Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IB 138



101 Ib 138

25. Urteil vom 11. Juli 1975 i.S. Eidg. Justizabteilung c. Boosten und
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Regeste

    Art. 6 Abs. 2 lit. a BB über den Erwerb von Grundstücken durch Personen
im Ausland.

    Ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Grundstückes zur Abrundung
oder baulichen Vergrösserung einer Ferienhausliegenschaft ist zu bejahen,
wenn besondere Gründe die Erweiterung als gerechtfertigt erscheinen lassen
und die Gesamtfläche von Stammparzelle und zugekauftem Boden das für eine
Ferienhausliegenschaft übliche Mass nicht überschreitet.

Sachverhalt

    A.- Der niederländische Staatsangehörige Theo Boosten ist Eigentümer
des in Saas i. P. gelegenen Grundstückes Nr. 4-50 im Halte von 626
m2. Am 5. Juni 1972 bewilligte ihm das Grundbuchinspektorat des Kantons
Graubünden den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 mit einem Halt von 792
m2. Boosten beabsichtigte, auf dieser Parzelle, die unmittelbar an das
Grundstück Nr. 4-50 grenzt, eine Garage für sein bestehendes Ferienhaus
zu erstellen und in einem Verbindungstrakt zwischen Garage und Ferienhaus
zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.

    Als Boosten den Kaufvertrag beim Grundbuchamt Küblis anmelden wollte,
wurde ihm mitgeteilt, dass die nachgesuchte Eigentumsänderung nicht
vollzogen werden dürfe, weil am 27. Juni 1972 der Bundesratsbeschluss
vom 26. Juni 1972 betreffend Verbot der Anlage ausländischer Gelder
in inländischen Grundstücken in Kraft getreten sei. Das Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) wies ein Gesuch um Erteilung einer
Ausnahmebewilligung ab. Es legte Boosten nahe, neu bei den kantonalen
Behörden vorstellig zu werden, sobald der Bundesratsbeschluss durch
den abgeänderten Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch
Personen im Ausland (BewB) abgelöst werde.

    Boosten folgte dieser Empfehlung und ersuchte am 30. Januar 1974
das Grundbuchinspektorat des Kantons Graubünden um die Bewilligung für
den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56. Das Grundbuchinspektorat lehnte das
Gesuch nach Rücksprache mit dem EJPD am 5. Juli 1974 jedoch ab, weil ein
berechtigtes Erwerbsinteresse fehle.

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hob diese Verfügung
auf. Es hielt dafür, dass die massgebenden Bewilligungsvoraussetzungen
in der Revision des BewB praktisch unverändert geblieben seien. Es sei
daher widersprüchlich, die Bewilligung zu verweigern, nachdem eine solche
vor der Revision des BewB erteilt worden sei. Unabhängig davon hielt das
Verwaltungsgericht aber auch ein berechtigtes Erwerbsinteresse für gegeben,
weil die Wohnfläche des Ferienhauses zu knapp bemessen sei und auch eine
Garage zu einem Ferienhaus gehöre.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht die Justizabteilung des
EJPD geltend, dass die in Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB umschriebenen
Voraussetzungen für den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 nicht erfüllt
seien. Zwar habe die Praxis den Zukauf eines Grundstückes zur Abrundung
einer Ferienhausliegenschaft als zulässig erachtet, wenn besondere Gründe
die Abrundung als notwendig erscheinen liessen und sofern nicht mehr
Land erworben werde, als üblicherweise zu einem Ferienhaus gehöre. Im
vorliegenden Fall fehlten jedoch zureichende Gründe, die eine Abrundung
im Ausmass von 792 m2 rechtfertigen könnten.

    Theo Boosten und das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hält
daran fest, dass die Verweigerung der Bewilligung gegen Treu und Glauben
verstossen würde.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ob Theo Boosten Anspruch auf Erteilung der Bewilligung zum Erwerb
der Parzelle Nr. 4-56 in Saas i.P. hat, entscheidet sich in erster Linie
nach Massgabe der heute geltenden gesetzlichen Vorschriften über den
Grundstückserwerb durch Personen im Ausland. Ob Boosten die Bewilligung
schon deshalb zu erteilen ist, weil deren Verweigerung gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben verstossen würde, braucht nur entschieden zu werden,
wenn die erste Frage auf Grund jener Bestimmungen verneint werden muss.

    Massgebend ist Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB in der Fassung vom 21. März
1973. Danach ist ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Grundstückes
anzunehmen:

    "a) wenn das zu erwerbende Grundstück in erster Linie dem Aufenthalt
   des Erwerbers oder seiner Familie dient, der Erwerber es auf
   seinen persönlichen Namen erwirbt und er, sein Ehegatte oder seine
   minderjährigen Kinder kein anderes diesem Zwecke dienendes Grundstück
   in der Schweiz erworben haben und ausserdem eine der folgenden

    Voraussetzungen erfüllt ist:

    1. ...

    2. ...

    3. Lage des Grundstückes an einem Orte, dessen Wirtschaft vom

    Fremdenverkehr abhängt und der Ansiedelung von Gästen bedarf, um
   den Fremdenverkehr zu fördern, insbesondere in Berggegenden".

    Unbestritten ist, dass das Grundstück Nr. 4-56 in einem
Fremdenverkehrsort nach Ziff. 3 von Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB liegt.

    Boosten besitzt an sich bereits ein Grundstück in der Schweiz, nämlich
die Parzelle Nr. 4-50, welche an die Liegenschaft Nr. 4-56 angrenzt. Die
Bewilligung zum Erwerb dieser Liegenschaft kann jedoch nicht schon aus
diesem Grunde verweigert werden.

    Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB will verhindern, dass Personen mit Wohnsitz
im Ausland mehrere Liegenschaften in verschiedenen Gegenden oder am
gleichen Ort in der Schweiz erwerben.

    Wie gross ein solches Grundstück höchstens sein darf, wird
zahlenmässig jedoch nicht festgelegt. Es kann daher auch nicht der Sinn
dieser Bestimmung sein, den Zukauf einer Parzelle zur Abrundung eines
Grundstückes, das bereits im Eigentum des Erwerbers steht, unter allen
Umständen auszuschliessen.

    Die beschwerdeführende Justizabteilung teilt grundsätzlich diese
Auffassung. Auch die frühere Eidg. Rekurskommission für den Erwerb
von Grundstücken hatte sich auf diesen Standpunkt gestellt und in
einem solchen Fall ein berechtigtes Interesse unter der Voraussetzung
anerkannt, dass die Fläche der Stammparzelle und des zugekauften Bodens
zusammen das für ein Ferienhaus übliche Mass nicht überschreitet und dass
besondere Gründe die Abrundung als notwendig erscheinen lassen. Als ein die
Abrundung rechtfertigender Grund wurde insbesondere die Vergrösserung eines
Ferienhauses im Hinblick auf die Bedürfnisse der Familie des Eigentümers
erachtet (vgl. ZBGR 46/1965 S. 237, mit Hinweisen).

    Die Neufassung von Art. 6 BewB durch den Bundesbeschluss vom 24. Juni
1970 über die Weiterführung der Bewilligungspflicht für den Erwerb von
Grundstücken durch Personen im Ausland war darauf angelegt, die Praxis
der Rekurskommission zum Vorliegen eines berechtigten Interesses zu
kodifizieren und den unbestimmten Gesetzesbegriff zu definieren (BBl 1969
II 1391). In der Revision vom 21. März 1973 wurde dem Art. 6 Abs. 2 lit. a
BewB sodann hinzugefügt, dass der Erwerb eines Grundstückes einzig auf
den Namen einer natürlichen Person erfolgen dürfe. Im übrigen blieb diese
Bestimmung jedoch unverändert, soweit sie für den vorliegenden Sachverhalt
von Interesse ist. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass beabsichtigt
gewesen wäre, mit der Revision des BewB von der geschilderten Praxis der
Rekurskommission abzuweichen.

Erwägung 2

    2.- Das Grundstück Nr. 4-56 misst 749 m2, ist also verhältnismässig
klein. Es liegt zudem zwischen zwei bereits überbauten Parzellen. Wenn in
Übereinstimmung mit den bei den Akten liegenden Plänen angenommen wird,
dass 123 m2 für die durchgehende Strasse wegfallen, so bleiben noch 626
m2. Für ein am Hang gelegenes Baugrundstück ist das eine kleine Fläche. So
hat auch das mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Verwaltungsgericht
in seiner Vernehmlassung erklärt, dass die überbaute Parzelle Nr. 4-50
mit einem Halt von 626 m2 an der untersten Grenze dessen liege, was noch
als überbaubares Grundstück gelten könne.

    Es folgt daraus, dass die Parzelle Nr. 4-56 nur entweder in ihrer
jetzigen Grösse mit einem verhältnismässig kleinen Haus überbaut oder aber
insgesamt zu einer benachbarten Parzelle geschlagen werden kann. Sofern
man das Interesse an einer gewissen Erweiterung der kleinen Parzelle
Nr. 4-50 bejaht, was auch die beschwerdeführende Justizabteilung tut, so
kommt angesichts der ebenfalls geringen Fläche des Grundstückes Nr. 4-56
nur der Erwerb der ganzen Parzelle in Betracht.

    Nach Abzug des Landes für die Strasse messen die beiden Grundstücke
zusammen 1153 m2. Diese Fläche übersteigt den normalen Umfang einer
Ferienhausliegenschaft nicht. Beabsichtigt ist im vorliegenden Fall
zudem nicht eine reine Arrondierung, sondern zusätzlich eine bauliche
Vergrösserung, für welche überzeugende Gründe vorgebracht werden.

    Einmal gehören nach feststehender Auffassung eine Garage und ein
Abstellplatz zu einem Ferienhaus, wegen der gewöhnlich langen Parkzeiten
und der damit verbundenen Behinderung des Verkehrs noch mehr als zu einem
gewöhnlichen Wohnhaus (vgl. BGE 97 I 797 E. 4a). Weiter ist mit einer
Fläche von 55 m2 der Wohnraum für ein Haus, das in der Ferienzeit von
zwei bis vier erwachsenen Personen und von zwei Kindern bewohnt wird,
sehr knapp bemessen. Es wäre auch nichts dagegen einzuwenden, wenn für
die Grösse eines Ferienhauses nicht nur die Wohn- und Schlafgelegenheiten
für die zur Familie gehörenden Personen veranschlagt werden, sondern
auch die notwendigen Räumlichkeiten, um gelegentlich einen oder zwei
Gäste unterzubringen.

Erwägung 3

    3.- Boosten hat sein Interesse am Erwerb der Parzelle Nr.  4-56 damit
begründet, dass er diese für den Bau einer Garage und von zwei Wohnräumen
in einem Zwischentrakt zwischen Garage und dem bestehenden Ferienhaus
verwenden wolle. Er ist dabei zu behaften; auf jeden Fall darf auf dem
Grundstück Nr. 4-56 kein selbständiges Wohn- oder Ferienhaus erstellt
werden. In diesem Sinne ist ein berechtigtes Interesse am Erwerb der
Parzelle Nr. 4-56 anzunehmen.