Pri * Molk AG eingetreten ist und geprüft hat, ob
die Feststellung der Käseunion, dass die Beschwerdeführerin nach den
Grundsätzen der zielkonformen Käsevermarktung die Voraussetzungen für
den Abschluss eines Rahmenvertrages nicht erfüllt, bundesrechtswidrig ist.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres Anspruches
auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 ff. VwVG; namentlich sei sie zur
Vernehmlassung der Käseunion von der AfL nicht angehört worden.

    Nach Art. 29 ff. VwVG muss die Beschwerdeführerin die Möglichkeit
haben, von der Vernehmlassung der Gegenpartei, in concreto der verfügenden
Instanz, Kenntnis zu nehmen. Sie muss sich - namentlich, wenn die
angefochtene Verfügung nur kurz begründet ist, die Vernehmlassung dagegen
über die Gründe, welche zum angefochtenen Entscheid führten, ausführlich
Stellung nimmt - über ihren Inhalt äussern können. Es handelt sich hier
nach der Rechtsprechung (vgl. BGE 96 I 606 E. 3) um eine Voraussetzung
zur Ausübung des Rechts auf Äusserung, das einen wesentlichen Bestandteil
des Anspruches auf rechtliches Gehör bildet.

    Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass ihrem Rechtsvertreter anlässlich
der Besprechung vom 7. Februar 1975 die Vernehmlassung der Käseunion zur
Kenntnis gebracht und ausgehändigt wurde. Ihr Rechtsvertreter wurde bei
dieser Besprechung angehört. Wenn der Vertreter der Beschwerdeführerin sich
noch das Recht vorbehalten wollte, nachträglich, d.h. nach eingehendem
Studium dieser Vernehmlassung, schriftlich zu den Bemerkungen der
Käseunion Stellung zu nehmen, hätte er anlässlich der Besprechung oder
in seinem Schreiben an die AfL vom 12. Februar 1975 um Ansetzung einer
entsprechenden Frist nachsuchen können. Ein entsprechender Antrag wurde
nicht gestellt. Im Gegenteil, der Vertreter der Beschwerdeführerin
führte in seinem Schreiben vom 12. Februar 1975 an die AfL, in welchem
er den Erhalt der Vernehmlassung der Käseunion bestätigte, aus,
er wolle zur materiellen Rechtslage nicht nochmals Stellung nehmen
und ersuche eindringlich, für einen baldigen Entscheid in der Sache
besorgt zu sein. Unter diesen Umständen konnte die AfL ohne Verletzung
des Anspruches auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht davon ausgehen,
sie sei den entsprechenden verfahrensrechtlichen Pflichten nachgekommen.

Erwägung 4

    4.- In der Sache selbst ist zu entscheiden, ob der die Feststellung
der Käseunion bestätigende Entscheid, dass die Beschwerdeführerin die
Voraussetzungen für den Abschluss eines Zwischenhändler-Rahmenvertrages
nicht erfüllt, Bundesrecht verletzt.

    Durch die Einschaltung der Zwischenhändler wird der Käsegrosshandel
zweistufig: Die Grosshandelsmarge muss zwischen der Mitgliedfirma der
Käseunion und dem Zwischenhändler aufgeteilt werden. Diese Vermehrung
der Handelsstufen dürfte nur ausnahmsweise im Interesse einer möglichst
zweckmässigen Käsevermarktung liegen. Grundsätzlich ist es Sache der im
Inlandgeschäft tätigen Mitgliedfirmen, im Rahmen der ihnen zukommenden
Kontingente den schweizerischen Detailhandel zu beliefern. Die AfL konnte
ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, ein Anspruch auf Gleichbehandlung
mit den bereits anerkannten Zwischenhändlern könne jedenfalls nur von
solchen Firmen geltend gemacht werden, die sowohl von den Mitgliedfirmen
der Käseunion als auch von Importfirmen, die unionsähnlichen Käse aus
dem Ausland einführen, unabhängig sind. Diese Unabhängigkeit geht der
Beschwerdeführerin ab, da von ihren beiden Verwaltungsräten der eine
als Verwaltungsratspräsident der Burger Söhne AG im Käseimportgeschäft
tätig ist, der andere offensichtlich eng mit einer Mitgliedfirma
der Käseunion verbunden ist. Diese Feststellung der AfL konnte von
der Beschwerdeführerin nicht widerlegt werden. Diesbezüglich geht es
denn auch nicht - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - um eine
Behauptung, sondern um eine unwiderlegte Tatsache. Die Verflechtungen
sind derart intensiv, dass die Beschwerdeführerin nicht einmal über
einen eigenen Telefonanschluss verfügt und ihre Geschäfte offensichtlich
in den Geschäftsräumlichkeiten der Firma Stadelmann AG und durch deren
Personal abgewickelt werden. Dabei ist zwar nicht zu übersehen, dass die
Beschwerdeführerin an sich selbständige Handelsgeschäfte betreibt und
insbesondere auch als Buttergrosshändlerin anerkannt ist. Doch ist die
Vermarktung von Butter wesentlich anders organisiert als jene von Käse. Nur
beim Käse stellt sich das Problem der Einfuhr von Ware, die in einem
direkten Konkurrenzverhältnis zur inländischen Produktion steht. Bei der
Käsevermarktung besteht ein schutzwürdiges Interesse der Käseunion, keine
neuen Zwischenhändler aufzunehmen, bei denen Verflechtungen vorliegen,
wie sie bei der Beschwerdeführerin bestehen. Würden die Grundsätze der
Käsevermarktung im Sinne der Beschwerdeführerin ausgelegt und angenommen,
die Beschwerdeführerin erfülle selbst bei den gegebenen Verflechtungen die
Voraussetzungen für den Abschluss eines Zwischenhändler-Rahmenvertrages,
wäre die konsequente Verfolgung der durch die Käsemarktordnung hinsichtlich
der Käsevermarktung angestrebten Zielsetzungen in Frage gestellt. Der
Entscheid der AfL, wonach die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen
für den Abschluss eines Zwischenhändler-Rahmenvertrages nicht erfüllt,
verletzt somit Bundesrecht nicht.