Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 92



101 Ia 92

18. Urteil vom 25. Juni 1975 i.S. Kurth gegen Kanton Solothurn und
Kantonale Rekurskommission Solothurn. Regeste

    Art. 4 BV, Treu und Glauben; Steuerveranlagung, Kapitalgewinnsteuer.

    Auslegung von Art. 37 Abs. 3 des solothurnischen Steuergesetzes;
Behandlung von Obligationen wie Beteiligungsrechte aufgrund der
wirtschaftlichen Betrachtungsweise (E. 1).

    Qualifizierung eines Schreibens einer kantonalen Behörde als
Steuerabkommen oder lediglich als Auskunft über die für einen bestimmten
Sachverhalt massgebliche Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung (E. 2).

    Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördlich
erteilten, nicht ungesetzlichen Bescheid; Voraussetzungen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Übernahmevertrag vom 12. Februar 1971 übertrugen die Aktionäre
der Uhrenfabrik Certina, Gebrüder Kurth AG in Grenchen, ihre Aktien an die
von der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie AG ASUAG (im folgenden
kurz ASUAG) zu gründende General Watch Holding Co. Ltd. (GWC). Als
Gegenwert seiner 371 Aktien zu je Fr. 2'000.-- nominal erhielt Adolf Kurth

    a) ein Interimszertifikat über 1472 Namenaktien der General Watch
Holding Co. Ltd.,
   b) einen Bankcheck über Fr. 920'300.-- und

    c) ein Interimszertifikat über 9201 Inhaberobligationen der Holding
zu nominal Fr. 500.-- (Fr. 4'600'500.--).

    Am 29. Januar 1971, also vor der Übernahme, teilte das
Finanz-Departement der ASUAG folgendes mit:

    "Sie haben uns angefragt, ob der in Form von Inhaber-Obligationen
   der zu gründenden Holding auszuzahlende Teil des Übernahmewertes (50%)
   von der solothurnischen Kapitalgewinnsteuer ausgenommen werden könnte.

    Nach reiflicher Überlegung kommen wir zu folgendem Schluss:

    Obwohl die fraglichen Inhaber-Obligationen eindeutig nicht

    Wandelobligationen sind und somit kein Beteiligungsrecht verkörpern,
sind
   wir in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Zusammenschlusses
   für den Kanton Solothurn grundsätzlich bereit, den Nennwert der
   Obligationen nicht als "Aufgeld" im Sinne von StG

    Abs. 3 zu betrachten und die normalerweise darauf
   geschuldete Steuer z.Zt. nicht zu erheben.

    Diese Zusage machen wir aber nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt,
   dass die zur Zeit nicht erhobene, grundsätzlich aber geschuldete

    Kapitalgewinnsteuer von den heutigen Aktionären entrichtet wird,
   wenn

    a) sie aus dem Kanton Solothurn wegziehen,

    b) wenn sie die Inhaberobligationen ganz oder teilweise veräussern;
   als Veräusserung gilt auch die Hingabe an Zahlungsstatt,

    c) wenn die Obligationsanleihe ganz oder teilweise zurückgezahlt
   wird.

    Wir sind also zum oben geschilderten Vorgehen bereit, wenn uns jeder
   betroffene Aktionär durch Gegenzeichnung einer Kopie dieses Schreibens
   seine vorbehaltlose Zustimmung zu den obigen Bedingungen bis spätestens
   26. Februar 1971 mitteilt."

    In der Folge gaben die Aktionäre ihre Zustimmung.

    B.- Adolf Kurth ist am 20. November 1971 verstorben. In der
Einschätzung für 1971 erfasste die Steuerkommission Grenchen sowohl
den Bankcheck als auch die Inhaberobligationen, die der Verstorbene
im Austausch gegen einen Teil seiner Certina-Aktien erhalten
hatte, für die Kapitalgewinnbesteuerung. Sie wies die gegen die
Besteuerung der Obligationen erhobenen Einsprachen der Witwe Kurth
und des Finanz-Departements des Kantons Solothurn ab. Die Kantonale
Rekurskommission wies ihrerseits ihre Rekurse ab.

    Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde verlangt Frau
Kurth gestützt auf Art. 4 BV die Aufhebung des Urteils der Kantonalen
Rekurskommission Solothurn. Diese beantragt Abweisung derselben. Der
Regierungsrat des Kantons Solothurn hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wird zunächst
geltend gemacht, die im Schreiben des Finanz-Departements vom 29.
Januar 1971 enthaltene steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts
stimme mit dem Willen des Gesetzgebers überein und verletze daher Art. 37
Abs. 3 StG nicht. Demgegenüber vertritt die Kantonale Rekurskommission
die Ansicht, die Auslegung des Art. 37 Abs. 3 StG im Brief an die ASUAG
gehe über den klaren Wortlaut der Bestimmung hinaus und entspreche den
Vorstellungen des Gesetzgebers nicht. Im übrigen bedeute das Schreiben des
Finanz-Departements und die Zustimmung der Aktionäre nichts anderes als
einen Vertrag. Diesem fehle indes die gesetzliche Grundlage, weshalb er
keine Rechtswirkungen entfalten könne. Wollte man im fraglichen Schreiben
eine behördliche Auskunft erblicken, so wäre diese als unrichtig zu
qualifizieren; diese Unrichtigkeit sei für die damaligen Certina-Aktionäre
jedoch erkennbar gewesen, weshalb Sie sich jetzt nicht auf den Grundsatz
von Treu und Glauben berufen könnten.

    a) Art. 37 Abs. 3 StG (nach dem Wortlaut der Revision von 1970,
in Kraft seit 1. Januar 1971) lautet folgendermassen:

    "Bei Tausch

    a) von unbebauten Liegenschaften,

    b) von Beteiligungsrechten an Kapitalgesellschaften infolge von

    Unternehmenszusammenschluss, Unternehmensumwandlung und
Unternehmensteilung
   im Sinne von Art. 60 Absatz 2,

    c) von Beteiligungsrechten an Kapitalgesellschaften und
Genossenschaften
   gegen Beteiligungsrechte an Holdinggesellschaften,

    wird ein Gewinn nur im Umfang eines allfälligen Aufgeldes besteuert
   unter Vorbehalt der Besteuerung des restlichen Gewinns bei späterer

    Handänderung."

    Die Rekurskommission hat lit. b und c dieser Bestimmung entnommen,
privilegiert sei nur der Tausch von Beteiligungsrechten gegen ebensolche
Beteiligungsrechte, während jede Gegenleistung in Form von Aufgeld oder
Aufzahlung, d.h. jede Gegenleistung, die nicht in Beteiligungsrechten
bestehe, der Kapitalgewinnsteuer unterliege. Die Obligationen der GWC
seien aber keine Beteiligungsrechte und auch keine Wandelobligationen,
sondern Forderungsrechte, weshalb die Ausnahmebestimmung von Art. 37
Abs. 3 StG nicht zur Anwendung gelange.

    Dieser Auffassung wird indes von der Beschwerdeführerin
entgegengehalten, mit den neuen Bestimmungen von Art. 37 Abs. 3 lit. b
und c StG habe der Gesetzgeber beabsichtigt, "den wirtschaftlichen
Zusammenschluss von Unternehmen zu erleichtern und die steuerlichen
Hemmnisse, welche beim Austausch von Beteiligungen entstehen
können, weitmöglichst aus dem Wege zu räumen". Wenn der Vorsteher des
Finanz-Departements in seinem Schreiben vom 29. Januar 1971 den Begriff
des steuerbaren Aufgeldes bewusst eng gefasst habe, so entspreche
diese Auffassung dem Sinn des Gesetzes sowie dem Grundprinzip der
Kapitalgewinnbesteuerung, wonach ein Kapitalgewinn erst bei seiner
Realisierung in Geld erfasst werde.

    b) Das Schreiben des Finanz-Departements bedeutet keine
Steuerbefreiung, sondern nur, dass der Gewinn erst später, wenn die
Obligationen ganz oder teilweise veräussert oder ganz oder teilweise
zurückbezahlt werden sowie wenn einer der ehemaligen Certina-Aktionäre
aus dem Kanton Solothurn wegzieht, erfasst wird. Entsprechend behandelt
das Gesetz den Gewinn bei Tausch von Liegenschaften (Art. 37 Abs. 3
lit. a). Der dabei erzielte Gewinn wird im Zeitpunkt des Tausches nicht
erfasst, sondern man wartet damit zu, bis die anlässlich des Tausches
erhaltene Liegenschaft veräussert wird; erst dann sind die flüssigen
Mittel, mit denen die Kapitalgewinnsteuer zu bezahlen ist, vorhanden. Der
Eigentümer der Liegenschaft soll aber nicht gezwungen sein, seine "neue"
Liegenschaft zu veräussern, nur um den Fiskus zu befriedigen. Das gleiche
gilt auch beim Tausch von Aktien gegen Aktien (Art. 37 Abs. 3 lit. b und
c StG).

