Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 101 IA 188



101 Ia 188

33. Urteil vom 17. September 1975 i.S. Küng gegen Regierungsrat des
Kantons Aargau. Regeste

    Art. 4 BV; Strassenzufahrtsbeschränkungen.

    Bewilligung der Einfahrt von einer Hauptstrasse und Verbot der
entsprechenden Ausfahrt: gesetzliche Grundlage (E. 2a); Angemessenheit
(E. 2b); rechtsungleiche Behandlung (E. 3); Widerrufsvorbehalt (E. 4);
Reversanmerkung im Grundbuch (E. 5); Begründungspflicht (E. 6a);
Kostenauflage für die Zufahrtserstellung (E. 6b).

Sachverhalt

    A.- Albert Küng betreibt auf seiner Parzelle Nr. 296 in Hunzenschwil
einen Handel mit Auto-Occasionen. Das Grundstück, auf dem ein kleines
Einfamilienhaus mit Ladenanbau steht, liegt an der schweizerischen
Hauptstrasse Nr. 1 (Bern-Zürich). Nach einem längerem Verfahren erteilte
der Regierungsrat des Kantons Aargau dem Albert Küng die "widerrufliche
Bewilligung zur Anlage einer nach den Anordnungen der Baudirektion und
Polizeidirektion zu gestaltenden Einfahrt von der Landstrasse A in seine
Parzelle Nr. 296 und 297 als Provisorium unter der Bedingung, dass er
einen auf seine Kosten im Grundbuch anzumerkenden Revers betreffend die
entschädigungslose Aufhebung der Einfahrt unterzeichnet und die Kosten
der Einfahrspur übernimmt".

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde gestützt auf Art. 4 BV verlangt Küng
die Bewilligung auch einer Ausfahrt. Er macht eine Verletzung seines
rechtlichen Gehörs geltend und lehnt den Widerrufsvorbehalt und die
Reversauflage als gesetzwidrig und willkürlich ab.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt,
aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ... (Prozessuales)

Erwägung 2

    2.- Der Regierungsrat lehnt die Bewilligung einer Ausfahrt ab,
weil die in Richtung Hunzenschwil fahrenden Fahrzeuge kurz vor der
Abzweigung des Autobahnzubringers die dorthin führende Abbiegespur
überqueren und in vielen Fällen blockieren müssten. Der mit einer
Ausfahrt für das Geschäft des Beschwerdeführers verbundene Vorteil
stände zudem in keinem vernünftigen Verhältnis zu der dadurch für den
Durchgangsverkehr geschaffenen Gefahr, könnten doch die Besucher, welche
in ihrer Anfahrtrichtung zurückfahren wollen, die Gegenfahrbahn nicht ohne
sehr weiten Umfahrungsweg erreichen. Es stelle daher keine Beeinträchtigung
der Interessen des Gesuchstellers dar, wenn Fahrzeuge dessen Liegenschaft
nur über die rückwärtige Erschliessungsstrasse verlassen können.

    a) Der Regierungsrat stützt seine Befugnis, den Gemeingebrauch an
der Strasse für die Anstösser zu beschränken, auf die § 60 und 123 des
Baugesetzes vom 28. Mai 1859 und auf eine Weisung der Baudirektion
vom 30. Dezember 1965 über ein allgemeines Ausfahrtsverbot in die
Landstrasse. Die Liegenschaften sollen von hinten erschlossen und in einem
entsprechend ausgebildeten Knotenpunkt an die Hauptstrasse angeschlossen
werden.

    Dass § 60 des alten Baugesetzes geeignet war, die rechtliche Grundlage
für die Beschränkung von Zu- und Ausfahrten von Überlandstrassen
abzugeben, hat das Bundesgericht wiederholt festgestellt (vgl. ZBl
62/1961 S. 378/79). Das Baugesetz vom 2. Februar 1971 (in Kraft
getreten am 1. Mai 1972) ermächtigt den Regierungsrat ausdrücklich,
wenn es die Verkehrsverhältnisse erfordern, für bestimmte Strassen oder
Strassenstrecken den seitlichen Zutritt und die Zufahrt zu beschränken. Es
ist auch in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt, dass der
Anstösser grundsätzlich kein besonderes Recht auf Benützung einer im
Gemeingebrauch stehenden Strasse hat als jeder andere Bürger (BGE 91 I 408,
mit Hinweisen; MEIER-HAYOZ, N. 166 zu Art. 663 ZGB). Zu- und Abfahrten
können zumindest immer dann untersagt werden, wenn die Bestimmung der
betreffenden Strasse im Interesse der Verkehrssicherheit eine solche
Massnahme rechtfertigt.

