Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 18



101 Ib 18

4. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1975 i.S. Charles E. Frosst
& Co. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum Regeste

    Art. 2 Ziff. 2 und Art. 52 PatG. Eine Erfindung, die sich auf die
Verwendung eines chemischen Stoffes zu Heilzwecken bezieht, darf nicht
patentiert werden, gleichviel wie der Stoff abgegeben und verwendet
werden soll.

Sachverhalt

    A.- Die Charles E. Frosst & Co. reichte am 13. Mai 1974 beim
Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum das Patentgesuch Nr. 6513/74
ein, das sie als Teil des Gesuches Nr. 13293/72 bezeichnete und dessen
einziger Patentanspruch wie folgt lautet:

    "Verwendung der optisch aktiven Plusform ... als therapeutisch
   wirksames Mittel mit ss-adrenergisch hemmenden Eigenschaften."

    In einem Begleitschreiben erläuterte die Gesuchstellerin den Anspruch
und äusserte sich einlässlich zur Praxis des Amtes, die nach ihrer Meinung
kaum mehr haltbar sei. Das Amt ging auf diese Kritik nicht ein. Es begnügte
sich in seiner Beanstandung vom 31. Mai 1974 mit dem Hinweis, dass die
Verwendung eines Arzneimittels gemäss Art. 1 PatG von der Patentierung
ausgeschlossen sei; es rechne deshalb mit dem Rückzug des Gesuches. Die
Gesuchstellerin hielt daran in ihrer Antwort vom 15. Juli 1974 jedoch
fest. Das Amt wies das Gesuch daraufhin durch Verfügung vom 23. August
1974 zurück, wobei es die beanspruchte Erfindung auch nach Art. 2 Ziff. 2
PatG für unzulässig hielt.

    B.- Die Gesuchstellerin führt gegen diese Verfügung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, sie aufzuheben und das
Amt anzuweisen, ihr Patentgesuch weiter zu behandeln.

    Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der streitige Patentanspruch bezieht sich auf die Verwendung
eines chemischen Stoffes, den die Beschwerdeführerin umschreibt und "als
therapeutisch wirksames Mittel mit ss-adrenergisch hemmenden Eigenschaften"
ausgibt. Das kann nur dahin verstanden werden, dass das Mittel einen
bestimmten krankhaften Zustand des Menschen beheben oder lindern will,
also einem Heilzweck dient. In welcher Form es abgegeben und wie es
verwendet werden soll, ist dem Anspruch nicht zu entnehmen.

    Das Amt hält einen solchen Patentanspruch nach der angefochtenen
Verfügung für unzulässig, weil das schweizerische Recht nicht nur
die Patentierung von Arzneimitteln (Art. 2 Ziff. 2 PatG), sondern
auch die Patentierung von Heilverfahren verbiete und der Anspruch der
Gesuchstellerin gegen beide Verbote verstosse. Das Verbot, Heilverfahren zu
patentieren, gehe aus dem Gesetz zwar nicht ausdrücklich hervor; es sei aus
sozialethischen Gründen jedoch schon nach dem alten Patentgesetz anerkannt
worden (BGE 72 I 369/70), und das neue habe daran nichts geändert. Aus
der Ergänzungsbotschaft zur Novelle von 1954 (BBl 1952 I 26) ergebe sich
unmissverständlich, dass die Verwendung eines Stoffes "zu Heilzwecken"
nicht patentierbar sei, da die Patentierung auf eine Monopolisierung
der Verwendung und damit auf einen Schutz des Arzneimittels hinausliefe,
was auch dem Sinn und Zweck von Art. 2 Ziff. 2 PatG widerspräche.

