Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 25



101 Ib 25

5. Auszug aus dem Urteil vom 28. Februar 1975 i.S. Dettling & Maissen
gegen Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Regeste

    Art. 7 Abs. 1 lit. a BB über den Erwerb von Grundstücken durch Personen
im Ausland; Art. 14 Abs. 1 VV.

    Wenn es in einer Gemeinde an einer rechtsgültigen Ortsplanung sowie an
einem generellen Kanalisationsprojekt fehlt, gilt als Bauzone im Sinne des
Bundesrechtes jedenfalls das geschlossene und kanalisierte Siedlungsgebiet
gemäss Art. 28 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung.

Sachverhalt

    A.- Dettling und Maissen erstellten auf der Parzelle Nr. 142 in Sedrun
(Gemeinde Tavetsch) das Wohn- und Geschäftshaus "En Canorta". Am 18.
Januar und 7. März 1974 ersuchten sie das Grundbuchinspektorat Graubünden
um die Bewilligung für den Verkauf von 4 Eigentumswohnungen dieses Hauses
an Personen im Ausland. Obschon von der Gemeinde eine Zustimmung vorlag,
lehnte das Grundbuchinspektorat die Gesuche mit der Begründung ab, dass
die Gemeinde Tavetsch keine rechtskräftige Ortsplanung (Bauzonen) kenne
und das generelle Kanalisationsprojekt erst in Planung stehe.

    Einen hiegegen erhobenen Rekurs wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden am 2. Juli 1974 ab. Dettling und Maissen
führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem
Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die nachgesuchte
Bewilligung zu erteilen. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
sowie das Verwaltungsgericht von Graubünden beantragen die Abweisung
der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den
angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur neuen Beurteilung an
das Grundbuchinspektorat Graubünden zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Wohn- und Geschäftshaus "En Canorta" steht innerhalb des
Dorfes Sedrun und ist auf drei Seiten von alten und neuen Bauten umgeben.
Das Gebäude ist an der Hauptstrasse von Sedrun gelegen, die gleichzeitig
die Durchgangsstrasse Disentis-Oberalp ist. Der Bau befindet sich zwar
am östlichen Rand der Siedlung Sedrun, aber noch eindeutig innerhalb
derselben. Er ist an die bestehende Kanalisation angeschlossen.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a des Bundesbeschlusses über den Erwerb
von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961/21. März 1973
(BB) können Personen im Ausland keine Grundstücke erwerben, die ausserhalb
einer Bauzone im Sinne des Bundesrechtes liegen. In Art. 14 Abs. 1 der
Vollziehungsverordnung zum genannten BB (VV) hat der Bundesrat bestimmt,
dass als Bauzone, wenn es an einer rechtsverbindlichen Ortsplanung fehle,
das durch das generelle Kanalisationsprojekt im Sinne von Art. 19 des
Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971 umrissene Gebiet gelte.

    Der Sinn der bundesrechtlichen Regelung versteht sich nicht von
selbst. Der Bundesbeschluss schreibt vor, dass von Ausländern nur
Grundstücke erworben werden dürfen, die in einer Bauzone im Sinne des
Bundesrechts liegen. Die Verordnung des Bundesrates verweist nun in erster
Linie auf die rechtsverbindliche Ortsplanung, die jedoch kein Begriff des
Bundesrechtes sondern ein solcher des kantonalen Orts- und Planungsrechtes
ist. Man kann sich fragen, ob diese Bauzonen im Sinne des Bundesrechtes
ausgestaltet worden sind, nachdem in der Botschaft zum Raumplanungsgesetz
ausgeführt worden ist, dass in der Ortsplanung viel zu viel Land dem
Baugebiet zugeteilt worden sei (BBl 1972 I 1460; BGE 98 Ia 377).

    Die Vorarbeiten zu der Änderung des BB über den Erwerb von Grundstücken
durch Personen im Ausland vom 21. März 1973 ergeben, dass nach dem
Vorschlag des Bundesrates nur beabsichtigt war, den Erwerb von Grundstücken
durch Ausländer in den Schutzgebieten, die als Freihaltegebiete verstanden
wurden, auszuschliessen (BBl 1972 II 1259). Davon wären ausschliesslich
nicht zur Überbauung bestimmte Gebiete betroffen worden, wie aus der
Botschaft unmissverständlich hervorgeht.

    Im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen ist gegen den
anfänglichen Widerstand des Ständerates der Erwerb von denjenigen
Grundstücken ausgeschlossen worden, die ausserhalb einer Bauzone im Sinne
des Bundesrechtes liegen. Die Änderung ist darauf zurückzuführen, dass
der Delegierte für Raumplanung dafür hielt, dass die Beschränkung des
Verweigerungsgrundes auf die eigentlichen Schutzgebiete zu eng sei. Für
solche Grundstücke bestehe erfahrungsgemäss keine grosse Nachfrage. Er
schlug daher vor, den Ausschluss des Erwerbes auf Grundstücke ausserhalb
einer Bauzone im Sinne des Bundesrechtes über die Raumplanung zu
erstrecken. Hinzugefügt wurde, dass nach dem Entwurf zum Bundesgesetz
über die Raumplanung (Art. 32) vorgesehen sei, dass innerhalb des
Siedlungsgebietes als Bauzone nur Land ausgeschieden werden dürfe, das
bereits weitgehend überbaut sei oder längstens innert 10 bis 15 Jahren
für die Überbauung benötigt und innert dieser Frist erschlossen werde
(Protokoll der nationalrätlichen Kommission vom 16./17. November 1972
S. 66; vgl. BBl 1972 I 1518, 1543).