    b) Wie es sich vorliegenden Fall damit verhält, hat die
bundesgerichtliche Delegation in einem Augenschein abgeklärt. Es ergab
sich dabei, dass trotz der parallel geführten N 1 die Hauptstrasse
Nr. 1 auf dieser Strecke einen erheblichen Verkehr aufweist. Einmal ist
der Lokalverkehr zwischen Aarau, Lenzburg, dem Freiamt und dem Seetal,
der sich vorzugsweise nicht über die Autobahn abwickelt, gross. Dann
blieb der Verkehr aus dem Fricktal in Richtung Seetal und Freiamt der
Landstrasse erhalten, und schliesslich hat die Autobahnzufahrt, die in
unmittelbarer Nähe der Liegenschaft Küng von der Hauptstrasse abzweigt,
ein beträchtliches Einzugsgebiet. Zur Inbetriebnahme der N 1 musste daher
der erste Kilometer der Hauptstrasse vom Dorfkern aus in Richtung Osten
entsprechend dieser Verkehrsbelastung ausgebaut werden.

    Die Beschränkung der seitlichen Zufahrten ist in einer solchen
Situation zwingend. Die von den kantonalen Instanzen getroffenen Massnahmen
sind sachlich durchaus begründet und daher keinesfalls willkürlich. Es
fehlt auch nicht an einer rückwärtigen Erschliessung der fraglichen
Liegenschaft.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer versucht eine rechtsungleiche Behandlung
nachzuweisen, indem er eine Reihe von Fällen nennt, wo seines Erachtens
die Anstösser günstiger behandelt worden sind. Nun trifft zwar zu, dass
an Hauptstrassen - auch in der Nähe von Autobahnzubringern - Zufahrten
zu Tankstellen erlaubt worden sind. Tankstellen müssen jedoch gemäss
ihrer Funktion in unmittelbarer Verbindung zur Strasse stehen, da sie
ihre Dienste dem darauf rollenden Verkehr unmittelbar anbieten; selbst an
Autobahnen sind sie ausnahmsweise erlaubt. Der Betrieb einer Tankstelle,
die von der Hauptstrasse aus nur über eine seitliche Erschliessungsstrasse
zu erreichen ist, wäre geradezu undenkbar. Dass Tankstellen dennoch nur
beschränkt zugelassen werden, ist allgemein bekannt.

    Der Auto-Occasionshandel, wie er offenbar noch jetzt auf der fraglichen
Liegenschaft betrieben wird, wendet sich ebenfalls ans Publikum. Die
angebotenen Dienste stehen jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang
mit der Verkehrsabwicklung. Der mögliche Käufer oder Verkäufer eines
Occasionsautos wird zwar allenfalls durch die angebotenen Wagen aufmerksam
gemacht. Will er aber ein entsprechendes Geschäft tätigen, spielt die
Art der Zufahrt keine entscheidende Rolle; noch weniger kommt es auf die
Wegfahrtmöglichkeit an. Die von der Verwaltungspraxis der aargauischen
Behörden gemachten Unterschiede sind daher durchaus gerechtfertigt,
sodass der Vorwurf der rechtsungleichen Behandlung unbegründet ist.