Erwägung 2

    2.- Die Gesuchstellerin war sich von Anfang an bewusst, dass das Amt
die von ihr beantragte Patentierung nach seiner Praxis zu Art. 1 und 2
PatG verweigern könnte. Sie beharrte aber auf ihrem Antrag und tut das
auch noch in der Beschwerde, weil das schweizerische Recht entgegen der
Meinung des Amtes, die auf einer überholten Praxis beruhe, die Patentierung
von Verwendungsansprüchen nicht verbiete.

    a) Die Beschwerdeführerin wirft dem Amt vor, es ersetze ihren
Verwendungsanspruch willkürlich durch einen Verfahrensanspruch. Das
sei schon deshalb unzulässig, weil der Gesetzgeber die Heilverfahren
in Art. 52 PatG nicht erwähnt habe. Zu beachten sei ferner, dass er
die "Verwendung eines Erzeugnisses" als vierte Darstellungsart der
Erfindung einführte und sich dabei, wie aus der Botschaft zur Novelle
von 1954 hervorgehe, gerade vom Bestreben leiten liess, den Inhalt der
Patentansprüche den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen (BBl 1950
I 1040). Auch deshalb dürfe das Amt ihren Verwendungsanspruch nicht in
einen Anspruch für ein Heilverfahren umdeuten, nur um an seiner bisherigen
Praxis festzuhalten. Die von ihm angerufene Rechtsprechung ändere daran
nichts. Sie ermächtige das Amt namentlich nicht, einen. Patentanspruch so
auszulegen, dass er das Wesen der Erfindung nicht mehr wiedergebe. Dieses
liege hier in der Erkenntnis neuer Verwendung eines Stoffes. Der
Patentanspruch decke sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten, zumal die
forschende Industrie sich zunehmend darauf konzentriere, die immense Zahl
bekannter chemischer Stoffe auf deren therapeutische Wirksamkeit hin zu
prüfen, auf die man sich auch in der Schweiz während Jahrzehnten berufen
habe, um die Patentfähigkeit von Analogieverfahren zu rechtfertigen.
   b) Bei dieser formalistischen Betrachtungsweise übersieht
die Beschwerdeführerin den Kern der Streitfrage. Gewiss ist in Art. 52 PatG
weder von Heilverfahren noch von Verwendung eines Stoffes zu Heilzwecken
die Rede. Richtig ist zudem, dass nach dieser Bestimmung eine Erfindung
als Verwendung eines Erzeugnisses definiert werden darf. Das ist dem
Amt indes nicht entgangen und auch nicht streitig. Es geht einzig um
die Frage, ob für die im Anspruch der Beschwerdeführerin als Verwendung
dargestellte Erfindung ein Patent erteilt werden darf, was aber nicht
nur von Art. 52 PatG abhängt. Wie das Bundesgericht in dem vom Amt
angerufenen Entscheid 97 I 568 ausgeführt hat, darf die Freiheit des
Patentbewerbers in der Formulierung der Ansprüche und in der Wahl des
Schutzumfanges nicht dazu führen, Verbote des Art. 2 PatG zu umgehen;
diese im öffentlichen Interesse liegende Bestimmung erfordere, dass das
Amt die beanspruchte Erfindung auf ihre objektive Tragweite prüft und die
Patentierung unbekümmert um die Formulierung des Anspruches verweigert,
wenn sie sich nach Art. 2 als unzulässig erweist. Diese Prüfung drängt sich
umsomehr auf, als eine Erfindung in verschiedene Anspruchsformen gekleidet
werden kann, jede Erfindung Verfahrenselemente enthält und vom Ergebnis
her als Erzeugniserfindung aufgefasst werden kann. Dazu kommt, das Begriffe
wie Erzeugnis und Verfahren nur die Bedeutung von Ordnungskategorien haben
können, aber einander nicht ausschliessen und sich auf die Anspruchsform,
nicht auf den sachlichen Inhalt der Erfindung beziehen (BLUM/PEDRAZZINI,
Patentrecht III S. 226 und 228).