    Danach sollten die Bauzonen das bereits bestehende weitgehend überbaute
Siedlungsgebiet und das in einer Zeitspanne von 10 bis 15 Jahren zur
Erschliessung und Überbauung bestimmte Gebiet umfassen (vgl. BBl 1972 I
1510, 1518, 1538, 1543).

    Der Verweis auf das Raumplanungsrecht des Bundes wurde in der Folge
fallen gelassen und nicht in die definitive Fassung aufgenommen, weil
im Zeitpunkt der Beratungen (November 1972) das Raumplanungsgesetz
erst im Vorschlag des Bundesrates vorlag. Man erachtete es daher als
unlogisch, auf ein noch nicht geltendes Gesetz zu verweisen. Dem
fügte Bundesrat Furgler bei, dass zwischen Raumplanungsgesetz und
Gewässerschutzgesetzgebung in dieser Hinsicht Übereinstimmung werde
bestehen müssen (S. 67 des vorerwähnten Protokolls der Kommission des
Nationalrates). Verstanden wurde der Begriff der Bauzone zu Beginn der
Verhandlungen somit im Sinne der Vorstellungen der im Entwurf bekannten
Raumplanungsgesetzgebung (Amtl.Bull. N 1972 S. 2244). Später wurde
zusätzlich auf die Gewässerschutzgesetzgebung verwiesen (Protokoll der
nationalrätlichen Kommission vom 8. März 1973 S. 16).

Erwägung 3

    3.- Das Gewässerschutzgesetz spricht zwar von Bauzonen (Art.
19 GSchG), umschreibt den Begriff aber nicht näher. Aus dem Zusammenhang
ergibt sich, dass damit die kantonal ausgeschiedenen Bauzonen gemeint
sind. Das Gewässerschutzgesetz misst ihnen aber nicht die Bedeutung zu,
dass darin unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes ohne weiteres
gebaut werden dürfte. Vielmehr ist das nur dann der Fall, wenn ausserdem
der Anschluss an eine Kanalisation gewährleistet ist (BGE 100 Ib 209
E. 2a). Damit sind nicht einfach die kantonal ausgeschiedenen Bauzonen
massgebend, sondern entscheidet zusätzlich die Anschlussmöglichkeit an
eine bestehende Kanalisation.

    Überhaupt befasst sich die Gewässerschutzgesetzgebung in Art. 19
GSchG, auf welchen die Vollziehungsverordnung des Bundesrates verweist,
allein mit den Gebieten, in welchen Kanalisationen erst vorgesehen, aber
noch nicht gebaut sind (BGE 100 Ib 210 f.) Wo jedoch Kanalisationen,
nicht aber Bauzonen noch ein generelles Kanalisationsprojekt bestehen,
muss auf Art. 28 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni
1972 (AGSchV) gegriffen werden. Diese Bestimmung, die sich mit dem
Siedlungsgebiet befasst, bringt die notwendige Ergänzung zu Art. 19
GSchG. Danach dürfen in Gemeinden, die weder über Bauzonen noch über
ein generelles Kanalisationsprojekt verfügen, Baubewilligungen gemäss
Art. 19 GSchG innerhalb des engeren Baugebietes, welches das erschlossene
und vor der Erschliessung stehende Land umfasst, erteilt werden. Das
geschlossene und kanalisierte Siedlungsgebiet gilt mithin auf alle Fälle
auch nach dem Gewässerschutzrecht - nicht nur nach der vorgesehenen
Raumplanungsgesetzgebung - als selbstverständlicher Bestandteil der
Bauzonen.

    Es kommt dazu, dass als Bauzonen nach Gewässerschutzrecht
bereits Gebiete gelten können, für die vorläufig erst ein generelles
Kanalisationsprojekt besteht, vorausgesetzt, dass der Anschluss der
Abwässer an die Kanalisation gesichert ist. Es wäre unbegreiflich, warum
zu den Bauzonen nicht die geschlossenen Siedlungsgebiete zählen sollten,
bei denen nicht nur Kanalisationsprojekte, sondern fertige Kanalisationen
bestehen. Geschlossene und kanalisierte Siedlungsgebiete müssen a
fortiori als Bauzonen gelten. Es wäre nach der Logik und nach dem Sinn der
gesetzlichen Regelung nicht einzusehen, warum Ausländer Grundstücke in
noch nicht überbauten und noch nicht erschlossenen, aber zur Überbauung
bestimmten Gebieten kaufen dürften, nicht aber Häuser in erschlossenen
Gebieten. Für eine solche Auslegung findet sich im Zweck der gesetzlichen
Regelung keine mit vernünftigen Gründen zu stützende Erklärung.

    Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass als Bauzonen im Sinne des
Bundesrechtes erst recht die geschlossenen Siedlungsgebiete gelten müssen,
die durch Kanalisationen erschlossen sind und an welche die bestehenden
Bauten angeschlossen sind.

    Ist dem aber so, kann der Erwerb der vier Eigentumswohnungen nicht
unter Berufung auf Art. 7 Abs. 1 lit. a BB und Art. 14 Abs. 1 VV verweigert
werden.