Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 210



101 Ia 210

37. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1975 i.S. Altmann gegen Kanton
Glarus und dessen Steuer-Rekurskommission. Regeste

    Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht.

    Eigenleistungen beim Bau eines Hauses als steuerbarer
Einkommensbestandteil (E. 1a); Abklärungspflicht der Steuerbehörden
(E. 1b).

Sachverhalt

    A.- Jakob Altmann war als Bauschreiner tätig und bewirtschaftete
daneben ein kleines Heimwesen in Engi. Als er mit etwa 65 Jahren seinen
Hauptberuf aufgab, entschloss er sich zum Bau eines Hauses auf seinem
Land, und führte einen Teil der Arbeiten selbst aus. Bei der Veranlagung
der Staats- und Gemeindesteuern 1973/74, für die nach Art. 53 Abs. 1
des Glarner Steuergesetzes (StG) die Jahre 1971/72 die Bemessungsperiode
bilden, rechnete die Steuerbehörde je Fr. 5'000.-- für Eigenarbeiten am
Neubau des Hauses zum Einkommen. Jakob Altmann erhob am 13. Juli 1973
gegen die Veranlagung eine Einsprache, die am 19. April 1974 von der
Steuerkommission abgewiesen wurde; am 30. Juli 1973 verstarb er. Seine
Erben erhoben gegen den Einspracheentscheid bei der Steuerrekurskommission
des Kantons Glarus Beschwerde, die am 2. April 1975 mit der Begründung
abgewiesen wurde, die Behauptung, es sei keine Eigenarbeit geleistet
worden, entbehre jeder Grundlage, ja die tatsächlich ausgeführten
Eigenarbeiten dürften Fr. 10'000.-- erheblich übersteigen. Hiegegen
haben die Erben des Jakob Altmann gestützt auf Art. 4 BV staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 18 Abs. 1 StG gehören zum steuerbaren Einkommen
sämtliche in Geld oder Geldeswert bestehenden periodischen oder einmaligen
Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, aus Vermögen und aus
anderen Einnahmequellen. In Art. 18 Abs. 2 werden beispielhaft einzelne
Arten von Einkünften aufgezählt, die steuerbares Einkommen bilden. Die
Eigenleistungen beim Bau eines Hauses lassen sich nicht ohne weiteres unter
einen der namentlich genannten Einkommensbestandteile einordnen. Es ist
aber zu berücksichtigen, dass die in Art. 18 Abs. 2 enthaltene Aufzählung
nicht abschliessend ist. Deshalb ist zu prüfen, ob die Eigenleistungen
unter den allgemeinen, sehr weitgespannten Einkommensbegriff von Art. 18
Abs. 1 fallen.

    Für die Unterstellung unter die Einkommenssteuerpflicht ist die Natur
der Leistung massgebend. Mit der Eigenarbeit des Hauseigentümers wird
ein wirtschaftliches Gut geschaffen, das dem Steuerpflichtigen in einem
bestimmten Zeitraum zugefallen ist und sein Vermögen erhöht hat (vgl. BGE
73 I 140 E. 1; KÄNZIG, N. 2 und 15 zu Art. 21 WStB). Das Bundesgericht
hat bei freier Auslegung des Art. 21 WStB, der den Einkommensbegriff
ähnlich weit umschreibt wie das Glarner Steuergesetz, die Eigenarbeit des
Hauseigentümers als steuerbares Einkommen betrachtet (ASA 38 S. 375). Auch
in der Rechtslehre und Rechtsprechung verschiedener kantonaler Behörden
wird die Ansicht vertreten, der Marktwert von Arbeitsleistungen, die
ein fachkundiger Bauherr "an sich selber" erbringt, stelle steuerbares
Einkommen aus einer Tätigkeit dar (KÄNZIG, Wehrsteuer, Ergänzungsband
2. A. 1972, S. 35 mit Hinweisen auf die Praxis).