    Den Ausnahmebestimmungen des Art. 37 Abs. 3 StG liegen
folgende Gedanken zugrunde: Sie sollen einerseits Landumlegungen
(landwirtschaftliche Güterzusammenlegungen, Baulandumlegungen), bei
denen den Eigentümern von Land im Zusammenlegungsgebiet anstelle
ihrer zerstreuten, kleinen und ungünstig geformten Grundstücke im
Interesse einer rationelleren Bodennutzung arrondierte grössere und
besser geformte Grundstücke zugewiesen werden (BGE 95 I 372), nicht
erschweren. Andererseits sollen sie den wirtschaftlichen Zusammenschluss,
die Verlegung und die Umwandlung von Unternehmen erleichtern; dies wurde
schon anlässlich der Vorberatung der Teilrevision der Steuergesetzgebung
hervorgehoben und schliesslich in der Botschaft des Regierungsrates
vom 11. September 1970 zum Gesetz über die Abänderung und Ergänzung des
Gesetzes über die direkte Staats- und Gemeindesteuer (S. 59) ausdrücklich
festgehalten.

    Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erfährt nur der Austausch
von Beteiligungsrechten gegen ebensolche eine Privilegierung, ein
allfälliges Aufgeld jedoch nicht. Im vorliegenden Fall bestand der
Unternehmenszusammenschluss im Verkauf der Certina durch Verkauf ihrer
sämtlichen Aktien an die von der ASUAG zu gründende Holding, wobei die
Verkäufer neben Aktien an der GWC einen Teil des Kaufpreises in Bargeld und
einen weiteren Teil desselben in Inhaberobligationen an der GWC erhielten.

    Zweifellos stellen sowohl die alten Aktien an der Certina wie die
neuen an der Holding verkörperte Beteiligungsrechte im technischen
Sinne dar. Dass dies für die Obligationen, die die Certina-Aktionäre
für einen Teil ihrer Aktien erhalten haben, nicht zutrifft, wird von
der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Zu Recht wurden die
Obligationen auch weder vom Finanz-Departement in seinem Brief noch von
der Kantonalen Rekurskommission als Wandelobligationen betrachtet. Art. 2
des zwischen den Aktionären der Certina und der ASUAG abgeschlossenen
Übernahmevertrages sieht zwar ausdrücklich vor, dass anstelle einer
Barrückzahlung der Obligationen Inhaberaktien der ASUAG abgegeben werden
können, d.h. es besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, diese Obligationen
später gegen ASUAG-Aktien einzulösen, doch ist die ASUAG vertraglich nicht
verpflichtet, bei Fälligkeit der Obligationen Aktien zu offerieren. Damit
fehlt es an der rechtlichen Voraussetzung für eine Wandelobligation. Die
Frage, ob in Wandelobligationen potentielle Beteiligungsrechte zu erblicken
und diesen hinsichtlich der Kapitalgewinnsteuer gleich zu stellen sind,
kann somit offen gelassen werden.

    Inhaberobligationen haben mit Aktien wohl den Wertpapiercharakter
gemeinsam. Die wesentlichen Elemente der Mitwirkungsbefugnis und
der Abhängigkeit ihres Wertes vom Gedeihen des Unternehmens fehlen
ihnen jedoch. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen,
dass der Tausch von Aktien in Obligationen im Rahmen einer
Unternehmenskonzentration Stattfand, und dass diese Übernahme
unbestrittenermassen einer wirtschaftlichen Notwendigkeit entsprach,
dass der Tausch somit gewissermassen unter Druck erfolgte; denn der
Certina-Aktionär hatte, nachdem der Übernahmebeschluss gefasst war, keine
Entscheidungsfreiheit mehr. Der Austausch der Wertpapiere ist lediglich
die Folge der im Gesellschaftsbereich gefassten Beschlüsse und bedarf
keiner Willenserklärung des einzelnen Aktionärs. Objektiv betrachtet
liegt somit ein Zwang vor, gleichgültig ob er von ihm gebilligt wird
oder nicht. Der Tausch von Aktien in Obligationen hat hier keine Mittel
verflüssigt, mit denen die Kapitalgewinnsteuer bezahlt werden könnte,
sondern die Fortsetzung der bisherigen Vermögensanlage in einer anderen
Form bezweckt. Wirtschaftlich werden die in den bisherigen Beteiligungen
investierten Vermögenswerte dem fusionierten Unternehmen in gleicher
Weise zur Verfügung gestellt, auch wenn es sich rechtlich gesehen um die
Gewährung eines Darlehens gegen einen festen Zins handelt.