    Der Ausdruck Heilverfahren wird im Gesetz nicht verwendet, ist
in Lehre und Rechtsprechung jedoch gebräuchlich. Nach dem Schrifttum
sind darunter alle Verfahren und Massnahmen zu verstehen, welche die
Behandlung pathologischer Zustände des menschlichen Körpers zum Zwecke
haben, insbesondere zur Heilung, Kräftigung oder Vorbeugung gegen
gesundheitliche Störungen dienen (BLUM/PEDRAZZINI, Patentrecht I S. 85,
LINDENMAIER, Patentgesetz, 6. Aufl. Anm. 11 S. 15 und 82 S. 99 zu §
1). Solche Verfahren sind nach schweizerischer und österreichischer
Rechtsauffassung vor allem aus sozialethischen Gründen nicht als
Erfindungen schützbar; sie sollen möglichst frei, ohne dass Monopole
entgegenstehen, verwendbar sein (BGE 72 I 369/70; BLUM/PEDRAZZINI, aaO
I S. 85 Anm. 11; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. I S. 172/3 und
243/4; FRIEBEL/PULITZER, Österreichisches Patentrecht, 2. Aufl. S. 36;
Entscheid des Österreichischen Patentamtes vom 29. Mai 1973 in GRUR Int.
1974 S. 180 ff.). Nach deutscher Rechtsauffassung sind sie, wenn auch aus
andern Überlegungen, ebenfalls von der Patentierung ausgeschlossen. Die
Verwendung eines Stoffes zu therapeutischen Zwecken darf, weil sie
Heilbehandlung ist und der Verwendungsschutz zudem auf den Schutz eines
Heilverfahrens hinausliefe, nicht als Erfindung geschützt werden. Dabei
ist gleichgültig, ob der Stoff als Arzneimittel vorbekannt war und die
Erfindung lediglich eine neue therapeutische Verwendung aufzeigt oder ob
der Stoff bisher therapeutisch für bedeutungslos gehalten wurde (REIMER,
Patentgesetz, 3. Aufl. Anm. 89 lit. f S. 120 und Anm. 91 Ziff. 6 S. 131/2
zu § 1; KLAUER-MÖHRING, Patentrechtskommentar, 3. Aufl. 1 Anm. 79 S. 103/4
zu § 1; Urteil des Bundespatentgerichtes vom 26. September 1967 in GRUR
1968 S. 142 ff.).

    Daraus erhellt, dass unter dem Ausdruck Heilverfahren nicht eine
Anspruchsform gemäss Art. 52 PatG, sondern der auf Heilbehandlung
gerichtete Zweck der Erfindung zu verstehen ist. Um dieses Zweckes
willen wurde die Möglichkeit, Heilverfahren von der Patentierung
auszuschliessen, bereits in BGE 72 I 369 anerkannt. Es besteht kein Grund,
den Verwendungsanspruch der Beschwerdeführerin anders zu behandeln,
zumal die von ihr befürwortete Unterscheidung zwischen Verfahren und
Verwendung der inneren Rechtfertigung entbehrt und selbst dann, wenn man
sie formell machen würde, zum gleichen Ergebnis führen müsste. Im einen
wie im andern Fall bezweckt die Erfindung ihrem sachlichen Inhalte nach
eine Heilbehandlung. Was gegen die Patentierung eines Heilverfahrens
spricht, muss daher auch für einen Verwendungsanspruch gelten, mag der
Anspruch klar machen, wie ein bestimmter chemischer Stoff therapeutisch
verwendbar ist, oder bloss besagen, dass er solchen Zwecken dient.