    Eigenleistungen können nach dem Gesagten nur dann als steuerbares
Einkommen betrachtet werden, wenn dadurch das Vermögen erhöht wird. Die
Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass das hier zutrifft, wo Vater
Altmann nicht bloss Unterhaltsarbeiten an seinem Gebäude ausführte,
sondern nach Aufgabe seines Berufs als Bauschreiner bei der Errichtung
seines Hauses massgeblich mitwirkte. Hat das Bundesgericht in freier
Prüfung bei Anwendung der ähnlichen Vorschrift des Art. 21 WStB solche
Eigenleistungen als steuerbares Einkommen betrachtet, so kann der
Rekurskommission nicht willkürliche Anwendung des StG zur Last gelegt
werden, wenn sie gleich entschied. Aus ähnlicher Überlegung heraus wird
ganz allgemein auch der Mietwert der eigenen Wohnung zum steuerbaren
Einkommen gerechnet, und das Glarner Steuergesetz bezeichnet in Art. 18
Abs. 4 als steuerbare Einkünfte auch die Verwendung eigener Erzeugnisse
und Waren des eigenen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betriebes. Es
entspricht, wie mit Grund anzunehmen ist, der Konzeption des Gesetzes,
auch die Eigenarbeit eines Bauherrn als Bestandteil des Einkommens gelten
zu lassen. Der Einwand der Beschwerdeführer, es fehle an einer gesetzlichen
Grundlage, um die Eigenleistungen zur Steuer heranzuziehen, dringt bei dem
weitgefassten Einkommensbegriff des Art. 18 Abs. 1 StG nicht durch, so
wenig wie er bei Anwendung des Art. 21 WStB durchschlagen konnte. Soweit
es die Beschwerdeführer als willkürlich bezeichnen, Eigenleistungen zur
Steuer heranzuziehen, ist die Beschwerde somit unbegründet.

    b) Die Eigenarbeit kann für die Steuerperiode 1973/74 nur soweit
zur Steuer herangezogen werden, als sie Einkommen der Bemessungsperiode
1971/72 darstellt. Die kantonalen Behörden rechneten für die beiden
Bemessungsjahre mit Eigenleistungen von je Fr. 5'000.--. Der Vater der
Beschwerdeführer machte dagegen schon in seiner Einsprache geltend,
es habe 1971 überhaupt noch kein Neubau bestanden, der Rohbau sei
erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1972 errichtet worden, und
während dieser Zeit sei er, Altmann, mehrere Monate arbeitsunfähig
gewesen. Damit behauptete er sinngemäss, 1971 seien keine und 1972 nur in
geringem Mass Eigenarbeiten ausgeführt worden. In ihrer Beschwerde an die
Rekurskommission beanstandeten die Beschwerdeführer, die Einsprachebehörde
sei überhaupt nicht auf diese Tatsachen eingegangen.

    Die Rekurskommission setzte sich ihrerseits mit dem Vorbringen
nicht auseinander, sondern führte bloss aus, nach der Behauptung der
Beschwerdeführer sei keine Eigenarbeit geleistet worden, doch treffe das
nicht zu, da nach den Erhebungen sowohl Vater Altmann wie dessen Ehefrau
Arbeiten ausgeführt hätten. Die Behörde hätte aber feststellen müssen, ob
Eigenarbeiten im Wert von Fr. 10'000.-- in den Jahren 1971/72 ausgeführt
worden sind. Das bestritten die Beschwerdeführer durch ihre Erklärung, 1971
sei keine Arbeit geleistet worden und 1972 sei Vater Altmann längere Zeit
krank gewesen. Es verstösst gegen Art. 4 BV, dass die Rekurskommission
diesen die Ausführungszeit betreffenden Einwand nicht untersucht hat,
obwohl nach den Akten nie abgeklärt worden ist, ob er richtig war. Die
Beschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen. Die Rekurskommission
wird bei ihrem neuen Entscheid zu prüfen haben, ob die Eigenarbeiten im
Wert von Fr. 10'000.-- ganz oder nur zum Teil in der Bemessungsperiode
1971/72 ausgeführt worden sind, denn nur insoweit kann ihr Wert mit der
Steuer für 1973/74 erfasst werden. Da sich die Arbeiten wahrscheinlich auf
zwei Bemessungsperioden erstreckten, wird die Rekurskommission vermutlich
schätzungsweise bestimmen müssen, welches der Wert der in den Jahren
1971/72 geleisteten Eigenarbeit ist.