Erwägung 4

    4.- Der vom Regierungsrat vorbehaltene freie Widerruf der auf Zusehen
hin erteilten Bewilligung der direkten Einfahrt auf das Grundstück von
der Hauptstrasse her bedeutet keineswegs, dass der Beschwerdeführer
der Willkür preisgegeben ist. Die Behörde kann in einem solchen Fall
die erteilte Erlaubnis nur zurücknehmen, wenn die bei der Erteilung
vorhandenen Voraussetzungen wegfallen. Im vorliegenden Fall wurde die
Einfahrt in die fragliche Liegenschaft erlaubt, weil hiefür heute eine
Fahrspur auf der Strasse noch vorbehalten werden kann. Die Erlaubnis
kann und muss indessen zurückgenommen werden, wenn die Erweiterung
der Strassenanlage nötig wird oder sich aus der Erlaubnis erhebliche
Unzukömmlichkeiten für den Verkehr ergeben. Zwischen einem "freien"
und einem Widerruf schlechthin besteht kaum ein rechtlicher, sondern
eher ein psychologischer Unterschied. Die bewilligende Behörde macht
damit den Bewilligungsempfänger darauf aufmerksam, dass er mit einiger
Wahrscheinlichkeit mit einem späteren Widerruf rechnen muss. Es ist nicht
einzusehen, weshalb in diesem Sinne ein freier Widerrufsvorbehalt nicht
zulässig sein sollte. Wenn schon heute die rechtlichen Grundlagen bestehen,
um die Bewilligung schlechthin zu versagen, so sind sie auch für später
gegeben, wenn die Verkehrszunahme einen weiteren Strassenausbau erfordert
oder wenn das Entgegenkommen zu Verkehrsstörungen oder -gefährdungen führt.

Erwägung 5

    5.- Der Regierungsrat macht die Bewilligung von der Unterzeichnung
eines im Grundbuch anzumerkenden Reverses abhängig, worin der
Bewilligungsempfänger den Widerrufsvorbehalt anerkennen und auf allfällige
Entschädigungsansprüche verzichten soll. Man kann nach den praktischen
Auswirkungen eines solchen Reverses fragen. Dieser dient eher der Klärung
als einer Änderung der Rechtslage (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche
Vertrag, ZSR 77/1958 I S. 190a; HAAB, N. 11 zu Art. 680 ZGB). Insofern
hat er auch im öffentlichen Baurecht eine erhebliche Bedeutung.

    Die Verfassungsmässigkeit eines Beseitigungsreverses hängt davon ab,
ob die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Bewilligung - hier der
Zufahrt von und zu der fraglichen Liegenschaft - gegeben sind (BGE 99
Ia 485 E. 3). Dass dies vorliegend der Fall ist, wurde bereits in Erw. 2
festgestellt. Mit der Zulassung der Einfahrt von der Strasse her wich der
Regierungsrat vom Postulat ab, dass im Interesse der Verkehrssicherheit
der Seitenverkehr nur an wenigen, entsprechend ausgestalteten Knoten in
die Hauptstrasse geführt werden sollte. Er konnte das unter Vorbehalt
veränderter Verhältnisse und praktischer Bewährung zur Not auch tun.

    Die erteilte Bewilligung ist in diesem Sinne prekaristisch und kann
daher jederzeit und ohne weitere Entschädigung zurückgenommen werden,
falls sich später eine andere Regelung aufdrängt. Dass diese Rechtslage
zum voraus im Revers festzuhalten ist, stellt für den Bewilligungsempfänger
keine untragbare Zumutung dar.

Erwägung 6

    6.- Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, der Regierungsrat habe die
Verfügung, wonach der Gesuchsteller die Herstellungskosten der Zufahrt auf
sein Grundstück zu übernehmen habe, nicht begründet und die Kostenauflage
sei willkürlich.

    a) Es trifft zu, dass der Regierungsrat die Kostenpflicht nicht näher
begründet hat. Er ging wohl davon aus, dass diese selbstverständlich
sei und dass der Beschwerdeführer im früheren Stadium des Verfahrens die
Kostenübernahme selbst angeboten habe. Unter diesen Umständen fällt ein
Begründungszwang ausser Betracht. Der Beschwerdeführer war offensichtlich
selbst einmal der Überzeugung, dass er zur Kostenübernahme verpflichtet
sei. Es bestand daher kein Anlass, darüber nochmals Ausführungen zu machen.

    b) Dass der Empfänger einer Sonderbewilligung dem Strasseneigentümer
die Aufwendungen für bauliche Vorkehren zu seinen eigenen Gunsten ersetzen
muss, ist gerechtfertigt. Es ginge nicht an, bauliche Massnahmen zu
Gunsten eines Privaten aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren (WICKI,
Die öffentliche Strasse und ihre Benützung, S. 85). Die Erstellung der Zu-
und Wegfahrt ist Sache des Eigentümers; wird ihm die Arbeit abgenommen,
hat er die entstandenen Kosten zu übernehmen (ZIMMERLIN, Bauordnung der
Stadt Aarau, S. 245). Die Beschwerde ist somit auch in dieser Hinsicht
offensichtlich unbegründet.