    c) Dazu kommt, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin dem Sinn und
Zweck des Art. 2 Ziff. 2 PatG zuwiderläuft. Wollte man die beanspruchte
Erfindung schützen, so müsste man den Schutz nicht nur in Fällen, wo
das Erzeugnis vorbekannt ist, sondern auch in Fällen, wo es zwar neu,
aber als Arzneimittel nicht schützbar ist, zulassen. Die Folge davon
wäre, dass jede Anwendung eines Stoffes als Arzneimittel patentfähig
würde. Damit könnte das Verbot des Art. 2 Ziff. 2 PatG, Erfindungen
von Arzneimitteln zu patentieren, glatt umgangen werden. Wenn solche
Mittel schon aus sozialethischen Gründen nicht patentiert werden können,
so muss auch nicht zulässig sein, die Verwendung des nicht schützbaren
Erzeugnisses als Arznei unter Patentschutz zu stellen. Denn das Verbot,
für Erfindungen von Arzneimitteln Patente zu erteilen, besteht nicht wegen
des Erzeugnisses an sich, sondern wegen seiner Verwendung als Arznei. Der
Gesetzgeber wollte verhindern, dass diese Verwendung durch den Patentschutz
verteuert werde (Botschaft zur Novelle von 1954, BBl 1950 I 1005).

    Der gleiche Gedanke liegt dem Verbot zugrunde, Erfindungen von
Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln auf anderem als chemischem
Wege zu patentieren. Chemische Herstellungsverfahren sind patentierbar,
was zu einem faktischen Schutz des Arzneimittels und damit zu einem Monopol
führt. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass Anwendungspatente
erteilt werden können. Der Schutz für chemische Verfahren wurde als
Ausnahme eingeführt und 1954 bei der Revision des Gesetzes als solche
beibehalten, um der chemischen Industrie entgegenzukommen und die
Erfindung neuer Verfahrensarten zu fördern (vgl. BBl 1950 I 1004). Die
Ausnahmebestimmung ist auf die chemischen Verfahren zur Herstellung
von Arzneimitteln zu beschränken. Die Anwendung chemisch hergestellter
Arzneimittel kann sowenig geschützt werden wie das chemisch oder sonstwie
hergestellte Arzneimittel als Erzeugnis.

    d) Dass chemische Analogieverfahren wegen der therapeutischen Wirkung
des gewonnenen Erzeugnisses (BLUM/PEDRAZZINI, aaO I 260; TROLLER, aaO I S.
202 ff.; LIATOWITSCH, Stoffschutz oder Verfahrensschutz für Pharmazeutika?
Diss. Basel 1973 S. 65 ff.) patentfähig sind, hilft der Beschwerdeführerin
nicht. Die Erfindung ist in der Herstellung zu erblicken, die als
solche keinen sozialethischen Bedenken unterliegt und von Gesetzes wegen
unter Patentschutz gestellt werden darf, soweit sie auf chemischem Wege
geschieht. Die chemische Herstellung des therapeutischen Mittels, das die
Beschwerdeführerin nach dem Patentanspruch verwenden will, ist denn auch
Gegenstand anderer Patentgesuche.

    Aus dem Entscheid des Österreichischen Patentamtes vom 29. Mai
1973 (GRUR Int. 1974 S. 180 ff.) kann die Beschwerdeführerin schon
deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil es dort um einen
Patentanspruch ging, der eine chemische und eine nichtchemische
Verfahrensstufe umfasste. Der Patentbewerber wollte zudem die Auffindung
von Arzneimittelwirkungen an sich bekannter Stoffe in Ländern schützen
lassen, in denen nicht das Heilmittel, aber seine Herstellung durch andere
als reine Mischverfahren patentierbar ist. Auch dadurch unterscheidet
sich jener Fall vom vorliegenden. Das Bundesgericht hat den gleichen
Fall, was die Beschwerdeführerin verschweigt, in einem schweizerischen
Parallelverfahren übrigens im gegenteiligen Sinne entschieden (BGE 99 Ib
252 ff.).

    Unbeachtlich ist schliesslich, dass die europäischen Bestrebungen,
das Patentrecht zu vereinheitlichen, auf einen umfassenden Stoffschutz
abzielen. Dies gilt insbesondere von dem in der Beschwerde erwähnten
Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober
1973, das von der Schweiz unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert
worden ist. Es berechtigt weder das Amt noch den Richter, sich über
das gesetzliche Verbot, Erfindungen von Arzneimitteln zu patentieren,
hinwegzusetzen.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.