    Indem das Finanz-Departement in seinem Brief davon absah, die
grundsätzlich auf den Obligationen geschuldete Kapitalgewinnsteuer zur Zeit
zu erheben, ging es zwar über den Wortlaut des Art. 37 Abs. 3 StG hinaus;
doch hat es dadurch, dass es die wirtschaftliche Betrachtungsweise wählte,
welche in Anbetracht der Bedeutung der Unternehmenskonzentration für den
Kanton Solothurn und die Uhrenindustrie gerechtfertigt war, und es die
Obligationen wie Beteiligungsrechte behandelte, die fragliche Bestimmung
jedenfalls nicht gegen ihren Sinn und Zweck ausgelegt. Die im Schreiben
vom 29. Januar 1971 enthaltene Auslegung kann somit nicht als ungesetzlich
bezeichnet werden; sie erscheint vielmehr als vernünftig.

Erwägung 2

    2.- Erweist sich die Auslegung, die das Finanz-Departement
Art. 37 lit. b und c StG gibt, als nicht ungesetzlich, so stellt sich
die weitere Frage nach der Bedeutung des Schreibens vom 29. Januar
1971. Die Rekurskommission hat es primär unter dem Gesichtspunkt eines
Rechtsgeschäfts geprüft, es als Steuerabkommen beurteilt und, weil es
der gesetzlichen Grundlage entbehre, als unzulässig erklärt. Ob einer
Steuerabmachung Vertragscharakter zukommt, wie die Steuerkommission
annimmt (so IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77 Bd. II
S. 196a ff.; ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, ebenda S. 552a;
anderer Meinung BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl. S. 275)
ist unerheblich; jedenfalls bezweckt das Steuerabkommen eine für einen
konkreten, einmaligen oder sich wiederholenden Tatbestand geltende, von
den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelung hinsichtlich Bestand,
Umfang oder Art der Erfüllung der Steuerpflicht zu treffen (IMBODEN,
aaO; WEBER, Das verfassungsrechtliche Verbot der Steuerabkommen, ZBl
61/1960 S. 347). Das war mit dem Schreiben vom 29. Januar 1971 jedoch
nicht gewollt. Der Brief hat vielmehr eine Auskunft über die für einen
bestimmten Sachverhalt massgebliche Auslegung des Art. 37 Abs. 3 StG,
welche wie dargetan dem Gesetz nicht widerspricht, zum Inhalt. Er ist
somit als ein Bescheid oder eine Zusage des Finanz-Departements an die
betroffenen Aktionäre zu qualifizieren. Daran vermag die Tatsache,
dass von den Certina-Aktionären eine Gegenzeichnung verlangt wurde,
nichts zu ändern. Offen bleiben kann, ob zwischen Auskunft und Zusage
ein rechtlicher Unterschied besteht; in der Literatur und Judikatur
werden sie hinsichtlich des hier zur Frage stehenden Problems nach den
gleichen rechtlichen Grundsätzen behandelt (IMBODEN, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, 4. Aufl. S. 225; GUENG, Zur Verbindlichkeit
verwaltungsbehördlicher Auskünfte und Zusagen, ZBl 71/1970 S. 451).

Erwägung 3

    3.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verleiht das in Art. 4
BV enthaltene Gebot von Treu und Glauben dem Bürger einen Anspruch auf
Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen und
sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden
(BGE 98 Ia 462 f. mit Verweisungen). Im Steuerrecht, das vom Grundsatz
der Gesetzmässigkeit beherrscht wird, ist das Prinzip von Treu und
Glauben allerdings nur beschränkt anwendbar. Indessen sind auch die
Steuerbehörden an eine verbindlich gegebene Auskunft gebunden; auch sie
haben somit das Verbot widerspruchsvollen Verhaltens zu beachten (ZBl
75/1974 S. 315). Voraussetzung dafür ist, dass a) die behördliche Angabe
sich auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit
beziehe, b) die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, für die
Auskunfterteilung zuständig war, c) der Bürger im Vertrauen auf den
Bescheid eine nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hat
und d) die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung des Tatbestandes noch
die gleiche ist, wie die der Auskunft zugrunde gelegte. War die Auskunft
unrichtig bzw. ungesetzlich, so darf die Unrichtigkeit des Bescheides
nicht ohne weiteres erkennbar gewesen sein (BGE 96 I 15, 99 Ib 101).

    a) Im vorliegenden Fall hatte die Auskunft eine dem Sinn und
Zweck des Gesetzes jedenfalls nicht widersprechende Auslegung zum
Inhalt. Das Vertrauen in eine solche vernünftige Auslegung wäre nur dann
nicht schützenswert und die ausschliesslich vom Wortlaut ausgehende
Auslegung der Rekurskommission könnte nur dann an die Stelle der
dem Sinn und Zweck der Bestimmung und der wirtschaftlichen Bedeutung
des Unternehmungszusammenschlusses für die Uhrenindustrie Rechnung
tragenden Auslegung des Finanz-Departements treten, wenn dieses zum
Bescheid nicht zuständig gewesen wäre, oder wenn die gestützt auf diese
Auskunft getroffene Disposition ohne weiteres rückgängig gemacht werden
könnte. Dass die Angabe vorbehaltlos erteilt worden ist und der Tatbestand
sich in gleicher Weise verwirklicht hat, wie er von den Auskunftsuchenden
dargestellt worden ist, wird nicht bestritten. Auch die Rechtslage hat
sich in der Zwischenzeit nicht geändert.

    b) Was die behördliche Zuständigkeit betrifft, so muss es genügen,
dass der Adressat der Auskunft sich darauf verlassen durfte, die Auskunft
erteilende Amtsstelle sei dafür zuständig. Es kann dem Bürger nicht
zugemutet werden, die verwaltungsinterne Zuständigkeitsordnung bis in
ihre Einzelheiten zu kennen. Neben der zum erstinstanzlichen Entscheid
zuständigen Behörde ist auch die mit Weisungsbefugnis ausgestattete
Oberinstanz als zur Auskunft zuständig zu betrachten, insbesondere
die kantonale Steuerverwaltung auch dort, wo wie im vorliegenden Fall
die Veranlagung der örtlichen Steuerkommission obliegt (BGE 91 I 137
f.). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die Anfragesteller das
kantonale Finanz-Departement als zur Erteilung der fraglichen Zusicherung
vom 29. Januar 1971 zuständig erachten durften, obwohl die Veranlagung
nicht der kantonalen Steuerverwaltung, sondern der Steuerkommission
Grenchen oblag.

    c) Schliesslich ist zu prüfen, ob der verstorbene Ehemann der
Beschwerdeführerin im Vertrauen auf die Auskunft des Finanz-Departements
unwiderrufliche Dispositionen getroffen hat. Die Beschwerdeführerin führt
in dieser Richtung in der staatsrechtlichen Beschwerde - wie vorher schon
im kantonalen Verfahren - aus, Herr Kurth habe seine Certina-Aktien im
Vertrauen auf den Bescheid vom 29. Januar 1971 übertragen. Überdies
hätten die Erben des Adolf Kurth - ebenfalls auf Grund dieser Angabe
- der Personalfürsorgestiftung des Unternehmens eine Vergabung von
Fr. 250'000.-- zukommen lassen. Es Sei fraglich, ob ohne die Zusicherung
der Zusammenschluss in dieser Form zustandegekommen wäre. Jedenfalls hätten
die solothurnischen Aktionäre andere Vertragsbedingungen verlangt, und
möglicherweise hätten die Aktionäre der Certina überhaupt nicht mitgemacht.

    Diese Ausführungen sind von der Kantonalen Rekurskommission weder
in Zweifel gezogen noch widerlegt worden. Vom Steuerpflichtigen darf
auch nicht der volle Beweis dafür verlangt werden, dass er ohne die
gegebene Auskunft anders disponiert hätte: Dass er vor der Disposition
die Auskunft über die steuerliche Behandlung der Transaktion eingeholt
hat, zeigt jedenfalls, dass diese für seinen Entscheid von Bedeutung
war. Daraus erwächst die Vermutung, dass er im Falle eines negativen
Bescheids einen anderen Weg gesucht hätte, um die Besteuerung zu vermeiden
oder zu überwälzen. Dass ein solcher Weg hier nicht hätte gefunden werden
können, wird von der Kantonalen Rekurskommission nicht behauptet und ist
auch unwahrscheinlich. Die Voraussetzung einer nicht wieder rückgängig
zu machenden Disposition ist daher erfüllt.

    d) Das Vertrauen in den vom Finanz-Departement in seinem Brief
vom 29. Januar 1971 erteilten Bescheid, welcher wie dargetan nicht
ungesetzlich ist, ist somit zu schützen und der Entscheid der Kantonalen
Rekurskommission, wonach die Obligationen entgegen dieser Auskunft schon
vor der Verwirklichung einer der darin genannten Voraussetzungen von der
Kapitalgewinnsteuer erfasst werden, aufzuheben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Kantonalen
Rekurskommission Solothurn vom 28. Oktober 1974 aufgehoben.